Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 22.05.2014, Az.: L 10 R 309/10

Rente; Unterhalt; Unterhaltsanspruch; Unterhaltsverzicht; Versorgungsausgleich

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
22.05.2014
Aktenzeichen
L 10 R 309/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 42401
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 23.04.2010 - AZ: S 31 R 276/09

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 23. April 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung von Altersrente ohne Kürzung aufgrund der im Rahmen eines Versorgungsausgleichs an seine geschiedene Ehefrau übertragenen Rentenanwartschaften.

Der am H. 1941 geborene Kläger wurde mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts I. vom 16. Oktober 2000 von seiner am J. 1948 geborenen Ehefrau geschieden. Im Rahmen der Entscheidung zum Versorgungsausgleich wurden mit Beschluss des Amtsgerichts vom 19. Februar 2001 für die mit September 1969 beginnende Ehezeit Rentenanwartschaften (Entgeltpunkte) des Klägers auf das Versicherungskonto seiner geschiedenen Ehefrau übertragen. Mit notariell beglaubigter Erklärung vom 28. November 2000 verzichteten der Kläger und seine geschiedene Ehefrau ab Rechtskraft der Scheidung gegenseitig auf Unterhalt und Unterhaltsbeitrag für die Vergangenheit und Zukunft. Im Falle von unverschuldeter Arbeitslosigkeit, Erwerbsunfähigkeit wegen Krankheit und unverschuldeter Reduzierung ihrer Gesamteinkünfte um mindestens 20 % sollte ein Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau wieder aufleben. Zum Zeitpunkt der Erklärung hatte die geschiedene Ehefrau des Klägers Einkommen aus Erwerbstätigkeit in Höhe von 2.100,00 DM netto monatlich. Mit notariell beurkundetem Vertrag selben Datums übertrug die geschiedene Ehefrau des Klägers ihren hälftigen Miteigentumsanteil an einem gemeinsamen Grundstück gegen Zahlung eines Betrages von 77.000,00 DM auf den Kläger. Der Kläger übernahm die auf dem Grundstück lastenden Grundschulden, die entsprechend der gemeinsamen Erklärung in § 9 des Vertrages mit ca. 300.000,00 DM valutierten. Der Verkehrswert des übertragenen Miteigentumsanteils wurde mit 260.000,00 DM beziffert.

Ab dem 1. Dezember 2006 gewährte die Beklagte dem Kläger auf seinen Antrag
Altersrente in Höhe von 1.272,21 € monatlich, wobei entsprechend dem vorgenommenen Versorgungsausgleich die an seine geschiedene Ehefrau übertragenen Entgeltpunkte bei der Berechnung nicht berücksichtigt wurden. Mit Schreiben vom 7. November 2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Zahlung einer nicht im Rahmen des Versorgungsausgleichs gekürzten Rente. Dabei machte er geltend, dass seine geschiedene Ehefrau noch berufstätig sei und erst im August 2013 in Altersrente gehen werde. Zudem sei nur bedingt richtig, dass er ihr keinen Unterhalt zahle. Sie habe ausweislich der Scheidungsfolgenverträge 77.000,00 DM für das Grundstück und einen Bausparvertrag über 7.400,00 DM von ihm erhalten. Ausweislich der auf Anforderung der Beklagten von der geschiedenen Ehefrau des Klägers vorgelegten Verdienstbescheinigung hatte diese im Januar 2008 ein laufendes Monatseinkommen aus Erwerbstätigkeit in Höhe von 1.322,15 € netto. Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 25. Februar 2008 und Widerspruchsbescheid vom 28. April 2008 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Die Voraussetzungen für die Zahlung einer nicht aufgrund Versorgungsausgleichs gekürzten Rente gemäß § 5 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) lägen nicht vor. Die geschiedene Ehefrau als Berechtigte habe ausweislich der Vereinbarung vom 28. November 2000 auf Unterhalt verzichtet. Es läge auch keine wesentliche Veränderung der Einkommensverhältnisse vor, die geeignet wäre, einen Unterhaltsanspruch zu begründen.

Auf ein Schreiben des Klägers vom 1. Juli 2008 erläuterte die Beklagte mit Datum vom 22. August 2008 nochmals die Sach- und Rechtslage aus ihrer Sicht. Ein weiteres Schreiben des Klägers vom 19. September 2008 wertete sie als Antrag auf Überprüfung ihrer Ablehnungsentscheidung nach § 44 SGB X. Mit Bescheid vom 6. Februar 2009 und Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 2009 lehnte die Beklagte eine Rücknahme des Bescheides vom 25. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2008 ab. Die darin getroffene Entscheidung sei nicht rechtswidrig, da mangels Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau die Voraussetzungen des § 5 VAHRG nicht erfüllt seien. Insbesondere seien den vorgelegten notariellen Vereinbarungen neben dem wechselseitigen Unterhaltsverzicht keine weiteren unterhaltsrechtlichen Vereinbarungen zu entnehmen.

Dagegen hat der Kläger sich mit seiner bei dem Sozialgericht Stade erhobenen Klage gewandt und im Wesentlichen auf seinen Vortrag im Verwaltungsverfahren Bezug genommen. Mit Urteil vom 23. April 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Dabei hat es ebenfalls die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 VAHRG als nicht erfüllt angesehen. Insbesondere habe der Kläger auch durch die Zahlung der 77.000,00 DM als Gegenleistung für die Übertragung des Miteigentumsanteils seiner geschiedenen Ehefrau an dem gemeinsamen Grundstück auf ihn keine Unterhaltsabfindung geleistet.

Gegen das ihm am 21. Mai 2010 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 17. Juni 2010 eingelegten Berufung und verfolgt weiter einen Anspruch auf Gewährung einer nicht im Rahmen des Versorgungsausgleichs gekürzten Altersrente ab dem 1. Dezember 2006 bis zum Eintritt seiner geschiedenen Frau in die Altersrente im August 2013.

Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen sinngemäß,

1. das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 23. April 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 2009 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 3. Juni 2009 aufzuheben

2. die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 25. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2008 zurückzunehmen und ihm gemäß § 5 Abs. 1 VAHRG ab dem 1. Dezember 2006 bis einschließlich 31. Juli 2013 Altersrente ohne Vornahme einer Kürzung aufgrund Versorgungsausgleichs zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 23. April 2010 zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil und die mit ihm überprüften Bescheide für rechtmäßig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Die Akten haben dem Senat vorgelegen und waren Gegenstand der Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte entscheiden, obwohl der Kläger nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen war, weil er mit der Terminsmitteilung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war, § 110 Abs. 1 Satz 2 SGG.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist statthaft und insgesamt zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht rechtswidrig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Altersrente ohne Kürzung aufgrund Versorgungsausgleichs.

Grundsätzlich bestimmt sich die Höhe der Rente gemäß § 64 SGB VI aus den unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkten, dem Rentenartfaktor und dem aktuellen Rentenwert. Ein zugunsten oder zulasten eines Versicherten durchgeführter Versorgungsausgleich wird dabei gemäß § 76 Abs. 1 SGB VI durch einen Zuschlag oder Abschlag an Entgeltpunkten berücksichtigt. Durch rechtskräftigen Beschluss des Amtsgerichts Achim vom 19. Februar 2001 wurde im Falle des Klägers ein Versorgungsausgleich zulasten des Klägers durchgeführt. Entsprechend war von der Beklagten die Berechnung seiner Rente unter Berücksichtigung der im Rahmen dieses Versorgungsausgleichs auf das Rentenkonto der geschiedenen Ehefrau übertragenen Entgeltpunkte vorzunehmen.

Die Voraussetzungen für eine Ausnahme von der auf dem Versorgungsausgleich beruhenden Kürzung sind im Falle des Klägers nicht gegeben. In Betracht kommt bei dem vorliegenden Sachverhalt allein die Regelung des § 5 Abs. 1 VAHRG. Das VAHRG ist zwar mit dem 1. September 2009 durch das Gesetz über den Versorgungsausgleich (VersAusglG) abgelöst worden; gemäß § 49 VersAusglG sind die §§ 4 bis 10 VAHRG jedoch weiter anwendbar in Fällen, in denen, wie hier, der Antrag beim Versorgungsträger vor dem 1. September 2009 eingegangen ist. Der Regelung des § 5 Abs. 1 VAHRG stehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen [vgl. BSG, Urteil vom 14. Januar 1986, Az. 5a RKn 24/84, BSGE 59, 246-249, juris].

Wie das Sozialgericht jedoch bereits zutreffend festgestellt hat, sind im vorliegenden Fall die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 VAHRG nicht erfüllt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die geschiedene Ehefrau als Berechtigte im streitgegenständlichen Zeitraum aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht keine Rente erhalten kann und sie gegen den Kläger als Verpflichteten einen Anspruch auf Unterhalt hat oder nur deshalb nicht hat, weil er zur Unterhaltsleistung wegen der auf dem Versorgungsausgleich beruhenden Kürzung seiner Versorgung außerstande ist. Unterhaltsanspruch im Sinne des § 5 Abs. 1 VAHRG ist dabei nur ein gesetzlicher Anspruch auf Unterhalt gemäß den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) über den nachehelichen Unterhalt, §§ 1569 ff BGB. Hier ist das Sozialgericht in Übereinstimmung mit der Beklagten zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau nicht gegeben ist, und zwar bereits aufgrund wirksamen gegenseitigen Unterhaltsverzichts. Grundsätzlich sind gemäß § 1585c BGB Vereinbarungen über die Unterhaltspflicht für die Zeit nach der Scheidung zulässig. Dabei kann auch ein Unterhaltsverzicht vereinbart werden, der aufgrund der aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) resultierenden Privatautonomie seitens des Staates grundsätzlich zu respektieren ist [vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Februar 2001, Az.: 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89-111, juris]. Ein solcher gegenseitiger Unterhaltsverzicht ist in dem notariellen Vertrag der geschiedenen Eheleute vom 28. November 2000 ausdrücklich erklärt. Ausweislich der Urkunde war auch eine Belehrung über die Folgen des Unterhaltsverzichts durch den Notar erfolgt. Erhebliche Gründe im Sinne einer unangemessenen Benachteiligung o.ä., die im Sinne der Rechtsprechung [vgl. BVerfG, a.a.O.] gegen die Wirksamkeit der Vereinbarung sprechen würden, sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Der in dem Vertrag als einziger Fall eines Nichtgeltens des Unterhaltsverzichts zugunsten der geschiedenen Ehefrau vorgesehene Lebenssachverhalt einer Arbeitslosigkeit oder dauerhaften Arbeitsunfähigkeit einschließlich Einkommensverlusts von mindestens 20% ist ausweislich aller vorliegenden Unterlagen ebenfalls nicht eingetreten.

Es ist weiterhin nicht festzustellen, dass der Kläger in Abweichung von dem ausdrücklichen Unterhaltsverzicht Unterhalt an seine geschiedene Ehefrau in Form einer einmaligen Abfindung gezahlt hat bzw. dass eine solche Unterhaltsverpflichtung von den Parteien gewollt war. Dies gilt sowohl für die von ihm als Unterhaltsleistung geltend gemachte Übertragung des Guthabens aus Bausparvertrag in Höhe von 7.400,00 DM als auch für die entsprechend von ihm geltend gemachte Zahlung von 77.000,00 DM für den Miteigentumsanteil an dem gemeinsamen Grundstück. Weder aus dem Vertrag vom 28. November 2000 über die Gütertrennung und den Unterhaltsverzicht noch aus dem Vertrag selben Datums über Übertragung des Miteigentumsanteils ergeben sich irgendwelche Anhaltspunkte, für eine entsprechende Unterhaltsverpflichtung und damit einen Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau. Im Gegenteil ist hinsichtlich des Guthabens aus Bausparvertrag unter Ziff. III des Vertrages über die Gütertrennung und den Unterhaltsverzicht ausdrücklich festgehalten, dass die geschiedene Ehefrau den Bausparvertrag als Ausgleich für etwaige Zugewinnausgleichsansprüche im Rahmen der vereinbarten Gütertrennung erhalte. Solche Zugewinnausgleichsansprüche sind nach dem BGB wesentlich unterschiedlich von nachehelichen Unterhaltsansprüchen. Auch hinsichtlich des Betrages von 77.000,00 DM ist nicht ersichtlich, dass dieser in Abgeltung eines Unterhaltsanspruches gezahlt werden sollte. In dem Vertrag über die Übertragung des Miteigentumsanteils ist der Betrag gerade ausdrücklich als Gegenleistung für Übertragung bezeichnet, und weder aus dem vertraglichen Zusammenhang noch aus den sonstigen Umständen ergeben sich Hinweise, dass es sich um Unterhalt handeln sollte. So hat das Sozialgericht in diesem Zusammenhang auch bereits zutreffend auf den eigentlichen Wert des übertragenen Miteigentumsanteils hingewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann insoweit gem. § 153 Abs. 2 SGG auf die schlüssigen Ausführungen des Gerichts auf Seite 5 des angefochtenen Urteils verwiesen werden

Schließlich spricht, wie es das Sozialgericht ebenfalls bereits angemerkt hat, gegen die Annahme, dass die von dem Kläger geleisteten Zahlungen als Unterhalt zu werten sind, auch noch, dass ein tatsächlicher Unterhaltsanspruch der Ehefrau bei Volljährigkeit der Kinder sowie eigenem Einkommen von 2.100,00 DM netto monatlich zum Zeitpunkt der Scheidung aller Wahrscheinlichkeit nach nicht gegeben gewesen wäre. Entgegen der Behauptung des Klägers im Berufungsverfahren findet sich in den Akten der Beklagten weiterhin auch gerade keine Stellungnahme seiner geschiedenen Ehefrau dahingehend, dass die von dem Kläger an sie geleisteten o.g. Zahlungen als Unterhalt gelten sollten. Im Gegenteil hat sie in dem Fragebogen zur Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen nach § 5 VAHRG die Frage, ob sie gegenüber ihrem früheren Ehegatten auf Unterhalt verzichtet habe, bejaht und bezüglich einer Gegenleistung allein auf den Beschluss über den Versorgungsausgleich verwiesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.

Anlass für die Zulassung der Revision besteht nicht.