Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 29.08.2017, Az.: 10 A 5379/17

ärztliches Attest; Erbstreitigkeiten; familiäre Auseinandersetzung; Gambia; PTBS; Zusammenhang mit Verfolgungsgründen

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
29.08.2017
Aktenzeichen
10 A 5379/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 53662
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Androhung seiner Abschiebung und begehrt die Zuerkennung von internationalem Schutz und die Feststellung von Abschiebungshindernissen.

Der Kläger ist eigenen Angaben zufolge 1998 geboren, gambischer Staatsangehöriger von der Ethnie der Mandingo und am 16. April 2016 in das Bundesgebiet eingereist. Am 26. Januar 2017 beantragte er vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) formell seine Anerkennung als Asylberechtigter. Bei der Anhörung gab er an, er sei nach dem Tode seines Vaters 2008 um dessen Erbe gebracht worden. Sein Vater habe Geschäfte und Häuser besessen, die ihm ein Onkel väterlicherseits vorenthalten habe. Als er seinen Anspruch auf den Erbteil geltend gemacht habe, sei er geschlagen und bedroht und schließlich aus dem eigenen Haus vertrieben worden. Daher habe er 2013 das Land verlassen, um irgendwo sein Glück zu finden.

Mit Bescheid vom 23. Mai 2017 lehnte das Bundesamt den Asylantrag und den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und von subsidiärem Schutz ab, stellte aber fest, dass ein Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG vorliege. Der Kläger habe keine asylrelevante Verfolgung dargelegt, sondern innerfamiliäre Probleme, die keine Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3 a AsylG darstellten. Er habe außerdem fünf Jahre nach dem Tod seines Vaters unter den geschilderten Umständen gelebt, ohne zu fliehen, was Zweifel an der Schwere der Situation aufwerfe.

Der Kläger hat am 14. Juni 2017 rechtzeitig Klage erhoben, die er schriftlich nicht näher begründet hat.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 23. Mai 2017

zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

hilfsweise zu verpflichten, ihm internationalen subsidiären Schutz zuzuerkennen,

weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestehen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich unter Bezugnahme auf den angefochtenen Bescheid,

die Klage abzuweisen.

Wegen des weiteren Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen. Der Inhalt sämtlicher Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

I. Die Entscheidung ergeht durch den Einzelrichter, dem die Kammer den Rechtsstreit mit Beschluss vom 21. Juni 2017 zur Entscheidung übertragen hat (§ 76 Abs. 1 AsylG). Sie kann trotz Ausbleibens des Klägers und der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung ergehen, weil die Beteiligten form- und fristgerecht geladen worden sind und in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass auch im Fall des Ausbleibens eines Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).

II. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Ebenso wenig hat er Anspruch auf internationalen subsidiären Schutz und die Feststellung von Abschiebungshindernissen. Der ablehnende Bescheid erweist sich insoweit als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, weil er nicht glaubhaft gemacht hat, dass er wegen eines der in § 3 b AsylG aufgeführten Gründe in seinem Heimatstaat mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3 a AsylG befürchten muss. Er hat selbst vorgetragen, dass er nach dem Tod seines Vaters von seiner Mutter unterstützt wurde und sein Onkel väterlicherseits ihnen das Erbe seines Vaters vorenthalten habe. Er habe sich letztlich entschlossen, das Land zu verlassen und irgendwo sein Glück zu finden. Darin liegt aber keine Flucht vor drohender Verfolgung im Sinne des § 3 a AsylG, die die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begründet. Selbst wenn der Kläger von seinem Onkel bedroht und geschlagen worden ist, nachdem er seinen Erbteil geltend gemacht hat, liegen darin lediglich innerfamiliäre Streitigkeiten, denen jedenfalls der in § 3 a Abs. 3 AsylG geforderte Zusammenhang mit einem der in § 3 b genannten Verfolgungsgründe fehlt. Auch in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger einen solchen Zusammenhang nicht dargelegt; schon die Schilderung der familiären Auseinandersetzungen war oberflächlich und in sich teilweise widersprüchlich.

3. Das Vorbringen des Klägers begründet auch keinen Anspruch auf internationalen subsidiären Schutz nach § 4 AsylG, weil weder der Umstand, dass ihm sein Erbteil von einem Familienangehörigen vorenthalten wird, noch die von dem Kläger infolgedessen geschilderte Armut einen ernsthaften Schaden im Sinne von § 4 AsylG darstellt.

3. Auch Abschiebungshindernisse i. S. d. § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG sind nicht gegeben. Soweit der Kläger unter Vorlage eines ärztlichen Attestes geltend macht, an einer posttraumatischen Belastungsstörung zu leiden, ist dieses nicht geeignet, die in § 60 a Abs. 2 c AufenthG begründete gesetzliche Vermutung zu widerlegen, dass einer Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Denn aus dem Attest ergibt sich mit hinreichender Sicherheit nur, dass sich der Kläger aufgrund der Diagnose durch einen Allgemeinmediziner zur näheren Diagnostik in das psychosoziale Zentrum des Netzwerks für traumatisierte Flüchtlinge begeben hat. Eine fachlich-medizinische Beurteilung eines gesicherten Krankheitsbildes ergibt sich daraus ebenso wenig wie eine ärztliche Beurteilung der Folgen, die sich aus der krankheitsbedingten Situation bei einer Abschiebung voraussichtlich ergeben könnten.

4. Schließlich ist auch die Abschiebungsandrohung rechtmäßig ergangen. Da die von § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 AsylG vorgesehenen Voraussetzungen vorliegen und auch nicht ersichtlich ist, dass der Kläger einen Aufenthaltstitel besitzt (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG), war die Beklagte zuständig, die Abschiebungsandrohung zu erlassen. Ernstliche Zweifel daran, dass die übrigen Anforderungen des § 34 Abs. 2 AsylG von der Beklagten nicht beachtet wurden, bestehen nicht.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden aufgrund von § 83 b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.