Amtsgericht Hannover
Urt. v. 10.08.2023, Az.: 428 C 7144/22

Anspruch aus abgetretenem Recht auf Ersatz der Abschleppkosten aus Geschäftsführung ohne Auftrag

Bibliographie

Gericht
AG Hannover
Datum
10.08.2023
Aktenzeichen
428 C 7144/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 53914
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Rechtsstreit
### GmbH, ###
Klägerin
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt ###
gegen
Frau ###
Beklagte
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt ###
hat das Amtsgericht Hannover im Verfahren gem. § 495 a ZPO auf die mündliche Verhandlung vom 18.07.2023 durch den Richter ### für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 257,44 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.10.2022 zu zahlen.

  2. 2.

    Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

[Tatbestand]

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf Ersatz der Abschleppkosten aus Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677, 670, 683 S. 1 BGB in der geltend gemachten Höhe.

Dabei kann dahinstehen, dass die Beklagte ihr Fahrzeug nicht selbst auf dem Privatparkplatz der Zeugin K### unberechtigt abgestellt hatte. Denn als Halterin des geparkten Fahrzeugs ist sie nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteil vom 11.03.2016 - V ZR 201/15) grundsätzlich zur Erstattung der für die Entfernung ihres unberechtigt abgestellten Fahrzeugs erforderlichen und getätigten Aufwendungen verpflichtet.

Die Klägerin ist insoweit aktivlegitimiert. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Zeugin K### als Mieterin des Stellplatzes die Klägerin mit dem Abschleppen des unberechtigt auf ihrem Parkplatz abgestellten Beklagtenfahrzeugs beauftragt und ihre Ansprüche wirksam an die Klägerin abgetreten hat. Die Zeugin hat glaubhaft bekundet, dass sie über die App der Klägerin den Abschleppauftrag erteilt habe. Ferner hat sie ausgesagt, dass sie Lichtbilder von dem Fahrzeug der Beklagten gefertigt und diese anschließend über die App der Klägerin hochgeladen habe. Die Zeugin konnte sich auch daran erinnern, dass sie die Abtretung ihrer Ansprüche an die Klägerin in der App bestätigt habe. Das Gericht hat keinen Anlass, an der Glaubhaftigkeit dieser Aussage zu zweifeln.

Die Zeugin K### war auch dazu berechtigt, einen Abschleppdienst damit zu beauftragen, dass unberechtigt parkende Beklagtenfahrzeug zu entfernen. Denn das unberechtigte Parken auf einem Privatparkplatz stellt eine verbotene Eigenmacht im Sinne des § 858 Abs. 1 BGB dar. Als Halterin das Fahrzeugs war die Beklagte deshalb zur Beseitigung dieser Störung gemäß § 862 Abs. 1 BGB verpflichtet. Von dieser Verpflichtung wäre sie bei erfolgreicher Umsetzung ihres Fahrzeugs durch das Abschleppfahrzeug frei geworden. Die Erteilung des Abschleppauftrags entsprach somit dem mutmaßlichen Willen der Halterin im Sinne des § 683 S. 1 BGB.

Gegen die Rechtmäßigkeit des Abschleppauftrags bestehen aus Sicht des Gerichts keine Bedenken. Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, dass die Zeugin K### den Abschleppauftrag in relativ kurzer Zeit nach der Feststellung des rechtswidrig abgestellten Beklagtenfahrzeugs erteilt hat. Die Zeugin K### war als berechtigte Besitzerin des Stellplatzes grundsätzlich nicht gehalten, wie ein "Detektiv" nach dem Fahrer des Fahrzeugs der Beklagten zu suchen. Anders wäre der Fall nur dann zu beurteilen, wenn sich der Fahrer entweder in unmittelbarer Nähe zu dem Fahrzeug aufgehalten oder der Zeugin persönlich bekannt gewesen wäre. Beides war hier jedoch nicht der Fall. Der Fahrzeugführer, der Zeuge S###, hat im Rahmen seiner Vernehmung selbst eingeräumt, dass er sich während des Parkvorgangs auf der Terrasse eines in der Nähe befindlichen Restaurants aufgehalten habe. Es ist insofern nicht ersichtlich, inwieweit die Zeugin K### ihn ohne Weiteres hätte ausfindig machen können. Offenbar hat der Zeuge S### selbst nicht wahrgenommen, dass die Zeugin K### Lichtbilder von dem unberechtigt abgestellten Fahrzeug der Beklagten angefertigt hat. Wenn er die Zeugin K### aber selbst nicht gesehen hat, so lässt dies darauf schließen, dass diese ihn ebenfalls nicht sehen, erst recht nicht als Fahrer des Beklagtenfahrzeugs identifizieren konnte.

Entgegen der Auffassung der Beklagten war die Klägerin auch nicht zur Einhaltung einer Wartezeit bis zur Erteilung des Abschleppauftrags verpflichtet. Dies ergibt sich bereits aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 859 Abs. 3 BGB, wonach sich der Besitzer eines Grundstücks der verbotenen Eigenmacht "sofort" widersetzen kann. Soweit die Beklagte ihre Rechtsauffassung auf ein Urteil des OVG Koblenz stützt, übersieht sie offenbar, dass dieser Entscheidung die Rechtmäßigkeit eines polizeilichen Abschleppvorgangs zugrunde liegt. Im Gegensatz zu Polizeibeamten ist die Zeugin K### als Privatperson jedoch nicht an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aus Art. 20 Abs. 3 GG gebunden, so dass für die Rechtmäßigkeit eines privaten Abschleppvorgangs nicht der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, sondern vielmehr der Maßstab des § 242 BGB zur Anwendung kommt.

Aufgrund der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag ist die Beklagte dem Grunde nach zum Aufwendungsersatz gemäß §§ 670, 677, 683 S. 1 BGB verpflichtet.

Zu den erforderlichen Aufwendungen gilt ohne Weiteres auch die hier streitgegenständliche "Leerfahrt" des Abschleppfahrzeugs. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Zedentin die Klägerin mit dem Abschleppen des Fahrzeugs beauftragt und eine Leerfahrt mit einem Abschleppfahrzeug der Firma U### von dem Betriebshof ###straße ## in 30659 Hannover zu dem Privatparkplatz B###weg ## in 30449 Hannover tatsächlich stattgefunden hat. Dies ergibt sich einerseits aus dem von der Klägerin als Anlage K 5 vorgelegten Systemausdruck. Daraus geht hervor, dass die Klägerin zunächst am 20.09.2021 um 15:18 Uhr von der Zedentin mit dem Abschleppen des Fahrzeugs der Beklagten beauftragt wurde und um 15:57 Uhr, also etwa 40 Minuten später, die Meldung erfolgte, dass das Beklagtenfahrzeug nicht mehr vor Ort gewesen sei. Legt man diesen zeitlichen Ablauf zugrunde, so erklärt dies auch, weshalb weder die Beklagte, noch der Zeuge S### am fraglichen Tag ein Abschleppfahrzeug gesehen haben. Die Beklagte hat im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung selbst eingeräumt, dass sie und der Zeuge S### den Parkplatz bereits vor 15:30 Uhr wieder verlassen hätten. Dass die Leerfahrt mit dem Abschleppfahrzeug tatsächlich stattgefunden hat, ergibt sich zudem aus der Aussage des Zeugen U###. Dieser hat glaubhaft und widerspruchsfrei erklärt, dass die bei seinem Unternehmen eingehenden Aufträge sofort bearbeitet und ihm zu dem hier streitgegenständlichen Abschleppauftrag keine außergewöhnlichen Umstände bekannt seien. Er gehe deshalb davon aus, dass der Abschleppauftrag ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Für die Richtigkeit seiner Aussage spricht zudem die vorgelegte Rechnung über eine Leerfahrt vom 20.09.2021. Soweit die Beklagte beanstandet, dass in der Rechnung kein konkreter Betrag aufgeführt sei, so ist dies ohne Belang. Denn die Klägerin begehrt vorliegend die Erstattung ortsüblicher Abschleppkosten, die in der geltend gemachten Höhe nicht zu beanstanden sind.

Zu den erstattungsfähigen Kosten gehören über die ortsüblichen Kosten für das Abschleppen hinaus auch die Kosten, die im Zusammenhang mit dem Abschleppvorgang entstanden sind, etwa die Überprüfung des unberechtigt abgestellten Fahrzeugs, um den Halter ausfindig zu machen in Höhe von 15,10 Euro (netto) sowie die Kosten für die Beweissicherung in Höhe von 12,00 Euro (netto). Insgesamt sind im Zusammenhang mit dem Abschleppauftrag somit Kosten in Höhe von 181,00 Euro (brutto) erstattungsfähig. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf Seite 9 der Klageschrift verwiesen.

Des Weiteren hat die Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Verzugs einen Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 76,44 Euro gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 291 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO: