Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 28.04.1992, Az.: 7 A 7366/90
Aufnahme eines Begleitberichts nebst Ergänzung zu einer Bewerbung eines Justizamtmannes; Erweiterung des Inhalts einer Personalakte bezüglich eines Beamten
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 28.04.1992
- Aktenzeichen
- 7 A 7366/90
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1992, 22008
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:1992:0428.7A7366.90.0A
Rechtsgrundlagen
- § 29 Abs. 1 VwVfG
- § 101 Abs. 1 NBG
Verfahrensgegenstand
Aufnahme von Begleitberichten in die Personalakten
Die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Braunschweig hat
auf die mündliche Verhandlung vom 28. April 1992
durch
die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht Hartermann,
den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Bieler,
den Richter Irek sowie
die ehrenamtlichen Richterinnen Cultus und Eckels
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Der 1945 geborene Kläger bekleidet seit dem 5.5.1985 die Position eines Justizamtmannes bei dem Amtsgericht Göttingen.
Unter dem 9.3.1990 bewarb er sich um eine von fünf in der niedersächsischen Rechtspflege ausgeschriebenen Justizamtsratsstellen im OLG-Bezirk Celle. Von seiner aus diesem Anlaß gefertigten Bedarfsbeurteilung nahm er Kenntnis. Es gingen über 50 Bewerbungen ein. Noch bevor der Kläger im Juni 1990 erfuhr, daß er nicht unter den fünf bestgeeigneten Bewerbern sei, beantragte er im März 1990 bei dem Beklagten, daß der Begleitbericht, mit welchem seine Bewerbung an den höheren Dienstvorgesetzten weitergereicht wurde, abschriftlich zu seinen Personalakten genommen werden möge.
Der Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 23.3.1990 ab. Die Präsidentin des OLG Celle wies den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 5.7.1990 als unbegründet zurück.
Am 23.7.1990 hat der Kläger deswegen die vorliegende Klage erhoben.
Die Auffassung des Beklagten, bei den Begleitberichten handele es sich um innerdienstliche Vorgänge, die zu den Sachakten zu nehmen seien, sei rechtsfehlerhaft und widerspreche dem Bundesverwaltungsgericht, welches in ständiger Rechtsprechung einen "materiellen" Personalaktenbegriff geprägt habe. Danach gehörten alle Vorgänge, die in innerem Zusammenhang mit dem Beamtenverhältnis stünden, als notwendiger Bestandteil zu den Personalakten des Betreffenden. Ein solcher innerer Zusammenhang bestehe bei Begleitberichten zu Erwerbungen. Die Begleitberichte seien Beförderungsvorschläge. Aus ihnen erhelle sich die Entscheidungsfindung gegen den Kläger. Diese zu kennen, sei aber notwendig für den Kläger, um die Rechtmäßigkeit des Auswahlverfahrens kontrollieren zu können.
Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 23.3.1990 sowie den Widerspruchsbescheid der Präsidentin des OLG Celle vom 5.7.1990 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, seinen zu der Bewerbung des Klägers vom 9.3.1990 erstellten Begleitbericht vom 20.3.1990 nebst Ergänzung vom 26.3.1990 abschriftlich zu den Personalakten des Klägers zu nehmen,
hilfsweise,
dasselbe zu tun unter Schwärzung der Namen der Mitkonkurrenten.
Der Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
Unter Bezugnahme auf die Gründe des Widerspruchsbescheides legt er dar, daß es keine Rechtsgrundlage dafür gebe, Begleitberichte zu Bewerbungen zu den Personalakten der Bewerber zu geben. Begleitberichte enthielten weder selbständige Beurteilungen noch Werturteile über die Person oder die Leistungen des Bewerbers. Vorhandene Beurteilungen würden darin lediglich ausgewertet. Auch der Präsidialrat sehe die Begleitberichte nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die gewechselten Schriftsätze der Gerichtsakte sowie auf die Personalakte des Klägers und auf die Generalakte 201, Bd. 6, enthaltend den hier strittigen Auswahlvorgang einschließlich der beiden Begleitberichte, verwiesen. Die genannten Akten waren inhaltlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
Die form- und fristgerecht erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist auch sonst zulässig. Insbesondere fehlt dem Kläger nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Er kann sein Klagziel nicht auf andere Weise erreichen.
Dies Klagziel besteht letztlich in einer Erweiterung der Möglichkeiten des Klägers zur Kenntnisnahme von ihn betreffenden Vorgängen. Alles, was sich in seinen Personalakten befindet, ist einem Beamten über sein umfassendes Akteneinsichtsrecht jederzeit zugänglich (§ 101 Abs. 6 NBG); innerdienstliche Vorgänge seiner Behörde, sogenannte Sachakten, sind es nicht. Wären die Begleitberichte personalaktenpflichtig, hätte der Kläger Zugang zu ihnen.
Zwar hat es ein Beamter in gewissem Umfang in der Hand, personalaktenpflichtige Vorgänge zu schaffen und auf diese Weise den Inhalt seiner Personalakten auszuweiten. Vorgänge, die anläßlich der Bewerbung eines Beamten beim eigenen Dienstherrn entstanden sind, gehören insoweit zu den Personalakten, als sie in innerem Zusammenhang mit dem bestehenden Dienstverhältnis des Beamten stehende Stellungnahmen entstehen lassen (vgl. Battis, § 90 BBG, Anm. 2): Würde der Kläger ein Konkurrentenvorverfahren betreiben und gegen die Mitteilung seines Dienstherrn, man habe sich für einen bestimmten anderen Bewerber entschieden, Widerspruch einlegen, so würden der Widerspruch und dessen Bescheidung zu den Personalakten des Klägers genommen werden, wie dies auch anläßlich einer anderen Bewerbung des Klägers geschehen ist.
Der Kläger erhielte hierdurch jedoch etwas anderes, als er mit der vorliegenden Klage erstrebt. Wohl müßte ihm offengelegt werden, weshalb man sich für jemand anderen entschied und meine, hierbei das Leistungsprinzip gewahrt zu haben. ... zu werden brauchten innerhalb des Konkurrentenvorverfahrens jedoch nur die Daten des vorgezogenen Mitbewerbern nicht zugleich der Begleitbericht, mit welchem die keine Bewerbung des Klägers an die personalentscheidende Dienststelle weitergereicht wurde.
Ebensowenig ist der allgemeine Anspruch eines Verfahrensbeteiligten auf Akteneinsicht gemäß § 29 VwVfG mit dem Ziel der vorliegenden Klage identisch. Eine Gleichsetzung verbietet sich schon wegen der kurzen Wirkungsdauer des Rechtes aus § 29 VwVfG, das nur während eines laufenden Verfahrens besteht. Eines Eingehens auf die Streitfrage, ob überhaupt das allgemeine Akteneinsichtsrecht auf Besetzungsberichte zu erstrecken wäre (vgl. Fürst, GKÖD, Rdz. 41 zu § 90 BBG), bedarf es daher nicht.
Die nach allem zulässige Klage ist jedoch mit Haupt- und Hilfsantrag unbegründet. Der Kläger hat keinen Rechtsanspruch darauf, daß der Begleitbericht, mit welchem der Beklagte das Bewerbungsschreiben des Klägers weiterleitete, zu seinen Personalakten genommen wird.
Der Gesetzgeber hat weder landes- noch bundesgesetzlich eine positivrechtliche Aufzählung personalaktenpflichtiger Vorgänge vorgenommen. Gemäß § 56 BRRG,§ 90 BBG, § 101 Abs. 2 NBG muß der Beamte über Beschwerden oder Behauptungen tatsächlicher Art, die für ihn ungünstig sind oder ihm nachteilig werden können, vor Aufnahme in die Personalakten gehört werden. Seine Äußerung ist zu seinen Personalakten zu nehmen. - Aus diesen Bestimmungen ergibt sich ausdrücklich nur die Personalaktenpflichtigkeit von bestimmtenÄußerungen des Beamten selbst, nicht jedoch eine solche von Begleitberichten zu Bewerbungen des Beamten. Auch § 101 Abs. 1 NBG enthält nur das Gebot, dem Beamten von jeder "Beurteilung" Kenntnis zu geben, "die in die Personalakten aufgenommen wird". Daß Begleitberichte personalaktenpflichtige Beurteilungen wären, wird nicht gesagt.
Jedoch hat das Bundesverwaltungsgericht aus diesem gesetzlichen Einsichts- und Anhörungsrecht, welches sich zum Schütze des Beamten auf alle Vorgänge und Urkunden erstreckt, die ihn persönlich und dienstlich betreffen, in ständiger Rechtsprechung seinen sogenannten materiellen Personalaktenbegriff hergeleitet: Es hat damit unabhängig davon, was ein Dienstherr formell in seine über den Beamten angelegte Blattsammlung aufzunehmen pflegt, eine Personalaktenpflichtigkeit einzelner Vorgänge von ihrem Inhalt her geschaffen. Hiernach wird für die Personalaktenpflichtigkeit eines Vorgangs ein "innerer Zusammenhang mit dem Beamtenverhältnis" vorausgesetzt; der Vorgang muß "inhaltlich das Dienstverhältnis des Beamten betreffen" (BVerwG, Beschl. v. 20.2.1989, - 2 B 129, 88 - NJW 89, 1942 m.w.N.). Besetzungsberichte gehören hierzu nicht, wie das Bundesverwaltungsgericht bereits mehrfach ausgeführt hat (vgl. z.B. Urt. v. 30.6.1961 - 2 C 177/58 - BVerwGE 12, 296[BVerwG 30.06.1961 - II C 177/58] f; Urt. v. 30.6.1983 - Buchholz 237.7 § 102 LBG NRW Nr. 7). Zwar können Besetzungsberichte geeignet sein, über die Persönlichkeit des Beamten Aufschluß zu geben. Ein Zwang, diese Berichte in die Personalakten aufzunehmen, besteht für den Dienstherrn gleichwohl nicht. Der hierfür erforderliche "innere" Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis fehlt deshalb, weil Besetzungsberichte zu einem Zweck erstellt wurden, der außerhalb des durch das konkrete Beamtenverhältnis begründeten Rechts- und Pflichtenkreises liegt. - Der innere Zusammenhang eines Begleitberichtes zum bestehenden Dienstverhältnis des Beamten fehlt auch dann, wenn sich der Beamte, wie hier der Kläger, um ein bei seinem bisherigen Dienstherrn zu vergebendes anderes Amt bewirbt.
... Kläger zitierte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom ...8.1975 (- 6 C 30/72 - MDR 76, 77 [BVerwG 04.08.1975 - BVerwG VI C 30/72]) kann nicht im Sinne des Klaganspruchs interpretiert werden. Das Bundesverwaltungsgericht weicht darin von seiner Rechtsprechung nicht das es verdeutlich vielmehr den für die Personalaktenpflichtigkeit eines Vorgangs erforderlichen "inneren Zusammenhang" zum bestehenden Dienstverhältnis in besonderer Weise. Die Entscheidung ist nicht zu einem Begleitbericht, sondern zu einem Protokoll einer nicht öffentlichen Gemeinderatssitzung ergangen. - Der Kläger jenes Falles, ein Lehrer, hatte sich um eine Rektorenstelle beworben. Der Gemeinderat des Schulträgers hatte die Stellenbesetzung erörtert und sich hierbei mit Differenzen befaßt, die zwischen dem Kläger und einem Mitbewerber bestanden haben sollten. Die Sitzungsniederschrift war dem Oberschulamt zugeleitet werden, das in seinem Begleitbericht gleichwohl dem Minister den Kläger zur Ernennung vorschlug. Der Kläger zog jedoch wegen der Erörterung der Zwistigkeiten seine Bewerbung zurück und bat um Versetzung in eine andere Gemeinde. Das Protokoll der Gemeinderatssitzung hatte man zu den Ortsakten, nicht jedoch auch zu den Personalakten des Klägers genommen. Dies erklärte das Bundesverwaltungsgericht für rechtswidrig. Ein Vorgang, der zwar zu einem außerhalb des bestehenden Dienstverhältnisses gelegenen Zweck entstanden sei, der jedoch im Ergebnis dazu geführt habe, daß der Beamte eine Bewerbung zurückgezogen und seine Versetzung beantragt habe, erfasse das bestehende Dienstverhältnis. Seine Kenntnis sei erforderlich, um das lückenlose Bild der dienstlichen Entwicklung des Beamtenverhältnisses festzuhalten, welches die Personalakten ergeben sollen.
Insofern unterscheidet sich jener Rechtsstreit vom hier zu entscheidenden Fall: Es ist nicht erkennbar, inwiefern der streitbefangene Besetzungsbericht auf das bestehende Dienstverhältnis des Klägers zurückstrahlen könnte. Befindet sich der Beetzungsbericht nicht in der Personalakte des Klägers, so kann dies die Vollständigkeit der dienstlichen Biographie, die die Personalakte über den Kläger aufzeichnet, nicht berühren.
Da die Entscheidung zu Lasten des Klägers auf Gründen beruht, die unabhängig davon sind, ob auch Mitbewerber in dem Begleitbericht namentlich genannt werden, ist auch der Hilfsantrag unbegründet.
Die Kostenentscheidung zu Lasten des nach allem verfahrensunterlegenen Klägers ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
III.
Gegen dieses Urteil ist die Berufung an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg statthaft. Die Berufung ist bei dem Verwaltungsgericht Braunschweig, An der Katharinenkirche 11, Postfach 47 27, 3300 Braunschweig, innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsschrift muß das angefochtene Urteil bezeichnen und einen bestimmten Antrag enthalten. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg eingeht.
Irek
Hartermann