Amtsgericht Hannover
Beschl. v. 14.03.2023, Az.: 951 RES 1/23 - 1 -

Fortbestand der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache; Eigenanzeige der Schuldnerin bzgl. der Insolvenzreife; Gestaltbarkeit des Arbeitnehmeranteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag

Bibliographie

Gericht
AG Hannover
Datum
14.03.2023
Aktenzeichen
951 RES 1/23 - 1 -
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 38360
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In der Restrukturierungssache
... GmbH & Co.KG, ...,
vertreten durch: ...
Verfahrensbevollmächtigte:
...
hat das Amtsgericht Hannover - Restrukturierungsgericht - durch den Richter am Amtsgericht Dr. Kramer am 14.03.2023 beschlossen:

Tenor:

  1. I.

    Die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache besteht fort.

  2. II.

    Gemäß §§ 73 Abs. 2 S. 1, 74 StaRUG wird von Amts wegen zum Restrukturierungsbeauftragten bestellt:

    Rechtsanwalt ... .

    1. 1.

      Stellt der Restrukturierungsbeauftragte Umstände fest, die eine Aufhebung der Restrukturierungssache nach § 33 StaRUG rechtfertigen, hat er diese gemäß § 76 Abs. 1 StaRUG dem Restrukturierungsgericht unverzüglich mitzuteilen.

    2. 2.

      Der Restrukturierungsbeauftragte hat gemäß §§ 76 Abs. 2 Nr. 4, 73 Abs. 2 S. 1 StaRUG die Aufgabe, den Schuldner und die Gläubiger bei der Ausarbeitung und Aushandlung des Restrukturierungskonzepts und des auf ihm basierenden Plans zu unterstützen. Legt der Schuldner einen Restrukturierungsplan zur Bestätigung vor, nimmt der Beauftragte gemäß § 76 Abs. 4 S. 1 StaRUG Stellung zur Erklärung nach § 14 S. 1 StaRUG; die Stellungnahme stellt auch die Zweifel am Bestehen oder an der Höhe einer Restrukturierungsforderung, einer Absonderungsanwartschaft, einer gruppeninternen Drittsicherheit oder eines Anteils- und Mitgliedschaftsrechts nach § 73 Abs. 2 Nr. 1 Hs. 4 StaRUG oder einen diesbezüglichen Streit dar (§ 76 Abs. 4 S. 3 StaRUG). Dem Restrukturierungsbeauftragten steht die Entscheidung darüber zu, wie der Restrukturierungsplan zur Abstimmung gebracht wird (§ 76 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG).

    3. 3.

      Dem Restrukturierungsbeauftragten wird gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 2 lit. a) StaRUG die Befugnis übertragen, die wirtschaftliche Lage der Schuldnerin zu prüfen und die Geschäftsführung der Schuldnerin zu überwachen.

    4. 4.

      Der Restrukturierungsbeauftragte wird gemäß § 76 Abs. 6 S. 1 StaRUG beauftragt, die dem Gericht obliegenden Zustellungen durchzuführen.

    5. 5.

      Gemäß § 81 Abs. 4 S. 1 StaRUG werden als Stundensatz für den Restrukturierungsbeauftragten EUR ... netto und für seine qualifizierten Mitarbeiter EUR ... netto festgesetzt. Der Höchstbetrag für das Honorar wird gemäß § 81 Abs. 4 S. S. 2 StaRUG mit EUR ... netto = EUR ... brutto bestimmt.

    6. 6.

      Die Schuldnerin ist verpflichtet, dem Beauftragten die erforderlichen Auskünfte zu erteilen, ihm Einsicht in die Bücher und Geschäftspapiere zu gewähren und ihn bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen (§ 76 Abs. 5 StaRUG). Sie hat dem Restrukturierungsbeauftragten jede wesentliche Änderung mitzuteilen, welche den Gegenstand des angezeigten Restrukturierungsvorhabens und die Darstellung des Verhandlungsstands betrifft (§ 32 Abs. 2 S. 1 u. S. 3 StaRUG).

    7. 7.

      Der Schuldnerin wird gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG aufgegeben, dem Restrukturierungsbeauftragten Zahlungen anzuzeigen und Zahlungen außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs nur zu tätigen, wenn der Restrukturierungsbeauftragte zustimmt.

    8. 8.

      Die Schuldnerin wird darauf hingewiesen, dass Entscheidungen über zu stellende Anträge auf Inanspruchnahme eines Instruments des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens grundsätzlich erst nach Zahlung der Gerichtsgebühr für die Bestellung des Restrukturierungsbeauftragten und eines Auslagenvorschusses in Höhe von ... ergehen (§ 81 Abs. 5 S. 2 StaRUG).

  3. III.

    Die auf Antrag der Schuldnerin erfolgende öffentliche Bekanntmachung dieses Beschlusses wird mit dem Ende des Amtes des bestellten Restrukturierungsbeauftragten gelöscht.

Gründe

I. Die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache besteht trotz des mit Schriftsatz vom 28.02.2023 "höchst vorsorglich" von der Schuldnerin angezeigten etwaigen Eintritts ihrer Überschuldung fort.

1. Allerdings bestimmt § 33 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Hs. 1 Var. 1 StaRUG, dass das Restrukturierungsgericht die Restrukturierungssache aufhebt, wenn der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung in Erfüllung seiner aus § 32 Absatz 3 StaRUG folgenden Verfahrenspflicht angezeigt hat. Der Aufhebungstatbestand ist mit der bloßen Eigenanzeige erfüllt; einer amtswegigen Überprüfung der Anzeige auf inhaltliche Richtigkeit durch das Gericht bedarf es nicht (vgl. Kramer in: BeckOK StaRUG, 7. Ed. 01.01.2023, StaRUG § 32 Rn. 35). Die Aufhebung erfolgt sodann von Amts wegen (vgl. Haffa/Schuster in: Braun, StaRUG, 1. Aufl. 2021, StaRUG § 33 Rn. 14; Denkhaus/v.Kaltenborn-Stachau in: Hamburger Kommentar z. Restrukturierungsrecht, 3. Aufl. 2022, StaRUG § 33 Rn. 25; Utsch in: Nerlich/Römermann, InsO, 46. EL, StaRUG § 33 Rn. 2; Kramer in: BeckOK StaRUG, 7. Ed. 01.01.2023, StaRUG § 33 Rn. 3). Es handelt sich im Grundsatz um eine gebundene Entscheidung (vgl. Blankenburg in: Morgen, StaRUG, 2. Aufl. 2022, StaRUG § 33 Rn. 60; Kramer in: BeckOK StaRUG, 7. Ed. 01.01.2023, StaRUG § 33 Rn. 5; Thole ZIP 2020, 1985, 1993).

Eine nach § 33 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StaRUG beachtliche Eigenanzeige der Schuldnerin, insolvenzreif zu sein, liegt hier vor. Als Verfahrenserklärung ist sie wirksam von ihren Verfahrensbevollmächtigten in Vertretung für die gesetzlichen Vertreter der Schuldnerin abgebeben worden (vgl. zur Person des Anzeigenden Fritz in: Münchener Kommentar z. StaRUG, 1. Aufl. 2023, StaRUG § 32 Rn. 26; Herding/Krafczyk in: Seibt/Westpfahl, StaRUG, 1. Aufl. 2023, StaRUG § 32 Rn. 24; Kramer in: BeckOK StaRUG, 7. Ed. 01.01.2023, StaRUG § 32 Rn. 42 f.). Die Anzeige genügt auch den zu stellenden inhaltlichen Anforderungen. Der Schuldner kommt seiner Anzeigepflicht gemäß § 32 Abs. 3 StaRUG nach, indem er dem Restrukturierungsgericht seine eigene Bewertung, er sei insolvenzreif, mitteilt (vgl. Utsch in: Nerlich/Römermann, InsO, 46. EL, StaRUG § 32 Rn. 16). Die Anzeige bedarf nach richtiger Ansicht keiner Begründung (vgl. Denkhaus/v.Kaltenborn-Stachau in: Hamburger Kommentar z. Restrukturierungsrecht, 3. Aufl. 2022, StaRUG § 33 Rn. 32; Blankenburg in: Morgen, StaRUG, 2. Aufl. 2022, StaRUG § 33 Rn. 33), d.h., der Schuldner muss weder erklären, wie er zu seiner Erkenntnis gekommen ist, noch muss er die diesbezügliche tatsächliche Grundlage dem Gericht mitteilen, damit dieses die subjektive Bewertung des Schuldners überprüfen kann. Erst recht muss die Anzeige weder den Grad einer Glaubhaftmachung im Sinne von § 38 S. 1 StaRUG, § 294 ZPO erreichen noch zu einer gerichtlichen Überzeugungsbildung im Sinne von § 38 S. 1 StaRUG, § 286 Abs. 1 ZPO führen (vgl. Kramer in: BeckOK StaRUG, 7. Ed. 01.01.2023, StaRUG § 32 Rn. 39). Doch selbst wenn man eine Glaubhaftmachung verlangen wollte (so Janjuah/Tangermann in: Morgen, StaRUG, 2. Aufl. 2022, StaRUG § 32 Rn. 67; Herding/Krafczyk in: Seibt/Westpfahl, StaRUG, 1. Aufl. 2023, StaRUG § 32 Rn. 23; Fritz in: Münchener Kommentar z. StaRUG, 1. Aufl. 2023, StaRUG § 32 Rn. 29), wäre diese hier gegeben. Die Schuldnerin hatte in ihrer Restrukturierungsanzeige, auf welche sie in der Anzeige nach § 32 Abs. 3 StaRUG inhaltlich Bezug genommenen hat, angegeben, sich zum Stichtag der Anzeigenerstattung am 21.02.2023 wegen einer Gesamtsozialversicherungsbeitragsnachforderung in Höhe von zumindest gerundet € 2,16 Mio. nach einer vorangegangenen und wegen eines anderen Prüfungszeitraums zweiten anstehenden Betriebsprüfung der Deutschen Rentenversicherung Bund (fortan: DRV) nach Maßgabe der §§ 19 Abs. 2 und Abs. 3, 4 Abs. 2 SanInsKG im Stadium der drohenden Zahlungsunfähigkeit zu befinden. Es stehe zu erwarten, dass nach Abschluss des bei der DRV noch laufenden Anhörungsverfahrens (§ 24 Abs. 1 SGB X) mit am 30.04.2023 auslaufender Anhörungsfrist und dem sodann folgenden Erlass des Prüfbescheids die für die Beitreibung zuständigen und über das Betriebsprüfungsergebnis zu unterrichtenden Einzugsstellen die Nachforderung Ende Juni 2023 geltend machen werden. Hieraus und infolge der seit der Anzeigenerstattung verstrichenen Zeit ergibt sich nachvollziehbar und glaubhaft, dass mit einer Verbescheidung durch die DRV und der anschließenden Beitreibung durch die Einzugsstellen binnen des maßgeblichen Prognosezeitraums von 4 Monaten zu rechnen ist.

2. Eine Aufhebung nach § 33 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StaRUG hat vorliegend gleichwohl zu unterbleiben.

a) Der Fortbestand der Rechtshängigkeit beruht indes nicht darauf, dass das Gericht trotz eingetretener Insolvenzreife konstitutiv von der Aufhebung der Restrukturierungssache nach § 33 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Hs. 2 oder Hs. 3 StaRUG absieht. Entgegen der Ansicht der Schuldnerin sind die Voraussetzungen dieser Ausnahmebestimmungen vorliegend nicht gegeben.

aa) Nach § 33 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Hs. 2 StaRUG kann von einer Aufhebung der Restrukturierungssache abgesehen werden, wenn die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mit Blick auf den erreichten Stand in der Restrukturierungssache offensichtlich nicht im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger liegen würde. An diesen Tatbestandsvoraussetzungen fehlt es.

Die gerichtliche Entscheidung nach § 33 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Hs. 2 StaRUG hat sich am erreichten Stand der Restrukturierungssache auszurichten. Diesbezüglich soll nach der in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/24181, S. 139) klar ausgedrückten Vorstellung des Gesetzgebers die Fortführung der Restrukturierungssache trotz eingetretener Insolvenzreife "nur dann denkbar" sein, "wenn die angestrebte Restrukturierung kurz vor ihrem Abschluss steht, insbesondere [sic!] weil die Bestätigung eines bereits angenommenen Restrukturierungsplans bevorsteht" (zust. Blankenburg in: Morgen, StaRUG, 2. Aufl. 2022, StaRUG § 33 Rn. 41; Haffa/Schuster in: Braun, StaRUG, 1. Aufl. 2021, StaRUG § 33 Rn. 17; Kramer in: BeckOK StaRUG, 7. Ed. 01.01.2023, StaRUG § 33 Rn. 29). Ein solcher Verfahrensstand ist vorliegend mangels außergerichtlicher Planabstimmung (§§ 17 ff. StaRUG) und mangels Nutzung irgendeines Instrumentes nach § 29 Abs. 2 StaRUG offensichtlich nicht erreicht. Von daher bedarf es keiner Erörterung, ob in Abkehr von der gesetzgeberischen Vorstellung bei besonderen Einzelfallumständen auch ein weniger weit gediehener Verfahrensstand, etwa ein abgehaltener Vorprüfungstermin (§§ 46, 47 f. StaRUG) ausreichen kann (so AG Dresden, Beschl. v. 07.06.2021, 574 RES 2/21, Rn. 35 - juris; Herding/Krafczyk in: Seibt/Westpfahl, StaRUG, 1. Aufl. 2023, StaRUG § 33 Rn. 17). Im Hinblick auf das Gebot, die Ausnahmebestimmung des § 33 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Hs. 2 StaRUG grundsätzlich eng auszulegen (vgl. Fitz in: Münchener Kommentar z. StaRUG, 1. Aufl. 2023, StaRUG § 33 Rn. 41; Kramer in: BeckOK StaRUG, 7. Ed. 01.01.2023, StaRUG § 33 Rn. 28), und den Wortlaut der Norm, ist es jedenfalls nicht angängig, von einem genügenden "erreichten Stand" selbst dann zu sprechen, wenn der Schuldner - wie hier - bislang lediglich die Restrukturierungsanzeige erstattet hat (aA Fitz in Münchener Kommentar z. StaRUG, 1. Aufl. 2023, StaRUG § 33 Rn. 41). Das ist keine unbillige Gesetzesauslegung. Schon gar nicht führt sie dazu, dass auf ihrer Grundlage die Restrukturierungsgerichte sich anmaßen würden, darüber zu entscheiden, ob ein Schuldner "besser im Restrukturierungsrahmen oder im Insolvenzverfahren aufgehoben ist" (so Fitz in: Münchener Kommentar z. StaRUG, 1. Aufl. 2023, StaRUG § 33 Rn. 41). Kommt einem Restrukturierungsvorhaben schon in seiner Frühphase Erfolgsaussicht zu, verhindert diese richtigerweise den Eintritt des Überschuldungstatbestandes (zur sog. vorweggenommenen Planwirkung sogleich). Auf § 33 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 StaRUG kommt es bei noch zahlungsfähigen Schuldnern dann gar nicht an, wohingegen beim zahlungsunfähigen Schuldner ohne Weiteres einleuchtet, dass einem erst ganz am Anfang stehenden Restrukturierungsverfahren nicht noch wochen- oder monatelanger Fortgang gegeben werden kann.

bb) Nach § 33 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Hs. 3 StaRUG kann von einer Aufhebung abgesehen werden, wenn die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung aus der Kündigung oder sonstigen Fälligstellung einer Forderung resultiert, die nach dem angezeigten Restrukturierungskonzept einer Gestaltung durch den Plan unterworfen werden soll, sofern die Erreichung des Restrukturierungsziels überwiegend wahrscheinlich ist. Auch diese Voraussetzungen sind nicht zu bejahen.

In Betracht kommt vorliegend allein die Variante der - nach Erstattung der Restrukturierungsanzeige erfolgten (vgl. Kramer in: BeckOK StaRUG, 7. Ed. 01.01.2023, StaRUG § 33 Rn. 30; aA Janjuah/Tangermann in: Morgen, StaRUG, 2. Aufl. 2022, StaRUG § 32 Rn. 76) - Fälligstellung einer beabsichtigter Weise zu gestaltenden Restrukturierungsforderung. Dergleichen ist hier mit Blick auf die Gesamtsozialbeitragsnachforderungen, welche die Schuldnerin mit ihrem vorzulegenden Restrukturierungsplan zu gestalten beabsichtigt, nicht zu erkennen. Werden im Rahmen von Betriebsprüfungen (§ 28p SGB IV) versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse festgestellt, werden die Gesamtsozialversicherungsbeiträge gemäß § 22 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 SGB IV zum drittletzten Bankarbeitstag des der Bekanntgabe der Entscheidung folgenden Monats fällig (vgl. Wagner in: BeckOK Sozialrecht, 67. Ed. 01.12.2022, SGB IV § 23 Rn. 10; Schmidt NZWS 2001, 569, 576). Es ist von der Schuldnerin weder mitgeteilt noch sonst ersichtlich, dass die DRV einen Betriebsprüfungsbescheid nach § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV bereits erlassen hat. Nach Angabe der Schuldnerin ist ihr vielmehr noch bis zum 30.04.2023 eine Anhörungsfrist zur Prüfmitteilung von der DRV eingeräumt worden.

Ob § 33 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Hs. 3 StaRUG im Übrigen auch aus dem Grunde ausscheiden würde, weil er nur den Fall der Fälligstellung einer einzelnen, nicht aber wie hier mehrerer Forderungen einer Vielzahl von Einzugsstellen erfasst (so Blankenburg in: Morgen, StaRUG, 2. Aufl. 2022, StaRUG § 33 Rn. 45; aA Herding/Krafczyk in: Seibt/Westpfahl, StaRUG, 1. Aufl. 2023, StaRUG § 33 Rn. 18; Kramer in: BeckOK StaRUG, 7. Ed. 01.01.2023, StaRUG § 33 Rn. 30; wohl ebenso Fritz in: Münchener Kommentar z. StaRUG, 1. Aufl. 2023, StaRUG § 33 Rn. 43), kann dahinstehen.

b) Die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache besteht vorliegend ohne Entscheidung des Gerichts nach § 33 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Hs. 2 oder Hs. 3 StaRUG fort, weil die Schuldnerin infolge der im Restrukturierungsverfahren zu beachtenden modifizierten Überschuldungsprüfung selbst auf Grundlage ihrer Eigenanzeige nach § 32 Abs. 3 StaRUG nicht als überschuldet / insolvenzreif anzusehen ist. Der Beschlusstenor zu Ziffer I stellt dies deklaratorisch fest.

aa) Die Schuldnerin stellt in ihrer Anzeige zutreffend hilfsweise darauf ab, dass schon die überwiegende Wahrscheinlichkeit auf Verwirklichung des mit einem Restrukturierungsvorhaben verfolgten Restrukturierungsziels eine positive Fortführungsprognose im Sinne von § 19 Abs. 2 S. 1 InsO vermitteln und damit dem Insolvenzgrund der Überschuldung entgegenwirken kann (hM, vgl. BT-Drs. 19/24181, 139; Herding/Krafczyk in: Seibt/Westpfahl, StaRUG, 1. Aufl. 2023, StaRUG § 32 Rn. 26; Hirschberger/Siepmann in: Morgen, StaRUG, 2. Aufl. 2022, StaRUG § 29 Rn. 35; Haffa/Schuster in: Braun, StaRUG, 1. Aufl. 2021, StaRUG § 33 Rn. 16; Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, 1. Aufl. 2021, StaRUG § 33 Rn. 6; Denkhaus/v.Kaltenborn-Stachau in: Hamburger Kommentar z. Restrukturierungsrecht, 3. Aufl. 2022, StaRUG § 33 Rn. 31; Utsch in: Nerlich/Römermann, 46 EL, StaRUG § 33 Rn. 16; Kramer in: BeckOK StaRUG, 7. Ed. 01.01.2023, StaRUG § 29 Rn. 17 sowie § 31 Rn. 43 und § 33 Rn. 23; Balthasar NZI-Beil. 2021, 18, 19; Brinkmann ZIP 2020, 2361, 2362; Gehrlein BB 2021, 66, 71; Thole ZIP 2020, 1985, 992; Desch BB 2020, 2498, 2499).

bb) Eine solche sog. vorweggenommene Planwirkung kommt der Schuldnerin unter den hier obwaltenden Umständen zugute, weil ihrem Restrukturierungsvorhaben unter Zugrundelegung des derzeitigen Verfahrens- und Erkenntnisstandes, insbesondere ihrer substantiierten und nachvollziehbaren Angaben in der Restrukturierungsanzeige eine überwiegende Erfolgsaussicht zuzuschreiben ist. Vor allem lässt sich das von der Schuldnerin hauptsächlich ins Auge gefasste Restrukturierungsziel, die Kürzung der Gesamtsozialversicherungsbeitragsnachforderungen der Einzugsstellen, welche die DRV infolge ihrer Betriebsprüfung festgestellt hat, rechtstechnisch erreichen. Ein darauf zielender Restrukturierungsplan erscheint im Grundsatz gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG bestätigungsfähig, weil es sich nicht um nach § 4 S. 1 Nr. 1 StaRUG nicht gestaltbare Forderungen handelt. Das Gericht hält an seinen diesbezüglichen, in erster vorläufiger Würdigung im Hinweisbeschluss vom 27.02.2023 geäußerten Bedenken nach weitergehender Prüfung nicht weiter fest.

aaa) Nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG ist die Bestätigung des Restrukturierungsplans von Amts wegen zu versagen, wenn die Vorschriften über den Inhalt und die verfahrensmäßige Behandlung des Restrukturierungsplans in einem wesentlichen Punkt nicht beachtet worden sind. Zu den insoweit beachtlichen Vorschriften zählt auch § 4 StaRUG (vgl. Jungmann in: Münchener Kommentar z, StaRUG, 1. Aufl. 2023, StaRUG § 63 Rn. 39), obgleich diese Bestimmung systematisch nicht in Kapitel 1 Abschnitt 2 und den dort geregelten Anforderungen an den Restrukturierungsplan (§§ 5 bis 16 StaRUG) eingefügt worden ist. Als eine der im Kapitel 1 Abschnitt 1 geregelten Eingangsvorschriften des StaRUG, welche die Reichweite des Restrukturierungs- und Stabilisierungsrahmen abstecken (vgl. Skauradszun in: BeckOK StaRUG, 7. Ed. 01.01.2023, StaRUG § 2 Rn. 1 und § 4 Rn. 1), ist sie selbstverständlich auch Bestimmung über den zulässigen Planinhalt. § 4 S. 1 Nr. 1 StaRUG erklärt Forderungen von Arbeitnehmern aus oder im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis einer Gestaltung durch einen Restrukturierungsplan für unzugänglich. Die Einbeziehung einer nach § 4 StaRUG nicht gestaltbaren, also nicht plandispositiven Forderungen stellt zugleich einen wesentlichen Mangel dar (vgl. Skauradszun in: BeckOK StaRUG, 7. Ed. 01.01.2023, StaRUG § 63 Rn. 17; Jungmann in: Münchener Kommentar z. StaRUG, 1. Aufl. 2023, StaRUG § 63 Rn. 41; Marotzke ZInsO 2021, 2540, 2546); derlei "übergriffige" Restrukturierungspläne dürfen nicht bestätigt werden.

bbb) Die beabsichtigte Restrukturierungsplanung der Schuldnerin, die Gesamtsozialversicherungsbeitragsnachforderungen einschließlich der Arbeitnehmeranteile in Form einer Kürzung um 87 vom Hundert zu gestalten (§ 7 Abs. 2 StaRUG), läuft § 4 S. 1 Nr. 1 StaRUG nicht zuwider.

Allerdings ist im juristischen Schrifttum speziell die Gestaltbarkeit des Arbeitnehmeranteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag umstritten. Die vorherrschende Ansicht bejaht sie (so Prusko in: Münchener Kommentar z. StaRUG, 1. Aufl. 2023, StaRUG § 4 Rn. 9; Skauradszun in: BeckOK StaRUG, 7. Ed. 01.01.2023, StaRUG § 4 Rn. 6; Schröder in: Hamburger Kommentar z. Restrukturierungsrecht, 3. Aufl. 2022, StaRUG § 4 Rn. 6c; Cranshaw Sgb 2021, 610, 611; Hunsalzer ZInsO 2021, 1469, 1474). Nach abweichender Ansicht soll der Gestaltbarkeit § 4 S. 1 Nr. 1 StaRUG entgegenstehen (so Thies in: Bieg/Borchardt/Frind, Unternehmenssanierung und Betriebsfortführung, 1. Aufl. 2021, Teil 2 B VII. Rn. 35). Das Gericht schließt sich der vorherrschenden Auffassung an. Gesamtsozialversicherungsbeitragsforderung einschließlich der Arbeitnehmeranteile stellen keine ausgenommenen Rechtsverhältnisse im Sinne von § 4 S. 1 Nr. 1 StaRUG dar.

aaaa) Die Anwendbarkeit des § 4 S. 1 Nr. 1 StaRUG lässt sich allerdings, anders als die Schuldnerin in ihrer Stellungnahme vom 03.03.3023 meint, nicht pauschal damit ablehnen, dass eine Gestaltung der Beitragsnachforderung der Einzugsstellen ohne Auswirkung auf die Arbeitnehmer ist, als solche gemäß § 611 Abs. 1 S. 6 BGB auch die von der Schuldnerin beschäftigten Scheinselbständigen zu betrachten sind (vgl. nur Maties in: BeckOGK, Stand 01.01.2023, BGB § 611a Rn. 175 f.).

Hierzu ist im Ausgangspunkt jedoch festzuhalten, dass juristisch zwischen dem bürgerlich-rechtlichen Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers aus § 611a Abs. 2 BGB, der regelhaft auf Zahlung des Bruttolohns gerichtet ist einschließlich des Arbeitnehmeranteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag (vgl. BAG Großer Senat, Beschl. v. 07.03.2001, GS 1/00, Rn. 13 - juris), und dem öffentlich-rechtlichen Beitragsanspruch der Sozialversicherungsträger zu unterscheiden ist (vgl. Zieglmeier in: BeckOGK, Stand 01.03.2022, SGB IV § 22 Rn. 18). Für letztere gilt nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB IV im Grundsatz das Entstehungsprinzip, d.h., die Beitragsansprüche der Versicherungsträger entstehen, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Das Arbeitsentgelt ist zwar Voraussetzung für das Entstehen der Beitragsforderungen, sie entstehen aber auch dann, wenn Arbeitsentgelt geschuldet, indes nicht gezahlt wird und selbst dann, wenn der Arbeitnehmer es nicht einfordert (vgl. BSG, Urt. v. 27.04.2021, B 12 R 18/19 R, Rn. 15; Urt. v. 26.11.1985, 12 RK 51/83, Rn. 23 - juris). Dem entspricht es, dass der einmal entstandene Beitragsanspruch nicht der Disposition der Arbeitsvertragsparteien unterliegt, sondern sich hinsichtlich des Erlöschens, der Verwirkung oder der Verjährung ausschließlich nach öffentlich-rechtlichen Regelungen bestimmt (vgl. Zieglmeier in: BeckOGK, Stand 01.03.2022, SGB IV § 22 Rn. 18). Die Stundung oder gar der Verzicht auf den Vergütungsanspruch aus § 611a Abs. 2 BGB wirken sich folglich auf den öffentlich-rechtlichen Beitragsanspruch nicht aus (vgl. BSG, Urt. v. 14.07.2004, B 12 KR 7/04 R, Rn. 36 - juris; Roßbach in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar z. Sozialrecht, 7. Aufl. 2021, SG IV § 22 Rn. 5). Letzteres schließt zugleich aus, in der restrukturierungsrechtlichen Gestaltung der Gesamtsozialversicherungsbeitragsforderung generell eine rechtsmissbräuchliche Umgehung von § 4 S. 1 Nr. 1 StaRUG zu sehen, weil die Gestaltung der Forderung aus § 611a Abs. 2 BGB, selbst wenn sie - wie nicht (vgl. Westpfahl/Dittmar in: Flöther, StaRUG, 1. Aufl. 2021, StaRUG § 4 Rn. 2; Skauradszun in: BeckOK StaRUG, 7. Ed. 01.01.2023, StaRUG § 4 Rn. 6; Rieger/Schmitz in: Nerlich/Römermann, InsO, 46. EL, StaRUG § 4 Rn. 4; Esser in: Braun, StaRUG, 1. Aufl. 2021, StaRUG § 4 Rn. 6) - nach §§ 2, 4 StaRUG zugelassen wäre, sich auf die Beitragsforderung nicht auswirkte.

Umgekehrt, also bei Gestaltung der Beitragsforderung, ist eine Auswirkung auf die Arbeitnehmerforderung aus § 611a Abs. 2 BGB hingegen nicht ausgeschlossen. Der regelhaft auf den Bruttolohn zielende bürgerlich-rechtliche Entgeltanspruch des Arbeitnehmers unterliegt zwar einem öffentlich-rechtlichen Pflichtengefüge, welches beide Parteien des Arbeitsvertrags trifft und welches den Anspruch aus § 611a Abs. 2 BGB überlagert und prägt. So schuldet der Arbeitnehmer die Einkommenssteuer und er hat den Arbeitnehmeranteil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags im Innenverhältnis (qua Beitragsabzug nach § 28g SGB IV) wirtschaftlich zu tragen, wenngleich der Arbeitgeber insoweit im Außenverhältnis gemäß § 28e Abs. 1 S 1 SGB IV gegenüber der Einzugsstelle Zahlungspflichtiger ist. Dieses öffentlich-rechtliche Pflichtengefüge beschränkt aber nicht den Arbeitnehmeranspruch, sondern modifiziert seinen Inhalt nur dahin, dass der Arbeitnehmer den Bruttolohn beanspruchen, aber nicht vollständige Zahlung an sich verlangen kann, sondern hinsichtlich des seinen Nettolohn übersteigenden Teils Anspruch auf Einbehalt und Abführung durch den Arbeitgeber hat. Führt der Arbeitgeber Einkommenssteuer und Gesamtsozialversicherungsbeitrag ab, erfüllt er damit auch seine Zahlungspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer; diesem gegenüber hat die Zahlung die Bedeutung eines besonderen Erfüllungseinwands (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juni 2000 - B 4 RA 57/98 R, Rn. 29 - juris).

Aufgrund dieser Verzahnung des § 611a Abs. 2 BGB mit den §§ 28d ff. SGB IV vermag sich eine restrukturierungsrechtliche Gestaltung der Beitragsforderung der zuständigen Einzugsstelle auch auf den in der Person des Arbeitnehmers bestehenden Vergütungsanspruch auszuwirken, und zwar sowohl verfahrens- als auch materiell-rechtlich.

Zwar kann der Arbeitnehmer seinen etwaig titulierten Bruttolohnanspruch wegen § 49 Abs. 2 S. 1 StaRUG sogar während einer angeordneten Stabilisierungsanordnung im Wege der Zwangsvollstreckung versuchen durchzusetzen. Er kann, wenn der Arbeitgeber nicht die Beitragsabführung nachweist und so die Beschränkung der Vollstreckung nach § 775 Nr. 4 ZPO herbeiführt, nämlich den Bruttobetrag vollstrecken, auch wenn er die Anteile zur Gesamtsozialversicherung und Lohnsteuer nicht behalten darf (vgl. BAG, Urt. v. 14.01.1964, 3 AZR 55/63, Rn. 28; BGH, Urt. v. 21.04.1966, VII ZB 3/66, Rn. 13 - juris). Mit Bestätigung des Restrukturierungsplans, welcher die Kürzung der Beitragsforderung - wie hier im Entwurf des Restrukturierungsplans vorgesehen - als Verzicht (im Sinne eines Erlassvertrags gemäß § 397 BGB) und nicht lediglich als Befreiung im Sinne von § 11 S. 1 StaRUG vorsieht, welche nur zu einer Naturalobligation ohne Erlöschenswirkung führte (vgl. dazu Madaus in: Münchener Kommentar z. StaRUG, 1. Aufl. 2023, StaRUG § 67 Rn. 26 f.), wäre dem Arbeitnehmer die Vollstreckung hinsichtlich des gekürzten Gesamtsozialversicherungsbeitrages indes genommen. Auch der Forderungserlass ist nach § 775 Nr. 4 ZPO zu berücksichtigen (vgl. Lackmann in: Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl. 2022, ZPO § 775 Rn. 7). Bei rechtswidriger Nichteinstellung der Zwangsvollstreckung könnte der Restrukturierungsschuldner / Arbeitgeber spätestens mit erfolgreicher Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) oder sofortiger Beschwerde (§ 793 ZPO), gestützt auf die gestaltende Wirkung des Restrukturierungsplans (§ 67 Abs. 1 S. 1 StaRUG), gegenüber dem titulierten Anspruch des Arbeitnehmers berechtigt einwenden, dass die Beitragsforderung der Einzugsstelle infolge ihrer Umgestaltung ihm gegenüber in Höhe der Kürzungsquote nicht nur nicht durchsetzbar, sondern gar nicht mehr geschuldet ist. Dann kann auch der Anspruch des Arbeitnehmers auf Abführung des vollen Sozialversicherungsbeitrages an die Einzugsstelle nicht mehr durchgesetzt werden, welcher kein Rechtsgrund mehr zukäme, die volle Zahlung zu behalten. Sinngemäß gilt all dies auch für ein vorgelagertes Erkenntnisverfahren, also die Bruttolohnklage des Arbeitnehmers.

Eine Kürzung im Verhältnis des Arbeitgebers zur Einzugsstelle kann demnach auch materiell-rechtlich eine Kürzung im Verhältnis des Arbeitsgebers zum Arbeitnehmer darstellen. Die Aussage, dass die Forderungen der Sozialversicherungsträger auf Sozialversicherungsbeiträge keine Forderungen der Arbeitnehmer seien (so Schröder in: Hamburger Kommentar z. Restrukturierungsrecht, 3. Aufl. 2022, StaRUG § 4 Rn. 6c) trifft daher nur im streng formalen Sinne und bei Nichtberücksichtigung der Abhängigkeit des Arbeitnehmeranspruchs aus § 611a Abs. 2 BGB von den §§ 22 ff. SGB IV zu. Auch die in diesem Zusammenhang von der vorherrschenden Ansicht herangezogene Formulierung aus der zur bereicherungsrechtlichen Rückgewähr eines an den Arbeitnehmer gezahlten Bruttobetrages ergangenen Entscheidung des BAG (Urt. v. 21.12.2016, 5 AZR 273/16, Rn. 15 - juris), dass der Arbeitsvertrag nur rechtlicher Grund für den Einbehalt und die Abführung von Beiträgen an den Sozialversicherungsträger sein könne, nicht aber für deren Auszahlung an den Arbeitnehmer, kann mit Vorstehendem nicht die Bedeutung beigelegt werden, dass der Arbeitnehmer von einer Kürzung der Gesamtsozialversicherungsbeitragsforderung ohnehin nicht betroffen sei (so Prusko in: Münchener Kommentar z. StaRUG, 1. Aufl. 2023, StaRUG § 4 Rn. 9; Hunsalzer ZInsO 2021, 1469, 1474).

Zwar trifft es zu, dass der Arbeitnehmer im laufenden Arbeitsverhältnis selbst bei Nichtabführung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages durch den gegenüber der Einzugsstelle allein zahlungspflichtigen Arbeitgeber Sozialversicherungsschutz genießt. Die Nichtabführung kann für den Arbeitnehmer aber durchaus wirtschaftliche Nachteile haben. Die den Arbeitgeber zur Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags verpflichtende Vorschrift des § 28eAbs. 1 S. 1 SGB IV regelt nämlich, worauf das Gericht schon in seinem Hinweisbeschluss vom 27.02.2023 hingewiesen hat, nur die Zahlungspflicht des Arbeitgebers gegenüber der Einzugsstelle, nicht dagegen, wer letztlich finanziell belastet wird, also den Beitrag zu tragen hat. Das ist hinsichtlich des Arbeitnehmeranteils der Arbeitnehmer, der seinen Beitragsteil wirtschaftlich aus dem ihm zustehenden Bruttoentgelt trägt. Dementsprechend gilt gemäß § 28e Abs. 1 S. 2 SGB IV die Zahlung des vom Beschäftigten zu tragenden Teils des Gesamtsozialversicherungsbeitrags als aus dem Vermögen des Beschäftigten erbracht. Durch die Beiträge erwirbt der Arbeitnehmer Rechte in der Sozialversicherung. Dem Arbeitgeber steht der Anspruch, den Arbeitnehmeranteil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend zu machen (§ 28g Abs. 1 S. 1 und 2 SGB IV) nur zum Ausgleich seiner Verpflichtung zu, den vollen Sozialversicherungsbeitrag zu zahlen (vgl. BAG Großer Senat, Beschl. v. 07.03.2001, GS 1/00, Rn. 16 - juris).

Diese Rechts-/Vermögensposition beachtet, könnte der Arbeitnehmer bei restrukturierungsrechtlicher Gestaltung des Einzugsanspruchs der Einzugsstelle beispielhaft darin beschränkt werden, bei nicht mehr zu erlangenden Leistungsrechten eine Beitragserstattung nach § 210 SGB VI, welche eine vorherige Beitragszahlung, also ein tatsächliches Tragen im Sinne von Abs. 3 S. 1 der Vorschrift voraussetzt (vgl. Wehrhahn in: BeckOGK, Stand 01.05.2021, SGB VI § 210 Rn. 16), erfolgreich beantragen zu können (vgl. BAG Großer Senat, Beschl. v. 07.03.2001, GS 1/00, Rn. 16 a.E.; Hessisches Landessozialgericht, Urt. v. 26.03.2015, L 8 KR 158/14, Rn. 22 - juris); er ginge insoweit einer Vermögensmehrung konkret verlustig. Darüber hinaus können, wie der bereits mehrfach zitierte Große Senat des BAG ausgeführt hat (Beschl. v. 07.03.2001, GS 1/00, Rn. 33 - juris), dem Arbeitnehmer bereits aus der verspäteten Abführung des Sozialversicherungsbeitrages Schäden entstehen, so beispielsweise im Zusammenhang mit Wartezeiten (§ 50 SGB VI) oder fehlenden Beitragszeiten (§ 55 SGB VI); dies gilt erst recht, wenn die Abführung infolge einer Kürzung gänzlich ausbleibt.

bbbb) Eine mittelbare Betroffenheit von Arbeitnehmerforderungen der vorbeschriebenen Art genügt jedoch nicht, den Ausschlusstatbestand nach § 4 S. 1 Nr. 1 StaRUG auch auf die Beitragsforderungen der Einzugsstellen zu erstrecken. Die Bestimmung kann nicht dementsprechend ausgelegt werden.

aaaaa) Der Wortlaut des § 4 S. 1 Nr. 1 StaRUG ist allerdings indifferent und legt weder den Einbezug noch den Ausschluss von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen oder zumindest des Arbeitnehmeranteils zwingend nahe.

Bei Zugrundelegung des üblichen juristischen Sprachgebrauchs und Begriffsverständnisses ist der Wortlaut dahin zu verstehen, dass eine ausgenommene "Arbeitnehmerforderung" nur dann vorliegt, wenn originär in der Person des Arbeitnehmers ein Anspruch oder ein sonstiges Recht entstanden ist, welches im Arbeitsverhältnis wurzelt oder mit diesem im Zusammenhang steht, folglich der Arbeitnehmer selbst als Planbetroffener gemäß § 9 StaRUG in eine Gruppe eingeteilt wird. Eine solche unmittelbare Betroffenheit bzw. Verfahrensstellung fehlt, wenn der Restrukturierungsplan nicht die Kürzung des Bruttolohnanspruchs des Arbeitnehmers, sondern die Kürzung des von der zuständigen Einzugsstelle einzuziehenden Gesamtsozialversicherungsbeitrags (§ 28d, 28h, 28i SGB IV) vorsieht und nur jene damit formal Planbetroffene wird.

Gegen eine dermaßen streng formale Auslegung kann angeführt werden, dass der Wortlaut gegenstandsbezogen formuliert ist (Arbeitnehmerforderung als Rechtsobjekt) und nicht subjektbezogen (Arbeitnehmer als Anspruchsinhaber). § 4 S. 1 Nr. 1 StaRUG kann daher in einem materiellen Verständnis auch so gelesen werden, dass er eine Gestaltung einer Arbeitnehmerforderung unterbindet, sogar dann, wenn der Arbeitnehmer selbst nach dem Restrukturierungsplan nicht Verfahrensbeteiligter werden soll, die Gestaltung sich aber - bei typisierender Betrachtungsweise - auf seine Forderung rechtlich auswirken und auch wirtschaftliche Nachteile für ihn nach sich ziehen kann. Bei einer solchen materiellen Betrachtungsweise beträfe die hier beabsichtigte Restrukturierungsplanung (mittelbare) eine Arbeitnehmerforderung.

bbbbb) Aus der Gesetzgebungsgeschichte lässt sich ebenfalls nicht eindeutig herleiten, ob unter § 4 S. 1 Nr. 1 StaRUG auch Gesamtsozialversicherungsbeiträge und speziell der Arbeitnehmeranteil fallen sollen oder nicht. Die Gesetzesmaterialien enthalten hierzu keine Aussage (vgl. Hunsalzer ZInsO 2021, 1469, 1474).

ccccc) Die Auslegung nach Sinn und Zweck der Norm spricht eher dafür, eine mittelbare Betroffenheit vor Arbeitnehmerforderungen ausreichen zu lassen.

Der Gesetzgeber ist bei Schaffung der Norm in erster Linie davon ausgegangen, dass Unternehmen, die im Rahmen ihres operativen Geschäfts sogar Schwierigkeiten haben, die gegenüber den Arbeitnehmern bestehenden Forderungen zu erfüllen, sich in aller Regel derart vertieft in der Krise befinden, dass sich die Restrukturierung im Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen nicht angemessen bewältigen lässt (BT-Drs. 19/24181, 114). Dass gleichwohl eine restrukturierungsrechtliche Gestaltung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen und speziell der Arbeitnehmeranteile erfolgen kann, dürfte damit außerhalb des Vorstellungsbildes des Gesetzgebers gelegen haben. Wie das Gericht bereits in seinem Hinweisbeschluss vom 27.02.2023 ausgeführt hat, kann dieser Gesetzesbegründung in der Auslegung der Norm jedoch nur bedingt Gewicht beigemessen werden, weil das StaRUG Schuldnern generell nur zugänglich ist, wenn sie lediglich drohend Zahlungsunfähig sind (sog. materielle Zugangsvoraussetzung, vgl. Schröder in: Hamburger Kommentar z. Restrukturierungsrecht, 3. Aufl. 2022, StaRUG § 29 Rn. 2; Utsch in: Nerlich/Römermann, InsO, 46. EL, StaRUG § 29 Rn.2; Hoffmann/Braun in: Flöther, StaRUG, 1. Aufl. 2021, StaRUG § 29 Rn. 2; Kramer in: BeckOK StaRUG, 7. Ed. 01.01.2023, StaRUG § 29 Rn. 8; Brünkmans ZInsO 2021, 1, 7; Desch BB 2020, 2498; Commandeur/Utsch NZG 2020, 1338; Deppenkemper ZIP 2020, 2432, 2434; Gehrlein BB 2021, 66, 72; Seibt/Bulgrin DB 2020, 2226, 2227; Skauradszun ZRI 2020,625; Thole ZIP 2020, 1985, 1990). Sie befinden demnach regelhaft noch nicht in einer vertieften, sogar ihr operatives Geschäft erfassenden wirtschaftlichen Krise. Der hiesige Fall einer von einer hohen Beitragsnachforderung betroffenen Schuldnerin zeigt anschaulich, dass Forderungen aus Arbeitsverhältnissen (im weiten Sinne des § 304 Abs. 1 S. 2 InsO) nicht zwingend auf das operative Tagesgeschäft durchschlagen müssen.

Gewichtiger in der Auslegung ist der aus Art. 1 Abs. 5 lit. a) der Restrukturierungsrichtlinie (EU) 2019/1023 zu entnehmende übergeordnete Zweck, Arbeitnehmer zu schützen (vgl. Herding/Krafczyk in: Seibt/Westpfahl, StaRUG, 1. Aufl. 2023, StaRUG § 4 Rn. 2; Westpfahl/Dittmar in: Flöther, StaRUG, 1. Aufl. 2021, StaRUG § 4 Rn. 3). § 4 S. 1 Nr. 1 StaRUG geht auf vorgenannte Richtlinienbestimmung zurück. Die Schutzbedürftigkeit spiegelt sich im nationalen Recht darin wieder, dass Arbeitnehmer im Anwendungsbereich des StaRUG - gesetzgeberisch bewusst (vgl. BT-Drs. 19/24181, 115; Skauradszun in: BeckOK StaRUG, 7. Ed. 01.01.2023, StaRUG § 4 Rn. 7 f.; Prusko in: Münchener Kommentar z. StaRUG, 1. Aufl. 2023, StaRUG § 4 Rn. 10) - keinen Anspruch auf ein dem Insolvenzgeld (§§ 165 ff. SGB III) ähnliches Äquivalent haben. Dazu passt, dass auch die Einzugsstellen gegenüber der Bundesagentur für Arbeit im Hinblick auf eine restrukturierungsrechtliche Gestaltung ihrer Forderungen keinen Antrag auf Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (§ 28d SGB III) stellen können. Ihr Antragsrecht aus § 175 SGB III ist nicht auf Restrukturierungssachen erweitert worden. Dieses gesetzgeberische Unterlassen könnte dahin gedeutet werden, dass es eines erweiterten Antragsrechtes deswegen nicht bedurfte, weil eine Gestaltung von Gesamtsozialversicherungsbeitragsforderungen ohnehin nicht angängig ist.

ddddd) Die systematische Auslegung führt indes dazu, die Anwendbarkeit von § 4 S. 1 Nr. 1 StaRUG auf Gesamtsozialversicherungsbeitragsforderung einschließlich des Arbeitnehmeranteils abzulehnen.

Keine Bedeutung in der systematischen Auslegung des § 4 S. 1 Nr. 1 StaRUG erlangt jedoch, dass nach ständiger Rechtsprechung des BGH die insolvenzanfechtungsrechtliche Rückabwicklung gezahlter Gesamtsozialversicherungsbeiträge trotz der Vorschrift des § 28e Abs. 1 S. 2 SGB IV im Verhältnis des Arbeitgebers zur Einzugsstelle stattfindet (vgl. BGH, Urt. v. 07.04.2011, IX ZR 118/10, Rn. 3; Urt. v. 05.11.2009, IX ZR 233/08, Rn. 13 - juris) Diese Rechtsprechung beruht auf der Betrachtung der Leistungskette(n), um die es im hiesigen Kontext nicht geht.

Das Gericht vermag auch nicht der Ansicht der Schuldnerin beizutreten, aus § 76 Abs. 3 S. 1 SGB IV sei zu schließen, dass die Einzugsstellen mit Blick auf § 4 S. 1 Nr. 1 StaRUG legitimiert seien, mittelbar auf die Arbeitnehmerforderung einzuwirken. Nach dieser Bestimmung dürfen die Einzugsstellen zwar unter den dort näher aufgestellten Voraussetzungen Beitragsansprüche stunden, niederschlagen und erlassen. Anzunehmen, dass dies auch im Restrukturierungsverfahren möglich ist, setzt jedoch voraus, dass § 4 S. 1 Nr. 1 StaRUG als lex specialis Gesamtsozialversicherungsbeitragsforderungen nicht erfasst, was gerade fraglich ist. Die Schuldnerin zieht hier folglich einen nicht weiterführenden Zirkelschluss.

Aus der Regelung zur Stabilisierungsanordnung in § 50 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG ist jedoch zu ersehen, dass der Gesetzgeber innerhalb des StaRUG zwischen den dort getrennt genannten Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen einerseits und Verbindlichkeiten gegenüber Sozialversicherungsträgern andererseits differenziert, also ein formaljuristisches Begriffsverständnis pflegt. Wenngleich nicht als Arbeitnehmerforderung bezeichnet, wie es gesetzlich konsequenter Begriffsbenutzung entsprochen hätte, ist mit der stattdessen verwendeten Formulierung der "Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen" dennoch und offensichtlich dasselbe gemeint wie bei § 4 S. 1 Nr. 1 StaRUG (vgl. Skauradszun in: Münchener Kommentar z. StaRUG, 1. Aufl. 2023, StaRUG § 50 Rn. 26). Das legt auch die gleich zweifache Inbezugnahme des § 4 StaRUG in den benachbarten Regelungen in § 49 Abs. 2 S. 1 StaRUG und § 51 Abs. 4 S. 2 StaRUG nahe.

Gestützt wird dieses systematische Auslegungsergebnis dadurch, dass § 4 S. 1 Nr. 1, wie ausgeführt, auf Art. 1 Abs. 5 lit. a) der Restrukturierungsrichtlinie (EU) 2019/1023 zurückgeht. Hierbei handelt sich um eine Öffnungsklausel, die es dem deutschen Gesetzgeber erlaubt hat, Arbeitnehmerforderungen, die nach der Restrukturierungsrichtlinie eigentlich gestaltbar wären, aus dem Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen herauszunehmen. § 4 S. 1 Nr. 1 StaRUG hat damit den Charakter einer Ausnahmevorschrift und ist im Zweifel eng auszulegen (vgl. Skauradszun in: BeckOK StaRUG, 7. Ed. 01.01.2023, StaRUG § 4 Rn. 12) oder anders gewendet, was in § 4 StaRUG nicht eindeutig als nicht gestaltbar festgelegt ist, ist im Zweifel gestaltbar (vgl. Herding/Krafczyk in: Seibt/Westpfahl, StaRUG, 1. Aufl. 2023, StaRUG § 4 Rn. 4). Der Wortlaut des Art. 1 Abs. 5 lit. a) der Restrukturierungsrichtlinie (EU) 2019/1023 bedingt nichts Anderes. Zwar heißt es dort, dass die Mitgliedstaaten vorsehen können, dass bestehende und künftige Forderungen derzeitiger oder ehemaliger Arbeitnehmer "ausgeschlossen oder nicht betroffen sind". Dieses Begriffspaar ist aber nicht dahin fehlzudeuten, dass der Ausschluss die unmittelbare und die Betroffenheit die mittelbare Einwirkung meint. Vielmehr hat der deutsche Gesetzgeber in Bezug auf Arbeitnehmerforderungen den von der Restrukturierungsrichtlinie zugelassenen Ausschluss in § 4 S. 1 Nr. 1 StaRUG und die zugelassene Nicht-Betroffenheit in § 49 Abs. 2 S. 1 StaRUG geregelt.

cccc) Ausgehend hiervon, ist es allenfalls Sache des Gesetzgebers, nicht aber der Gerichte, eine Kürzung von Beitragsnachforderungen - wie hier in Millionenhöhe -, mit den Mitteln des StaRUG durch eine gesetzliche Klarstellung und Ausweitung des § 4 S. 1 Nr. 1 StaRUG auch auf einen mittelbaren Arbeitnehmerschutz zu unterbinden.

II. Die amtswegige Bestellung des Restrukturierungsbeauftragte beruht auf § 73 Abs. 2 S. 1 StaRUG. Ausgehend von den nachvollziehbaren Angaben der Schuldnerin ist absehbar, dass das Restrukturierungsziel nur gegen den Willen von Inhabern von Restrukturierungsforderungen erreichbar ist (hier der Einzugsstellen), ohne deren Zustimmung zum Restrukturierungsplan eine Planbestätigung allein unter den Voraussetzungen des § 26 StaRUG möglich ist.

Die Stundensätze für den Restrukturierungsbeauftragten in Höhe von EUR ... netto und für die Tätigkeit der qualifizierten Mitarbeiter in Höhe von EUR ... netto sind angemessen. Die Schuldnerin betreibt ein mittelständisches Unternehmen. Der Umfang des Restrukturierungsvorhabens ist überschaubar. Im Einzelnen stellen sich jedoch schwierige tatsächliche Umsetzungs- und Rechtsfragen, wie die vorstehenden Ausführungen zeigen.

Der Höchstbetrag für die Vergütung ergibt sich aus der Multiplikation der vorgenannten Stundensätze mit dem Stundenbudget von 27 Stunden für den Restrukturierungsbeauftragten und 20 Stunden für seine qualifizierten Mitarbeiter. Das Gericht sieht das Stundenbudget in dieser Höhe als ausreichend an, um den voraussichtlichen Aufwand in diesem Verfahren zu bewältigen. Die in der Anhörung nach § 81 Abs. 4 S. 3 StaRUG noch zusätzlich angesetzten Stunden für die Prüfung der Planbestätigungsvoraussetzungen (§ 63 StaRUG) und der Schlechterstellung von Planbetroffenen (§ 64 Abs. 1 StaRUG) setzt das Gericht aktuell nicht an. Hierbei handelt es sich um sachverständige Tätigkeit im Sinne von § 73 Abs. 3 Nr. 1 StaRUG. Für eine solche Tätigkeit besteht Anlass erst, wenn ein von der Schuldnerin zur Abstimmung gestellter Restrukturierungsplan tatsächlich angenommen wird. Dies folgt dem Grundsatz, dass die Bestellung eines Sachverständigen zur Unterstützung des Restrukturierungsgerichts vom - derzeit nicht gegebenen - Ermittlungsanlass nach § 39 Abs. 1 S. 1 StaRUG abhängt (vgl. Hänel in: BeckOK StaRUG, 7. Ed. 01.01.2023, StaRUG § 73 Rn. 136; Langer in: Morgen, StaRUG, 2. Aufl. 2022, StaRUG § 73 Rn. 51; ähnlich Fritz in: Münchener Kommentar z. StaRUG, 1. Aufl. 2023, StaRUG § 73 Rn. 36).

III. Die vom Gericht getroffenen Anordnungen nach § 76 Abs. 2 Nr. 2 lit. a) StaRUG (Prüfung der wirtschaftlichen Lage der Schuldnerin und Überwachung der Geschäftsführung der Schuldnerin) und § 76 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG (Verpflichtung der Schuldnerin, dem Restrukturierungsbeauftragten Zahlungen anzuzeigen und Zahlungen außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs nur zu tätigen, wenn der Restrukturierungsbeauftragte zustimmt) rechtfertigen sich mit Blick auf die von der Schuldnerin erstattete Anzeige nach § 32 Abs. 3 StaRUG. Wenngleich Insolvenzreife nach aktuellem Verfahrenstand und Erkenntnislage des Gerichts wegen der einstweilen vorwegzunehmenden Planwirkung nicht anzunehmen ist, hat sich die Krisensituation der Schuldnerin doch verschärft.

IV. Diese Entscheidung ist gemäß § 84 Abs. 1 S. 1 StaRUG öffentlich bekanntzumachen. Die Antragstellerin hat bereits mit ihrer Restrukturierungsanzeige beantragt, das Verfahren als öffentliche Restrukturierungssache zu betreiben, und diesen Antrag auch nicht wieder zurückgenommen. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei diesem Beschluss um eine "erste Entscheidung" im Sinne von § 84 Abs. 2 S. 1 StaRUG handelt (so für den Beschluss über die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten Skauradszun in: BeckOK StaRUG, 7. Ed. 01.01.2023, StaRUG § 84 Rn. 14). Aus § 85 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StaRUG folgt, dass die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten, die, wie § 85 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG zeigt, vom Gesetzgeber nicht als "Entscheidung" bezeichnet wird, stets öffentlich bekanntzumachen ist. Handelt es sich hierbei um die allererste öffentliche Bekanntmachung, muss diese zumindest analog § 84 Abs. 2 StaRUG auch die dort genannten Pflichtangaben beinhalten (zulässiger Weise in den Beschlussgründen, vgl. Skauradszun in: BeckOK StaRUG, 7. Ed. 01.01.2023, StaRUG § 84 Rn. 19). Vorliegend ergibt sich die internationale Zuständigkeit des angerufenen Amtsgerichts Hannover aus Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2015/848 (Hauptinsolvenzverfahren) i.V.m. Anhang A zu Art. 2 Nr. 4 der Verordnung (EU) 2015/848 (öffentliche Restrukturierungssache); die Schuldnerin hat den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen in der Bundesrepublik Deutschland.

V. Der Hinweis zur Löschungsfrist beruht auf § 3 Abs. 4 Alt. 2 InsBekV analog.

Nach § 3 Abs. 4 InsBekV wird die in einem elektronischen Informations- und Kommunikationssystem erfolgte Veröffentlichung von Daten aus einer Restrukturierungssache spätestens sechs Monate nach der Anordnung des jeweiligen Stabilisierungs- oder Restrukturierungsinstruments, bei Stabilisierungsanordnungen nach dem Ende ihrer Wirkungsdauer gelöscht.

Keiner der beiden Fälle trifft auf den hiesigen öffentlich bekanntzumachenden Beschluss zu, bei dem es sich weder um eine Stabilisierungsanordnung noch ein sonstiges Instrument im Sinne von § 29 Abs. 2 StaRUG handelt. Die Regelung ist, verglichen mit den Daten, die nach § 85 StaRUG öffentlich bekanntzumachen sind, ersichtlich unvollständig und ein Gesamtregelungskonzept des Gesetz-/Verordnungsgebers, der sich in den Gesetzesmaterialien zur Unzulänglichkeit der Regelung in § 3 Abs. 4 InsBekV mit keinem Wort verhalten hat (vgl. BT-Drs. 19/24181, S. 215), nicht zu erkennen.

In der auf der Hand liegenden Annahme, dass auch der Gesetz-/Verordnungsgeber nicht gewollt haben wird, dass einzelne öffentliche Bekanntmachungen in öffentlichen Restrukturierungssachen niemals gelöscht werden, ist die daraus erwachsende ungewollte Regelungslücke durch eine analoge Rechtsanwendung des § 3 InsBekV zu schließen. Dabei hält das Gericht in der hier vorliegenden Konstellation für vergleichbar und deshalb heranzuziehen allein die Regelung zur Stabilisierungsanordnung und die diesbezügliche Anknüpfung an deren Wirkungsdauer (§ 3 Abs. 4 Alt. 2 InsBekV) mit der Folge, dass die öffentliche Bekanntmachung dieses Beschlusses nach dem Ende des Amtes des Restrukturierungsbeauftragten zu löschen ist. Gleich einer Stabilisierungsanordnung kommt auch der Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten eine "Wirkungsdauer" zu.

Dr. Kramer Richter am Amtsgericht