Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 29.04.1992, Az.: 10 A 10554/91
Ausgestaltung des Asylanspruchs eines Asylsuchenden mit zur Person nicht ausgewiesener togoischer Staatsangehörigkeit; Anforderungen an die Substantiierung des Vorliegens eines ausländerrechtlichen Abschiebungsverbotes bzw. Abschiebungshindernisses wegen einer im Heimatland drohenden politischen Verfolgung; Voraussetzungen eines ausländerrechtlichen Anspruchs auf Abschiebungsschutz
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 29.04.1992
- Aktenzeichen
- 10 A 10554/91
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1992, 22252
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:1992:0429.10A10554.91.0A
Rechtsgrundlagen
- § 51 Abs. 1 AuslG
- Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG
Verfahrensgegenstand
Asyl
Abschiebungsschutz nach §51 AuslG
Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat die 10. Kammer des Verwaltungsgerichts Braunschweig
auf die mündliche Verhandlung vom 29. April 1992
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Hirschmann,
den Richter am Verwaltungsgericht Stubben und
die Richterin Drinhaus sowie
die ehrenamtlichen Richter
... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1)
Der Bescheid des Beklagten zu 2) vom 28.11.1991 wird aufgehoben.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Gerichtskosten trägt der Kläger zu 3/4 und der Beklagte zu 2) zu 1/4.
Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) sowie 3/4 seiner eigenen außergerichtlichen Kosten.
Der Beklagte zu 2) trägt 1/4 der außergerichtlichen Kosten des Klägers sowie seine eigenen außergerichtlichen Kosten; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
- 2)
Dem Kläger wird für das gegen den Beklagten zu 2) gerichtete Verfahren Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Waldmann-Stocker, Göttingen, bewilligt.
Im übrigen wird der Antrag auf Prozeßkostenhilfe abgelehnt.
Gründe
I.
Der am ... geborene Kläger ist ein zur Person nicht ausgewiesener togoischer Staatsangehöriger. Er verließ sein Heimatland im Mai 1990 und reiste nach einem zwischenzeitlichen Aufenthalt in Kamerun (über Belgien) am 4.5.1991 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Zu seinem am 4.6.1991 gestellten Asylantrag legte der Vater des Klägers dar: Sein Schwager habe ihm erklärt, daß die politische Lage in Kamerun sehr schlecht geworden sei. Davon seien die in Kamerun lebenden Ausländer betroffen gewesen. Es seien Morde begangen worden, davon mehrere an Ausländern. Sein Schwager und seine Ehefrau hätten seit zwei Jahren illegal in Kamerun gelebt, nachdem sie Berlin und Nigeria verlassen hätten. Sie hätten beschlossen, nach Schweden zu reisen und ihn (Vater des Klägers) aufzusuchen, um ihm sein Kind (Kläger) zuüberlassen.
Durch Bescheid vom 25.10.1991 lehnte die Beklagte zu 1) den Asylantrag des Klägers als offensichtlich unbegründet ab und verneinte zugleich das Vorliegen der Voraussetzungen des §51 Abs. 1 AuslG. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus: Aus dem Vortrag des Klägers, der sich einzig und allein auf ein von seinem Vater handschriftlich in französisch verfaßtes sog. "Statement" stütze, ließen sich keine asylbegründenden Umstände herleiten. Auch die Verfahrensakte seiner Eltern wiesen keine asylrelevanten individuellen Verfolgungsmaßnahmen des togoischen Staates ihm gegenüber auf.
Mit Bescheid vom 28.11.1991 forderte der Beklagte zu 2) den Kläger auf, das Bundesgebiet innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung der ausländerrechtlichen Verfügung zu verlassen. Zugleich wurde ihm die zwangsweise Abschiebung angedroht. Zur Begründung verwies der Beklagte darauf, daß der Asylantrag des Klägers als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sei und ihm der weitere Aufenthalt im Rundesgebiet (ungeachtet der Entscheidung über den Asylantrag) nicht ermöglicht werden solle. Der Kläger sei daher verpflichtet, die Bundesrepublik Deutschland unverzüglich zu verlassen. Die von ihm gesetzte Ausreisefrist erscheine unter Berücksichtigung der derzeitigen persönlichen Situation als angemessen.
Mit seiner dagegen erhobenen Klage beantragt der Kläger,
den Bescheid der Beklagten zu 1) vom 21.10.1991 und den Bescheid des Beklagten zu 2) vom 28.11.1991 aufzuheben und die Beklagte zu 1) zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, daß die Voraussetzungen des §51 Abs. 1 AuslG gegeben sind,
ferner,
ihm für die Durchführung dieses Verfahrens Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung seines Prozeßbevollmächtigten zu bewilligen.
Die Beklagten sind dem Begehren entgegengetreten.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie der Streitverfahren 10 A 10092/91 bzw. 10 A 10095/91 (Eltern des Klägers) und auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
II.
Die Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Das auf die Anerkennung als Asylberechtigter (Artikel 16 Abs. 2 Satz 2 GG) gerichtete Begehren des Klägers erweist sich als unbegründet. Insbesondere vermag er aus dem Streitverfahren seiner Mutter (10 A 10092/91) nichts zu seinen Gunsten herzuleiten. Denn deren Asylbegehren hat die Kammer durch Urteil vom gleichen Tage zurückgewiesen. Da auch im übrigen weder Anhaltspunkte für eine asylrelevante Verfolgung des Klägers (durch den togoischen Staat) noch für einen Abschiebungsschutz (§51 Abs. 1 AuslG) bestehen, mußte er mit seiner gegen die Beklagte zu 1) gerichteten Klage erfolglos bleiben.
Dagegen hat der Kläger Erfolg, soweit er sich gegen die aufenthaltsbeendende Verfügung des Beklagten zu 2) vom 28.11.1991 wendet. Denn ausweislich der vorgelegten Verwaltungsvorgänge sowie der dem angefochtenen Bescheid beigegebenen, bloß formelhaften Begründung hat der Beklagte zu 2) in rechtlich zu beanstandender Weise nicht geprüft, ob es angezeigt sein könnte, dem Kläger ungeachtet der Ablehnung seines Asylantrages den weiteren Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland wegen der laufenden (ihm bekannten) Streitverfahren seiner Eltern zu ermöglichen. Dabei ist hervorzuheben, daß der Beklagte zu 2) im Falle des Vaters des Klägers eine Verknüpfung mit der Ausreiseverpflichtung von dessen Ehefrau vorgenommen hat. Da der Beklagte zu 2) eine derartige, am Schutzzweck des Artikel 6 Abs. 1 GG zu orientierende Prüfung nicht vorgenommen hat, war demgemäß der angefochtene Bescheid vom 28.11.1991 aufzuheben.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§154 Abs. 1, 159 VwGO.
Die Nebenentscheidungen im übrigen beruhen auf den§§167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Gründe, die Berufung zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§32 AsylVfG).
Gemäß den §§166 VwGO, 114 ZPO war dem Kläger in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang Prozeßkostenhilfe zu bewilligen.
Die Kostenentscheidung insoweit beruht auf §1 Abs. 1 GKG und §166 VwGO i.V.m. §118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Soweit der Antrag auf Prozeßkostenhilfe abgelehnt worden ist, ist gegen diesen Beschluß die Beschwerde an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg statthaft.
...
Drinhaus
Stubben