Landgericht Osnabrück
Urt. v. 29.11.2013, Az.: 12 O 2638/13

Verfügungsgrund bei öffentlichem Aufruf zur Kündigung des Bankkontos des Verfügungsklägers wegen angeblicher Tierschutzverstöße

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
29.11.2013
Aktenzeichen
12 O 2638/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 52907
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOSNAB:2013:1129.12O2638.13.0A

In dem Rechtsstreit
xxx
Verfügungskläger
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanw. xxx
gegen
xxx
Verfügungsbeklagter
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanw. xxx
hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück auf die mündliche Verhandlung vom 22.11.2013 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht xxx, den Richter am Landgericht xxx und die Richterin am Landgericht xxx
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Antrag des Verfügungsklägers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 7.11.2013 wird zurückgewiesen.

Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist Vorläufig vollstreckbar. Der Verfügungskläger kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert für das einstweilige Verfügungsverfahren wird auf 15.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Der Verfügungskläger nimmt den Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung eines öffentlichen Aufrufs gegenüber seiner Hausbank, das Konto wegen angeblicher Tierschutzverstöße zu kündigen, in Anspruch.

Der Verfügungskläger ist ein gemeinnütziger Verein, der sich für die Interessen der Züchter von Pelztieren einsetzt. Die Züchter stehen wegen der Haltungsbedingungen insbesondere von Nerzen und deren Tötung zur Verwertung des Fells in der Kritik von Tierschützern. Der Verfügungsbeklagte ist ein Verein, der sich für die Belange des Tierschutzes einsetzt.

Der Verfügungsbeklagte unterhält im Internet die Webseite www.xxx.de, auf der über seine Aktivitäten berichtet wird. Besucher der Webseite werden zu Spenden aufgerufen und auf den Onlineshop hingewiesen.

Mitte Oktober 2013 wurde die Hausbank des Verfügungsklägers, die xxx, von dem Verfügungsbeklagten schriftlich aufgefordert, dem Verfügungskläger das Konto zu kündigen, weil eine genossenschaftliche Bank, die mit Werten wie Respekt und Verantwortung werbe, keine Geschäfte mit Tierquälern machen dürfe. Der Verfügungsbeklagte berichtete am 18.10.2013 auf seiner Webseite unter der Überschrift "xxx - kündigt die Konten der Nerzquälern, jetzt!" und einer Fotomontage aus Tierkäfigen und dem Logo der xxx mit der Inschrift "Stoppt die Zusammenarbeit mit Nerzquälern" in einem längeren Artikel über die Aktion. Am Ende des Artikels wird angekündigt, dass für den Fall, dass die xxx sich nicht klar positionieren sollte, erwogen werde, die Bankkunden zu informieren, denn man könne auch formulieren, dass an dem Geld der Bank Blut klebe. Wegen der Einzelheiten wird auf den Ausdruck des Internetartikels (Bl.41-44 d.A.) verwiesen.

Der Verfügungskläger forderte den Verfügungsbeklagten mit Schreiben vom 31.10.2013 vergeblich zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf.

Der Verfügungskläger meint, die öffentliche Aufforderung an seine Hausbank, ihre Vertragsbeziehungen mit ihm durch Kündigung des Kontos zu beenden, stelle als Boykottaufruf einen rechtswidrigen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht dar und verpflichte den Verfügungsbeklagten wegen Verletzung der Persönlichkeitsschutzrechte zur Unterlassung. Der Boykottaufruf lasse sich nicht mit einer allgemeinen Interessenabwägung oder Überlegungen zur Meinungsfreiheit rechtfertigen, da der Verfügungsbeklagte es gezielt darauf anlege, die Hausbank zum Abbruch einer vertraglichen Beziehung zu bewegen und damit die Grenze zur rechtswidrigen Meinungsdurchsetzung überschritten werde. Erschwerend komme hinzu, dass der Verfügungsbeklagte mit dem Herantreten an die Kunden der xxx drohe, was in keiner Weise erforderlich sei, da ihm andere Kommunikationsmöglichkeiten zur Verfügung stünden. Darin sei auch der Einsatz eines im Meinungskampf unzulässigen zusätzlichen Machtmittels zu sehen.

Der Verfügungskläger beantragt,

im Wege der einstweiligen Verfügung dem Verfügungsbeklagten bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 EUR, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre), es zu verbieten, die xxx mit der folgenden Darstellung:

lg-osnabru_ck_2013-11-29_12_o_2638_13-ut-1.gif

öffentlich aufzufordern, das Konto des Verfügungsklägers zu kündigen.

Der Verfügungsbeklagte beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Der Verfügungsbeklagte meint, der Antrag sei nicht gerechtfertigt, da selbst dann, wenn eine Persönlichkeitsverletzung vorliege, dem gegenüber das Recht des Verfügungsbeklagten überwiege, seinen Boykottaufruf im Rahmen der freien Meinungsäußerung öffentlich zugänglich zu machen.

Entscheidungsgründe

Der Antrag, auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist nicht begründet.

Es liegt bereits kein Verfügungsgrund vor. Dieser ist nur gegeben, wenn durch die Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte oder wenn eine einstweilige Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder drohender Gewalt erforderlich ist. Hier ist nicht ersichtlich, dass es für den Verfügungskläger unter diesen Gesichtspunkten nicht zumutbar ist, ein zeitaufwendigeres Hauptsacheverfahren. durchzuführen. Es ist nicht glaubhaft gemacht, dass die xxx erwägt, dem Druck der Öffentlichkeit nachzugeben. Der Verlust eines Kontos erscheint auch nicht als so schwerwiegender Nachteil, dass dem nur durch eine gerichtliche Regelung begegnet werden kann. Es kommt in Betracht, bei einem anderen Bankinstitut ein Konto zu eröffnen. Die damit zusammenhängenden Belastungen sind nicht existenzbedrohend.

Selbst wenn man die Dringlichkeit bejahen würde, fehlt es jedenfalls an einem Verfügungsanspruch. Die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs gem. §§ 823, 1004 BGB analog liegen nicht vor.

Allerdings kommt auch einem Verein nach allgemeiner Auffassung ein Persönlichkeitsrecht zu. Es liegt durch den öffentlichen Boykottaufruf auch ein Eingriff in das .Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers vor, da die überspitzten und polemischen Bewertungen der Tätigkeit des Vereins und der durch ihn vertretenen Mitglieder dem Ansehen der Genannten abträglich sein können.

Der Eingriff in das. Persönlichkeitsrecht ist aber durch das grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheitsrecht des Verfügungsbeklagten gerechtfertigt.

Der Boykottaufruf des Verfügungsbeklagten ist in gestaffelter Hinsicht erfolgt. Er richtet sich einmal unmittelbar an die kontoführende Bank und zum anderen auch an der Öffentlichkeit in der Weise, dass über die Tatsache des Aufrufs informiert wird und zum anderen, für den Fall der Nichtpositionierung der Bank, eine Informierung der Bankkunden angekündigt wird. Gegenstand des einstweiligen Verfügungsverfahrens ist jedoch ausschließlich die öffentliche Aufforderung der Bank zur Kontokündigung.

Ein Boykottaufruf gegenüber der Öffentlichkeit und damit auch gegenüber den Kunden der Bank als Teil der Öffentlichkeit ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (NJW-RR 2008, 200 [BVerfG 08.10.2007 - 1 BvR 292/02]) erlaubt, wenn die Motive des Aufrufenden dies rechtfertigen und sich die Maßnahme auf einen Versuch geistiger Einflussnahme ohne Hinzunahme weiterer Machtmittel beschränkt. Die Motive müssen solche der Sorge um politische, wirtschaftliche, soziale, und kulturelle Belange sein, Interessen wirtschaftlicher Art dürfen nicht im Vordergrund stehen.

Hier ist der umfassenden Begründung des Boykottaufrufs, in der überwiegend in sachlicher Form auf zu kritisierende Zustände in der Pelztierzucht und auf die mangelnde Umsetzung von gesetzlichen Vorgaben durch die Pelztierzüchter hingewiesen wird, ein schützenswertes Motiv zu entnehmen. Der Tierschutz stellt ein in der Öffentlichkeit diskutiertes Anliegen dar, der Schutz der Tiere ist zudem ausdrücklich grundgesetzlich geschützt. Es ist unter Berücksichtigung der dem Boykottaufruf unterlegten Begründung nicht erkennbar, dass für den Aufruf wirtschaftliche Gründe im Vordergrund stehen. Zwar trifft der Vortrag des Verfügungsklägers zu, dass der Verfügungsbeklagte auf seiner Webseite und auch im Zusammenhang mit dem Boykottaufruf offensiv zu Spenden aufruft, indem auffällige Spendenbuttons auf der Webseite placiert werden. Im räumlichen Zusammenhang mit den Buttons werden jedoch ebenfalls die Motive für den Aufruf ausführlich erläutert. Es wird auch erläutert, dass für die Arbeit des Verfügungsbeklagten finanzielle Mittel in Form von Spenden nötig sind. Dies erscheint nachvollziehbar. Es ist allgemein bekannt, dass nichtamtliche Organisationen, die wichtige politische Anliegen wie Umweltschutz, Tierschutz pp. auf ihre Fahnen geschrieben haben, für die Bestreitung der für eine wirkungsvolle Arbeit anfallenden Personal- und Sachkosten auf Spenden angewiesen sind und auch in vielfältiger Form zu Spenden auffordern. Dies ist damit gängige Praxis entsprechender Vereinigungen und kann der Verfügungsbeklagten nicht zum Nachteil gereichen. Da der Verfügungsbeklagte als Verein organisiert ist, dienen die eingeworbenen Spenden, die der Kontrolle der Vereinsgremien unterliegen, auch nicht der persönlichen Bereicherung von natürlichen Personen. Der Verfügungsbeklagte hat zudem unwidersprochen vorgetragen, dass die Spendenbuttons zu seinem üblichen Webseitenaufbau gehören und nicht extra im Zusammenhang mit dem Boykottaufruf auf der Webseite placiert worden sind.

Dass der Verfügungsbeklagte seinen Boykottaufruf durch die unzulässige Hinzunahme sonstiger Machtmittel Wirkung verschaffen will, ist nicht ersichtlich. Dem Boykottaufruf ist es immanent, dass der Druck der Öffentlichkeit gegenüber dem Dritten, sich dem Aufruf zu fügen, erzeugt werden soll. Dies stellt für sich allein gerade kein unzulässiges Machtmittel dar, sondern beschränkt sich darauf, gegenüber der allgemeinen Öffentlichkeit, aber auch speziell der Kunden der Hausbank als. Teil der Öffentlichkeit geistig Einfluss zu nehmen. Allein die Tatsache, dass die Öffentlichkeit durch das Internet leichter erreicht und die Wirkung der Boykottaufrufe dadurch verstärkt werden können, rechtfertigt nicht die Annahme, es werde ein unzulässiges Machtmittel ausgeübt. Auch die Androhung, ggf. noch einmal gezielt an die Kunden der Bank mit einem Boykottaufruf heranzutreten, rechtfertigt keine abweichende Bewertung, da es sich im Prinzip um einen einheitlichen Vorgang handelt.

Der Boykottaufruf verstößt auch nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Der Aufruf überschreitet nicht das Maß der nach den Umständen notwendigen und angemessenen Beeinträchtigung. Insoweit ist der Aufruf grundsätzlich geeignet, den bekämpften Missstand zu beseitigen. Es reicht nämlich aus, wenn der gewünschte Erfolg durch die Maßnahme gefördert werden kann und die abstrakte Möglichkeit der Zweckerreichung besteht. Nach diesen Maßstäben dient der Aufruf jedenfalls indirekt dem Tierschutz und insbesondere dem Schutz der Pelztiere, indem die Haltungsbedingungen der Tiere in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt werden. Der Angriff auf die Arbeitsfähigkeit eines Interessenverbandes der Pelztierzüchter kann die Arbeit der Mitglieder erschweren und damit zum Rückgang der Pelztierzucht beitragen.

Dafür, dass die mit dem Boykottaufruf verfolgten Ziele auch auf anderem Wege mit gleicher Wirksamkeit erreicht werden können und der Aufruf deshalb nicht erforderlich ist, ist nichts ersichtlich. Letztlich ist der Boykottaufruf auch dann, wenn er sich gegen ein rechtmäßiges Verhalten der Verfügungsklägerin richtet, kein unangemessenes Mittel. Es reicht aus, dass das beanstandete Verhalten den moralischen Grundsätzen des Aufrufenden widerspricht. Auch evtl. wirtschaftliche Einbußen des durch den Aufruf Betroffenen begründen kein Übergewicht ihrer Belange gegenüber dem von einem öffentlichen Interesse getragenen Anliegen. Es stünde im Widerspruch zur. Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede, wenn man dieses allgemeine Risiko für ein Zurückdrängen der Meinungsfreiheit ausreichen lassen würde. Soweit der Verfügungskläger darauf verweist, dem Verfügungsbeklagten ständen auch andere Kommunikationsmöglichkeiten zur Verfügung, ist nicht ersichtlich, dass diese den gleichen Erfolg versprechen.

Das Verhalten des Verfügungsbeklagten ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Prangerwirkung unverhältnismäßig. Insoweit wird der Verfügungskläger zwar in dem Boykottaufruf auch als Vereinigung von Nerzquälern bezeichnet, an dessen Geld Blut klebt, so dass in diesem Punkt eine Prangerwirkung bejaht werden könnte, weil an Einzelpersonen ein negativ bewertetes Geschehen verdeutlicht wird. Dieses muss von dem Verfügungskläger aber hingenommen werden, wenn eine auch insoweit vorzunehmende Abwägung mit den Belangen der Meinungsfreiheit ergibt, dass der Schutz des beeinträchtigten Persönlichkeitsrechts zurückzutreten hat (BVerG aaO.). Dies ist hier der Fall. Im Kern enthalten die überspitzten Äußerungen nämlich nur einen moralischen Vorwurf, keinen Vorwurf eines strafrechtlichen Verhaltens. Der moralische. Vorwurf wird in der Begründung durch konkrete Angaben zu den Haltungsbedingungen pp. untermauert. Der Verfügungsbeklagte nutzt auch nicht in unzulässiger Weise eine wirtschaftliche Machtstellung, sondern richtet einen Appell an Andere, ihre wirtschaftliche Stellung zur Unterstützung des Anliegens des Verfügungsbeklagten zu nutzen. Die angedrohte Maßnahme hat auch keine existenzbedrohenden Folgen, da trotz der Anprangerung nicht zu erwarten ist, dass das Konto tatsächlich gekündigt wird bzw. dass im Falle der Kündigung nicht ohne großen Aufwand eine neue Kontoverbindung begründet werden kann.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr.6, 711 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung erscheint unter Berücksichtigung der Bedeutung der Angelegenheit der Höhe nach angemessen und ausreichend.