Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 10.10.2007, Az.: 9 K 5/07
Voraussetzungen für die Gewährung des Sonderausgaben-Vorwegabzugs bei einem an einer Gesellschaft beteiligten Geschäftsführer; Zulässigkeit der Kürzung des Sonderausgaben-Vorwegabzugs
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 10.10.2007
- Aktenzeichen
- 9 K 5/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 48573
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2007:1010.9K5.07.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 02.09.2008 - AZ: X R 17/08
Rechtsgrundlagen
- § 10 Abs. 1 EStG
- § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG
Fundstellen
- DStRE 2008, 1250-1252 (Volltext mit amtl. LS)
- NWB direkt 2008, 4
- StX 2008, 553-554
- Jurion-Abstract 2007, 228720 (Zusammenfassung)
Amtlicher Leitsatz
Orientierungssatz:
Kürzung des Vorwegabzugs bei Gesellschafter-Geschäftsführer zulässig
Tatbestand
Streitig ist, ob der Sonderausgaben-Vorwegabzug nach § 10 Einkommensteuergesetz (EStG) gekürzt werden darf.
Die Kläger sind verheiratet und werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Kläger ist als Geschäftsführer bei der D-GmbH angestellt, an der er auch zu 65% als Gesellschafter beteiligt ist. Als Gesellschafter-Geschäftsführer erzielte er im Streitjahr 2004 Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 EStG in Höhe von 68.996 EUR.
An der D-GmbH ist neben dem Kläger die L-GmbH zu 35% beteiligt. An der L-GmbH ist der Kläger wiederum zu 24% beteiligt. Weiterer Beteiligter der L-GmbH ist der Bruder des Klägers, der 76% der Anteile hält. Mit Vereinbarung vom 27. Dezember 2004 erhielt der Kläger von der D-GmbH eine Pensionszusage. Eine identische Pensionszusage erhielt der Bruder des Klägers als Geschäftsführer der L-GmbH ebenfalls mit Vereinbarung vom 27. Dezember 2004. Als Gesellschafter-Geschäftsführer der D-GmbH war der Kläger nicht sozialversicherungspflichtig. Darüber hinaus bestand für den Zeitraum Januar - November 2004 keine privatrechtliche Anwartschaft auf eine Altersversorgung. Erst mit Vertrag vom 27. Dezember 2004 wurde dem Kläger von der D-GmbH eine entsprechende Pensionszusage erteilt.
Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) kürzte den Vorwegabzug nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG unter Berücksichtigung des Jahresarbeitslohnes des Klägers, weil er eine Pensionszusage von der D-GmbH erhalten hat. Die Kürzung führte zum vollständigen Wegfall des Vorwegabzuges. Gegen den entsprechend erteilten Einkommensteuerbescheid legte der Kläger Einspruch ein, der nur teilweise Erfolg hatte.
Im Einspruchsverfahren vertrat das FA die Auffassung, dass der Sonderausgabenvor-wegabzug nur unter Berücksichtigung des Arbeitslohns aus Dezember 2004 zu kürzen sei, da der Kläger in den Monaten Januar - November 2004 nicht zum Personenkreis des § 10 c Abs. 3 Nr. 2 EStG gehört habe. Dementsprechend kürzte das FA den Vorwegabzug in der Einspruchsentscheidung um lediglich 1.566 EUR, so dass ein Vorwegabzug von 4.570 EUR verblieb.
Gegen die (verbleibende) Kürzung des Vorwegabzugs richtet sich die Klage.
Die Kläger vertreten die Auffassung, dass der Vorwegabzug nicht zu kürzen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei der ungekürzte Vorwegabzug bei Pensionszusagen an Gesellschafter-Geschäftsführer dann zu gewähren, wenn der einzelne Gesellschafter-Geschäftsführer bei typisierender und wirtschaftlicher Betrachtung sein Anwartschaftsrecht ausschließlich durch einen seiner Beteiligungsquote entsprechenden Verzicht auf gesellschaftsrechtliche Ansprüche erwerbe. Hieraus folge, dass eine Kürzung dann nicht erfolge, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer wirtschaftlich betrachtet die Kosten für die Altersversorgung selbst trage, indem er insoweit auf ihm sonst zustehende Gewinnansprüche verzichte. Bei typisierender und wirtschaftlicher Betrachtung erwerbe auch er - der Kläger - sein Anwartschaftsrecht durch entsprechenden Verzicht auf seine gesellschaftsrechtlichen Gewinnansprüche. Der Bruder habe als Gesellschafter-Geschäftsführer der L-GmbH im Dezember 2004 eine identische Pensionszusage erhalten. Der Kläger und sein Bruder seien wirtschaftlich betrachtet unzweifelhaft gemeinschaftlich die einziger Gesellschafter der Gesellschaften, die die Pensionszusagen erteilt hätten. Zudem entsprächen sich die Beteiligungsverhältnisse weitestgehend. Aus der Gesamtkonstellation sei erkennbar, dass die Gesellschaften wirtschaftlich gleichwertige Pensionszusagen gewähren wollten, so dass im Ergebnis bei einer Gesamtschau, er - der Kläger - seine Anwartschaft durch Verzicht auf seine gesellschaftsrechtlichen Ansprüche erwerbe.
Die Kläger beantragen,
die Steuer unter Änderung des Einkommensteuerbescheids soweit herabzusetzen als sie sich mindert, wenn weitere Sonderausgaben von 730 EUR steuermindernd berücksichtigt werden.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Bei einer GmbH, an der mehrere Personen beteiligt sind, aber nur einer zur Geschäftsführung befugt ist und eine Pensionszusage erhalten habe, sei der Vorwegabzug zu kürzen. Hier erwerbe der Gesellschafter-Geschäftsführer sein Anwartschaftsrecht auf Altersversorgung teilweise auch durch eine Minderung der gesellschaftsrechtlichen Ansprüche des weiteren Mitgesellschafters, so dass er zum Personenkreis des § 10 c Abs. 2 Nr. 2 EStG gehöre. Da an der D-GmbH neben dem Kläger auch die L-GmbH zu 35% beteiligt sei, aber nur der Kläger eine Pensionszusage erhalten habe, erwerbe der Kläger nicht nur durch eigene Leistungen das Anwartschaftsrecht. Dabei sei unbeachtlich, dass die GmbHs untereinander verflochten seien, da jede GmbH als eigenständige Rechtspersönlichkeit für sich zu betrachten sei.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Berichterstatters gemäß § 79 a Abs. 3 und Abs. 4 Finanzgerichtsordnung (FGO) zugestimmt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Das FA hat den Sonderausgaben-Vorwegabzug zu Recht unter Berücksichtigung des Arbeitslohns des Klägers als Gesellschafter-Geschäftsführer der D-GmbH gekürzt.
Nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG stehen Ehegatten im Fall der Zusammenveranlagung für Vorsorgeaufwendungen ein Sonderausgabenvorwegabzug von 6.136 EUR zu. Dieser ist um 16% der Summe der Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit zu kürzen, wenn der Steuerpflichtige zum Personenkreis des § 10 c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 EStG gehört. Zum Personenkreis des § 10 c Abs. 3 Nr. 2 EStG gehören Arbeitnehmer, die während des ganzen oder einen Teil des Kalenderjahres nicht der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterliegen, eine Berufstätigkeit ausgeübt und im Zusammenhang damit aufgrund vertraglicher Vereinbarung Anwartschaftsrechte auf eine Alterversorgung ganz oder teilweise ohne eigene Beitragsleistung erworben haben.
Bei einem Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH ist der Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen nach der Rechtsprechung des BFH ungekürzt zu belassen, weil dieser - wirtschaftlich betrachtet - eine ihm von der GmbH zugesagte Altersversorgung unter Verzicht auf entsprechende gesellschaftsrechtliche Ansprüche und damit letztlich ausschließlich durch eigene Beitragsleistung erwirbt (Urteil des BFH vom 16. Oktober 2002 XI R 25/01, BStBl II 2004, 546). In Fällen, in denen eine GmbH mehreren Gesellschafter-Geschäftsführern eine Altersversorgung zugesagt hat, erlangt der einzelne Gesellschafter sein Anwartschaftsrecht auf Altersversorgung nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, nicht ganz oder teilweise ohne eigene Beitragsleistung im Sinne des § 10 c Abs. 3 Nr. 2 EStG, wenn er bei typisierender und wirtschaftlicher Betrachtung und vorausschauender Berechnung sein Anwartschaftsrecht ausschließlich durch eine seiner Beteiligungsquote entsprechende Minderung seiner gesellschaftsrechtlichen Ansprüche im Sinne der §§ 29, 72 des Gesetzes betreffend die Gesellschafter mit beschränkter Haftung (GmbHG) erwirbt (Urteil des BFH vom 23. Februar 2005 XI R 29/03, Bundessteuerblatt (BStBl) II 2005, 634).
Bei der Zusage einer Altersversorgung gegenüber mehreren Gesellschafter-Geschäftsführern erwirbt der einzelne Gesellschafter-Geschäftsführer sein Anwartschaftsrecht auf Altersversorgung ausschließlich durch eine seiner Beteiligungsquote entsprechende Minderung seiner gesellschaftsrechtlichen Ansprüche, wenn der quotale Aufwand der GmbH für die Altersversorgung dieses Gesellschafter-Geschäftsführers bei typisierender Betrachtung und vorausschauender Berechnung dessen Beteiligungsquote entspricht oder niedriger ist. Um das feststellen zu können, ist der auf die Altersversorgungszusage an den einzelner Gesellschafter-Geschäftsführer entfallende Anteil am Gesamtaufwand der GmbH für die Altersversorgungszusagen an alle Gesellschafter-Geschäftsführer typisierend und vorausschauend zu ermitteln und zu vergleichen mit der Beteiligungsquote desselben Gesellschafter-Geschäftsführers. Während die Ermittlung der Aufwandsquote periodenübergreifend zu erfolgen hat, ist der Vergleich mit der Beteiligungsquote Veranlagungszeitraum bezogen vorzunehmen. Stimmen im jeweiligen Veranlagungszeitraum beide Quoten überein oder ist die Aufwandsquote niedriger als die Beteiligungsquote, so kommt der betreffende Gesellschafter-Geschäftsführer für seine Versorgung wirtschaftlich betrachtet selbst auf, so dass ihm der Vorwegabzug nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG ungekürzt zusteht (Urteil des BFH vom 15. November 2006 XI R 46/05, BFH/NV 2007, 678).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze steht dem Kläger der Sonderausgaben-Vorwegabzug nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG nicht ungekürzt zu. Vielmehr hat das FA den Vorwegabzug zu Recht gekürzt, denn der Kläger hat sein Anwartschaftsrecht auf eine Altersversorgung nicht ausschließlich durch einen seiner Beteiligungsquote entsprechenden Verzicht auf gesellschaftsrechtliche Ansprüche erworben. Vielmehr geht die Gewährung der Pensionszusage der D-GmbH auch zu Lasten des weiteren Gesellschafters, nämlich der an der D-GmbH zu 35% beteiligten L-GmbH. Da im Streitjahr nur der Kläger als alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer eine Pensionszusage erhalten hat, erwirbt er zumindest teilweise sein Anwartschaftsrecht auf Altersversorgung ohne eigene Beitragsleistungen.
Der Sonderausgaben-Vorwegabzug ist auch unter Berücksichtigung der Tatsache zu kürzen, dass der Kläger selbst zu 24% an der L-GmbH beteiligt ist und sein Bruder als Gesellschafter-Geschäftsführer der L-GmbH eine identische Pensionszusage erhalten hat. Auch wenn im Steuerrecht der Beurteilung von Sachverhalten eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zu Grunde zu legen ist, kommt eine Gesamtbetrachtung der Beteiligungsverhältnisse nicht in Betracht. Zutreffend vertritt das FA die Auffassung, dass die L-GmbH als selbständiges Rechtssubjekt zu betrachten ist, so dass ein "Durchgriff" durch die L-GmbH zum Zwecke der Ermittlung der eigenen Beitragsleistung des Klägers nicht zulässig ist. Als Kapitalgesellschaft ist die GmbH nicht nur zivilrechtlich, sondern auch steuerrechtlich ein selbständiges Steuersubjekt, das unabhängig von ihren Gesellschaftern besteuert wird. Ein Durchgriff durch die Gesellschaft kommt daher nicht in Betracht (Urteil des BFH vom 27.3.2007 VIII R 64/05, BStBl. II 2007, 639).
Aber selbst wenn man der Auffassung folgen würde, dass die aufgrund der Beteiligung des Klägers an der L-GmbH bestehende mittelbare Beteiligung an der D-GmbH bei der Berechnung der eigenen Beitragsleistung zu berücksichtigen wäre, käme der Kläger lediglich auf eine Beteiligungsquote von 73,4%. Somit würde immer noch ein nicht unwesentlicher Teil des Aufwands der GmbH für die am 27. Dezember 2004 gewährte Pensionszusage durch einen Verzicht der L-GmbH auf ihren Gewinnanteil finanziert werden.
Da ein Durchgriff durch die GmbH unzulässig ist, muss auch nicht die Tatsache berücksichtigt werden, dass der Bruder des Klägers als alleiniger Geschäftsführer der L-GmbH eine identische Pensionszusage erhalten hatte. Die Rechtsprechung des BFH ist nach Auffassung des Gerichts nicht dahingehend zu verstehen, dass die wirtschaftliche Betrachtungsweise dazu zwingt, dass eine Gesamtbetrachtung über mehrere Beteiligungsstufen vorzunehmen ist. Allein entscheidend ist daher, ob unter Berücksichtigung der Beteiligungsverhältnisse an der GmbH, die ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer eine Pensionszusage gewährt hat, eine Kürzung des Sonderausgaben-Vorwegabzugs vorzunehmen ist. Da im Streitfall ein Teil des Aufwandes für die Altersversorgung des Klägers zu Lasten der gesellschaftsrechtlichen Ansprüche der L-GmbH geht, erbringt der Kläger die Beitragsleistungen auch unter wirtschaftlicher Betrachtung nicht allein aus eigenen Mitteln, so dass die Klage abzuweisen war.
Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.