Landgericht Osnabrück
Urt. v. 30.01.2013, Az.: 10 O 1537/12

Anspruch des Grundstückskäufers gegen eine kommunalbeherrschte Eigengesellschaft auf Rückzahlung der im Kaufpreis enthaltenen pauschalen Erschließungskosten

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
30.01.2013
Aktenzeichen
10 O 1537/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 31799
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOSNAB:2013:0130.10O1537.12.0A

Fundstelle

  • BauR 2013, 830

Amtlicher Leitsatz

Einem Grundstückskäufer steht gegen eine kommunalbeherrschte Eigengesellschaft kein Anspruch auf Rückzahlung der im Kaufpreis enthaltenen pauschalen Erschließungskosten zu.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger als Gesamtschuldner zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Kläger erwarben je zur ideellen Hälfte von der Beklagten durch notariellen Vertrag vom 11.05.2009 den im Grundbuch von X. eingetragenen Grundbesitz. Der Grundstückspreis wurde mit einem Gesamtbetrag von 41.535,00 EUR vereinbart. Auf Seite 7 letzter Absatz des Vertrages trafen die Parteien folgende Vereinbarung: Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam sein oder werden, so behalten die übrigen Bestimmungen dieses Vertrages ihre Wirksamkeit. Anstelle der unwirksamen Regelungen treten die gesetzlichen Bestimmungen.

2

Bei der Beklagten handelt es sich um eine von der Stadt L. beherrschte Erschließungsgesellschaft. Nach dem Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages sollte der vereinbarte Kaufpreis die Erschließungskosten beinhalten.

3

Die Kläger machen geltend, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, Erschließungskosten zu erheben. Da es sich bei der Beklagten um eine zu 100% von der Stadt L. beherrschte Gesellschaft handele, hätte die Beklagte mit der Stadt L. keinen Erschließungsvertrag schließen dürfen. Die Erschließung von Baugrundstücken sei ausschließlich Sache der Kommune. Zwar dürfe diese Dritte mit der Erschließung beauftragen. Bei der Beklagten handele es sich jedoch nicht um einen Dritten im Sinne des Baugesetzbuches, da die Beklagte eine zu 100% von der Stadt L. beherrschte Gesellschaft sei.

4

Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.12.2010 (BVerwG 9 C 8.09-VGH Baden-Württemberg 2 S 424/08) sei von einer Nichtigkeit des Erschließungsvertrages auszugehen. Dies sei den Klägern bei Abschluss des Grundstückskaufvertrages nicht bekannt gewesen. Hätten sie hiervon Kenntnis gehabt, würden sie nur einen geringeren Kaufpreis gezahlt haben. Die Beklagte sei deshalb verpflichtet, offen zu legen, welchen Anteil sie für die Erschließungskosten in den Grundstückskaufpreis eingerechnet habe. Um diesen Betrag müsse der Kaufpreis im Wege der Vertragsanpassung reduziert werden.

5

Im Übrigen sei zu befürchten, dass die Kläger von der Stadt L. aufgrund der Nichtigkeit des Erschließungsvertrages mit der Beklagten auf Zahlung von Erschließungskosten in Anspruch genommen wurden. Die Beklagte sei deshalb hinsichtlich der Erschließungskosten ungerechtfertigt bereichert. Ein Rechtsgrund für die Zahlung der Erschließungskosten an die Beklagte gebe es aufgrund der Nichtigkeit des Erschließungsvertrages nicht.

6

Die Kläger beantragen:

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  1. 1.

    Die Beklagte wird verurteilt, den Klägern als Gesamtgläubigern Auskunft darüber zu erteilen, in welcher Höhe Erschließungskosten in dem zwischen den Parteien gemäß dem notariellen Kaufvertrag des Notars X mit Amtssitz in X vom 11.05.2009 vereinbarten Kaufpreis in Höhe von 41.535,00 EUR über den im Grundbuch von X eingetragenen Grundbesitz zur Urkundenrollen-Nr. X/2009, enthalten sind, und hierüber Rechenschaft zu legen.

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  1. 2.

    Die Beklagte wird verurteilt, erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides Statt zu versichern.

9
  1. 3.

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger einen Betrag in Höhe von 5.200,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.06.2012 zu zahlen.

10
  1. 4.

    Die Beklagte wird verurteilt, die Kläger als Gesamtgläubiger gegenüber ihren Prozessbevollmächtigten bezüglich des Anspruchs auf Zahlung von Rechtsanwaltskosten für deren außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 667,35 EUR freizustellen und den Betrag in Höhe von 667,35 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit an die X Rechtsanwälte zu zahlen.

11

Die Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Sie ist der Auffassung, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.12.2010 sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Selbst wenn der zwischen der Beklagten und der Stadt L. geschlossene Erschließungsvertrag nichtig sein sollte, würde sich dies nach Auffassung der Beklagten nicht auf das Vertragsverhältnis zwischen ihr und den Klägern auswirken. Die Beklagte verweist darauf, dass die Erschließungskosten in dem mit den Klägern geschlossenen Vertrag nicht gesondert ausgewiesen wurden. Die Beklagte habe sich zur Eigentumsübertragung eines erschlossenen Grundstückes verpflichtet. Dies sei auch geschehen. Wie die Beklagte die Erschließung bewerkstellige, sei ihre Sache. Eine Nichtigkeit des Erschließungsvertrages führe auch keinesfalls zu einer Nichtigkeit des Grundstückskaufvertrages. Eine Vertragsanpassung komme schon deshalb nicht in Betracht, weil die Vertragsparteien nicht von unzutreffenden Voraussetzungen ausgegangen seien. Die Beklagte sei ihren vertraglichen Verpflichtungen in vollem Umfange nachgekommen. Irgendwelche Nachteile seien den Klägern nicht entstanden.

14

Die Kläger seien auch nicht berechtigt, die Erstattung der Erschließungskosten von der Beklagten zu verlangen. Die Beklagte sei nicht ungerechtfertigt bereichert. Eine Erhebung von Erschließungskosten durch die Stadt L. sei nicht zu befürchten. Die Beklagte habe sich im Verhältnis zu den Klägern rechtswirksam zur Übernahme der Erschließungskosten verpflichtet. Selbst wenn die Stadt L. nunmehr Erschließungskosten geltend machen sollte, sei die vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien dahingehend auszulegen, dass die Beklagte sich zur Freistellung der Kläger von diesen Kosten verpflichtet habe.

15

Nach alledem sei nicht erkennbar, dass es für die von den Klägern geltend gemachten Ansprüche eine entsprechende Anspruchsgrundlage gebe. Ein Schaden sei den Klägern auch nicht entstanden.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird verwiesen auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze beider Parteien.

Entscheidungsgründe

17

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

18

Es ist nicht erkennbar, dass sich die von den Klägern geltend gemachten Ansprüche aus einer entsprechenden Anspruchsgrundlage ergeben.

19

Ein Anspruch der Kläger folgt nicht aus § 812 Absatz 1 Satz 1 BGB. Nach Auffassung des Gerichts folgt aus § 134 BGB nicht, dass die im Vertrag der Parteien vereinbarte Übernahme der Erschließungskosten durch die Beklagte nichtig wäre. Zwar dürfte der zwischen der Beklagten und der Stadt L. geschlossene Erschließungsvertrag gegen § 124 BauGB verstoßen und damit nichtig sein. Der Beklagten war es als privatrechtlicher Gesellschaft jedoch möglich, sich im Rahmen der Vertragsfreiheit zu Leistungen zu verpflichten, zu denen sie weder gesetzlich noch vertraglich verpflichtet wäre. Damit begegnet es keinen Bedenken, dass die Beklagte mit der Klägerin vereinbarte, ihr ein erschlossenes Grundstück zu übertragen. § 124 BauGB verbietet nicht, dass sich ein Grundstücksveräußerer gegenüber dem Erwerber verpflichtet, die Erschließung für das zu veräußernde Grundstück herzustellen. Den Klägern dürfte deshalb auch dann ein Anspruch auf Übertragung eines erschlossenen Grundstückes zustehen, wenn die Beklagte mit der Stadt L. keinen wirksamen Erschließungsvertrag abschließen konnte.

20

Zu Recht verweist die Beklagte darauf, dass sich der hier zu entscheidende Fall von dem im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.12.2010 zugrundeliegenden Sachverhalts unterscheidet. In dem vom Bundesverwaltungsgericht zu entscheidenden Fall waren die Grundstückserwerber unmittelbar in die Vereinbarung zur Erschließung eingebunden.

21

Ein Anspruch der Kläger ergibt sich hinsichtlich der von ihnen gestellten Anträge auch nicht daraus, dass gemäß § 139 BGB von einer gesamten Nichtigkeit des Kaufvertrages auszugehen wäre. Aufgrund der im Vertrag der Parteien enthaltenen Klausel zur Teilnichtigkeit steht den Klägern in jedem Falle ein Anspruch auf Freistellung von durch die Stadt L. zu erhebenden Erschließungskosten gegen die Beklagte zu. Im Übrigen wurde eine Gesamtnichtigkeit des Kaufvertrages für die Kläger allenfalls einen Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrages, nicht aber einen solchen auf Auskunft und Erstattung der im Kaufpreis enthaltenen Erschließungskosten begründen.

22

Auch ein Anspruch auf Vertragsanpassung gemäß § 313 Absatz 2 BGB besteht nicht. Entgegen der Auffassung der Kläger ist ein Fehlen der Geschäftsgrundlage nicht gegeben. Soweit die Kläger sich darauf berufen, dass sie bei Abschluss des notariellen Kaufvertrages davon ausgegangen seien, dieser beinhalte auch sämtliche Erschließungskosten, war die Vorstellung der Kläger nicht falsch. Auch die Beklagte ging davon aus, dass sie verpflichtet war, den Klägern ein erschlossenes Grundstück zur Verfügung zu stellen. Die Vorstellungen der Parteien decken sich also insoweit.

23

Soweit die Kläger darüber hinaus geltend machen, die Stadt L. sei aufgrund der Nichtigkeit des Erschließungsvertrages nunmehr verpflichtet, ihrerseits Erschließungskosten zu verlangen, steht dies der Vorstellung der Parteien nicht entgegen. Ob die Stadt L. berechtigt wäre, gegenüber den Klägern Erschließungskosten abzurechnen, ist mehr als zweifelhaft. Sollte dies jedoch geschehen, wäre die Beklagte in jedem Falle verpflichtet, die Kläger von den Erschließungskosten freizustellen, so dass auch in diesem Falle die Vorstellung beider Parteien bei Vertragsabschluss nicht falsch gewesen wäre.

24

Nach alledem ist nicht erkennbar, dass den Klägern gegen die Beklagte die behaupteten Ansprüche zustehen. Die Klage war mithin aus Rechtsgründen abzuweisen.

25

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.