Landgericht Osnabrück
Beschl. v. 13.02.2013, Az.: 3 OH 72/11
Bestimmung der erstattungsfähigen Kosten eines Sachverständigen bei schuldhafter Verletzung der Anzeigepflicht gem. § 407a Abs.3 Satz 2 ZPO
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 13.02.2013
- Aktenzeichen
- 3 OH 72/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2013, 35036
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:2013:0213.3OH72.11.0A
Rechtsgrundlagen
- § 407a Abs. 3 S. 2 ZPO
- § 8 JVEG
Fundstellen
- GuG 2014, 57
- JurBüro 2013, 437-438
- KfZ-SV 2016, 27-28
In dem Rechtsstreit
Antragsteller
Prozessbevollmächtigte:
gegen
Antragsgegner
Prozessbevollmächtigte:
Beteiligter: Sachverständiger G.
hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück am 13.02.2013 durch die Richterin am Landgericht als Einzelrichterin
beschlossen:
Tenor:
Die Vergütung des Beteiligten wird auf 4.284,00 € festgesetzt.
Gründe
Durch Beschluss vom 30.06.2011 ist der Beteiligte zum Sachverständigen bestimmt und die Einzahlung eines Kostenvorschusses von 2.000,00 € angeordnet worden. Mit Schreiben vom 08.08.2011 ist der Sachverständige mit der Gutachtenerstattung beauftragt worden. In diesem Schreiben ist ihm die Vorschusshöhe von 2.000,00 € mitgeteilt und er ist darauf hingewiesen worden, dass dem Gericht rechtzeitig eine erhebliche Überschreitung des angeforderten Vorschusses durch die voraussichtlich entstehenden Kosten mitzuteilen ist. Mit Schreiben vom 27.01.2012 hat der beteiligte Sachverständige mitgeteilt, dass sich die Kosten für die Gutachtenerstattung voraussichtlich auf 2.500,00 € bis 3.000,00 € belaufen werden. Den daraufhin angeforderten weiteren Kostenvorschuss von 1.000,00 € hat der Antragsteller am 22.02.2012 geleistet. Der beteiligte Sachverständige hat das Gutachten am 13.07.2012 vorgelegt. Mit Schreiben vom 18.07.2012 hat er für das Gutachten 4.947,78 € in Rechnung gestellt. Der Antragsteller ist gebeten worden, für das Gutachten einen weiteren Betrag in Höhe von 1.947,78 € zu leisten.
Dem ist der Antragsteller nicht nachgekommen. Überwiesen wurde an den Beteiligten bislang ein Betrag in Höhe von 3.000,00 €. Mit Schreiben vom 06.08.2012 ist der Beteiligte um Stellungnahme zu den Einwendungen bzw. den Fragen des Antragstellers im Hinblick auf seine Kostenrechnung Stellung zu nehmen. Die Stellungnahme des Beteiligten vom 29.08.2012 ist am 31.08.2012 eingegangen. In diesem Schreiben nimmt der Beteiligte nicht nur zu den Einwendungen und Fragen des Antragstellers zu der Kostenrechnung Stellung, sondern auch zu den weiteren in dem Schreiben des Antragstellers vom 02.08.2012 aufgeworfenen inhaltlichen Fragen zu dem Gutachten. Für seine Stellungnahme hat der Beteiligte mit Schreiben vom 31.08.2012 weitere 232,05 € in Rechnung gestellt.
Der Bezirksrevisor hat mit Schreiben vom 28.09.2012 zu den Kostenrechnungen des Beteiligten Stellung genommen. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auch auf Bl. 96 - 97 d. A. Bezug genommen.
Zu den Ausführungen des Bezirksrevisors hat der beteiligte Sachverständige keine Stellungnahme abgegeben. Der beteiligte Sachverständige kann für die in der Kostenrechnung vom 18.07.2012 genannten Leistungen lediglich eine Entschädigung in Höhe von 4.284,00 € beanspruchen. Der beteiligte Sachverständige hat gegen die ihn gemäß § 407 a Abs. 3 S. 2 ZPO obliegende Mitteilungspflicht verstoßen.
Nach dieser Bestimmung ist ein Sachverständiger verpflichtet, rechtzeitig einen Hinweis zu geben, wenn die voraussichtlichen Kosten einen angeforderten Vorschuss erheblich übersteigen. Von einer erheblichen Überschreitung des Vorschusses ist auszugehen, wenn die Gutachtenkosten diesen um 20 bis 25% übersteigen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 12.11.2007, 8 W 422/07, [...] m. w. N.). Die von der Rechtsprechung festgelegte Grenze wird durch die Kostenrechnung des beteiligten Sachverständigen vom 18.07.2012 überschritten. Der beteiligte Sachverständige hat die ihm obliegende Anzeigepflicht nach § 407 a Abs. 3 S. 2 ZPO auch schuldhaft verletzt. Der Sachverständige ist in dem gerichtlichen Auftragsschreiben vom 08.08.2011 ausdrücklich auf seine Mitteilungspflicht hingewiesen worden. Dass ihm diese Verpflichtung bekannt war, zeigt sein Schreiben vom 27.01.2012, in dem er um die Anforderung eines weiteren Kostenvorschusses bat, weil die Kosten für das Gutachten den geleisteten Auslagenvorschuss um 500,00 bis 1.000,00 € überschreiten werde.
Allerdings führt die schuldhafte Verletzung der Anzeigepflicht nach § 407 a Abs. 3 S. 2 ZPO dann nicht zu einer Kürzung der Entschädigung, wenn bei verständiger Würdigung aller Umstände unter Anlegung eines objektiven Maßstabs davon auszugehen ist, dass es auch bei pflichtgemäßer Anzeige zu einer Fortsetzung der Tätigkeit des Sachverständigen gekommen wäre (OLG Nürnberg, NJW-RR 2003, 791 [OLG Nürnberg 10.10.2002 - 6 W 1891/02]).
Die Anzeigepflicht des § 407 a Abs. 3 ZPO dient dazu, den Parteien die Möglichkeit zu geben, das sie treffende Prozessrisiko kostenmäßig abzuschätzen und gegebenenfalls im Umfang einer erforderlichen Beweisaufnahme aus Kostengründen wieder einzuschränken. Es ist nicht auszuschließen, dass der Antragsteller eine Fortsetzung der Begutachtung nicht gewünscht hätte oder den Umfang der Beweiserhebung eingeschränkt hätte, wenn er rechtzeitig vom tatsächlich zu erwartenden Kostenaufwand in Kenntnis gesetzt worden wäre. Dafür sprechen die von ihm in dem Schriftsatz des Antragstellers vom 02.08.2012 aufgeworfenen Fragen bzw. Einwendungen im Hinblick auf die Kostenrechnung des Sachverständigen vom 18.07.2012.
Den Sachverständigen trifft das Risiko der Unaufklärbarkeit der Frage, ob es bei einem erfolgten Hinweis nach § 407 a Abs. 3 S. 2 ZPO zu einer uneingeschränkten Fortsetzung der Beweisaufnahme gekommen wäre.
Das Gericht teilt die Auffassung des Bezirksrevisors, dass bei einer Verletzung der dem Sachverständigen obliegenden Anzeigepflicht nach § 407 a Abs. 3 S. 2 ZPO nicht lediglich eine Vergütung in Höhe der eingezahlten Vorschüsse verlangen kann, da sich nicht immer exakt abschätzen lassen wird, welche Kosten tatsächlich anfallen.
Da nach § 407 a Abs. 3 S. 2 ZPO eine Anzeigepflicht nur bei einer erheblichen Kostenüberschreitung gegeben ist, haben die Parteien eine Erhöhung innerhalb eines gewissen Spielraums hinzunehmen.
Da die Überschreitung eines Kostenvorschusses um 20% tolerabel ist, ist die Vergütung des Sachverständigen auf die geleisteten Kostenvorschüsse in Höhe von 3.000,00 € zuzüglich 20% zuzüglich 19% Mehrwertsteuer und damit auf insgesamt 4.284,00 € festzusetzen.
Eine weitere Kürzung der Kostenrechnung des Sachverständigen ist nicht angezeigt.
Zutreffend weist der Bezirksrevisor in seiner Stellungnahme vom 28.09.2012 darauf hin, dass die Entschädigung eines Sachverständigen nach § 8 Abs. 2 JVEG nicht nach der tatsächlich aufgewendeten, sondern nach der erforderlichen Zeit zu bemessen ist. Erforderlich ist die Zeit, die ein Sachverständiger aufwenden muss, um die gestellten Beweisfragen zu beantworten (Meyer/Höfer/Bach, JVEG, 25. Auflage, § 8 Rdnr. 8.4.8). Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich benötigte Zeit richtig sind. Anlass zur Nachprüfung, ob der von einem Sachverständigen in seiner Kostenrechnung zugrunde gelegte Zeitaufwand erforderlich war, besteht nur, wenn der angesetzte Zeitaufwand im Verhältnis zur erbrachten Leistung ungewöhnlich hoch erscheint (Meyer/Höfer/Bach, JVEG, 25. Auflage, § 8 Rdnr. 8.4.9). In seiner Stellungnahme vom 29.08.2012 hat der Sachverständige seine Leistungsabrechnung spezifiziert erläutert.
Hinweise auf Unstimmigkeiten haben sich nicht ergeben, dementsprechend ist davon auszugehen, dass der Sachverständige tatsächlich die von ihm angegebenen Arbeitsstunden im Rahmen der Gutachtenerstattung aufgewandt hat.
Soweit der Sachverständige für seine Stellungnahme vom 29.08.2012 mit Schreiben vom 31.08.2012 einen Betrag in Höhe von 232,05 € berechnet hat, steht ihm eine Vergütung nicht zu. Mit Schreiben vom 06.08.2012 ist der Sachverständige ausdrücklich um Stellungnahme zu den Einwendungen bzw. Fragen des Antragstellers auf Seite 1 und Seite 2, 1. Absatz, des Schriftsatzes vom 02.08.2012 gebeten worden. Seite 1 und Seite 2, 1. Absatz, dieses Schriftsatzes beinhaltet Fragen und Einwendungen des Antragstellers zu der Kostenrechnung des Sachverständigen vom 18.07.2012. Für seine Stellungnahme zu den Fragen und Einwendungen des Antragstellers zu der Kostenrechnung kann der Sachverständige keine Entschädigung verlangen, da sich sein Tätigwerden insoweit nicht auf die Begutachtung der Beweisfragen bezieht. Allerdings hat der Sachverständige in seiner Stellungnahme vom 29.08.2012 auch zu den inhaltlichen Fragen des Antragstellers zu dem Gutachten vom 12.07.2012 Stellung genommen. Mit einer inhaltlichen Auseinandersetzung ist der Sachverständige aber nicht beauftragt worden.