Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 01.06.1999, Az.: 2 U 228/98

Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe; Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
01.06.1999
Aktenzeichen
2 U 228/98
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1999, 30774
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1999:0601.2U228.98.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hildesheim - AZ: 3 O 155/98

Fundstellen

  • MDR 1999, 1434-1435 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW-RR 2000, 874
  • NJW-RR 2000, 873-874 (Volltext mit red. LS)
  • NZM 2000, 621-622
  • OLGReport Gerichtsort 1999, 283

In dem Rechtsstreitverfahren
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ...
und der Richter am Oberlandesgericht ... und ...
am 1. Juni 1999
beschlossen:

Tenor:

Den Beklagten wird die nachgesuchte Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren gerichtsgebührenfrei versagt; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1

Die Rechtsverteidigung der Beklagten im Berufungsverfahren bietet nach dem für das Prozesskostenhilfegesuch maßgeblichen Sach- und Streitstand im Zeitpunkt des Eingangs des Prozesskostenhilfeantrages vom 12. Mai 1999 keine Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO.

2

Das Landgericht hat die Beklagten im Ergebnis zu Recht verurteilt, die von den Klägern auf den Gaststätteninventarkaufvertrag vom 5. Juni 1997 geleistete Kaufpreisanzahlung in Höhe von 25.000,00 DM zurückzuzahlen.

3

Es kann offen bleiben, ob mit dem Landgericht hinsichtlich des Inventarkaufvertrages von einer Zweckverfehlung im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Alternative BGB auszugehen ist, welche die Kläger zur Rückabwicklung des Kaufvertrages nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung berechtigte. Zumindest ist die Geschäftsgrundlage des Inventarkaufvertrages durch die wirksame fristlose Kündigung des Gaststättenmietvertrages seitens der Kläger mit Schreiben vom 7. Oktober 1997 nachträglich weggefallen, weil die Parteien mit dem Kaufvertrag und dem am selben Tage abgeschlossenen Gaststättenmietvertrag ausschließlich denselben wirtschaftlichen Zweck verfolgten, nämlich den Klägern in den angemieteten Räumen und unter Verwendung des verkauften Inventars den Betrieb einer Speisegaststätte zu ermöglichen. Es entsprach der gemeinsamen Vorstellung beider Parteien bei Abschluss des Kaufvertrages, dass das Inventar als Kaufgegenstand für die Kläger nur im Zusammenhang mit dem Betrieb der streitbefangenen Gaststätte von Nutzen war. Auf Grund der von den Beklagten zu vertretenden vorzeitigen Beendigung des auf fünf Jahre abgeschlossenen Mietverhältnisses bereits ca. drei Monate nach Mietbeginn am 1. Juli 1997 ist die Geschäftsgrundlage des Kaufvertrages wesentlich berührt worden. Die notwendige Anpassung der vertraglichen Vereinbarungen mit Rücksicht auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage führt dazu, den Klägern das Recht zum Rücktritt von den kaufvertraglichen Vereinbarungen zuzubilligen. Dieses Rücktrittsrecht haben sie gegenüber den Beklagten im Anwaltsschreiben vom 7. Oktober 1997 neben der fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses konkludent mit der Aufforderung geltend gemacht, den geleisteten Kaufpreisteil von 25.000,00 DM an die Kläger zurückzuzahlen. Unstreitig haben die Kläger anlässlich der Räumung des Mietobjekts das Inventar an die Beklagten zurückgegeben, welche ab dem 1. April 1998 die Gaststättenräume anderweitig vermietet haben.

4

Es kann offen bleiben, ob das Landgericht allein auf der Grundlage des Vorbringens im ersten Rechtszug mit Recht davon ausgehen durfte, dass der Landkreis ... den Betrieb der Speisegaststätte in dem Mietobjekt wegen solcher Mängel untersagt hat, für die die Beklagten als Vermieter einzustehen hatten.

5

Jedenfalls steht auf Grund der von dem Senat im Wege prozessleitender Verfügung eingeholten Auskunft des Landkreises ... fest, dass bei einer Überprüfung der Gaststättenräume am 30. September 1997 durch den Fachdienst Veterinärwesen - Lebensmittelüberwachung - festgestellt worden ist, dass sowohl der lebensmittelhygienische als auch der bauliche Zustand der Lebensmittelbehandlungsräume in der Gaststätte eine weitere Behandlung von Lebensmitteln nicht zulassen. Aus diesem Grund hat der Landkreis ... das Ordnungsamt der Stadt ... mit Schreiben vom gleichen Tage darüber informiert, dass die vorläufige Erlaubnis zum Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft widerrufen werden müsse und dass eine erneute Inbetriebnahme erst dann wieder erfolgen könne, wenn u.a. eine erneute Überprüfung hinsichtlich des baulichen Zustandes erfolgt sei.

6

Bei dieser Sachlage war die fristlose Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 7. Oktober 1997 gemäß § 542 Abs. 1 BGB gerechtfertigt. Die Gaststättenräume waren nämlich mit einem Mangel behaftet, weil auch auf Grund des baulichen Zustandes der Küchenräume in der Gaststätte behördliches Einschreiten in Form des Widerrufs der vorläufigen Gaststättenerlaubnis drohte. Die Beklagten haben für diesen mangelhaften baulichen Zustand gemäß § 537 Abs. 1 BGB als Vermieter einzustehen, weil sie im Rahmen ihrer Hauptleistungspflicht gemäß §§ 535, 536 BGB verpflichtet waren, den Klägern als Mietern den Gebrauch der Gaststättenräume in einem für den vorgesehenen gewerblichen Zweck zur Nutzung als Speisegaststätte grundsätzlich geeigneten Zustand zu überlassen. In diesem Zusammenhang kommt der Regelung in der AGB-Klausel gemäß § 1 Ziff. 4 Satz 2 Mietvertrag keine Bedeutung zu, wonach der Mieter behördliche Auflagen auf eigene Kosten zu erfüllen hat. Eine darin liegende zumindest teilweise formularmäßige Freizeichnung des Vermieters benachteiligt den Mieter entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und hält daher einer Inhaltskontrolle nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AGBG nicht Stand. Durch die Klausel wird das Risiko für den Widerruf der vorläufigen Gaststättenkonzession auch dann auf den Mieter abgewälzt, wenn die Genehmigung aus Gründen widerrufen werden muss, die mit der Beschaffenheit und der Lage des Mietobjekts im Zusammenhang stehen und die nach der gesetzlichen Regelung in den Risikobereich des Vermieters fallen. Nach dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen über die Gewährleistung des Vermieters und das Kündigungsrecht des Mieters muss der Mieter aber in einem solchen Fall zumindest von der Verpflichtung zur Mietzinszahlung befreit sein (§ 537 BGB) und es muss ihm das Recht zur fristlosen Kündigung des Mietvertrages nach § 542 BGB zustehen (vgl. BGH NJW 1988, 2664, 2665) [BGH 22.06.1988 - VIII ZR 232/87]. Zwar wird in der Auskunft des Landkreises ... vom 16. April 1999 ausgeführt, dass der lebensmittelhygienische und bauliche Zustand der Lebensmittelbehandlungsräume eine weitere Behandlung von Lebensmitteln nicht zuließen. Unabhängig von den Wechselwirkungen eines unzureichenden baulichen Zustandes der Küchenräume einerseits und eines mangelhaften lebensmittelhygienischen Standards andererseits haben die Beklagten jedenfalls ihre Kardinalpflicht zur Überlassung der Mieträume in einem für den Betrieb einer Speisegaststätte geeigneten baulichen Zustand verletzt. Mit Anwaltsschreiben vom 30. September 1997 haben die Kläger den mangelhaften baulichen Zustand gerügt und insbesondere darauf hingewiesen, dass die Lebensmittelüberwachung keine Öffnung der Gaststätte erlaube. Es kann offen bleiben, ob die im Einzelnen vorgetragenen Mängel sämtlich vorhanden waren. Für die Feststellung eines Mangels genügt jedenfalls die Ankündigung behördlichen Einschreitens auf Grund eines beanstandeten baulichen Zustandes der für die Lebensmittelbehandlung vorgesehenen Gaststättenräume. Es kann dahinstehen, ob. im Allgemeinen eine fristlose Kündigung wegen Mängeln der vermieteten Gewerberäume bereits zulässig ist, wenn der Vermieter der Aufforderung nicht Folge leistet, innerhalb von drei Tagen schriftlich zu erklären, dass er die Mängel unverzüglich in spätestens zwei Wochen beseitigt. Indessen haben die Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 2. Oktober 1997 nicht nur die behaupteten baulichen Mängel in der Gaststätte bestritten, sondern ausdrücklich geltend gemacht, das bis zum "heutigen" Tage in der Gaststätte keine Mängel aufgetreten seien. Bei dieser Sachlage durften die Kläger davon ausgehen, dass der Vermieter die Abhilfe innerhalb einer angemessenen Frist ernstlich und endgültig verweigert hatte, sodass die fristlose Kündigung mit Anwaltsschreiben vom 7. Oktober 1997 gerechtfertigt war. Mit dem Zugang dieses Schreibens ist die Geschäftsgrundlage des Inventarkaufvertrages entfallen.

7

Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob die Beklagten die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfüllen.

8

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO, 1 GKG.