Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 21.03.2012, Az.: 9 U 58/11

Ausschließung des Gesellschafters; Verstoß gegen Loyalitätspflichten

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
21.03.2012
Aktenzeichen
9 U 58/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 44389
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 16.03.2011 - AZ: 23 O 124/10
nachfolgend
BGH - 14.05.2013 - AZ: II ZR 123/12

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ein schwerwiegender Verstoß gegen gesellschafterliche Loyalitätspflichten rechtfertigt die Ausschließung des Gesellschafters, der den Verstoß begeht. Ein solcher Verstoß liegt in einer Strafanzeige, die kein tatsächliches Geschehen schildert, wenn in ihr ohne vorherige innergesellschaftliche Klärung die sofortige Verhaftung des Mitgesellschafters gefordert wird.

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - das am 16. März 2011 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover teilweise abgeändert:

Der Beklagte wird aus der im Handelsregister des Amtsgerichts H. unter HRB ... (früher Amtsgericht B. HRB …) eingetragenen Klägerin ausgeschlossen. Die Klägerin ist befugt, nach ihrer Wahl den Geschäftsanteil des Beklagten einzuziehen oder die Abtretung des Geschäftsanteils des Beklagten an sich, einen Mitgesellschafter oder einen Dritten herbeizuführen. Der Ausschluss des Beklagten sowie die Einziehung bzw. Abtretung von dessen Geschäftsanteil stehen unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Klägerin innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten ab Rechtskraft dieser Entscheidung an den Beklagten eine Abfindung in Höhe von 10.000 € zahlt.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 1/6 und der Beklagte 5/6 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Zwangsvollstreckung der jeweiligen Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin betreibt die Ausschließung des Beklagten als Gesellschafter. Wegen des Sachverhalts und der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wird auf das angefochtene Urteil vom 16. März 2011 verwiesen, mit dem die Kammer die Klage abgewiesen hat, weil es an der auch im vorliegenden Fall erforderlichen Beschlussfassung zur Genehmigung der Ausschließungsklage gegen den Beklagten fehle.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihr erstinstanzliches Prozessziel weiterverfolgt. Bei einer Zweipersonengesellschaft bedürfe es der Fassung eines Beschlusses über die Erhebung der Ausschlussklage nicht. Vorsorglich sei allerdings eine solche Beschlussfassung mittlerweile am 8. Juni 2011 nachgeholt worden, was die Satzung der Gesellschaft zulasse, wie der erkennende Senat bereits in dem Verfahren 9 U 108/10 entschieden habe. Im Übrigen hätte das Landgericht auf seine der ganz herrschenden Meinung nicht entsprechende Auffassung hinweisen müssen, um der Klägerin die Herbeiführung eines Genehmigungsbeschlusses ihrer Gesellschafterversammlung im ersten Rechtszug zu ermöglichen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteil den Beklagten aus der Klägerin auszuschließen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und wörtlicher Zitierung des gesamten angefochtenen Urteils. Auch der nun neu gefasste Genehmigungsbeschluss könne allenfalls eine neu zu erhebende Klage rechtfertigen, nicht jedoch die bereits anhängige. Erforderlich sei zudem eine vorherige Zustimmung. Darauf, dass der Beschluss vom Juni 2011 die bereits erhobene Klage nachträglich genehmigen solle, sei bei der Einladung zur Gesellschafterversammlung nicht hingewiesen worden. Außerdem bestreite die Klägerin nach wie vor, dass der Beklagte überhaupt ihr Gesellschafter sei, was widersprüchlich sei. Bis zur Klärung der Gesellschafterstellung des Beklagten am 14. Mai 2004, die in dem vor dem Bundesgerichtshof anhängigen Verfahren mit dem Aktenzeichen II ZR 20/12 zu erwarten sei, sei der vorliegende Rechtsstreit auszusetzen.

Ferner schildert der Beklagte mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2011 (Bd. II, Bl. 286 ff. d. A.) umfassend (im Wesentlichen wie in dem bereits von der Klägerin vorgelegten Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 12. März 2010 aus einem Parallelverfahren, Anlage K 28 im gesonderten Anlagenband) die Vorgeschichte der gesellschafterlichen Auseinandersetzung aus seiner Sicht.

Der Senat hat die Parteien darauf hingewiesen, dass die Ausschließung eines Gesellschafters regelmäßig nur unter der Bedingung der Zahlung einer angemessenen Abfindung in Betracht kommt, und ihnen Gelegenheit gegeben, zum Wert der Geschäftsanteile des Beklagten am 31. Mai 2010 vorzutragen (Hinweis- und Auflagenbeschluss vom 13. Oktober 2011, Bd. II, Bl. 318 f. d. A.). Daraufhin hat die Klägerin den Wert der Anteile des Beklagten zum Stichtag mit 10.000 € mitgeteilt und sich hierzu auf ein Gutachten des Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters F… vom ... November 2011 (als Anlage lose bei den Akten) bezogen.

Der Beklagte macht geltend, bei der Ermittlung des Unternehmenswerts sei in verschiedener Hinsicht fehlerhaft vorgegangen worden. So sei außer Acht gelassen worden, dass seit 2010 Mieten für das Geschäftsgrundstück nicht mehr gezahlt worden seien, der Geschäftsführer N. sein Gehalt teils weiter entnommen, teils eigenmächtig herabgesetzt habe, zu hohe Gehälter teilweise als Gewinnentnahmen hätten gebucht werden müssen, Forderungen der Gesellschaft gegen den Gesellschafter N. nicht berücksichtigt worden seien, wegen des im Jahresverlauf ungünstig gelegenen Stichtages bereits hereingeholte Aufträge nicht berücksichtigt worden seien und von den Pensionsrückstellungen für den Geschäftsführer der Klägerin ein viel zu geringer Betrag in den Entwürfen für Jahresabschlüsse erfasst worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung erweist sich als begründet. Ein Aussetzungsgrund besteht nicht (1). Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht der Erhebung einer Ausschließungsklage gegen den Beklagten nicht entgegen, dass in einer Gesellschafterversammlung kein dieses Vorgehen genehmigender Beschluss gefasst worden sei (2). Die Ausschließungsklage ist auch in der Sache berechtigt, weil in der Person des Beklagten wichtige Gründe für dessen Ausschließung vorliegen (3). Die Ausschließung steht jedoch unter der Bedingung, dass dem Beklagten eine Abfindung für den Wert seiner Geschäftsanteile gezahlt wird, die hier 10.000 € beträgt (4).

1. Eine Aussetzung des Rechtsstreits ist nicht geboten. Abgesehen davon, dass nicht ersichtlich ist, wieso die Frage, ob der Beklagte zum Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden Ausschließungsklage Gesellschafter gewesen ist, vom Ausgang eines anderen Verfahrens abhängen soll und nicht im hier gegenständlichen Verfahren geklärt werden kann, hat der Beklagte sich die zuvor von Dr. N. als seinem Treuhänder gehaltenen Anteile jedenfalls durch notariell beurkundete Vereinbarung vom 25. März 2009 (… UR …/2009 des Notars Dr. B. in M., Anlage K 29 a im gesonderten Anlagenband) übertragen lassen, was der Klägerin bekanntgegeben worden ist und sie gegen sich gelten lässt (S. 43 f. der Klagschrift, Bd. I, Bl. 45 f. d. A.).

2. Entgegen der Auffassung der Kammer ist die Ausschließungsklage nicht schon deswegen unbegründet, weil es an einem vorangegangenen Gesellschafterbeschluss zur Genehmigung der Ausschließung fehlt. Zu Recht weist die Klägerin (unter zutreffender Zitierung diverser Fundstellen, auf die Ausführungen auf S. 2 f. der Berufungsbegründung, Bd. II, Bl.209 f. d. A., wird verwiesen) darauf hin, dass bei einer Zwei-Personen-GmbH ein Genehmigungsbeschluss als Voraussetzung für die Ausschließungsklage nicht erforderlich ist (vgl. auch Winter/Seibt in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl., Anh. § 34, Rdnr. 36 mit zahlr. Nachw., sowie OLG Jena, NZG 2006, 26 [VerfGH Bayern 24.08.2005 - Vf. 80-VI-04]). Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist von dieser zutreffenden und einhelligen Auffassung auch nicht abzuweichen, wenn, wie hier, nicht ein Gesellschafter im Wege der actio pro societate klagt, sondern die Gesellschaft selber (vgl. auch die der genannten Entscheidung des OLG Jena, a. a. O. zugrunde liegende Fallgestaltung). In einer nur aus zwei Personen gebildeten Gesellschaft, in der die Einholung eines Genehmigungsbeschlusses als bloße Förmelei überflüssig wäre, weil der auszuschließende Gesellschafter insoweit nicht stimmberechtigt ist und der andere Gesellschafter seinen Willen zur Ausschließung des Kontrahenten bereits mit Erhebung der Ausschließungsklage kund tut, macht es hinsichtlich dieser Interessenlage keinen Unterschied, ob die Gesellschaft selber klagt oder der verbleibende Gesellschafter im Wege einer actio pro societate.

3. In der Sache ist die Ausschließung des Beklagten gerechtfertigt. Die Klägerin, die sich insofern auf ihren (vom Landgericht angesichts seiner Rechtsauffassung konsequenterweise nicht berücksichtigten) Tatsachenvortrag im ersten Rechtszug bezieht, wirft dem Beklagten Fehlverhalten vor, das in verschiedener Hinsicht sowohl für sich selbst gesehen als auch erst recht in seiner Gesamtschau den Verbleib des Beklagten untragbar erscheinen lässt, weil es die Erreichung des Gesellschaftszwecks erheblich gefährdet bzw. unmöglich macht (vgl. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl., Rdnr. 53 zu § 34 m. w. N.).

a) Ob die Klägerin die Ausschließung des Beklagten darauf stützen kann, dieser habe ihr auf ihrem Geschäftsfeld in unerlaubter Weise Konkurrenz gemacht, kann dahinstehen. Allerdings dürfte dagegen sprechen, dass den Beklagten, wie der Senat in einem am 18. April 2007 verkündeten (rechtskräftigen) Urteil betreffend einen zwischen den Parteien geführten vorangegangenen Rechtsstreit (9 U 8/07 = 23 O 27/05 Landgericht Hannover), ausgeführt hat, kein Wettbewerbsverbot trifft. Im Übrigen hat der weitere Gesellschafter N. der Klägerin seinerseits unbestrittenermaßen sich auf dem Geschäftsfeld der Klägerin (Baustellenabsicherung) mit eigenen Gesellschaften betätigt. Vor diesem Hintergrund würde eine auf den Vorwurf verbotener Konkurrenztätigkeit gestützte Ausschließung nur gegen den Beklagten auch gegen den gesellschaftlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen.

b) Jedoch stellt es einen die zwangsweise Ausschließung des Beklagten rechtfertigenden Grund dar, dass dieser (zu einem Zeitpunkt, an dem er annahm, selber Gesellschafter zu sein, es tatsächlich aber nicht war,) gegen seinen (vermeintlichen) Mitgesellschafter N. eine Strafanzeige erstattet hat, ohne zuvor zu versuchen, die Gründe der Auseinandersetzung innergesellschaftlich zu klären und ohne den Sachverhalt sorgfältig zu prüfen (vgl. zu einem derartigen Ausschließungsgrund etwa BGH, NZG 2003, 530 [BGH 24.02.2003 - II ZR 243/02]; Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., § 34 Anh., Rdnr. 3).

Der Beklagte hat die Strafanzeige (Anlage K 7 im gesonderten Anlagenband, sie ist undatiert und bei der Staatsanwaltschaft … am 30. März 2004 eingegangen,) nicht als Resultat einer sorgfältigen Prüfung gegen den (vermeintlichen) Mitgesellschafter N. erhobener Vorwürfe erstattet und auf aus seiner Sicht offenkundig begangene konkrete Straftaten gestützt, sondern er hat anscheinend die Hoffnung gehegt, mithilfe einer Strafanzeige und des damit in Gang gesetzten Ermittlungsverfahrens konkrete strafbare Handlungen des Mitgesellschafters erst zutage fördern zu können. Die Strafanzeige ist von ihrem gedanklichen Ausgang her darauf gestützt, dass der Mitgesellschafter N. in den neuen Bundesländern eigene Unternehmungen gegründet habe und sich dort auf demselben Geschäftsfeld wie die Klägerin geschäftlich betätigt habe. Weil in demselben Zeitraum der Umsatz der Klägerin selber heruntergegangen sei, hat der Beklagte in der Strafanzeige die Vermutung geäußert („es ist davon auszugehen“), dass der Mitgesellschafter N. Material und Aufträge der Klägerin auf die neu gegründeten Gesellschaften „verschoben“ habe. Konkrete belastbare Vorwürfe enthält die Strafanzeige trotz ihres Umfangs indessen nicht. Gleichwohl ist dort bspw. „dringend angeregt“ worden, „den Beschuldigten in Untersuchungshaft zu nehmen“, und zwar vorzugsweise nach einer anstehenden Gesellschafterversammlung, da der Mitgesellschafter noch „ahnungslos“ über die Ermittlungen sei (S. 7 der Strafanzeige).

Eine derartige Vorgehensweise, bei der ohne greif- und belegbare konkrete Vorwürfe und ohne vorherige innergesellschaftliche Aussprache (vgl. die Formulierung „ahnungslos“) nicht nur eine Strafanzeige erstattet wird, sondern sogar versucht wird, eine sofortige Verhaftung zu erreichen, lässt den Verbleib des anzeigeerstattenden Beklagten in der Gesellschaft als untragbar erscheinen.

Die Erstattung einer (hier zudem äußerst nachdrücklich formulierten) Strafanzeige ohne vorangegangene innergesellschaftliche Klärung und bei erkennbar ungeklärter konkreter Vorwurfslage, also gleichsam ins Blaue hinein, ist auch nicht dadurch zu rechtfertigen, dass, wie der Beklagte nach wie vor meint, die von ihm erhobenen Vorwürfe tatsächlich zutreffend seien. Insoweit hat der Beklagte bis zuletzt keinen konkreten und nachvollziehbaren, geschweige denn einer Beweisaufnahme zugänglichen Vortrag zu der Begehung einzelner Straftaten durch den Mitgesellschafter N. halten können. Dass derartiger vereinzelter Vortrag erforderlich ist, ist dem Beklagten bereits etwa aus dem vorangegangenen Rechtsstreit 9 U 77/06 (= 23 O 54/06 LG Hannover) bekannt, in welchem er als Vertreter der Gesellschaft, der dortigen Verfügungsbeklagten und Berufungsklägerin, fungiert hat. Schon dort hat der Senat in seinem Urteil vom 15. November 2006 ausgeführt:

„Soweit die Beklagte dem Kläger als Geschäftsführer in diesem Zusammenhang ferner vorwirft, für die bereits oben unter Ziff. 3. thematisierten „Ausgründungen“ der B. GmbH und der T. GmbH verantwortlich zu sein und die Gesellschaft hierdurch geschädigt zu haben, gilt auch insoweit zum einen, dass die erhobenen Vorwürfe bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat unklar geblieben sind. Konkrete Pflichtverletzungen sind insoweit nicht substantiiert und überprüfbar vorgetragen worden, was im Übrigen bereits das Landgericht mit deutlichen Worten beanstandet hat (S. 16 f. des angefochtenen Urteils, Bl. 140 f. d. A.). Darüber hinaus sind die bis zur Verhandlung vor dem Senat lediglich allgemein gehaltenen Vorwürfe, die vom Kläger in Abrede genommen worden sind, auch nicht glaubhaft gemacht worden.“

An diesem in tatsächlicher Hinsicht - zumal mit Blick auf etwaige Straftaten des Mitgesellschafters N. - also seit mehr als fünf Jahren unzureichendem Vortrag hat sich auch auf den entsprechenden Hinweis des Senats in der hiesigen ersten mündlichen Verhandlung vom 5. Oktober 2011 nichts geändert, die der Beklagte lediglich zum Anlass genommen hat, seinen bisherigen Vortrag aus den Parallelverfahren mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2011 zu wiederholen.

Der bloße Umstand, dass es zur Gründung eigener Gesellschaften durch den Mitgesellschafter gekommen ist und dieser, teilweise in räumlicher Überschneidung mit früheren Niederlassungen der Klägerin, auf demselben Geschäftsfeld tätig ist, mag zwar eine Konkurrenztätigkeit darstellen. Ob eine solche (zivilrechtlich) - etwa aus dem Anstellungsvertrag des Mitgesellschafters N. als Geschäftsführer - verboten gewesen ist, oder ob sich aus dem Umstand, dass die Gesellschafts- und Anstellungsverträge aus einer Zeit vor dem Beitritt der neuen Bundesländer herrühren, ergibt, dass bei ihrem Abschluss an eine Konkurrenztätigkeit in einem räumlich deutlich erweiterten Geschäftsfeld nicht gedacht war, kann dahinstehen. Jedenfalls wäre auch bei einer verbotenen Konkurrenztätigkeit nicht ohne weiteren, konkreten Vortrag zu erkennen, dass und in welcher Form diese mit strafbaren Handlungen des Mitgesellschafters einhergegangen sei. Derartigen fehlenden konkreten Vortrag zum Begehen etwaiger Straftaten kann der Beklagte auch nicht durch eine breit angelegte Schilderung der Entwicklung der innergesellschaftlichen Auseinandersetzung ersetzen.

Entgegen der im Schriftsatz des Beklagten vom 13. März 2012 noch einmal wiederholten Auffassung rechtfertigt der vom Beklagten ursprünglich gehegte, später aber offenbar aufgegebene (vgl. Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 3. April 2006, Bl. 8 = Anlage B 17 im gesonderten „Anlagenband Beklagte“ des zwischen den Parteien geführten vorangegangenen Verfahrens 9 U 21/07 = 23 O 115/04 Landgericht Hannover) Verdacht einer „Auftragsverschiebung“ (welche Straftat damit verübt worden sein soll, bleibt unklar) eben nicht die Erstattung einer Strafanzeige mit Anregung der sofortigen Verhaftung des gesellschaftlichen Opponenten. Ebenso wenig muss der Senat gleichsam von Amts wegen „überprüfen, ob es derartige Straftaten gab“, solange der Beklagte nicht konkrete Tatsachen vorträgt und unter Beweis stellt, bei deren Vorliegen die Verwirklichung eines (angesichts der äußerst nachdrücklichen Formulierung der Strafanzeige: schwerwiegenden) Straftatbestandes durch den Mitgesellschafter zu bejahen wäre. Weder die vom Beklagten in Bezug genommenen „Ausgründungen“ noch die „Überschreibung von Niederlassungen auf seine eigene Firma“ noch die „Mitnahme von Mitarbeitern, Aufträgen und Material“ stellen derartigen konkreten, eine Subsumtion unter Strafvorschriften ermöglichenden Sachvortrag dar.

Entgegen der Annahme des Beklagten „rechtfertigt“ der Senat damit nicht „das Handeln des Gesellschafters N. im Nachhinein“, sondern vielmehr lässt der Beklagte, der eine ausgesprochen dringlich und intensiv formulierte Strafanzeige gegen seinen Mitgesellschafter erstattet hat, konkreten Vortrag zur Begehung tatsächlich verwirklichter Straftaten vermissen. Entgegen der Annahme des Beklagten obliegt es nicht den Zivilgerichten, aus einer von ihm geschilderten Verdachtslage heraus Ansätze für die mögliche Begehung von Straftaten zu suchen und zu ermitteln.

c) Neben der Erstattung der gegen den Mitgesellschafter gerichteten, scharf formulierten Strafanzeige ohne Versuch vorangegangener innergesellschaftlicher Klärung und ohne abgeschlossene gewissenhafte Prüfung der zugrundeliegenden (Straf-) Vorwürfe stellt es einen weiteren, ebenso für sich alleine tragfähigen rechtfertigenden Grund für die Ausschließung des Beklagten dar, dass dieser zu einem Zeitpunkt, als er in Wahrheit nicht einmal Gesellschafter der Klägerin war, mit einem Anschreiben an die Mitarbeiter der Klägerin hervorgetreten ist, in dem zum einen schwere Vorwürfe gegen den Gesellschafter und einzigen Geschäftsführer der Klägerin erhoben wurden, zum anderen den Mitarbeitern unverhohlen mit straf- und arbeitsrechtlichen Ahndungen gedroht wurde für den Fall, dass sie sich nicht sogleich vom ihnen bis dahin einzig bekannten Gesellschafter und Geschäftsführer abwenden (Anlage K 25 im gesonderten Anlagenband). Eine tiefgreifendere Störung des Betriebsfriedens und damit der weiteren geschäftlichen Tätigkeit der Klägerin als mit diesem undatierten Anschreiben, das die Mitarbeiter unterzeichnen sollten und in dem angekündigt wurde, es werde zur Personalakte genommen, erscheint dem Senat kaum vorstellbar. In der Sache hat der Beklagte mit der Versendung dieses Schreibens, in dem dem Gesellschafter und Geschäftsführer N. explizit vorgeworfen wird, Untreuehandlungen zu Lasten des Unternehmens begangen zu haben und ein „Schwerstkrimineller“ (so dort der erste Absatz auf Seite 2 oben) zu sein, seinerseits die Straftat einer üblen Nachrede im Sinne des § 186 StGB verwirklicht.

Auch insoweit kann sich der Beklagte -  wie bei der Erstattung der Strafanzeige - nicht auf seinen unkonkreten Vortrag zu den Hintergründen der gesellschaftlichen Auseinandersetzung berufen.

Dass die in dem Schreiben erhobenen ehrenrührigen Vorwürfe der Begehung von Straftaten, zumal in schwerster Form, erweislich (vgl. § 186 StGB) wahr sind, hat der Beklagte weder konkret vorgetragen noch gar unter Beweis gestellt. Wann der Gesellschafter N. durch welche Handlungen welchen Straftatbestand, zumal höchst schwerwiegender Art, verwirklicht haben soll, teilt der Beklagte bis zum Schluss nicht mit. Seine Auffassung, der Senat müsse gleichsam von Amts wegen „zumindest überprüfen, ob es derartige Straftaten gab“, die der Beklagte im Schriftsatz vom 13. März 2012 nochmals wiederholt, ist unzutreffend und verkennt auch in dieser Hinsicht den zivilprozessualen Beibringungsgrundsatz.

Auch der Inhalt und die Diktion dieses Schreibens rechtfertigen mithin (für sich selbst gesehen, erst recht aber in Zusammenschau mit dem zuvor geschilderten Vorwurf) eine Ausschließung des Beklagten.

4. Die angesichts sowohl der mindestens voreiligen und übermäßig nachdrücklich formulierten Strafanzeige als auch des herabwürdigenden und den Betriebsfrieden untergrabenden Anschreibens an die Mitarbeiter der Klägerin gerechtfertigte Ausschließung des Beklagten steht indes unter der Bedingung der Zahlung einer Abfindung, deren Höhe und Zahlungsfristen im Urteil festzusetzen sind (Lutter/Hommelhoff, a. a. O., Rdnr. 63 zu § 34). Zwar hat der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs nach Erlass des entsprechenden Hinweisbeschlusses des erkennenden Senats vom 13. Oktober 2011 in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung ausgeführt, dass ein Einziehungsbeschluss bereits mit Mitteilung des Beschlusses an den betroffenen Gesellschafter und nicht erst mit der Leistung der Abfindung wirksam wird (BGH, Urteil vom 24. Januar 2012, II ZR 109/11).
Indes besagt diese Rechtsprechung nicht, dass bei einer nicht durch Gesellschafterbeschluss (der hier von der Satzung der Klägerin nicht vorgesehen ist), sondern durch Gerichtsurteil erfolgenden Ausschließung eine Abfindung zunächst nicht mehr festzusetzen, sondern erst in einem anschließenden Rechtsstreit zu erstreiten sei (was auch nicht prozessökonomisch wäre). Zudem gebietet schon der Umstand, dass bei einer Ausschließung durch Gerichtsurteil letztlich hoheitlich in die Gesellschafterstellung und damit das Eigentumsrecht des Ausgeschlossenen (wenn auch wegen eines wichtigen Grundes nach Abwägung aller Umstände zu Recht) eingegriffen wird, dass dieser Eingriff sogleich im Urteil durch Festsetzung einer entsprechenden Abfindungszahlung kompensiert wird.

Diese Zahlung ist hier binnen einer Frist von drei Monaten ab Rechtskraft der ausschließenden Entscheidung zu leisten. Die Erbringung der Zahlung stellt eine Bedingung für das Ausschließungsurteil dar. Die Frist, deren Länge der Gesellschaftsvertrag, der ein Ausschließungsverfahren selber nicht regelt, konsequenterweise nicht vorsieht, erachtet der Senat (auch in Relation zur Höhe der Zahlung) als angemessen.

Ob, wofür die zitierte neue Rechtsprechung des BGH sprechen dürfte, der Beklagte daneben gesamtschuldnerisch hinsichtlich der Abfindung auch einen Anspruch gegen seinen früheren Mitgesellschafter hat, kann hier dahinstehen, da die Möglichkeit der von der Klägerin beantragten Ausschließung dadurch jedenfalls nicht berührt wird.

Der Wert der Geschäftsanteile des Beklagten zum maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung der Ausschließungsklage (vgl. Lutter/Hommelhoff, a. a. O., Rdnr. 78 m. w. N.) beträgt 10.000 €. Davon ist nach dem Vortrag der Klägerin, den diese unter Bezug auf ein Wertgutachten des Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters F. hält und den der Beklagte der Sache nach nicht oder zumindest nicht konkret bestritten hat, auszugehen. Vielmehr hat der hiesige Beklagte in seiner Eigenschaft als dortiger Vertreter der Gesellschaft im Rahmen einer Beschlussanfechtungsklage des Mitgesellschafters N. (dort Kläger) in dem vom Senat am selben Tage verhandelten Parallelverfahren 9 U 118/11 (= 23 O 97/04 Landgericht Hannover) mit Schriftsatz vom 27. April 2011 selbst vortragen lassen, dass „der Wert des Geschäftsanteils des Beklagten (gemeint war der Mitgesellschafter N., der einen gleich hohen Geschäftsanteil wie der hiesige Beklagte hält) derzeit gegen Null tendieren dürfte“. Dass zum Zeitpunkt der Erhebung der hiesigen Ausschließungsklage der Wert der Geschäftsanteile an der Klägerin angesichts des sich über etliche Jahre bereits hinziehenden Streits zwischen den Gesellschafterfraktionen nur noch gering gewesen sein kann, scheint auch dem Senat nahezuliegen.

Im Übrigen hat der Beklagte die Feststellungen des von der Klägerin vorgelegten Bewertungsgutachtens auch nicht dergestalt in Abrede genommen, dass zu seinen Gunsten Anhaltspunkte für einen höheren Wert ersichtlich und die Überprüfung durch ein vom Gericht einzuholendes Gutachten erforderlich wäre.

a) Soweit er etwa beanstandet, dass in die Begutachtung Bilanzen eingeflossen seien, die deswegen falsch seien, weil bspw. seit dem Jahre 2010 Mieten für das Geschäftsgrundstück nicht mehr gezahlt und deswegen offen seien, kann dieser Umstand nicht zu einer Höherbewertung der Geschäftsanteile führen. Im Gegenteil wäre dann, wenn die Einwendung des Beklagten zuträfe, der Stand der Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu erhöhen und der Wert der Geschäftsanteile niedriger anzusetzen.

b) Im Ergebnis Gleiches gilt hinsichtlich der Einwendung, der Mitgesellschafter N. habe sein Gehalt als Geschäftsführer teils weiter entnommen, teils eigenmächtig herabgesetzt. Dass ein eigenmächtiger Verzicht des Geschäftsführers auf Teile seiner Vergütung den Wert der Gesellschaft nicht schmälert, liegt auf der Hand.
Im Übrigen ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass und warum der Geschäftsführer ohne eine Änderung der Vergütung durch Gesellschafterbeschluss zu deren Zahlung/Entnahme nicht berechtigt gewesen sein soll.

c) Dass, wie der Beklagte meint, die Geschäftsführergehälter in der Sache teilweise zu hoch gewesen seien und deswegen in Wahrheit als Gewinnentnahmen hätten gebucht werden müssen, vermag ebenfalls nicht zu einer Korrektur des Gesellschaftswertes nach oben zu führen. Die Verbuchung eines Geldabgangs in anderer als der geschehenen Weise (bspw. als Gewinnentnahme statt als Gehalt) wäre als solche bilanzneutral und würde den Wert nicht berühren.

d) Soweit der Beklagte Forderungen der Gesellschaft gegen den Mitgesellschafter aus Schadensersatz in das Unternehmensergebnis und damit im Zweifel in den Gesellschaftswert eingebunden sehen will, fehlt es an jeglichem konkreten Vortrag dazu, wie derartige Forderungen zum Zeitpunkt des Stichtages zu bewerten sein sollen. Immerhin verfolgt der Beklagte diese Forderungen für die Gesellschaft im Wege einer actio pro societate selbst, weshalb er in der Lage sein muss, sie und ihren Vollstreckungswert (sofern es bereits Titel gibt oder diese zu erwarten sind) zu beziffern.

e) Der Beklagte kann auch nicht damit durchdringen, dass der im Frühjahr des Jahres 2011 liegende Stichtag angesichts des Geschäftsfelds der Klägerin, der Baustellenabsicherung, seinen Wertvorstellungen unzuträglich sei, weil eine verstärkte Bautätigkeit erst im Sommer zu erwarten sei und deshalb künftige Aufträge zu berücksichtigen seien. Künftige und ungewisse Forderungen zu berücksichtigen, widerspricht gerade dem Sinn einer stichtagsbezogenen Wertermittlung, die hier vorgesehen ist. Im Übrigen hat der Beklagte auch insoweit keine konkreten Zahlen genannt.

f) Das Argument des Beklagten, Pensionsrückstellungen für den Mitgesellschafter N. seien bilanziell in wesentlich zu geringem Maße berücksichtigt worden, kehrt sich gegen ihn selbst. Wenn, wie der Beklagte meint, diese Rückstellungen wegen einer höheren statistischen Lebenserwartung um den Faktor 15 zu erhöhen wären, würde sich der Wert der Geschäftsanteile erkennbar gravierend nach unten, nicht nach oben bewegen.

g) Soweit der Beklagte geltend macht, zu einem näheren Sachvortrag betreffend den Wert des Unternehmens nicht in der Lage zu sein, weil ihm Informationen vorenthalten würden (allerdings ist in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig geworden, dass der Beklagte in Begleitung seines Steuerberaters und seines Anwalts zumindest jährlich ausführlich Einsicht in die Unterlagen der Gesellschaft nimmt, zu diesem Zweck einen eigenen Fotokopierer mitbringt und sich zumindest einer der Termine sogar über mehrere Tage hingezogen hat), führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Selbst wenn man in dieser Hinsicht von geringeren Darlegungsanforderungen für den Beklagten ausgehen wollte, bliebe festzuhalten, dass allenfalls der Gesichtspunkt fehlerhaft unzureichend berücksichtigter Forderungen der Gesellschaft gegen den Mitgesellschafter N. überhaupt erkennbar zu einer Höherbewertung der Geschäftsanteile führen könnte. Zu gerade diesem Gesichtspunkt hat aber der Beklagte, der diese Ansprüche selber verfolgt, umfassende (wenn auch der Höhe nach hier nicht vorgetragene) Erkenntnisse.

5. Die Kostentscheidung folgt § 92 Abs. 1 ZPO, wobei der Senat den festgestellten Wert der Abfindung, deren Zahlung die Klägerin in ihrem unbedingten Antrag nicht berücksichtigt hat und hinsichtlich dessen die Klage deswegen teilweise abzuweisen war, in Relation gesetzt hat zu dem den Streitwert bestimmenden Nennwert des Geschäftsanteils.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 ZPO) liegen nicht vor.