Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 21.03.2012, Az.: 4 U 103/11
Voraussetzungen der Ausübung eines Vorkaufsrechts durch den Testamentsvollstrecker
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 21.03.2012
- Aktenzeichen
- 4 U 103/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 12235
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2012:0321.4U103.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 19.09.2011 - AZ: 16 O 210/10
Rechtsgrundlagen
- § 473 BGB
- § 1094 Abs. 1 BGB
- § 2205 BGB
- § 51 ZPO
Fundstellen
- FamRZ 2013, 70
- NJW 2012, 6
- NJW-RR 2012, 1101-1102
- ZEV 2012, 7
- ZErb 2012, 173-175
Amtlicher Leitsatz
Ein Testamentsvollstrecker kann weder im Wege der gewillkürten noch der gesetzlichen Prozessstandschaft vorgehen, wenn für das von ihm verfolgte, im Grundbuch eingetragene subjektivpersönliche Vorkaufsrecht eine Übertragbarkeit o. ä. aus dem Grundbuch nicht ersichtlich ist.
In dem Rechtsstreit
Dipl.Volkswirt Dr. K.P. M. als Testamentsvollstrecker für
Dr. K. L. V., ...,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte :
Rechtsanwälte ...,
gegen
1. F.W. M., ...,
2. Rechtsanwalt M. W., ...,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigter zu 1:
Rechtsanwalt ...,
Prozessbevollmächtigter zu 2:
Rechtsanwalt ...,
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... sowie die Richter am Oberlandesgericht ... und ... auf die mündliche Verhandlung vom 21. Februar 2012 für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 16. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 19. September 2011 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger verfolgt in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker für seine Tochter die Ausübung eines Vorkaufsrechts. der Beklagte zu 1 ist der Bruder des Klägers.
Wegen des Sachverhalts sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen. Ergänzend wird aus dem Testament vom 31. Januar 1986 unter Ziffer 2 auszugsweise zitiert:
"Bezüglich der Einsetzung meiner Vorerbin K. ordne ich Testamentsvollstreckung an. Testamentsvollstrecker soll mein Sohn P. sein. Die Testamentsvollstreckung wird auf die Dauer von 30 Jahren angeordnet. Die Testamentsvollstreckung soll auch bestehen bleiben im Falle des Nacherbfalls. Die Testamentsvollstreckung endet jedoch in jedem Falle mit dem Ableben meines Sohnes P. ..."
Ferner enthält das Testament unter Ziffer 3. folgende Teilungsanordnung zum Grundbesitz ... (Ziffer 3.1):
"... Beide Miterben haben sich wechselseitig ein Vorkaufsrecht einzuräumen. Auch dieses Vorkaufsrecht soll im Grundbuch vermerkt werden. ..."
Die Vorerbin K. ist am ... geboren, war also zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung 20 Jahre alt.
Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger könne sich nicht auf eine gesetzliche Prozessstandschaft berufen. Die Erblasserin habe die Testamentsvollstreckung nur bezogen auf den Erbteil der Tochter des Klägers bzw. deren Erbeinsetzung als Vorerbin angeordnet, weswegen bei der Ausübung des Vorkaufsrechts nicht der Erbteil der Tochter des Klägers betroffen gewesen sei, sondern der Erbteil des Beklagten zu 1. Auch eine gewillkürte Prozessstandschaft komme nicht in Betracht. Der Kläger habe kein eigenes rechtliches schutzwürdiges Interesse an der Geltendmachung der Klageansprüche dargelegt. ein solches Interesse sei auch nicht ersichtlich, ebenso wenig eigene wirtschaftliche Interessen des Klägers.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Dieser vertritt die Auffassung, dass es zu seinen Aufgaben als Testamentsvollstrecker u.a. gehöre, nicht nur das Vorkaufsrecht im Grundbuch eintragen zu lassen, sondern auch über die Ausübung desselben zu entscheiden.
Er stellt den Antrag,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts vom 19. September 2011 (16 O 210/10) die Beklagten entsprechend den in der mündlichen Verhandlung vom 9. Juni 2011 gestellten Anträgen des Berufungsklägers in erster Instanz zu verurteilen mit der Maßgabe, dass die Zug um Zug Verpflichtung des Klägers gemäß dem Klagantrag II aus dem Schriftsatz vom 2. März 2011 der bisherige Betrag von 635.255,49 € auf 591.920,49 € herabzusetzen ist.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil und verweisen darauf, dass ihrer Auffassung nach die Ausübung des Vorkaufsrechts von den Befugnissen des Testamentsvollstreckers nicht mehr gedeckt wäre.
Wegen des übrigen Sach und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Senat ist im Ergebnis mit dem Landgericht der Auffassung, dass die erhobene Klage unzulässig ist. Der Kläger ist nicht prozessführungsbefugt. Er kann das verfolgte Recht in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker weder in gewillkürter noch in gesetzlicher Prozessstandschaft geltend machen.
1. Der Senat teilt allerdings nicht die Auffassung des Landgerichts, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht den Erbteil der Enkeltochter beeinflussen würde. Dies kann sehr wohl der Fall sein, und zwar im Sinne einer Vermehrung des Grundbesitzes.
2. Eine gesetzliche Prozessstandschaft des Klägers ist nicht gegeben.
Die Prozessführungsbefugnis ist das Recht, ein behauptetes Recht im Prozess im eigenen Namen zu verfolgen oder aufgrund Gesetzes oder besonderen anderweitigen Rechts zur Verfolgung fremder Rechte befugt zu sein (Musielak/Weth, ZPO, 8. Aufl., § 51 Rn 16. Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., vor § 50 Rn 18). Die Geltendmachung fremden Rechts im eigenen Namen wird als Prozessstandschaft bezeichnet (Musielak/Weth, aaO., § 51 Rn 16). Die gesetzliche Prozessstandschaft ist die auf Grund gesetzlicher Ermächtigung verliehene Befugnis, ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend zu machen. Dies ist z.B. bei einem Testamentsvollstrecker gem. den§§ 2212, 2213 Abs. 1 Satz 1 BGB der Fall. Diese Ermächtigung gilt allerdings nicht uneingeschränkt.
Die Aufgaben und Befugnisse des Testamentsvollstreckers ergeben sich u. a. aus den §§ 2205, 2212 BGB. Grundsätzlich kann der Testamentsvollstrecker voll über den Nachlass verfügen, es sei denn, er ist durch gesetzliche oder testamentarische Beschränkungen daran gehindert. Normalerweise darf der Testamentsvollstrecker keine höchstpersönlichen Rechte wahrnehmen, da er gemäß § 2205 Satz 1 BGB den Nachlass nur verwaltet (Palandt/Weidlich, BGB, 71. Aufl., § 2205 Rn. 4). In den Nachlass fällt das Vermögen, d. h. die Gesamtheit der Rechtsverhältnisse des Erblassers beim Erbfall. Entscheidend für die Aufteilung des Nachlasses, also dasjenige, was dem Einzelnen zufällt, sind z. B. Testament, Vermächtnis, Auflage und Erbvertrag. Vorliegend stellt die Verpflichtung der durch das Testament Bedachten zur Einräumung eines gegenseitigen und grundbuchlich abgesicherten Vorkaufsrechts eine Auflage i.S.v. § 1940 BGB dar. Hiernach kann der Erblasser durch Testament den Erben zu einer Leistung verpflichten, ohne einem anderen ein Recht auf die Leistung zuzuwenden. Die Umsetzung dieser Auflage ist erfolgt. Beide Erben sind im Grundbuch eingetragen und haben demnach gemäß § 1094 Abs. 1 BGB ein sog. subjektivpersönliches Vorkaufsrecht.
Der Kläger ist gehindert, dieses Recht für die Erbin V. im Prozess geltend zu machen. Das Vorkaufsrecht gem. § 473 BGB ist ein höchstpersönliches Recht, da es gem. § 473 Satz 1 BGB nicht übertragbar und nicht vererblich ist (s. Staudinger/Reimann, BGB, 2003, § 2205 Rn 17) und eine hiervon abweichende Abrede einer Eintragung im Grundbuch bedurft hätte. Denn anders als bei dem nur schuldrechtlich vereinbarten Vorkaufsrecht bedarf eine solch abweichende Abrede bei einem im Grundbuch eingetragenen Vorkaufsrecht gem. §§ 873, 877 BGB ebenfalls der Eintragung (Erman/Grziwotz, BGB, 13. Aufl., § 1094 Rn. 3. OLG Hamm MittBayNot 1989, 27, Rn. 25 - aus juris. BayObLG MittBayNot 1983, 229, Rn. 12 - aus juris). Eine solche Eintragung (vererblich u. ä., Ausübungsmöglichkeit durch Testamentsvollstrecker) im Grundbuch hat der Kläger nicht vorgetragen.
Dieser Auffassung steht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in NJWRR 19897, 1090 f. nicht entgegen. Der Bundesgerichtshof hat - allerdings bei einem Prätendentenstreit - die Ansicht vertreten, der Testamentsvollstrecker könne auch dann als Partei kraft Amtes klagen, wenn die Prozessführung sonst im Rahmen seiner Verwaltungsaufgabe liege. Dies ist aber auf den vorliegenden Sachverhalt wegen der Höchstpersönlichkeit des Vorkaufsrechts nicht übertragbar.
Es kommt wegen der o.a. fehlenden Bestimmung im Grundbuch auch nicht darauf an, ob durch das Testament der Erblasserin eine andere Bestimmung i.S.v. § 473 Satz 1 Halbsatz 2 BGB hinsichtlich der Übertragbarkeit erfolgt ist.
3. Der Kläger kann nicht aufgrund einer gewillkürten Prozessstandschaft den Prozess führen.
Eine gewillkürte Prozessstandschaft ist zulässig, wenn der Prozessführende vom Rechtsinhaber zu dieser Art der Prozessführung ermächtigt ist und ein rechtliches Interesse an ihr hat (BGH NJWRR 1986, 158). Dabei kann ein eigenes wirtschaftliches Interesse genügen (Zöller/Vollkommer, aaO., vor § 50 Rn 44). Allerdings ist die Ermächtigung zur Prozessführung, das heißt die Übertragung der Befugnis, ein fremdes materielles Recht im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen (gewillkürte Prozessstandschaft), für unzulässig gehalten worden, wenn das einzuklagende Recht höchstpersönlichen Charakter hat und mit dem Rechtsinhaber, in dessen Person es entstanden ist, so eng verknüpft ist, dass die Möglichkeit, eine gerichtliche Geltendmachung einem Dritten im eigenen Namen zu überlassen, dazu in Widerspruch stünde (BGH NJW 1990, 1986 f, Rn. 26 - aus juris. BGH GRUR 1983, 379, 381, m. w. N.). Die Übertragbarkeit der Prozessführungsbefugnis setzt aber nicht notwendig die Übertragbarkeit der Forderung selbst voraus. die Überlassungsfähigkeit der Rechtsausübung soll genügen (vgl. Zöller/Vollkommer, aaO., vor § 50 Rn. 46 m. w. N.).
Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, dass die Vorerbin mittlerweile selbst das Vorkaufsrecht ausgeübt hat. Entscheidend ist darauf abzustellen, ob der Kläger in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker ein rechtliches Interesse besitzt. Dies ist zu verneinen. Denn wenn ein rechtliches Interesse bestünde, wäre auch eine gesetzliche Prozessstandschaft zu bejahen. Deren Voraussetzungen liegen jedoch, wie oben ausgeführt, nicht vor. Würde man nun ein rechtliches Interesse für eine gewillkürte Prozessstandschaft bejahen, würden die an eine gesetzliche Prozessstandschaft zu stellenden, bereits verneinten Anforderungen unzulässigerweise unterlaufen.
Ein wirtschaftliches Interesse des Klägers ist nicht zu bejahen. Dabei ist zu beachten, dass es nicht darauf ankommt, ob der Kläger infolge des Testaments als Ersatznacherbe ein wirtschaftliches Interesse hat. Der Kläger hat die Klage in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker und nicht als Privatperson erhoben. Aufgrund seiner Stellung als Testamentsvollstrecker ist ein wirtschaftliches Interesse an einer Ausübung des Vorkaufsrechts nicht ersichtlich.
4. Soweit der Senat vor der mündlichen Verhandlung in dem Hinweisbeschluss vom 22. Dezember 2011 eine vorläufige andere Auffassung vertrat, hat er in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht, hieran nicht festhalten zu wollen. Denn die in dem Hinweisbeschluss in Bezug genommene Fundstelle bezieht sich auf ein subjektivdingliches Vorkaufsrecht i. S. v. § 1094 Abs. 2 BGB (oder ein ausnahmsweise vererbliches subjektivpersönliches Vorkaufsrecht), nicht aber wie vorliegend auf ein subjektivpersönliches Vorkaufsrecht i. S. v. § 1094 Abs. 1 BGB.
Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO aufgrund des Schriftsatzes des Klägers vom 12. März 2012 war nicht geboten. Eine Verletzung der Hinweis und Aufklärungspflicht aus § 139 ZPO ist nicht gegeben. Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass er an der im Hinweisbeschluss vom 22. Dezember 2011 geäußerten Auffassung voraussichtlich nicht festhalten wird. Damit ist die jetzt ergangene Entscheidung für ihn nicht überraschend. Der Kläger hatte Gelegenheit, sich hierauf einzustellen und in der mündlichen Verhandlung dazu vorzutragen. Die im Schriftsatz vom 12. März 2012 vorgetragenen rechtlichen Aspekte hat der Senat bei seiner Entscheidung berücksichtigt.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Regelung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den§§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO war nicht geboten. Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung anderer Obergerichte oder des Bundesgerichtshofs ab.