Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 07.08.1996, Az.: 12 L 1727/96
Einverständniserklärung; Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeugen; Fahrerlaubnisfreies Kraftfahrzeug; Straßenverkehr; Gebrechlichkeitspflegschaft; Rollstuhlfahrer
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 07.08.1996
- Aktenzeichen
- 12 L 1727/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 13185
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1996:0807.12L1727.96.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 05.03.1996 - AZ: 3 A 1994/95.Hi
- nachfolgend
- BVerwG - 25.10.1996 - AZ: BVerwG 11 PKH 7.96; 11 B 73.96
- BVerwG - 25.10.1996 - AZ: BVerwG 11 B 73.96; 11 PKH 7.96
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichtes Hannover - 3. Kammer Hildesheim - vom 5. März 1996 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die ihm gegenüber vom Beklagten ausgesprochene Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr.
Der am 14. August 1954 geborene Kläger, für den seit dem Sommer 1991 wegen seiner geistigen Verfassung, die ihn außerstande setze, seine Angelegenheit selbst zu regeln (Beschl. d. Amtsgerichts Hildesheim v. 4. 7. 1991 - 27 VIII W 1197 -) zunächst eine Gebrechlichkeitspflegschaft mit den Wirkungskreis Vermögenssorge bestanden hat und für das nunmehr ein Betreuungsverhältnis besteht (Betreuungsbehörde der Landkreis Hildesheim), verursachte nach einer Verkehrsunfallanzeige des Polizeireviers ... am 7. Juli 1991 in ... auf der ... mit dem von ihm geführten Mofa dadurch einen Verkehrsunfall, daß er infolge Unachtsamkeit auf die linke Fahrbahn der ... geriet und dort mit einem entgegenkommenden Personenkraftwagen zusammenstieß. Aufgrund dieses Verkehrsunfalles veranlaßte der Beklagte eine amtsärztliche Untersuchung des Klägers. In dem hierüber erstellten Gutachten des Amtsarztes des Beklagten vom September 1991 wurde die Auffassung vertreten, daß beim Kläger zwar eine Minderbegabung vorliege, diese aber zur Zeit eine Beeinträchtigung hinsichtlich des Führen eines Kraftfahrzeuges wie eines Mofas nicht bedinge; sollte der Kläger allerdings "künftig deliktmäßig auffallen", müsse eine erneute Überprüfung erfolgen. Nachdem der Beklagte von einem weiteren Vorfall Kenntnis erlangt hatte, und zwar soll der Kläger nach einem Bericht der Polizeistation ... vom 10. Juni 1994 am 21. April 1994 in Hildesheim die Vorfahrt eines vorfahrtsberechtigten Personenkraftwagens mißachtet und danach mit einem Werkzeug (Schraubendreher) die Insassen des Personenkraftwagens bedroht und das Fahrzeug selbst beschädigt haben, forderte der Beklagte den Kläger mit Verfügung vom 13. Juli 1994 zunächst auf, sich erneut durch den Amtsarzt auf seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen untersuchen zu lassen. Das auf die Begutachtung vom 13. Oktober 1994 vom Leiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes des Gesundheitsamtes (Arzt für Neurologie und Psychiatrie ...) erstellte Gutachten vom 17. Oktober 1994 kommt zu dem Ergebnis, beim Kläger liege eine intellektuelle Behinderung mittleren Grades vor (Gesamt-IQ von 64). Zusätzlich bestehe beim Kläger eine Persönlichkeitsstörung, die mit einer deutlich eingeschränkten Kritikfähigkeit und eingeschränktem Unrechtsbewußtsein einhergehe. Nach dem Gutachten "Krankheit und Kraftverkehr" sei der Kläger aufgrund der Intelligenzstörung und seiner Einstellungs- sowie Anpassungsmängel nicht mehr in der Lage, mit der geforderten Zuverlässigkeit ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr zu führen. Da sich der Beklagte durch das Gutachten vom 17. Oktober 1994 an seiner Einschätzung, es bestünden erhebliche Bedenken an der Eignung des Klägers zum Führen auch fahrerlaubnisfreier Kraftfahrzeuge, bestärkt sah, forderte er den Kläger zur Beibringung nunmehr eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auf. Das aufgrund einer der Exploration vom 22. März 1995 von der Medizinisch-Psychologischen Untersuchungsstelle Hannover des Technischen Überwachungsvereins Hannover/Sachsen-Anhalt e.V. erstellte Gutachten vom 9. Mai 1995 kam in seiner zusammenfassenden Beurteilung zu einer für den Kläger negativen Würdigung seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, die verkehrspsychologische Untersuchung habe Hinweise auf eine verlangsamte Informationsaufnahme und -verarbeitung beim Kläger ergeben. Die visuelle Auffassungsgeschwindigkeit sei herabgesetzt, die vorausplanende optische Orientierung erfolge unsicher. Da die Information über die Erfordernisse der jeweiligen Verkehrssituation, die das eigene Fahrverhalten regelten, aber überwiegend unter Zeitdruck und über den "optischen Funktionskreis" aufgenommen würden, handele es sich bei diesen Befunden um Hinweise auf bedeutsame Leistungsmängel. Des weiteren hätten die Untersuchungen des Klägers eine nur begrenzte intellektuelle Wendigkeit ergeben. Die Einschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit stehe im starken Gegensatz zu den ermittelten Befunden, so daß zudem mit einem wenig realistischen Leistungsbezug und daher mit Überforderungen bei der Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr zu rechnen sei. Die nachgewiesenen Beeinträchtigungen der Leistungsfunktionen bedeuteten in jedem Fall eine erhebliche Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer. Soweit es bisher nicht zu "entsprechenden Auswirkungen" gekommen sei, dürfte dies weniger auf die Achtsamkeit und verbliebene Fahrsicherheit beim Kläger selbst, sondern viel eher auf das Verhalten, die Umsicht und Vorsicht anderer Verkehrsteilnehmer oder auch auf "günstige situative Bedingungen" zurückzuführen sein. "Auf psychiatrischem Gebiet handele es sich beim Kläger um eine deutliche Oligophrenie". Hieraus ergebe sich die mangelnde Fähigkeit, neuen Anforderungen und Situationen zu genügen sowie Urteile abzugeben und Schlußfolgerungen zu ziehen. Aufgrund dieser Einbußen sei auch unter Berücksichtigung des Gutachtens "Krankheit und Kraftverkehr" nicht von einer Eignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen auszugehen. Der Kläger besitze daher zur Zeit nicht mehr die Voraussetzungen zum sicheren Führen auch eines fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeuges (Mofa). Bei weiterer Verkehrsteilnahme müsse vielmehr von einer erhöhten Unfallwahrscheinlichkeit ausgegangen werden. Von einer Verbesserung der Eignungsvoraussetzungen sei derzeit nicht auszugehen. Gestützt auf das Gutachten vom 9. Mai 1995 untersagte der Beklagte dem Kläger mit Verfügung vom 23. Mai 1995 mangels Eignung "das Führen eines fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeuges (Mofa) im öffentlichen Straßenverkehr". Ein Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Hannover v. 24. November 1995). Auch der Antrag des Klägers, ihm gegen die für sofort vollziehbar erklärte Untersagungsverfügung vom 23. Mai 1995 vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, blieb erfolglos (Beschluß des Verwaltungsgerichtes vom 10. Juli 1995 - 3 B 862/95.Hi - und Beschluß des 12. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichtes vom 18. August 1995 - 12 M 5297/95 -).
Der Kläger hat am 6. Dezember 1995 Klage erhoben und zu deren Begründung vorgetragen:
Er fahre seit ca. 20 Jahren Mofa, ohne daß es zu gravierenden Vorfällen gekommen sei. Der Verkehrsunfall vom September 1991 beruhe auf einer Unachtsamkeit, die jedem Verkehrsteilnehmer unterlaufen könne, der weitere Vorfall vom April 1994 sei auf ein Mißverständnis zwischen ihm und anderen Verkehrsteilnehmern zurückzuführen; denn ihm sei bedeutet worden, er könne vor dem vorfahrtsberechtigten Fahrzeug losfahren. Nachdem sowohl er als auch der Fahrer des Personenkraftwagens angefahren sei, sei er - der Kläger - beschimpft und verbal bedroht worden, weshalb er sich zu Verteidigungszwecken vorsorglich mit einer Waffe, einem Schraubendreher, versehen habe. Im übrigen liege der Vorfall vom April 1994 bereits geraume Zeit zurück und könne ihm nicht mehr vorgehalten werden. Auf jeden Fall hätte es ausgereicht, wenn der Beklagte ihn aufgefordert hätte, eine Prüfung für einen Mofa-Führerschein zu absolvieren; die Begutachtung durch eine medizinisch-psychologische Untersuchungsstelle sei unverhältnismäßig gewesen. Das Gutachten der Medizinisch-Psychologischen Untersuchungsstelle Hannover sei auch sachlich falsch. Er - der Kläger - sei lediglich "in der Schule nicht richtig mitgekommen", es könne aber keine Rede davon sein, daß er geistig behindert sei. Im übrigen rege er an, Stellungnahmen seines Hausarztes und seiner ihn behandelnden Neurologin einzuholen sowie die ihn - den Kläger - betreffenden Verwaltungsvorgänge des Versorgungsamtes beizuziehen.
Der Kläger hat - sinngemäß - beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 23. Mai 1995 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Hannover vom 24. November 1995 aufzuheben.
Der Beklagte, der die angefochtenen Bescheide verteidigt hat, hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 5. März 1996 die Klage abgewiesen und zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Der Kläger habe sich im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr als ungeeignet erwiesen, weshalb ihm der Beklagte zu Recht das Führen von fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeugen habe untersagen müssen. Das vom Kläger beigebrachte Gutachten vom 9. Mai 1995 komme nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei zu dem Ergebnis, der Kläger besitze zur Zeit nicht mehr die Voraussetzungen zum sicheren Führen auch eines fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeuges (Mofa). Das Gutachten würdige die Exploration nachvollziehbar, insbesondere wenn es darlege, daß beim Kläger eine deutliche Oligophrenie vorliege und daß sich hieraus seine mangelnde Fähigkeit ergebe, neuen Anforderungen und Situationen zu genügen sowie Urteile abzugeben und Schlußfolgerungen zu ziehen. Weiterhin stützten die Ergebnisse des psycho-physischen Testverfahrens die Aussage des Gutachtens, die verkehrspsychologische Untersuchung habe Hinweise auf eine beim Kläger vorliegende verlangsamte Informationsaufnahme und -verarbeitung ergeben, die visuelle Auffassungsgeschwindigkeit sie herabgesetzt, auch erfolge die vorausplanende optische Orientierung unsicher; denn die Ergebnisse der Testverfahren zeigten, daß sich bei den Tests zur Erfassung der "nonverbalen Intelligenz", zur Erfassung der "visuellen Strukturierungsfähigkeit sowie für reaktive Streßtoleranz" fast ausschließlich Werte ergäben, die unterhalb bzw. weit unterhalb des mittleren Leistungsbereiches lägen. Vor dem Hintergrund dieser Testergebnisse sowie der in dem Gutachten zum Teil wörtlich wiedergegebenen Einlassung des Klägers bezüglich seiner Leistungsfähigkeit sei auch die Einschätzung der Gutachter nachvollziehbar, es sei mit einem wenig realistischen Leistungsbezug und daher mit einer Überforderung des Klägers bei der Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr zu rechnen. Soweit der Kläger vortrage, er fahre bereits seit 20 Jahren fast täglich Mofa, sei dies nicht geeignet, zu einer anderen Beurteilung der Eignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen zu führen; denn - auch darauf weise das Gutachten hin - die Tatsache, daß es bisher nur zu einem Unfall im öffentlichen Straßenverkehr gekommen sei, belege ihrerseits nicht die Geeignetheit des Klägers, sondern dürfte vielmehr auf glückliche Umstände sowie Vorsicht und Umsicht der übrigen Verkehrsteilnehmer zurückzuführen sein. Angesichts dieser Sachlage, insbesondere der überzeugenden Darlegungen im Gutachten vom 9. Mai 1995 sei es auch nicht erforderlich gewesen, eine Stellungnahme des Hausarztes des Klägers bzw. der den Kläger behandelnden Neurologen einzuholen oder die Akten des Versorgungsamtes Hildesheim beizuziehen.
Der Kläger hat am 11. März 1996 Berufung eingelegt, die er unter Vertiefung seines bisherigen Vertrages im erstinstanzlichen Verfahren wie folgt begründet. Er sei weiterhin der Auffassung, daß der Unfall aus dem Jahre 1991 nicht zum Anlaß hätte genommen werden dürfen, ihn - den Kläger - medizinisch-psychologisch zu begutachten zu lassen; allenfalls hätte er dazu aufgefordert werden können, eine Mofa-Prüfung abzulegen. Im übrigen sei das Gutachten der Medizinisch-Psychologischen Untersuchungsstelle Hannover vom 9. Mai 1995 fehlerhaft und könne nicht Grundlage einer Untersagungsverfügung sein; denn es sei nicht zulässig gewesen, sein Reaktionsverhalten an einem auf Autofahrer ausgerichteten Gerät zu testen, es gehe nur um seine Fähigkeit ein Mofa, nicht ein Auto zu führen. Sollte daher überhaupt eine Begutachtung erforderlich sein, so müsse ein neues Gutachten von der ihn behandelnden Ärztin für Neurologie, Frau Jankovic aus Hildesheim eingeholt werden; die Ärztin werde bestätigen, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichtes Hannover - 3. Kammer Hildesheim - vom 5. März 1996 zu ändern sowie die Verfügung des Beklagten vom 23. Mai 1995 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Hannover vom 24. November 1995 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt unter Berufung auf die angefochtenen Bescheide,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur weiteren Sachdarstellung und zur Darstellung des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf deren Schriftsätze, die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (Beiakte A) Bezug genommen; diese Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Klägers ist als unbegründet zurückzuweisen.
Auszugehen ist davon, daß der Berichterstatter des Senates (weiterhin) im Einverständnis der Beteiligten nach § 87 a Abs. 2 und 3 VwGO anstelle des Senates entscheiden kann; denn der Kläger kann seine mit Schriftsatz vom 8. Juni 1996 gegebene Einverständniserklärung nach § 87 a Abs. 2 und 3 VwGO als Prozeßerklärung nicht ohne weiteres, nachdem sich der Beklagte bereits mit Schriftsatz vom 13. Mai 1996 mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt hatte, widerrufen. Vielmehr hätte die vom Kläger unbedingt abgegebene Einverständniserklärung allenfalls bei einer wesentlichen Änderung der Prozeßlage widerrufen werden können (vgl. Kopp, VwGO, 10. Aufl. 1994, RdNr. 9 zu § 87 a m.w. Nachw.); eine derartige wesentliche Änderung der Prozeßlage ist hier aber nach der gebotenen objektiven Betrachtungsweise weder ersichtlich nicht vorgetragen.
Die Berufung des Klägers muß erfolglos bleiben; denn das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Gerichtsbescheid vom 5. März 1996 zu Recht entschieden, daß der Kläger - weiterhin - i.S. des § 3 Abs. 1, 1. Halbsatz StVZO nicht geeignet ist, auch fahrerlaubnisfreie Kraftfahrzeuge wie etwa ein Mofa im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Das Oberverwaltungsgericht nimmt daher auf die auch von ihm als zutreffend erachteten Erwägungen des angefochtenen Gerichtsbescheides gemäß § 130 b VwGO Bezug, macht sie sich zu eigen und sieht daher von einer weiteren Begründung seiner Berufungsentscheidung ab. Mit Rücksicht auf das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren ist lediglich ergänzend folgendes hervorzuheben:
Dem Kläger ist es auch im Berufungsverfahren nicht gelungen, die auch nach Meinung des Oberverwaltungsgerichtes nachvollziehbaren und in sich widerspruchsfreien Feststellungen des medizinisch-psychologischen Gutachtens vom 9. Mai 1995 - dieses erstellte Gutachten ist auf jeden Fall, also unabhängig davon, ob für eine medizinisch-psychologische Begutachtung des Klägers Anlaß bestanden hat, zu verwerten (vgl. BVerwG, Urt. v. 18. 3. 1982 - BVerwG 7 C 69.81 -, BVerwGE 65, 157 (162 f.) [BVerwG 18.03.1982 - 7 C 69/81] = NJW 1982, 2885) - zu erschüttern oder auch nur in Zweifel zu ziehen. Der auch im Berufungsverfahren erneut vorgetragene Einwand, er - der Kläger - fahre mit Ausnahme des Unfalls aus dem Jahre 1991 seit 20 Jahren mit seinem Mofa ohne Beanstandungen, vermag die im Gutachten getroffenen Feststellungen nicht zu erschüttern. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht bereits im angefochtenen Gerichtsbescheid unter Bezugnahme auf entsprechende Erwägungen im Gutachten selbst darauf hingewiesen, daß die bloße beanstandungsfreie Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr festgestellte Leistungsmängel und intellektuelle Minderbegabungen nicht in der Weise zu kompensieren vermag, daß der Verkehrsteilnehmer als zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet angesehen werden kann. Im übrigen handelt es sich bei der Untersagung nach § 3 StVZO um eine Maßnahmen der (vorbeugenden) Gefahrenabwehr, die nicht voraussetzt, daß sich die vom Kläger ausgehende Gefahr bereits durch vom Kläger verursachte Verkehrsunfälle realisiert hat.
Wenn der Kläger weiter meint, das Gutachten vom 9. Mai 1995 sei nicht verwertbar, weil seine - des Klägers - Reaktionsfähigkeit fehlerhaft an einem für Autofahrer, nicht aber für Mofa-Fahrer ausgelegten Gerät getestet worden sei, so kann er hiermit ebenfalls nicht gehört werden. Bei der am 22. März 1995 durchgeführten Begutachtung sollte nämlich - u.a. - nur die Reaktionsfähigkeit des Klägers im Straßenverkehr einer Überprüfung unterzogen werden, nicht aber eine Autofahrerprüfung abgenommen werden; die Reaktionsfähigkeit eines Verkehrsteilnehmers kann aber auch mit dem vom Kläger beschriebenen Gerät (allg.) überprüft werden, ohne daß hierdurch die über die Reaktionsfähigkeit der Testperson gewonnenen Ergebnisses fehlerhaft wären.
Die vom Beklagten im Bescheid vom 23. Mai 1995 ausgesprochene Untersagung begegnet auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit keinen Bedenken. Aufgrund der beim Kläger nach dem Gutachten vom 9. Mai 1995 festgestellten Eignungsmängel stand ein milderes Mittel als die Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr nicht zu Gebote, auch örtliche oder sachliche Einschränkungen des Verbotes waren und sind nicht möglich. Im übrigen ist es dem Kläger möglich, etwa mit einem nicht mit einem Hilfsmotor angetriebenen Fahrrad am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen.
Soweit der Kläger weiter vorträgt, er sei auf die Benutzung seines Mofas deshalb im besonderen Maße angewiesen, weil er seine schwerbehinderte Mutter versorgen müsse, kann dies nicht zu einer anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage führen; denn angesichts der vom Kläger ausgehenden Gefahren für die übrigen Verkehrsteilnehmer haben seine persönlichen Interessen und auch die seiner Mutter zurückzutreten.
Für das Oberverwaltungsgericht bestand schließlich ebensowenig wie für das Verwaltungsgericht Veranlassung, vor seiner Entscheidung Beweis etwa - wie vom Kläger hilfsweise beantragt - durch Einholung eines (weiteren) Sachverständigengutachtens der Ärztin für Neurologie Jankovic aus Hildesheim zu erheben. Das Oberverwaltungsgericht hat das ihm im Rahmen des § 98 VwGO iVm § 412 ZPO eingeräumte Ermessen dahingehend ausgeübt, daß die Erstellung eines weiteren Sachverständigengutachtens über die Eignung des Klägers zum Führung von Kraftfahrzeugen nicht geboten gewesen ist. Das Gericht ist hinsichtlich der Fahreignung des Klägers hinreichend sachverständig beraten, insbesondere die physische und psychische Leistungsfähigkeit des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen ist durch das Gutachten vom 9. Mai 1995 umfassend gewürdigt worden, so daß es einer erneuten Begutachtung in verkehrsmedizinischer und -psychologischer Hinsicht nicht bedarf. Dies gilt auch deshalb, weil im Gutachten vom 9. Mai 1995 ausdrücklich hervorgehoben wird, von einer Verbesserung der Eignungsvoraussetzung sei beim Kläger in absehbarer Zeit nicht auszugehen.
Als unterlegener Beteiligter hat der Kläger gemäß § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm § 708 Nr. 11 ZPO.
Gründe, die Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.
Beschluß
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren für die hier umstrittene, sich auf fahrerlaubnisfreie Kraftfahrzeuge beziehende Untersagungsverfügung nach § 3 StVZO gem. § 13 Abs. 1 GKG auf 3.000,-- DM festgesetzt, wobei das Gericht einerseits berücksichtigt hat, daß es für die Entziehung der Fahrerlaubnis der Klassen 1 a und 1 b einen Wert von 6.000,-- DM festzusetzen pflegt, hier (nur) fahrerlaubnisfreie Kraftfahrzeuge, insbesondere Mofas von der Untersagungsverfügung betroffen sind und die Untersagungsverfügung nicht auf das Führen von Fahrzeugen aller Art ausgedehnt worden ist.
Dieser Beschluß ist nach § 152 Abs. 1 VwGO nicht anfechtbar.
Petersen