Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 22.09.2017, Az.: 12 K 61/17
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 22.09.2017
- Aktenzeichen
- 12 K 61/17
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 43867
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2017:0922.12K61.17.00
Rechtsgrundlagen
- § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst a EStG
Fundstellen
- NWB 2019, 1004
- RdW 2019, 77-79
Amtlicher Leitsatz
Eine einjährige Berufstätigkeit im erlernten Ausbildungsberuf, die Voraussetzung für einen weiteren Ausbildungsabschnitt ist, stellt eine Zäsur dar, die den engen Zusammenhang einer mehraktigen Ausbildungsmaßnahme für Zwecke einer einheitlichen Erstausbildung entfallen lässt.
Tatbestand
Streitig ist der Kindergeldanspruch für ein volljähriges Kind.
Die Klägerin ist die Mutter des im Streitzeitraum volljährigen Kindes.
Das Kind absolvierte zunächst eine Ausbildung als Landwirt. Für die Dauer der Ausbildung gewährte die Beklagte der Klägerin Kindergeld.
Mit Bescheid aus Mai hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung ab dem Monat Juli gemäß § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass das Kind im Monat Juni seine Berufsausbildung beenden werde.
Im Nachgang hierzu beantragte die Klägerin Kindergeld ab dem Monat August und teilte mit, dass das Ausbildungsverhältnis am 31. Juli beendet worden sei. Das Kind absolviere nunmehr ein Praxisjahr. Ab August des Folgejahres werde das Kind die landwirtschaftliche Fachschule besuchen..
Mit Bescheid aus September hob die Beklagte sodann die Kindergeldfestsetzung für das Kind ab dem Monat August auf. Zur Begründung führte sie aus, dass das Kind nicht weiter berücksichtigt werden könne, da es die besonderen Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 EStG nicht erfülle. Das Kind habe die Berufsausbildung im Juli beendet und befinde sich somit nicht mehr in Ausbildung (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Für den Monat Juli kündigte die Beklagte eine Nachzahlung an.
Mit Schreiben vom selben Tag teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass über ihren Anspruch auf Kindergeld ab August noch nicht endgültig entschieden werden könne, weil noch Unterlagen für das Kind fehlen würden. So fehle unter anderem ein Nachweis, aus dem hervorgehe, dass das Praxisjahr als Zugangsvoraussetzung für den Besuch der Fachschule im Folgejahr zwingend erforderlich sei (Zulassungsbestimmungen).
Mit Erklärung zu den Verhältnissen eines über 18 Jahre alten Kindes erklärte die Klägerin sodann, dass das Kind nicht arbeitslos gemeldet sei, er seine Ausbildung fortsetzen werde und einen Abschluss als staatlich geprüfter Wirtschafter/Betriebswirt anstrebe. Im Zeitraum 1. August bis 31. Juli des Folgejahres befinde sich das Kind in einem Praxisjahr auf dem elterlichen Hof. Einen Vertrag gebe es nicht. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit betrage 40 Stunden. Zudem teilte die Klägerin mit, dass das Kind Unterkunft, Verpflegung und Taschengeld bekomme. Er sei über die Klägerin familienversichert.
Zudem überreichte die Klägerin eine Beschreibung für die zweijährige Ausbildung zum staatlich geprüften Betriebswirt. Danach sei unter anderem der Nachweis eines Praxisjahres nach Abschluss der Ausbildung Aufnahmevoraussetzung. Darüber hinaus reichte die Klägerin eine weitere Beschreibung einer zweijährigen Fachschule für Agrarwirtschaft ein. Aufnahmevoraussetzung hierfür sei ebenfalls der Nachweis einer einjährigen einschlägigen hauptberuflichen Tätigkeit.
Mit Bescheid aus Oktober lehnte die Beklagte den Antrag auf Kindergeld für das Kind ab dem Monat August ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass das Kind die besonderen Anspruchsvoraussetzungen nach § 32 Abs. 4 EStG nicht erfülle. Das von August bis Juli des Folgejahres zu absolvierende Praktikum könne nicht als Berufsausbildung anerkannt werden. Zur Berufsausbildung gehöre die Zeit eines Praktikums nur dann, wenn Fähigkeiten und Erfahrungen vermittelt würden, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet seien und es sich nicht lediglich um ein gering bezahltes Arbeitsverhältnis handele. Diese Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrem eingelegten Einspruch. Zur Begründung führte sie aus, dass sich das Kind als designierter Hofnachfolger auf gemeinsamen Plan der Eltern und des Kindes hin in einer mehraktigen Ausbildung mit dem Berufsziel ,staatlich geprüfter Betriebswirt' befinde. Bei dieser einheitlichen Ausbildung stelle das Praxisjahr von August bis Juli des Folgejahres einen integrativen Bestandteil dar. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. Juni 2016 (V R 32/15) führte die Klägerin weiter aus, dass sich die Ausbildung als vorgeschriebene Praxisphase in den Ausbildungsverlauf von der Ausbildung zum Landwirt über die einjährige bis zur zweijährigen Fachschule für Agrarwirtschaft in den Bildungsweg zur angestrebten Abschlussprüfung eingliedere und notwendige praktische Fähigkeiten und Erfahrungen zur theoretischen, schulischen Ausbildung, die für das bestimmte Berufsziel unerlässlich sind, vermittele. Die vorgenannten Ausbildungsbestandteile seien durch ihre Zielbestimmung untrennbar zu einer einheitlichen beruflichen Erstausbildung verbunden. Durch die Einbindung in die Prüfungsordnung sei eine vollumfängliche Berücksichtigung des Praktikums angezeigt. Insbesondere läge kein unbeachtliches geringfügiges Beschäftigungsverhältnis vor, sondern ein Praktikum mit Ausbildungscharakter. In diesem Zusammenhang wies die Klägerin darauf hin, dass die Ausbildung die Zeit und die Arbeitskraft des Kindes nicht überwiegend in Anspruch nehmen müsse. Die Berufsausbildung würde nicht nur Ausbildungsmaßnahmen umfassen, die erforderlich seien, um die Mindestvoraussetzungen für die Ausübung des gewählten Berufs zu erfüllen, sondern auch solche, die geeignet seien, die berufliche Stellung des Kindes zu verbessern. Danach befinde sich ein Kind auch dann noch in Berufsausbildung, wenn es nach einer erfolgreich absolvierten Ausbildung in ernsthafter und nachhaltiger Weise zusätzliche Qualifikationen erwirbt, sofern diese als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet seien.
Mit ihrer Einspruchsentscheidung wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass das Kind im Juli seine Ausbildung als Landwirt erfolgreich abgeschlossen habe und seitdem im elterlichen Betrieb arbeite.
Soweit das Kind beabsichtige, ab dem Folgejahr eine Landwirtschaftsschule zu besuchen, könne er für die Zeit ab Bewerbung um diesen Schulplatz nicht als ausbildungswilliges Kind berücksichtigt werden, da er die objektiven Voraussetzungen für die weitergehende Schulausbildung nicht erfülle. So müsse er eine einjährige Berufserfahrung nachweisen. Das Sammeln von Berufserfahrung stelle keine Berufsausbildung da. Im Übrigen würde die Ausübung einer Erwerbstätigkeit von "wenigstens" 20 Stunden wöchentlich nach abgeschlossener Erstausbildung den Kindergeldanspruch ausschließen. Dabei spiele es keine Rolle, wie diese Tätigkeit bezeichnet werde.
Mit ihrer erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Festsetzung von Kindergeld für das Kind für das Praxisjahr. Ergänzend führt die Klägerin aus, dass das Praxisjahr notwendige praktische Fähigkeiten und Erfahrungen vermittle. Hierzu zählten insbesondere die bis dahin geringen Kenntnisse in Feldbestellung und Weidebau.
Die Praxisphase sei entgegen der Darstellung der Beklagten nicht erforderlich, um den Fachschulbesuch aufzunehmen. Das Kind habe die Praxisphase dem schulischen Bestandteil der Ausbildung vorangestellt, um sowohl die einjährige als auch die zweijährige Fachschule nach der Praxisphase zu absolvieren. Erforderlich sei die Praxisphase für den Zugang zur zweijährigen Fachschule.
Auf Nachfrage des Gerichts teilte die Klägerin mit, dass das Kind zum August des Folgejahres die Fachschule für Agrarwirtschaft beginnen werde. Die Anmeldung sei bereits erfolgt. Das Kind plane, die zweijährige Ausbildung an der Fachschule für Agrarwirtschaft zu absolvieren. Anderweitige Bewerbungen habe es nicht gegeben.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung die Beklagte zu verpflichten, für den Zeitraum ab August für das Kind Kindergeld festzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält an ihrer der Einspruchsentscheidung zu Grunde liegenden Rechtsauffassung fest. Sie führt aus, dass das Kind nach erfolgreicher Abschlussprüfung den Ausbildungsberuf des Landwirtes im Juli erfolgreich beendet habe. Eine weitere Berücksichtigung des Kindes käme lediglich in Betracht, wenn eine mehraktige Berufsausbildung gegeben wäre und die Erstausbildung somit nicht abgeschlossen sei. Von einer erstmaligen Ausbildung sei auszugehen, wenn der erste erworbene Abschluss ein integraler Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsganges sei. Insoweit komme es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang zueinander stünden und in einem engen zeitlichen Zusammenhang durchgeführt würden. Vorliegend fehle es bereits an einem engen zeitlichen Zusammenhang, da die Ausbildung zum Landwirt bereits im Juli beendet worden sei und die Aufnahme der zweijährigen Fachschule Agrarwirtschaft erst zum August des Folgejahres beabsichtigt worden sei. Das erklärte Praxisjahr auf dem elterlichen Hof könne nach der abgeschlossenen Berufsausbildung zum Landwirt nicht als Fortführung einer mehraktigen Berufsausbildung angenommen werden. Vielmehr erfolge hier eine Beschäftigung im erlernten Beruf.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
I. Die Entscheidung ergeht nach Zustimmung durch die Beteiligten durch die Berichterstatterin (§ 79a Abs. 3, 4 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
II. Das Klagebegehren der Klägerin ist dahingehend auszulegen, dass sie mit ihrer Klage die Gewährung von Kindergeld für den Zeitraum von August bis März des Folgejahres begehrt.
Nach der Rechtsprechung des BFH kann das Finanzgericht den Anspruch auf Kindergeld grundsätzlich nur in dem zeitlichen Umfang in zulässiger Weise zum Gegenstand einer Inhaltskontrolle machen, in dem die Beklagte den Kindergeldanspruch geregelt hat. Eine gerichtliche Entscheidung kann demnach längstens einen Zeitraum umfassen, der eine Regelung bis zum Ende des Monats der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung enthält (BFH-Urteile vom 27. September 2012 III R 70/11, BStBl. II 2013, 544 und vom 22. Dezember 2011 III R 41/07, BStBl. II 2012, 681). Würde ein Kläger mit seiner Klage über diesen Zeitraum hinaus Kindergeld begehren, wäre die Klage insoweit unzulässig.
Da vorliegend aber nicht ausdrücklich etwas Abweichendes beantragt wurde, entspricht es der recht verstandenen Interessenlage der Klägerin, dass sie eine Kindergeldregelung für den Zeitraum bis längstens zum Ende des Monats der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung begehrt (vgl. BFH-Urteil vom 27. September 2012 III R 70/11, BStBl. II 2013, 544).
Die den Ablehnungsbescheid bestätigende Einspruchsentscheidung ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin im März des Folgejahres zugegangen. Die Beklagte hat damit längstens bis März des Folgejahres eine abschließende Entscheidung getroffen, die im gerichtlichen Verfahren einer Überprüfung unterzogen werden konnte.
III. Die Klage ist unbegründet.
Der Ablehnungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Die Beklagte hat zu Recht die Kindergeldfestsetzung für das Kind für den Zeitraum August bis März des Folgejahres abgelehnt. Das Kind, das bereits das 18. Lebensjahr vollendet hat, erfüllt in dem streitigen Zeitraum nicht die besonderen Anspruchsvoraussetzungen für die kindergeldrechtliche Berücksichtigung eines volljährigen Kindes nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG.
1. Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG wird ein volljähriges Kind, das das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, bei der Kindergeldfestsetzung berücksichtigt, wenn es nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist. Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG kann ein volljähriges Kind ferner berücksichtigt werden, wenn es aufgrund einer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Beide Tatbestandsvarianten sind vorliegend nicht gegeben.
Das Kind war nach Aussage der Klägerin nicht bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitssuchender gemeldet. Anhaltspunkte für eine Behinderung des Kindes liegen nicht vor.
2. Darüber hinaus wird ein volljähriges Kind, das das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, berücksichtigt, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) bzw. eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG), sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und beispielsweise einem nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG anerkannten Freiwilligendienst befindet (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG) bzw. einen anerkannten Freiwilligendienst leistet (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG).
Nach § 63 Abs. 1 Satz 2 EStG i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG wird ein Kind nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums in den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG jedoch nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) sind unschädlich (§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG).
a) Das Kind hat seine erstmalige Berufsausbildung im Juli abgeschlossen.
Die Voraussetzung "Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung" im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG liegt erst dann vor, wenn das Kind befähigt ist, einen von ihm angestrebten Beruf auszuüben. Dies hat zur Folge, dass auch erst dann der Verbrauch der Erstausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG eintreten kann (BFH-Urteil vom 15. April 2015 V R 27/14, BFHE 249, 500).
Da es im Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG auf das angestrebte Berufsziel des Kindes ankommt, muss der Tatbestand "Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung" nicht bereits mit dem ersten (objektiv) berufsqualifizierenden Abschluss (z.B. in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang) erfüllt sein (BFH-Urteil vom 3. Juli 2014 III R 52/13, BStBl. II 2015, 152). Dies folgt unter anderem aus einer gegenüber § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG (Kind, das "für einen Beruf ausgebildet wird") engeren Auslegung des Berufsausbildungsbegriffs (BFH-Urteil vom 3. Juli 2014 III R 52/13, BStBl. II 2015, 152).
Ob bereits der erste (objektiv) berufsqualifizierende Abschluss zum Verbrauch der Erstausbildung führt oder ob bei einer mehraktigen Ausbildung auch ein nachfolgender Abschluss Teil der Erstausbildung sein kann, richtet sich danach, ob sich der erste Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs darstellt (BFH-Urteile vom 3. Juli 2014 III R 52/13, BStBl. II 2015, 152 und vom 15. April 2015 V R 27/14, BStBl. II 2016, 163).
Mehraktige Ausbildungsmaßnahmen sind dann als Teil einer einheitlichen Erstausbildung zu qualifizieren, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das - von den Eltern und dem Kind - bestimmte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann (BFH-Urteile vom 3. Juli 2014 III R 52/13, BStBl. II 2015, 152, und vom 15. April 2015 V R 27/14, BStBl. II 2016, 163). Ist aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat, kann auch eine weiterführende Ausbildung noch als Teil der Erstausbildung zu qualifizieren sein (BFH-Urteile vom 3. Juli 2014 III R 52/13, BStBl. II 2015, 152 und vom 15. April 2015 V R 27/14, BStBl. II 2016, 163). Davon ist jedenfalls dann auszugehen, wenn die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang zueinanderstehen (z.B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) und im engen zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden (BFH-Urteile vom 3. Juli 2014 III R 52/13, BStBl. II 2015, 152 und vom 15. April 2015 V R 27/14, BStBl. II 2016, 163).
Die Ausbildung zum Landwirt und die zweijährige Ausbildung an der Fachschule für Agrarwissenschaft stellen vorliegend, trotz des bestehenden sachlichen Zusammenhangs, keine Ausbildungseinheit dar, weil sich die zweijährige Fachschule erst nach einer einjährigen Berufstätigkeit anschließen kann. Die zweijährige Ausbildung an der Fachschule für Agrarwissenschaft stellt eine die berufliche Erfahrung berücksichtigende Zweitausbildung dar. Die vor dem Beginn des zweiten Ausbildungsabschnitts erforderliche Berufstätigkeit führt zu einem Einschnitt (Zäsur), der nach der Rechtsprechung des BFH den notwendigen engen Zusammenhang entfallen lässt (vgl. BFH-Urteil vom 4. Februar 2016 III R 14/15, BStBl. II 2016, 615). Denn einzelne Ausbildungsabschnitte können regelmäßig nicht mehr integrative Teile einer einheitlichen Ausbildung sein, wenn - wie vorliegend - eine Berufstätigkeit zwischen den einzelnen Ausbildungsabschnitten aufgenommen wird, die nicht nur der zeitlichen Überbrückung bis zum Beginn der nächsten Ausbildung dient.
Seine Erstausbildung hat das Kind daher bereits mit Abschluss der Ausbildung zum Landwirt abgeschlossen.
b) Für das Kind kann auch nicht nach den übrigen in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG genannten Berücksichtigungstatbeständen Kindergeld für den streitigen Zeitraum gewährt werden. Die vom Kind im Streitzeitraum ausgeübte Praxistätigkeit stellt vielmehr eine schädliche Erwerbstätigkeit im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG dar.
aa) Nach den Angaben der Klägerin betrug die wöchentliche Arbeitszeit des Kindes 40 Stunden und damit mehr als 20 Wochenstunden.
bb) Diese Tätigkeit stellte zudem kein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a SGB IV dar.
Voraussetzung für ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a SGB IV ist, dass das Arbeitsentgelt regelmäßig 450 € im Monat nicht übersteigt (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV) oder die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage begrenzt ist (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV). Das ist vorliegend nicht gegeben.
Bei der einjährigen Tätigkeit des Kindes handelte es sich um eine dem Mindestlohngesetz (MiLoG) grundsätzlich unterfallende Vollzeittätigkeit. Es handelte sich gerade nicht um eine Tätigkeit, auf die nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 MiLoG das MiLoG keine Anwendung findet. Die Tätigkeit stellte insbesondere kein Pflichtpraktikum auf Grund einer schulrechtlichen Bestimmung, einer Ausbildungsordnung, einer hochschulrechtlichen Bestimmung oder im Rahmen einer Ausbildung an einer gesetzlich geregelten Berufsakademie dar (§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MiLoG). Die Ausbildungsordnung der Fachschule für Agrarwirtschaft sieht ein solches Pflichtpraktikum nicht vor. Vielmehr ist für die zweijährige Ausbildung an der Fachschule eine einschlägige einjährige hauptberufliche Tätigkeit Zugangsvoraussetzung.
Das Mindestentgelt-Tarifvertrag (TV-Mindestentgelt), mit dem die Entlohnungsbedingungen für Beschäftigte in der Landwirtschaft stufenweise an die Entlohnungsbedingungen des MiLoG herangeführt werden sollen, sah für Tätigkeiten in der Landwirtschaft ab dem 1. Januar 2016 einen Mindestlohn von 8,00 € je Zeitstunde, ab dem 1. Januar 2017 von 8,60 € je Zeitstunde vor (§ 2 Abs. 1 TV-Mindestentgelt). Ausweislich der Angaben der Klägerin übte das Kind die Tätigkeit auf dem Hof 40 Stunden die Woche aus, so dass das Kind Anspruch auf ungefähr 1.376 € Lohn pro Monat (8,00 € x 40 Wochenstunden x 4,3 Wochen) und in 2017 auf ungefähr 1.479 € Lohn pro Monat (8,60 € x 40 Wochenstunden x 4,3 Wochen) hatte.
cc) Die Beschäftigung auf dem elterlichen Hof stellt ferner kein Ausbildungsverhältnis dar.
In Berufsausbildung (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Dieser Vorbereitung dienen alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind. Die Ausbildungsmaßnahme braucht Zeit und Arbeitskraft des Kindes nicht überwiegend in Anspruch zu nehmen (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH-Urteil vom 2. April 2009 III R 85/08, BStBl. II 2010, 298). Der Ausbildungscharakter, d.h. die Erlangung beruflicher Qualifikationen, und nicht die Erbringung bezahlter Arbeitsleistungen, d.h. der Erwerbscharakter, muss jedoch im Vordergrund stehen (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 21. Oktober 2015 XI R 17/14, BFH/NV 2016, 190; vom 16. September 2015 III R 6/15, BStBl. II 2016, 281). Als Kriterien, die im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Umstände für einen im Vordergrund stehenden Ausbildungscharakter sprechen können, kommen nach der Rechtsprechung des BFH insbesondere das Vorhandensein eines Ausbildungsplanes, die Unterweisung in Tätigkeiten, welche qualifizierte Kenntnisse und/oder Fertigkeiten erfordern, die Erlangung eines die angestrebte Berufstätigkeit ermöglichenden Abschlusses und ein gegenüber einem normalen Arbeitsverhältnis geringeres Entgelt in Betracht (BFH-Urteil vom 16. September 2015 III R 6/15, BStBl. II 2016, 281).
Das Kind hat bereits eine Berufsausbildung als Landwirt abgeschlossen und arbeitet in diesem erlernten Beruf, um die Zugangsvoraussetzung für die zweijährige Ausbildung an der Fachschule für Agrarwissenschaft (eine einschlägige einjährige hauptberufliche Tätigkeit) zu erfüllen. Der Berufstätigkeit des Kindes kommt daher gerade kein Ausbildungscharakter zu.
Die Klage war daher abzuweisen.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.