Landgericht Aurich
Urt. v. 25.02.2022, Az.: 2 O 1254/20

Abgasskandal

Bibliographie

Gericht
LG Aurich
Datum
25.02.2022
Aktenzeichen
2 O 1254/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 59461
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG - AZ: 5 U 36/21
BGH - AZ: VIa ZR 591/21

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: 24.352,51 Euro

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Ansprüche bezüglich eines vom sogenannten „Abgasskandal“ betroffenen Fahrzeug.

Der Kläger erwarb ausweislich der Bestellung (Anlage K50) am 25.03.2013 zum Preis von 29.845,00 Euro einen neuen VW Golf Fahrzeugidentifikationsnummer ..., der mit einem EA 189 Motor ausgestattet war. Die Beklagte ist Herstellerin des Fahrzeuges.

Der Motor dieses Fahrzeugs war bei Übergabe mit einer vom Hersteller weder gegenüber Kunden noch gegenüber Zulassungsbehörden bekanntgegebenen versteckten Prüfstands-Abschalteinrichtung versehen, wie sie im Zuge des sogenannten „VW-Abgasskandals“ inzwischen allgemein bekannt ist, so dass auf nähere Darstellungen verzichtet wird. Der Kläger beruft sich auf hieraus resultierende Mängel und Folgerisiken, wobei wegen der Einzelheiten auf die Darstellung in der Klageschrift und den weiteren Schriftsätzen Bezug genommen wird.

Die Beklagte entwickelte ein Software-Update, welches vom Kraftfahrt-Bundesamt freigegeben wurde.

Die Laufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeuges zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung wurde nicht mitgeteilt.

Der Kläger hat Klage beim Landgericht Aurich am 11.12.2020 eingereicht.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass die Beklagtenpartei verpflichtet ist, der Klägerpartei Schadensersatz zu leisten für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs VW Golf Variant 1.6 TDI (Fahrzeugidentifikationsnummer: ...) durch die Beklagtenpartei resultieren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte beruft sich auf die Einrede der Verjährung.

Wegen aller übrigen Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unzulässig.

I.

Es fehlt an dem nach § 256 Abs. 1 ZPO für die Zulässigkeit der Klage erforderlichen Feststellungsinteresse. Prozessvoraussetzung für die Feststellungsklage ist neben den allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen das schutzwürdige Interesse des Klägers an der alsbaldigen Feststellung. Hierbei ist zur Vermeidung unnötig belastender Klagen Zurückhaltung zu üben; keinesfalls darf das Fehlen eines Rechtsverhältnisses durch ein allgemeines Klärungsinteresse überspielt werden. Ist Klage auf Leistung möglich und zumutbar, wird im Interesse der endgültigen Klärung des Streitstoffs in einem Prozess das abstrakte Feststellungsinteresse regelmäßig fehlen. Auf Feststellung des Anspruchsgrundes beschränkte Feststellungklage ist dann unzulässig (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 256 ZPO, Rn. 7a, 7)

So liegt der Fall hier. Mit seinem Klageantrag begehrt der Kläger wie sich aus seinem Vortrag ergibt vorwiegend Rückabwicklung bzw. Schadensersatz.

Der Schaden, den der Kläger geltend macht, ist ihm durch den Abschluss des Kaufvertrags über das streitgegenständliche Fahrzeug entstanden, den er, in Kenntnis der bestehenden Abgasproblematik, nicht abgeschlossen hätte. Insofern liegt in dem Abschluss des Vertrages der Schaden des Klägers, weswegen sich der Anspruch auf den Ersatz des negativen Interesses richtet. Der Kläger kann mithin die Rückabwicklung des Vertrages verlangen oder an dem Vertrag festhalten und schadensbedingten Mehraufwand geltend machen. Diesen hat der Kläger aber nicht überzeugend dargelegt und dieser ist auch nicht ersichtlich. Der Kläger hat letztlich die Rückabwicklung des Vertrages begehrt, insbesondere auch, weil er das Vertrauen in die Beklagte verloren hat. Dabei ist es ihm auch möglich, die Nutzungsentschädigung zu beziffern, jedenfalls schätzungsweise, da sich diese aufgrund der gefahrenen Kilometer ergibt und einer geläufigen Berechnungsmethode unterliegt. Hält der Kläger hingegen daran fest, das Fahrzeug in seinem Eigentum zu halten und will sich alle Schäden, die entstanden sind und noch entstehen werden, von der Beklagten ersetzen lassen, so geht dies über den Schutzzweck des Schadensersatzanspruches hinaus. Alle weiteren Schäden, die eventuell noch entstehen könnten, gehen dann auf die Entscheidung des Klägers zurück, an dem Vertrag festzuhalten (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 06.04.2001, V ZR 394/99, zitiert nach juris, Randziffer 18.)

Insofern ist entgegen der Ansicht des Klägers ein Feststellungsinteresse auch nicht im Hinblick auf behauptete zukünftige Schäden gegeben. Insbesondere bestehen keine konkreten Anhaltspunkte für die Ansicht des Klägers, es seien zukünftige Steuerschäden zu erwarten (LG Braunschweig, Urteil vom 01. Juni 2017 – 11 O 3683/16 –, Rn. 22, juris). Gleiches gilt für die befürchtete Stilllegung des Fahrzeuges.

Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich ein Feststellungsinteresse auch nicht aus der Erwartung, dass die V. AG als großes Unternehmen schon auf ein Feststellungsurteil leisten wird. Soweit in der Rechtsprechung (vgl. Zöller, § 256 ZPO, Rn. 8) diesbezüglich Ausnahmen anerkannt sind, so setzen diese jedenfalls die objektive Erwartung voraus, dass bereits ein Feststellungsurteil zur endgültigen Streitbeilegung geeignet ist. Diese Erwartung besteht hier aufgrund des unterschiedlichen Parteivortrages nicht.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 2 ZPO.