Landgericht Osnabrück
Beschl. v. 12.04.2013, Az.: 7 O 2656/12
Kostenschuldner in einem dem Mahnverfahren folgenden Zivilverfahren bei Anwendbarkeit des § 49 GKG in der bis zum 30.06.1994 geltenden Fassung; Ansehen des Mahnbescheidsverfahrens und des nachfolgenden streitigen Verfahren als "eine Rechtsstreitigkeit" i.S.v. § 71 Abs. 1 S. 1 GKG n.F.
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 12.04.2013
- Aktenzeichen
- 7 O 2656/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2013, 38801
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:2013:0412.7O2656.12.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OLG Oldenburg - 31.05.2013 - AZ: 8 W 36/13
Rechtsgrundlagen
- § 22 Abs. 1 S. 2 GKG
- § 49 GKG a.F:
- § 71 Abs. 1 S. 1 GKG
Amtlicher Leitsatz
GKG § 71
Bei dem Mahnverfahren und dem sich anschließenden streitigen Verfahren handelt es sich um dieselbe Rechtsstreitigkeit im Sinne von von § 71 Abs.1 Satz 2 GKG n.F.
In dem Rechtsstreit
Klägerin und Erinnerungsführerin
Prozessbevollmächtigte:
gegen
Beklagter
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
Weiterer Beteiligter:
Bezirksrevisor
Erinnerungsführer
hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht
die Richterin am Landgericht und
die Richterin am Landgericht
am 12. April 2013
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Die Entscheidung über die Erinnerungen wird auf die Kammer übertragen gem. § 66 Abs. 6 S. 2 GKG.
- 2.
Auf die Erinnerung der Klägerin vom 30.11.2012 wird die Kostenrechnung des Landgerichts vom 28.11.2012 geändert.
Es werden folgende Kosten gegen die Klägerin festgesetzt:
Gebühr für das Mahnverfahren, Nr. 1100 KostVerzGKG 234,68 €.
Verfahren über Anträge auf Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung oder Handlungen nach§§ 886 ff ZPO, Nr. 2110 KostVerzGKG 15,00 € Summe der Kosten: 249,68 € Anzurechnende Vorschüsse -239,28 € Noch zu zahlen: 10,40 € - 3.
Die Erinnerung der Landeskasse gegen die Kostenrechnung vom 28.11.2012 wird zurückgewiesen.
- 4.
Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
- 5.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Gründe
Die Klägerin erwirkte im Jahr 1993 einen Mahnbescheid gegen den Beklagten über 100.000,00 DM. Der Mahnbescheid wurde am 20.10.1993 erlassen und am 26.10.1993 dem Beklagten zugestellt. Der Vollstreckungsbescheid zu diesem Mahnbescheid wurde am 18.11.1993 erlassen - Aktz.: 47 B 1407/93 Amtsgericht O. und dem Beklagten am 11.03.1994 zugestellt.
Unter dem 30.04.2012 legte der Beklagte Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid ein. Die Akten wurden daraufhin an das Landgericht O. als Streitgericht abgegeben. Mit Urteil vom 25.02.2013 hat die Kammer den Einspruch des Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid als unzulässig verworfen.
Mit der Kostenrechnung vom 28.11.2012 wurde die Klägerin zur Zahlung von 1.240,56 € aufgefordert. Dabei ist die Kostenbeamtin von einem Gegenstandswert von 51.129,19 € ausgegangen und hat folgende Gebühren festgesetzt:
Gegenstandswert | zu zahlen | |
---|---|---|
1. Gebühr für das Mahnverfahren, Nr. 1100 KostVerzGKG | 51.129,19 € | 244,14 €. |
2. Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen Mahnverfahren ist vorausgegangen, Nr. 1210 KostVerzGKG | 51.129,19 € | 1.220,70 € |
3. Verfahren über Anträge auf Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung oder Handlungen nach §§ 886 ff ZPO, Nr. 2110 KostVerzGKG | 15,00 € | |
Summe der Kosten: | 1.479,84 € | |
Anzurechnende Vorschüsse | -239,28 € | |
Noch zu zahlen: | 1.240,56 € |
Gegen diese Kostenrechnung wendet sich die Klägerin mit Schreiben vom 30.11.2012. Sie vertritt die Auffassung, sie sei nicht Kostenschuldnerin der Gebühr gemäß Nr. 1201 KostVerzGKG, da § 49 GKG in der bis zum 30.06.1994 geltenden Fassung bestimme, dass Kostenschuldner derjenige sei, der das Verfahren der Instanz beantragt habe. Die weitere Vorschrift des § 49 S. 2 GKG, wonach in dem Verfahren, das gemäß § 700 Abs. 3 der Zivilprozessordnung dem Mahnverfahren folge, Schuldner der Kosten nach S. 1 derjenige sei, der den Vollstreckungsbescheid beantragt habe, sei erst mit Wirkung zum 01.07.1994 eingeführt worden. Auf diese Vorschrift könne daher die Kostenpflichtigkeit der Klägerin nicht gestützt werden.
Der Bezirksrevisor seinerseits wendet sich ebenfalls gegen die Kostenrechnung, weil er die angesetzten Gebühren für zu niedrig hält. Da das streitige Verfahren erst im Jahre 2012 anhängig gemacht worden sei und die Akten erst zu diesem Zeitpunkt beim Streitgericht eingegangen seien, finde die Vorschrift des § 22 Abs. 1 S. 2 GKG in der jetzigen Fassung Anwendung, auch die Höhe der Gebühren richte sich nach heutigem Kostenrecht. Es sei daher eine weitere Gebühr unter Anrechnung der bereits gezahlten Gebühr für das Mahnverfahren in Höhe von 239,28 € in Höhe von 1.428,72 € zuzüglich der Gebühr KostVerz Nr. 2110 in Höhe von 15,00 €, mithin 1.443,72 € zu erheben und die Kostenrechnung des Landgerichts vom 28.11.2011 insoweit zu berichtigen.
Die Erinnerungen der Klägerin und der Landeskasse sind gemäß § 66 Abs. 1 S. 1 GKG zulässig.
Die Erinnerung der Klägerin ist auch begründet.
Maßgeblich für die Entscheidung ist die Beantwortung der Frage, welche Fassung des Gerichtskostengesetzes für die Beurteilung des Sachverhalts anzuwenden ist.
Gemäß § 22 Abs. 1 S.1 und 2 GKG heutige Fassung ist Kostenschuldner in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten derjenige, der das Verfahren des Rechtszuges beantragt hat. Im Verfahren, das gemäß § 700 Abs. 3 der Zivilprozessordnung dem Mahnverfahren folgt, schuldet die Kosten, wer den Vollstreckungsbescheid beantragt hat. Danach wäre die Klägerin Kostenschuldnerin der Gebühr Nr. 1210 KostVerzGKG, die mit dem Eingang der Akten bei dem Gericht entsteht, an das der Rechtsstreit nach Einlegung des Einspruchs abgegeben wird.
§ 22 GKG ist in der zitierten Fassung jedoch nicht anwendbar, weil sich aus der Übergangsvorschrift des § 71 Abs. 1 S. 1 GKG die Anwendbarkeit alten Rechts ergibt. Diese Vorschrift findet sich inhaltsgleich auch in den jeweiligen Vorgängerfassungen des GKG. Hier wird jeweils darauf hingewiesen, dass in Rechtsstreitigkeiten, die vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung anhängig geworden sind, die Kosten nach bisherigem Recht erhoben werden.
Diese Übergangsregelung ist hier deshalb von Bedeutung, weil gemäß § 49 GKG in der bis zum 30.06.1994 geltenden Fassung Kostenschuldner in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten derjenige war, der das Verfahren der Instanz beantragt hatte. Die Regelung in § 49 S. 2 GKG, wonach in Verfahren, die gemäß § 700 Abs. 3 der Zivilprozessordnung dem Mahnverfahren folgen, Schuldner der Kosten derjenige ist, der den Vollstreckungsbescheid beantragt hat, ist erst mit Wirkung zum 01.07.1994 in Kraft getreten. Zu der Rechtslage bis zum 30.06.1994 entsprach es überwiegender Rechtsprechung, dass Antragsteller und damit Schuldner im Sinne des Kostenrechts für das Verfahren nach Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid der Schuldner und nicht der Gläubiger war (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.10.1991, Juristisches Büro 1992, 102, Hartmann, Kostengesetze, 27. Aufl. Nr. 1201 GKG KostVerz Rdnr. 22).
Entscheidend ist somit, ob es sich bei dem Mahnverfahren und dem sich anschließenden Streitverfahren, das nach Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid von Amts wegen eingeleitet wird, um dieselbe Rechtsstreitigkeit im Sinne des § 71 Abs. 1 S. 1 GKG n.F. handelt.
Dies ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.
Während das Landgericht Bayreuth (Beschluss vom 28.10.1994 Juristisches Büro 1995, 148) und das Landgericht Frankenthal (Beschluss vom 20.07.1995, MDR 1995 1175 [LG Frankenthal 20.07.1995 - 5 O 537/95]) sowie Mümmler (Juristisches Büro 1995, 18/19) die Auffassung vertreten, dass kostenrechtlich das Mahn- und das sich anschließende Streitverfahren als verschiedene Instanzen anzusehen sind und damit unterschiedlichen Kostenrecht unterliegen, vertreten das OLG München (Beschluss vom 06.06.1995, MDR 1995, 1072 [OLG München 06.06.1995 - 11 W 1260/95]) und das OLG Stuttgart (Beschluss vom 14.05.1996, MDR 1996, 969) sowie Hartmann (Kostengesetze, 39. Aufl., § 71 GKG, Rdnr. 4) die Auffassung, dass das Mahnbescheidsverfahren und das nachfolgende streitige Verfahren als "eine Rechtsstreitigkeit" im Sinne von § 71 Abs. 1 S. 1 GKG n.F. (entspricht § 73 Abs. 1 S. 1 GKG a.F.) anzusehen sind.
Die Kammer schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Der Gesetzgeber hat das Mahnverfahren als eine Vorstufe des streitigen Verfahrens angesehen (Begründung zum Gesetzesentwurf vom 04.03.1994 zum Kostenrechtsänderungsgesetz, Bundestagsdrucksache 12/6962 Seite 65). Dies kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass im Mahnverfahren entstandene Gerichts- und Anwaltsgebühren auf die Gebühren des streitigen Verfahrens angerechnet werden.
Ferner ist in § 73 Abs. 1 S. 2 GKG a.F. (entspricht § 71 Abs. 1 S. 2 GKG n.F.) geregelt, dass S. 1 nicht im Verfahren über ein Rechtsmittel gilt, das nach dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung eingelegt worden ist. Diese Bestimmung hat den Charakter einer Ausnahmeregelung und bringt damit konkludent zum Ausdruck, dass grundsätzlich für das gesamte Verfahren einheitliches Kostenrecht gilt. Eine Ausnahme wird nur für die Einlegung von Rechtsmitteln gemacht. Hätte der Gesetzgeber eine entsprechende unterschiedliche Behandlung des Mahnbescheidsverfahrens und des streitigen Verfahrens gewollt, hätte es nahegelegen, dies wie bei unterschiedlichen Instanzen ausdrücklich zu regeln.
Auch vom Sprachgebrauch kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Mahnverfahren und das streitige Verfahren als unterschiedliche Rechtsstreitigkeiten oder auch nur unterschiedliche Instanzen anzusehen sind.
Davon ausgehend, dass es sich bei dem Mahnverfahren und dem streitigen Verfahren um dieselbe Rechtsstreitigkeit im Sinne von § 71 Abs. 1 S. 2 GKG n.F. handelt, ist für die Frage, wer Kostenschuldner ist, die Rechts- und Gesetzeslage zu dem Zeitpunkt
entscheidend, als das Mahnverfahren anhängig gemacht wurde. Dies war hier im Jahr 1993, so dass das GKG in der Fassung vom 12.09.1990 (Gültigkeitsdauer vom 01.01.1992 bis 30.06.1994) anwendbar ist.
Danach war Kostenschuldner, wer das Verfahren beantragt hat. Die Regelung, dass in Verfahren, die gemäß § 700 Abs. 3 ZPO den Mahnverfahren folgen, Kostenschuldner derjenige ist, der den Vollstreckungsbescheid beantragt hat, galt noch nicht.
Nach der alten Rechtslage war der Gläubiger/Kläger Veranlassungsschuldner der Gebühr für das Mahnverfahren und der Schuldner/Beklagte Veranlassungsschuldner der Kosten des weiteren Verfahrens, also aller Gerichtskosten, die dem Mahnverfahren nachfolgten und ab Einlegung des Einspruchs gegen den Vollstreckungsbescheid anfielen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.06.1997, NJW-RR 1997, 1295 [OLG Düsseldorf 16.06.1997 - 10 W 80/97] m.w.N.).
Danach war die Klägerin nicht mit Kosten zu belasten, die über die von ihr für das Mahnverfahren bereits gezahlte Gebühr hinaus entstanden sind. Dies gilt hingegen nicht für die festgesetzten Kosten in Höhe von 15,00 € gemäß Nr. 2110 KostVerzGKG betreffend Verfahren über Anträge auf Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung oder Handlungen nach §§ 886 ff. ZPO. Gegen die Erhebung dieser Kosten wendet sich die Klägerin auch nicht.
Der Erinnerung der Klägerin war daher mit dem Ergebnis stattzugeben, dass lediglich weitere Kosten in Höhe von 15,00 € anzusetzen und zu erheben sind.
Soweit in der Kostenrechnung die Gebühr für das Mahnverfahren mit 244,14 € festgesetzt ist, entspricht dies nicht dem Kostenverzeichnis in der Fassung von 1993. Danach fiel bei einem Streitwert von 100.000,00 DM eine Gebühr für das Mahnverfahren in Höhe von 559,00 DM, dies entspricht 234,68 € an.
Die Kostenrechnung war daher entsprechend zu ändern.
Soweit die Landeskasse ebenfalls Erinnerung gegen die Kostenrechnung eingelegt hat, weil die angesetzten Gebühren zu niedrig waren, hat diese Erinnerung keinen Erfolg. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, ist für das Verfahren einheitlich altes Kostenrecht anzuwenden.
Die Erinnerung der Landeskasse war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 66 Abs. 8 GKG.
Da es um die grundsätzliche Rechtsfrage geht, ob das Mahnverfahren und das nachfolgende Streitverfahren dieselbe Rechtsstreitigkeit im Sinne des § 71 Abs. 1 S. 1 GKG n.F. bilden, hat die Kammer - entsprechend dem Antrag beider Erinnerungsführer für den Fall des Unterliegens - die Beschwerde zugelassen.