Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 29.06.1999, Az.: 4 W 99/99
Bestehen von Ausgleichsansprüchen infolge eines Verlöbnisses oder einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft; Bereicherungsanspruch wegen Zweckverfehlung; Anwendung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage auf Verlobte
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 29.06.1999
- Aktenzeichen
- 4 W 99/99
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1999, 31408
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1999:0629.4W99.99.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hildesheim - 10.02.1999 - AZ: 3 O 467/98
Rechtsgrundlagen
- § 114 ZPO
- § 127 Abs. 2 ZPO
- § 812 Abs. 1 BGB
Fundstellen
- NJW-RR 2000, 1675-1676 (Volltext mit amtl. LS)
- OLGReport Gerichtsort 1999, 323-325
In dem Prozesskostenhilfeverfahren
...
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 8. März 1999
gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom 10. Februar 1999
durch
den Vorsitzenden Richter ... sowie
den Richter am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Landgericht ...
am 29. Juni 1999
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der angefochtene Beschluss - unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels - teilweise wie folgt abgeändert:
Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe bewilligt für die von ihr beabsichtigte Klage nach einem Streitwert von bis zu 14.000 DM.
Gleichzeitig wird ihr aufgegeben, ... DM monatlich, beginnend am 15. Juli 1999, zu zahlen, solange das Gericht nichts Anderes bestimmt. Unabhängig von der Zahl der Rechtszüge sind in einem Rechtsstreit jedoch nicht mehr als 48 Monatsraten zu zahlen.
Die Folgeraten sind jeweils bis zum 15. eines jeden Monats zu zahlen.
Eine Zahlungsaufforderung wird der Zahlungspflichtigen in Kürze übersandt.
Die Entscheidung über die Beiordnung eines beim Landgericht Hildesheim zugelassenen Rechtsanwalts wird dem Landgericht übertragen.
Gründe
Die Beschwerde der Antragstellerin ist teilweise begründet.
Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache teilweise Erfolg.
Gemäß § 114 ZPO kann einer Partei dann Prozesskostenhilfe bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Diese Voraussetzungen sind jedenfalls hinsichtlich eines Streitwertes von bis zu 14.000 DM gegeben.
Ausgleichsansprüche gegen den Antragsgegner können der Antragstellerin nicht nur im Fall eines Verlöbnisses mit dem Antragsgegner zustehen, sondern auch dann, wenn zwischen beiden lediglich eine nicht eheliche Lebensgemeinschaft bestanden hat.
1.
In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 1992, 427) hat das Landgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass ein Bereicherungsanspruch wegen Zweckverfehlung nicht besteht. Nach den getroffenen Feststellungen lässt sich insgesamt nicht ausschließen, dass Leistungszwecke i.S.v. § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB lediglich das Zustandekommen der Ehe und die Benutzung des Hauses als Familienheim gewesen sind; diese Zwecke sind jedoch erreicht worden, sodass Ansprüche nach § 812 BGB ausscheiden.
2.
Nach der Rechtsprechung des BGH (a.a.O.) können jedoch die für Leistungen während einer Ehe entwickelten Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage auf Leistungen unter Verlobten übertragen werden. Wenn Leistungen erheblichen Umfangs in der Verlobungszeit dazu dienen, die Voraussetzungen für die Verwirklichung der später tatsächlich zustande gekommenen ehelichen Lebensgemeinschaft zu schaffen, ohne dass besondere Abreden getroffen worden sind oder die Leistungen bei Scheitern der Ehe gesetzlich, insbesondere durch den Zugewinnausgleich, ausgeglichen werden, ist die Interessenlage durchaus vergleichbar mit derjenigen bei unbenannten Zuwendungen unter Ehegatten im Güterstand der Gütertrennung. Verlobte stehen bereits in einem rechtlich geregelten personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis, was das Verlöbnis von der nicht ehelichen Lebensgemeinschaft abhebt. Dieser nach dem Scheitern der späteren Ehe erwachsene Ausgleichsanspruch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage steht der Anspruchstellerin nicht nur hinsichtlich eigener Arbeitsleistungen zu, sondern auch hinsichtlich der Arbeitsleistungen naher Familienangehöriger (§§ 1624, 328 BGB). Dieser Ausgleichsanspruch hat ergänzenden Charakter und kann nur Werte zum Gegenstand haben, die nicht dem eigentlichen Zugewinnausgleich unterfallen, sie können lediglich Investitionen erfassen, die vor der Eheschließung erbracht worden sind. Das gilt für die durch die vorehelichen Leistungen der Antragstellerin und naher Familienangehöriger bewirkte Wertsteigerung des Grundstückes, weil diese bereits in das Anfangsvermögen des Antragsgegners (§ 1376 Abs. 1 BGB) eingegangen ist und damit keinen auszugleichenden Zugewinn (§ 1373 BGB) darstellt. Nach dem Scheitern der Ehe ist der Antragstellerin nicht zuzumuten, dem Beklagten diesen Vorteil zu belassen, da sie ohne eigene Vermögensmehrung im Hinblick auf die künftige Ehe Leistungen erbracht hat, deren Früchte nach dem Ausgleichsmechanismus des Zugewinnausgleichs allein dem Beklagten verbleiben würden. Es bietet sich daher an, den ergänzenden Ausgleichsanspruch grundsätzlich danach zu bemessen, was sich für die Klägerin als Mehr an Zugewinnausgleich ergeben würde, wenn im Anfangsvermögen des Antragsgegners das Hausgrundstück nur mit dem geringeren Wert angesetzt würde, den es im Zeitpunkt der Eheschließung ohne die vorehelichen Leistungen der Antragstellerin und ihrer nahen Familienangehörigen gehabt hätte (BGH NJW 1992, 427, 429) [BGH 02.10.1991 - XII ZR 145/90].
Die Antragstellerin hat in der Beschwerdeinstanz zu den vom Landgericht nach zu Recht vermissten Angaben hinsichtlich des Zeitpunktes des Verlöbnisses ergänzenden Vortrag gehalten und ihre Behauptung unter Beweis gestellt. Dieser ergänzende, vom Antragsgegner allerdings bestrittene Vortrag der Antragstellerin rechtfertigt es, die hinreichende Erfolgsaussicht der von ihr beabsichtigten Klage jedenfalls dem Grunde nach zu bejahen.
Hinsichtlich der Höhe der beabsichtigten Klage sind Erfolgsaussichten jedoch nur wegen einer Forderung bis zu 14.000 DM hinreichend gegeben. Maßgeblich für die Berechnung des Ausgleichsanspruches ist der Wert des Grundstückes, nicht aber der Wert der von der Antragstellerin geltend gemachten Arbeitsleistungen, die sich kaum spiegelbildlich in einer entsprechenden Erhöhung des Verkehrswertes niederschlagen. Hinzu kommt, dass die Antragstellerin für die von ihr geltend gemachten Arbeitsleistungen einen Stundenlohn von 60 DM geltend macht, der weit überhöht ist.
Andererseits ist nicht von der Hand zu weisen, dass eine Wertsteigerung des Grundstückes eingetreten ist, der auch auf die Arbeitsleistungen der Antragstellerin zurückzuführen sind und zu dem Verkaufserlös von insgesamt 326.500 DM geführt haben.
Den Beweis eines Verlöbnisses mit dem Antragsgegner unterstellt, könnte ein Ausgleichsanspruch der Antragstellerin nach folgender Berechnung hinreichende Erfolgsaussicht haben:
Endvermögen des Antragsgegners
Verkaufserlös | 326.500,00 DM |
---|---|
abzüglich verkauftes Inventar (§ 287 ZPO) | 5.000,00 DM |
321.500,00 DM | 321.500,00 DM |
abzüglich Darlehensverbindlichkeiten (unstreitig) | 113.200,00 DM |
abzüglich Darlehensverbindlichkeiten (unstreitig) | 24.483,84 DM |
183.816,16 DM | |
zuzüglich Sparbuch Volksbank (unstreitig) | 10,88 DM |
zuzüglich Sparbuch Kreissparkasse (unstreitig) | 19.059,00 DM |
zuzüglich Wert des Motorrades (unstreitig) | 5.000,00 DM |
Kapitallebensversicherung bei der R + V Versicherung | |
(Vortrag des Antragsgegners) | 5.625,44 DM |
Überschussbeteiligung wie vor (Vortrag des Antragsgegners) | 2.128,01 DM |
DEVK Kapitallebensversicherung (Vortrag des Antragsgegners) | 5.386,83 DM |
Überschussguthaben hieraus (Vortrag des Antragsgegners) | 199,46 DM |
202.186,37 DM | |
abzüglich Anfangsvermögen des Antragsgegners (unstreitig) | 144.044,00 DM |
58.142,37 DM | |
abzüglich Zugewinn der Antragstellerin | 5.133,69 DM |
53.008,68 DM. |
Von diesem Betrag steht der Antragstellerin ein hälftiger Zugewinnausgleich zu in Höhe von 26.504,34 DM, auf den der Antragsgegner bereits 13.774,34 DM gezahlt hat, sodass ein restlicher Ausgleichsanspruch der Antragstellerin in Höhe von 12.730 DM verbleibt.
3.
Auch wenn der Antragstellerin der Nachweis eines Verlöbnisses nicht gelingen sollte, also nur eine nicht eheliche Lebensgemeinschaft bestanden hat, sind entgegen der Ansicht des Landgerichtes Ausgleichsansprüche nicht generell ausgeschlossen. Auch bei einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft kommt mangels einer dahin gehenden Vereinbarung ein Anspruch analog den §§ 730 f. BGB in Betracht (BGH NJW 1992, 427; FamRZ 1996, 1141; Urteil vom 25. September 1997 - II ZR 269/96). Bei einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft stehen die persönlichen Beziehungen derart im Vordergrund, dass sie auch das die Gemeinschaft betreffende vermögensmäßige Handeln der Partner bestimmen und daher nicht nur in persönlicher, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht keine Rechtsgemeinschaft besteht. Wenn die Partner nicht etwas Besonderes unter sich geregelt haben, werden dementsprechend persönliche und wirtschaftliche Leistungen nicht gegeneinander aufgerechnet. Ein Ausgleichsanspruch nach den Vorschriften über die bürgerlich-rechtliche Gesellschaft kann allerdings bestehen, wenn die Partner einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten einen entsprechenden Gesellschaftsvertrag geschlossen haben. Auch wenn ein ausdrücklich oder stillschweigend geschlossener Gesellschaftsvertrag nicht vorliegt, bejaht der BGH die Möglichkeit, im Bereich der nicht ehelichen Lebensgemeinschaft unter Umständen gesellschaftsrechtliche Grundsätze anzuwenden. Das gilt u.a. für den Fall, dass beide Partner durch gemeinsame Leistungen zur Schaffung eines Vermögenswertes von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung, insbesondere zum Bau und zur Erhaltung eines zwar auf den Namen des einen Partners eingetragenen, aber als gemeinsames Vermögen betrachteten Anwesens beigetragen hatten (BGH WM 1992, 610). Mindestvoraussetzung dafür, derartige Regeln in Betracht zu ziehen ist aber, dass die Parteien überhaupt die Absicht verfolgt haben, mit dem Erwerb des Vermögensgegenstandes einen - wenn auch nur wirtschaftlich - gemeinschaftlichen Wert zu schaffen, der von ihnen für die Dauer der Partnerschaft nicht nur gemeinsam benutzt werden würde, sondern ihnen nach ihrer Vorstellung auch gemeinsam gehören sollte. Soweit sich die Absicht der gemeinschaftlichen Wertschöpfung nicht bereits aus den getroffenen Absprachen oder etwa aus Äußerungen des dinglich alleinberechtigten Partners gegenüber Dritten zweifelsfrei ergibt, können im Rahmen einer Gesamtwürdigung wesentliche Beiträge des Partners, der nicht (Mit-)Eigentümer ist, einen Anhaltspunkt für eine gemeinschaftliche Wertschöpfung bilden. Ob das der Fall list, hängt insbesondere von der Art des geschaffenen Vermögenswertes und den finanziellen Verhältnissen der beiden Partner in der konkreten Lebensgemeinschaft ab.
Hierzu müsste das Landgericht noch Feststellungen treffen.