Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.12.2018, Az.: 11 K 155/18

Streit um die Gewährung von Kindergeld; Erstausbildung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
13.12.2018
Aktenzeichen
11 K 155/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 73672
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand

Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Gewährung von Kindergeld für seinen Sohn S, geboren am xxx 1993, für die Zeit ab September 2015. Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob mit Abschluss einer ersten berufsqualifizierenden Ausbildung zum Elektroniker für Betriebstechnik am xx. Januar 2014 die nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a und Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) relevante Erstausbildung bereits abgeschlossen ist oder aber eine Ausbildung zum staatlich geprüften Techniker für Elektrotechnik noch Teil einer Erstausbildung sein kann.

Der Kläger beantragte am 2. März 2012 u. a. für seinen Sohn S Kindergeld. Dabei legte er in Kopie einen Berufsausbildungsvertrag zwischen S und der B-GmbH vom xx. Oktober 2010 vor. Das Berufsausbildungsverhältnis zum Elektroniker für Betriebstechnik mit dem Schwerpunkt Produktions-/verfahrenstechnische Anlagen begann am 1. August 2011 und endete am 31. Januar 2014. Dem Antrag des Klägers wurde entsprochen mit einer Befristung bis Januar 2014.

Am 18. Februar 2014 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass das Ausbildungsverhältnis am 21. Januar 2014 geendet habe. Als Nachweis legte er eine Bescheinigung der IHK über die Abschlussprüfung Winter 2013 zum Ausbildungsberuf Elektroniker für Betriebstechnik, Einsatzgebiet: Produktions-/verfahrenstechnische Anlagen vor.

Mit Schreiben vom 13. Dezember 2017 meldete sich der Kläger bei der Beklagten und beantragte die Gewährung von Kindergeld für S ab September 2015. S habe am 23. Januar 2014 seine Ausbildung zum Elektroniker für Betriebstechnik beendet. Da er sein angestrebtes Berufsziel noch nicht erreicht habe, habe er sich zum nächstmöglichen Termin für die weiterführende Ausbildung zum staatlich geprüften Techniker Fachrichtung Elektrotechnik bei den Berufsbildenden Schulen X für die Fachschule Elektrotechnik angemeldet. Die Technikerschule habe am 2. September 2015 begonnen. Als Nachweis übersandte er zum einen die Stundentafel für die Fachschule Elektrotechnik X in Vollzeit- und Teilzeitform, ferner eine Bescheinigung der Berufsbildenden Schulen X vom 14. Dezember 2017, nach der er die zweijährige Fachschule - mit Teilzeit - Klasse II vom 3. September 2015 bis voraussichtlich 3. Juli 2019 besuche und eine Eingangsbestätigung der Berufsbildenden Schulen X über die Bewerbung des T für die Fachschule Elektrotechnik in Teilzeitform für das Schuljahr 2015/16, die am 12. Januar 2015 eingegangen sei.

Mit Schreiben vom 21. Dezember 2017 bat die Beklagte um Mitteilung, warum die Schulausbildung erst zu einem späteren Zeitpunkt begonnen worden sei, obwohl der nächstmögliche Termin nach Ausbildungsende das Schuljahr 2014/15 gewesen sei.

Der Kläger teilte mit Schreiben vom 2. Januar 2018 mit, das Berufsziel des Sohnes sei der staatlich geprüfte Techniker Fachrichtung Elektrotechnik. Nach dem Internetauftritt der Berufsbildenden Schulen xy - Gewerbliche Fachrichtungen - sei Zugangsvoraussetzung neben dem Realschulabschluss eine erfolgreich abgeschlossene einschlägige Berufsausbildung und eine mindestens einjährige einschlägige Berufstätigkeit. Nach Abschluss der Berufsausbildung habe S von seinem bisherigen Ausbildungsbetrieb zunächst nur einen befristeten Arbeitsvertrag bis zum 31. Januar 2015 erhalten. Um sein Berufsziel zu verfolgen, habe er dann damals nur die Möglichkeit gehabt, den Technikerkurs in Vollzeitform zu besuchen und bis zum nächstmöglichen Beginn dieses Kurses im Sommer 2015 durch die Weiterbeschäftigung bei B-GmbH den Nachweis für die einjährige Berufstätigkeit zu erlangen. Am 19. November 2014 habe ihm die Gesellschaft dann mitgeteilt, dass er ab 1. Februar 2015 in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen werde. S habe sich dann auch in Absprache mit der B-GmbH entschieden, den Kurs ab Sommer 2015 in Teilzeitform zu besuchen. Anmeldeschluss sei der 15. Februar 2015 gewesen.

Mit Bescheid vom 8. Januar 2018 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Kindergeld ab August 2015 ab. S befinde sich nach Abschluss einer ersten Berufsausbildung aktuell in einer zweiten. Er gehe aber einer Erwerbstätigkeit nach, die die Grenzen des § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG überschreite.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 3. Februar 2018 Einspruch. Dabei hob er nochmals hervor, dass S von Anfang an die Ausbildung als Techniker angestrebt habe. Dafür sei die einjährige Berufstätigkeit nach Abschluss der Lehre erforderlich gewesen. Im Sommer 2015 habe er den nächstmöglichen Lehrgang begonnen.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Im Einspruchsbescheid vom 12. Februar 2018 führte die Beklagte zur Begründung aus, für die Zusammenfassung der Lehre und der Technikerausbildung fehle es an einem engen zeitlichen Verhältnis zwischen Beiden. Zudem gehe S einer Erwerbsbeschäftigung von wöchentlich 32 Stunden nach.

Mit Schreiben vom 13. März 2018 beantragte der Kläger die Änderung des Ablehnungsbescheides und der Einspruchsentscheidung vom 12. Februar 2018 nach § 172 Abgabenordnung (AO). Er rüge zunächst eine willkürliche Ungleichbehandlung zwischen Teilzeit- und Vollzeitschülern bei der Technikerausbildung. Ein Vollzeitschüler müsse vorweg ein Jahr lang arbeiten und könne dann den Technikerlehrgang in zwei Jahren abschließen. Ein Teilzeitschüler könne zwar die berufliche Vorqualifikation während des Lehrgangs erwerben, dieser dauere dann aber vier Jahre. Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 4. Februar 2016, auf das die Beklagte ihre Ablehnung stütze, sei nicht richtig und auch nicht auf den Streitfall übertragbar.

S habe schon seit seiner Realschulzeit sich auf seinen Berufswunsch zielstrebig vorbereitet. Nach Abschluss der Lehre habe er den Lehrgang zum frühestmöglichen Termin begonnen. Im Übrigen habe das FG Düsseldorf mit Urteil vom 11. Januar 2018 9 K 994/17 entschieden, dass es für die Feststellung der Planung einer mehraktigen Erstausbildung nicht darauf ankomme, wann die Familienkasse informiert werde, sondern auf den im Entscheidungszeitpunkt erkennbaren Sachverhalt. Nach der im Januar 2014 geltenden Rechtslage sei es auf die Differenzierung nach § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG noch gar nicht angekommen. Dieses Problem sei vom BMF in seinem Schreiben vom 8. Februar 2016 behandelt worden. Als Nachweise legte der Kläger u. a. das Abschlusszeugnis der Berufsbildenden Schulen X - gewerbliche Fachrichtungen vom 6. Juli 2011 über die von S besuchte einjährige Berufsfachschule im Schuljahr 2010/11, ein Zeugnis der Schülerfirma Y vom 18. Juni 2009 vor.

Mit Bescheid vom 27. März 2018 lehnte die Beklagte den Änderungsantrag ab. Zur Begründung verwies sie auf die von ihr getroffene Einspruchsentscheidung vom 12. Februar 2018; der Sachverhalt habe sich nicht geändert.

Mit Schreiben vom 23. April 2018 erhob der Kläger gegen den Ablehnungsbescheid Einspruch. Mit Schreiben vom 1. Juni 2018 forderte er eine detaillierte Auseinandersetzung mit den von ihm im Rahmen der Antragsschrift vorgebrachten Erwägungen.

Der Rechtsbehelf hatte keinen Erfolg. Im Einspruchsbescheid vom 4. Juni 2018 führte die Beklagte zur Begründung aus, sie sehe keinen hinreichenden engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der abgeschlossenen Lehre und dem aufgenommenen Lehrgang an der Technikerschule.

Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Die Frage, ob ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen einer ersten Ausbildung und der weiteren Ausbildungsmaßnahme bestehe, werde nach der Rechtsprechung einzelfallbezogen geprüft (BFH, Urteile vom 3. Juli 2014 III R 52/13 und vom 3. September 2015 VI R 9/15; FG Düsseldorf, Urteil vom 11. Januar 2018 9 K 994/17 Kg und FG Saarland, Urteil vom 15. Februar 2017 2 K 1290/16). Es müsse aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar sein, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung subjektiv nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet habe. Die Ausbildungsabschnitte der einheitlichen Ausbildung müssten in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden.

Der zeitliche Zusammenhang sei gewahrt, wenn ohne beachtliche Unterbrechung mit der gebotenen Zielstrebigkeit die weitere Ausbildung begonnen werde (BFH, Urteile vom 15. April 2015 V R 27/14, vom 8. September 2016 III R 27/15). Im letzteren Urteil habe der BFH den engen zeitlichen Zusammenhang bejaht, wenn der Abschluss der ersten Ausbildung im Februar und die Aufnahme des zweiten Abschnitts im August desselben Jahres erfolgt seien.

Die dortigen Ausführungen seien auf S übertragbar. Unmittelbar nach Abschluss seines Ausbildungsganges zu Elektroniker für Betriebstechnik im Januar 2014 habe der Sohn des Klägers nur einen auf ein Jahr befristeten Arbeitsvertrag mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 32 Stunden erhalten. Im November 2014 sei dann das befristete Arbeitsverhältnis entfristet worden, sodass der geplante Vollzeitkurs bei der BBS X nicht mehr hätte infrage kommen können. Im November 2014 sei es für eine Anmeldung bezüglich eines Teilzeitkurses aber zu spät gewesen. Innerhalb der Anmeldefrist für den nächsten Teilzeitkurs ab Sommer 2015 habe sich S dann bei der BBS X angemeldet. Die Frist zwischen Abschluss der Lehre und verbindlicher Anmeldung betrage deshalb nur etwa 1 Jahr. Der BFH habe im Übrigen den Versagungstatbestand des § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG nicht angenommen, wenn das Kind zwischenzeitlich 42 Monate vollerwerbstätig gewesen sei (Urteil vom 17. Juni 2010 III R 34/09).

Mit Schreiben vom 13. August 2018 legt der Kläger zunächst weitere Zeugnisse seines Sohnes über Kursteilnahmen und Prüfungen im Jahr 2017 vor. Aus diesen Unterlagen ergebe sich, dass die einzelnen Bausteine der Ausbildung des S sich gesamtheitlich als einheitlicher Ausbildungsgang würdigen ließen. Die Beklagte verkenne, dass die Qualifikation zum staatlich geprüften Techniker der Fachrichtung Elektrotechnik neben einem Realschulabschluss entweder eine erfolgreich abgeschlossene einschlägige Berufsausbildung und eine mindestens einjährige einschlägige Berufstätigkeit oder eine einschlägige Berufstätigkeit von sieben Jahren und schließlich einen erfolgreichen Berufsschulabschluss voraussetze. Eine einschlägige Berufsausbildung sei nicht zwingend erforderlich, sie könne durch eine berufspraktische Tätigkeit von sieben Jahren ersetzt werden.

Nicht nachvollziehbar sei es, wenn die Beklagte fordere, dass S sich bereits im Januar oder Februar 2014 hätte bewerben sollen, obwohl die berufspraktische Tätigkeit nicht vorgelegen hätte.

Mit Schreiben vom 9. Oktober 2018 fasst der Kläger die berufliche Situation seines Sohnes nach bestandener Prüfung zum Elektroniker für Betriebstechnik im Januar 2014 wie Folgt zusammen:

- Mit Arbeitsvertrag vom 12. Dezember 2013 sei S von der B-GmbH mit Wirkung vom 31. Januar 2015 befristet für ein Jahr als Vollzeitkraft angestellt worden. Mit Vereinbarung vom 19. November 2014 sei das Arbeitsverhältnis wegen der guten Arbeitsleistungen des S dann aber vorzeitig entfristet worden.

- 2014 sei die wirtschaftliche Lage für die Arbeitgeberin relativ gut gewesen. Deshalb habe sie Weiterbildungsmaßnahmen ihrer Angestellten generell nicht mit Freistellungen für mehrmonatige Lehrgänge oder gar einen zweijährigen Vollzeitlehrgang gefördert.

- Weil auf der anderen Seite aber im Bereich der Automobil- und Automobilzulieferer sich bereits Ende 2013/Anfang 2014 sich Unsicherheiten wegen der möglichen Umstellung auf Elektromotoren in diesem Bereich abzeichneten, habe der Sohn im Dezember 2013 bzw. Januar 2014 ursprünglich einen Vollzeitlehrgang an den Berufsbildenden Schulen für den Bereich "staatlich geprüfter Techniker für Elektrotechnik" ab Sommer 2015 zu beginnen.

- Ende 2013/Anfang 2014 sei es nicht sicher gewesen, ob S bei Besuch eines Teilzeitlehrgangs von vier Jahren solange bei seiner Arbeitgeberin hätte bleiben können. Diese Unsicherheit habe auch daraus resultiert, dass T nicht gewusst habe, ob er ggf. als Servicemitarbeiter im Außendienst künftig projektbezogen mehrere Wochen im Ausland hätte arbeiten sollen. Da S aber von Anfang an den Abschluss als Techniker angestrebt habe, sei es ihm nach Absprache mit seiner Arbeitgeberin am sinnvollsten gewesen, ab Sommer 2015 den Vollzeitlehrgang zu besuchen und den befristeten Vertrag bis Spätsommer 2015 zu verlängern.

- Mit der für S unerwarteten Entfristung und Umwandlung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis hätten sich die Planungen im November 2014 geändert. Die Arbeitgeberin sei ihm insoweit entgegengekommen, als mögliche Auslandseinsätze mit dem Zeitplan des Teilzeitlehrgangs abgestimmt werden sollten. Deshalb habe sich S dann im Februar 2015 anstelle der ursprünglich geplanten Teilnahme am Vollzeitlehrgang für den Teilzeitlehrgang gemeldet; ein Einstieg im November 2014 in den Teilzeitlehrgang sei nicht mehr möglich gewesen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 27.03.2018 und des Einspruchsbescheids vom 04.06.2018 die Beklagte zu verpflichten, den Ablehnungsbescheid vom 08.01.2018 in Gestalt des Einspruchsbescheids vom 12.02.2018 zu ändern und Kindergeld in der gesetzlichen Höhe für S ab September 2015 festzusetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält an ihrer in den beiden Einspruchsentscheidungen geäußerten Rechtsansicht fest. Eine Ausbildungseinheit zwischen Lehre und Technikerlehrgang bestehe wegen der erforderlichen einjährigen Berufstätigkeit nicht. Die zweijährige Vollzeitausbildung an der Fachschule Elektrotechnik sei als eine die berufliche Erfahrung berücksichtigende Zweitausbildung zu qualifizieren. In diesem Zusammenhang werde auf die Entscheidung des BFH vom 11. April 2018 III R 18/17 und das Urteil des FG Münster vom 23. Mai 2017 1 K 2410/16 Kg, Juris hingewiesen.

Der Berichterstatter hat im gerichtlichen vorbereitenden Verfahren die Berufsbildenden Schulen X Technik und Gestaltung um Auskunft zu den berufspraktischen Voraussetzungen zur Teilnahme an einem Lehrgang als Techniker gebeten. Wegen der erteilten Auskünfte wird auf das Schreiben der Schule vom 20. September 2018 (Bl. 54 f. der Gerichtsakte) hingewiesen. Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung am 13. Dezember 2018 Beweis erhoben zu den Bemühungen des Sohnes um einen Ausbildungsplatz bei der BBS X ab Januar 2014 bis Anfang 2015 durch Einvernahme des T als Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 13. Dezember 2018 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Ablehnungsbescheid vom 27. März 2018 und der Einspruchsbescheid vom 4. Juni 2018 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat für T keinen Anspruch auf Kindergeld für die Zeit ab September 2015.

Eine Berücksichtigung des Sohnes des Klägers im Rahmen einer Kindergeldfestsetzung in der Zeit ab August 2015 wegen der Teilnahme an einem Lehrgang zur Ausbildung als staatlich geprüfter Techniker Fachrichtung Elektrotechnik bei den Berufsbildenden Schulen X in Teilzeit scheidet aus, weil S in der Zeit von August 2011 bis Januar 2014 eine erstmalige Berufsausbildung als Elektroniker für Betriebstechnik abgeschlossen hat und diese Berufsausbildung keine einheitliche Erstausbildung mit dem sich ab September 2015 anschließenden Lehrgang bildet. Die während der Zeit von Januar 2015 bis heute ausgeübte Vollzeiterwerbstätigkeit als Elektroniker bildet eine anspruchsschädliche Zäsur im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG).

Gemäß §§ 62 Abs. 1 Satz 1, 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG besteht ein Anspruch auf Kindergeld unter anderem für ein Kind, welches das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und für einen Beruf ausgebildet hat. Handelt es sich um eine Ausbildung nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums, wird das Kind nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG aber nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Nach § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG sind allerdings bestimmte Erwerbstätigkeiten unschädlich, und zwar solche mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, Ausbildungsdienstverhältnisse und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse im Sinne der §§ 8, 8a des Sozialgesetzbuchs 4. Buch (SGB IV).

Im Streitfall hat der Kläger für S für die Zeit ab August 2015 keinen Kindergeldanspruch, weil S im Januar 2014 bereits eine erstmalige Berufsausbildung zum Elektroniker für Betriebstechnik beendet hat und es sich bei dem ab September 2015 aufgenommenen Lehrgang zum staatlich geprüften Techniker um eine Zweitausbildung handelt. Während dieser Zweitausbildung war bzw. ist der Sohn als Elektroniker in seiner ehemaligen Ausbildungsfirma mit mehr als zwanzig Stunden in der Woche erwerbstätig.

Der Lehrgang zum Techniker stellt sich auch nicht als ein Bestandteil einer erstmaligen Berufsausbildung dar. Für die Frage, ob bereits der erste objektiv berufsqualifizierende Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang zum Verbrauch der Erstausbildung führt oder ob bei einer mehraktigen Ausbildung auch ein nachfolgender Abschluss in einem öffentlich-rechtliche geordneten Ausbildungsgang Teil der Erstausbildung sein kann, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - darauf abzustellen, ob sich der erste Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs darstellt (BFH, Urteile vom 3. Juli 2014 III R 52/13, BStBl. II 2015, 152; vom 16. Juni 2015 XI R 1/14, BFH/NV 2015, 1378; vom 3. September 2015 VI R 9/15, BFHE 251, 10). Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang (z. B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) zueinanderstehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden. Hierfür ist auch erforderlich, dass aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar wird, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat (BFH, Urteil vom 4. Februar 2016 III R 14/15, BStBl. II 2016, 615). Da es im Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG auf das angestrebte Berufsziel des Kindes ankommt, muss der Tatbestand "Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung" nicht bereits mit dem ersten objektiv berufsqualifizierenden Abschluss (z. B. in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang) erfüllt sein (BFH, Urteil vom 3. Juli 2014 III R 52/13, BStBl. II 2015, 152). Ob bereits der erste objektiv berufsqualifizierende Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang zum Verbrauch der Erstausbildung führt oder ob bei einer mehraktigen Ausbildung auch ein nachfolgender Abschuss Teil der Erstausbildung sein kann, richtet sich danach, ob beide zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann. Ist aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat, kann auch eine weiterführende Ausbildung noch als Teil der Erstausbildung zu qualifizieren sein Davon ist jedenfalls dann auszugehen, wenn die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang zueinander stehen und im engen zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden (BFH, Urteil vom 3. Juli 2014 III R 52/134, BStBl. II 2015, 152).

Der erforderliche fachliche Zusammenhang ergibt sich im Streitfall daraus, dass sich die Ausbildungsgänge inhaltlich und schwerpunktmäßig auf denselben Fachbereich (Elektronik für Betriebstechnik) beziehen und nach den Ausbildungsplänen aufeinander aufbauen. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Unstreitig ist ferner, dass nach dem glaubhaften Vortrag des Klägers S von vornherein den Beruf des Technikers angestrebt hat.

Der daneben erforderliche zeitliche Zusammenhang zwischen der Ausbildung zum Elektroniker für Betriebstechnik und dem Techniker ist im Streitfall aber nicht gegeben. Der BFH hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass der notwendige enge zeitliche Zusammenhang nicht mehr vorliegt, wenn die Aufnahme des zweiten Ausbildungsabschnitts voraussetzt, dass vorher eine Berufstätigkeit bzw. berufspraktische Erfahrung ausgeübt wurde (BFH, Urteil vom 4. Februar 2016 III R 14/15, BStBl. II 2016, 615). Gleiches gilt, wenn das Kind den zweiten Ausbildungsabschnitt nach einer zwischenzeitlichen Berufstätigkeit beginnt, welche nicht nur der zeitlichen Überbrückung dient (BFH, Urteile vom 11. April 2018 III R 18/17, Juris; vom 4. Februar 2016 III R 14/15, BStBl. II 2016, 615).

In der finanzgerichtlichen Rechtsprechung wird diese Rechtsauffassung dahingehend konkretisiert, dass eine einheitliche Erstausbildung stets dann nicht mehr gegeben ist, wenn der erstrebte weitere Abschluss voraussetzt, dass vor Ablegung des Abschlusses eine Berufstätigkeit bzw. berufspraktische Erfahrung ausgeübt wurde. Das gilt unabhängig davon, ob die Berufstätigkeit vor Beginn der zweiten und zu dem weiteren Abschluss führenden Ausbildungsmaßnahme ausgeübt wird, oder ab die Berufstätigkeit und die weitere Ausbildungsmaßnahme parallel aufgenommen werden (FG Münster, Gerichtsbescheid vom 2. August 2018 10 K 819/18 Kg, Juris Rdnr. 33 m. w. N. aus der Rechtsprechung der FG). Kann ein Kind den geplanten weiteren Ausbildungsabschnitt erst nach einer Berufstätigkeit von nicht völlig untergeordneter Bedeutung anschließen, liegt keine einheitliche Erstausbildung, sondern eine die beruflichen Erfahrungen berücksichtigende Weiterbildung und somit eine Zweitausbildung vor (FG Düsseldorf, Urteile vom 26. September 2018 7 K 1149/18 Kg, Juris Rdnr. 18; vom 16. August 2018 15 K 877/18 Kg, Juris Rdnr. 17). Eine nicht nur unerhebliche berufliche Betätigung liegt bei einer Dauer von einem Jahr vor (Nds. FG, Urteil vom 22. September 2017 12 K 61/17, Juris Rdnr. 40, rkr.). Dies gilt auch dann, wenn die notwenige berufspraktische Tätigkeit nach den Ausbildungsvorschriften des zweiten Abschnitts während des Lehrgangs erbracht werden kann, wenn die berufsbegleitende Maßnahme sich nicht als integrativer Teil einer einheitlichen Ausbildung darstellt.

Nach der von der Berufsbildenden Schulen X am 20. September 2018 erteilten Auskunft, deren Richtigkeit von den Beteiligten auch nicht bestritten wird, ist Voraussetzung für die Aufnahme in die Fachschule Technik eine einjährige einschlägige Vollzeitberufstätigkeit. Teilzeittätigkeiten müssen entsprechend der regelmäßigen Arbeitszeit entsprechend verlängert werden. Spätestens zum Ende des Besuchs der Fachschule muss diese Voraussetzung nachgewiesen werden. Damit ist der notwendige enge Zusammenhang zwischen der Ausbildung des T zum Elektroniker und der Ausbildung zum staatlich geprüften Techniker nicht gegeben. Anders als z. B. im Fall eines dualen Studiengangs hat nicht der Anbieter des Ausbildungsgangs die Klammer zwischen den beiden Abschnitten gebildet, sondern der Sohn selbst, indem er nach seinen wirtschaftlichen Bedürfnissen die Entscheidungen zur Aufnahme und Dauer der Berufstätigkeit getroffen hat (vgl. dazu Nds. FG, Urteil vom 13. November 2017 2 K 155/17, Juris Rdnr. 33). Diese Entscheidungsfreiheit besteht auch dann, wenn der Sohn unter den Vorgaben seiner Arbeitgeberin handeln musste. Nach seiner Einlassung als Zeuge hatte er sich zu keinem Zeitpunkt dazu entschieden, eventuell auch eine Teilzeittätigkeit aufzunehmen, um bereits im Jahr 2014 mit dem Lehrgang beginnen zu können.

Soweit der Kläger umfangreich dazu vorträgt, dass und warum er nach Ende seiner Ausbildung zum Elektroniker erst befristet und schließlich unbefristet bei der B-GmbH in Vollzeit beschäftigt war, ist sein Vortrag letztlich nicht entscheidend. Der Senat lässt schließlich die in der Rechtsprechung umstrittene Frage, ob nur ein Zeitraum bis zu vier Monaten bis zur Aufnahme eines zweiten Ausbildungsabschnitts als Teil einer einheitlichen Ausbildung als angemessen und den erforderlichen, engen zeitlichen Zusammenhang wahrend angesehen werden kann, offen. Ob die in der Rechtsprechung entwickelte Wertung, dass nach einer abgeschlossenen Erstausbildung mit anschließender Vollzeittätigkeit, der sich erst nach mehr als neun oder im Streitfall 19 Monaten - und zwar neben der weiterhin ausgeübten Vollzeittätigkeit - eine weitere Ausbildungsmaßnahme anschließt, eine "Ausbildungssituation", wie sie typisiert in den Tatbeständen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG und auch in den Beschränkungen des § 32 Abs. 4 Satz 2 und Satz 3 EStG hinsichtlich einer Erwerbstätigkeit nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung zum Ausdruck kommt, nicht mehr gegeben sei (vgl. Nds. FG, Urteile vom 13. November 2017 2 K 155/17, Juris Rdnr. 40; vom 21. November 2018 2 K 275/17, Entscheidungsabdruck Seite 8), zutreffend ist, lässt der Senat ebenfalls offen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Wegen der anhängigen Revisionsverfahren V R 13/17, III R 18/17, XI R 25/17 und III R 54/18 war die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.