Landgericht Aurich
Urt. v. 26.01.2022, Az.: 2 O 895/19
Werbung für zahnärztliche Leistung im geschäftlichen Verkehr; Fehlender Hinweis auf das Angestelltenverhältnis eines angestellten Zahnarztes; Benennung des Intraoralscanners als „bahnbrechende“ Technologie
Bibliographie
- Gericht
- LG Aurich
- Datum
- 26.01.2022
- Aktenzeichen
- 2 O 895/19
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2022, 59245
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 3a UWG
- § 5a UWG
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für zahnärztliche Leistungen wie folgt zu werben:
- Den Namen eines angestellten Zahnarztes in Textform zu nennen, insbesondere in Werbeflyern, ohne zugleich in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Namen darauf hinzuweisen, dass es sich um einen angestellten Zahnarzt handelt,
- Intraoralscanner als „bahnbrechende“ Technologie zu bezeichnen,
- zu behaupten, durch die Möglichkeit des Einsatzes von Intraoralscannern würden Zahnabdrücke unter Einsatz von Abdruckmasse hinfällig, ohne zugleich darauf hinzuweisen, dass Intraoralscanner Zahnabdrücke nicht in allen Fällen ersetzen können, insbesondere, wenn dies durch Aussage wie „Laser-Kamera statt Abdruckmasse“, „keine unangenehmen Abdrücke mehr“, „lästige Abdrücke gehören der Vergangenheit an“, oder „mit einem innovativen Intraoralscanner ausgestattet, der ihnen die herkömmlichen, unangenehmen Abdrücke erspart“ erfolgt.
Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird dem Beklagten Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder, für den Fall, dass ein Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.
Der Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger 299,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 23.11.2019 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung des Klägers in Höhe von 40.000,00 € vorläufig vollstreckbar.
Streitwert: 30.000,00 €.
Tatbestand:
Der Beklagte betreibt eine Zahnarztpraxis als niedergelassener Zahnarzt. In einem Werbeblatt für seine Praxis, einem sogenannten „Flyer“, erwähnt er U. K., ohne darauf hinzuweisen, dass dieser als Zahnarzt nur angestellt ist.
Im Übrigen wirbt er für die Anwendung von Intraoralscannern in seiner Praxis unter Hervorhebung von Annehmlichkeiten für Patienten, wobei wegen aller Einzelheiten auf die Darstellung in der Klageschrift und auf die Präsentation in der, der Klageschrift beigefügten, Werbeschrift (Flyer) des Beklagten, Bl. 12 – 13 d.A. verwiesen wird.
Der Kläger hält die Werbung des Beklagten für irreführend. Intraoralscanner seien schon seit längerer Zeit im Einsatz und deshalb keine „bahnbrechende“ Technologie. Sie seien auch nicht dazu geeignet, in allen Fällen die Verwendung von Abformmasse zur Vorbereitung einer prothetischen Versorgung zu ersetzen.
Irreführend sei es auch, einen Zahnarzt in der Praxisdarstellung aufzuführen, ohne dass auf dessen Angestellten-Verhältnis hingewiesen werde.
Der Kläger beantragt,
wie erkannt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass die vom Kläger in Bezug genommene Berufsordnung der Zahnärztekammer Niedersachsen, soweit sie bestimmt, dass angestellte Zahnärzte nur unter Hinweis auf das Angestelltenverhältnis in „öffentlicher Ankündigung“ präsentiert werden dürfen, nur dem Schutz der angestellten Zahnärzte vor einer sonst gegebenen Rechtscheinshaftung relevant sei. Die Vorschrift schütze nicht das Vertrauen der Patienten in bestimmte Sachverhalte des Beschäftigungsverhältnisses der Zahnärzte.
Im Übrigen behauptet der Beklagte, dass die von ihm verwendete Intraoralscanner-Technik mit dem konkreten Gerät tatsächlich neuartig sei und den Patienten bei der Prothesen-Vorbereitung in so umfangreichen Ausmaße die Abnahme von Abdrücken erpare, dass die entsprechenden Beschreibungen in der beanstandeten Werbung uneingeschränkt vertretbar und zutreffend, jedenfalls nicht irreführend im Sinne des Wettbewerbsrechts, seien.
Wegen aller übrigen Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Prof. Dr. E. und dessen mündliche Erläuterung, worauf verwiesen wird.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Hinsichtlich des fehlenden Hinweises auf das Angestelltenverhältnis des beim Beklagten angestellten Zahnarztes folgt das Gericht der Bewertung des Klägers, wonach ein Verstoß gegen den insoweit eindeutigen Wortlaut der Berufsordnung für Zahnärzte der Zahnärztekammer vorliegt, was einen Verstoß gegen § 3 a UWG und zugleich wegen Irreführung durch Unterlassen gegen § 5 a UWG begründet. Die vom Beklagten vertretene und auf Literaturzitate gestützte einschränkende Auslegung nach Sinn und Zweck der Vorschrift findet im Wortlaut keine Stütze und wird deshalb vom Gericht auch nicht geteilt. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass das Publikum den weiteren Zahnarzt als Mitinhaber der Praxis mit persönlicher Haftung interpretieren kann.
In Bezug auf die Werbung für die Intraoralscanner-Technik, wie sie vom Beklagten betrieben worden ist, folgt das Gericht unter Berücksichtigung der Ausführungen des Gutachters ebenfalls der Argumentation des Klägers, dass es sich um irreführende Werbung gemäß § 5 UWG handelt.
Wie der Gutachter nachvollziehbar und unter Bezugnahme auf seine eigene berufliche Erfahrung und die ausgewertete Literatur dargestellt hat, ist das Intraoralscanner-Verfahren nicht in dem Sinne neu, dass es eine aktuelle, bahnbrechende und somit völlig neue Behandlungsweg eröffnende Technik wäre. Das Verfahren wird nach seiner Erfindung vor ca. 40 Jahren bereits seit längerer Zeit eingesetzt, ohne dass es aber zu einer Verdrängung früherer Techniken, die als „Abdruck-Verfahren“ bezeichnet werden könnten, geführt hat. Die Ausführung als kabelloses Gerät stellt eine Detailverbesserung dar, ohne die Anwendungsmöglichkeiten wesentlich, also „bahnbrechend“ zu erweitern. Ähnliches gilt für Zusatzfunktionen wie Zahnfarben-Erkennung, die seit 2013 auch von mindestens einem anderen Hersteller angeboten wird.
Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Scanner-Technik für die Patienten in allen Fällen angenehmer wäre als die bisherige Abdrucktechnik. Die Scanner-Technik erzwingt nämlich, wie der Gutachter dargelegt hat, Manipulationen in der Mundhöhle, die als sehr unangenehm empfunden werden und auch Würgereize auslösen können. Es verbleiben darüber hinaus Behandlungssituationen, in denen mit der Intraoralscanner-Technik keine befriedigenden Ergebnisse erzielt werden können, so dass auf die Abdruck-Methode zurückgegriffen werden muss und in der Praxis auch regelmäßig zurückgegriffen wird.
Im Gegensatz zu diesem, vom Gutachter dargestellten Sachverhalt suggeriert allerdings die Werbung des Beklagten, dass in seiner Praxis durch Einsatz einer ganz neuen Technik eine im Unterschied zu früheren Verhältnissen beschwerdefreie Prothesen-Vorbereitung erfolgen können. Es wird deshalb eine Erwartung besonders angenehmer Behandlungstechnik erzeugt, die gerade im Hinblick auf die weitverbreitete Furcht vor zahnärztlichen Behandlungen einen Sog in die Praxis des Beklagten erzeugen kann, der durch die objektiven Behandlungsaussichten nicht gerechtfertigt ist. Dies ist als irreführend im Sinne des Wettbewerbsrechts zu bewerten.
Die Nebenansprüche des Klägers finden ihre Rechtsfertigung in § 13 Abs. 3 UWG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Bei der Festsetzung der Sicherheitsleistung gemäß § 709 ZPO hat das Gericht das geschätzte finanzielle Interesse des Beklagten an der Fortsetzung der untersagten Werbung während eines auf eine Zeitdauer von 9 Monaten geschätzten Berufungsverfahrens angesetzt.
Der Streitwert entspricht dem Wert, den das Oberlandesgericht Oldenburg in durchschnittlich gelagerten Sachen bei Klagen von Wettbewerbsverbänden gegen ständige oder Unternehmer ansetzt.