Landgericht Oldenburg
Urt. v. 12.04.2010, Az.: 9 O 2124/09

Bibliographie

Gericht
LG Oldenburg
Datum
12.04.2010
Aktenzeichen
9 O 2124/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 40540
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOLDBG:2010:0412.9O2124.09.0A

Fundstellen

  • BKR 2010, 392-395
  • VuR 2011, 194

In dem Rechtsstreit

...

hat die 9. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit einer Erklärungsfrist bis zum 01.03.2010 durch den Richter am Landgericht Muders als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 11 330,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.08.2009 Zug um Zug gegen Übertragung von 11 "Lehman Brothers Treasury C. B.V., Dow Jones EURO STOXX 50 Absolute Performer Anleihe", WKN AOGTUH zu zahlen.

  2. Die Beklagte wird ferner verurteilt, den Kläger von den Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 962,71 EUR freizustellen.

  3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  4. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

  5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

  6. Der Streitwert wird auf 11 330,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

1

Nachdem die Beklagte am 12.06.2006 unter Verwendung eines Fragebogens ein so genanntes Risikoprofil des Klägers erstellt hatte, zeichnete dieser am 08.08.2006 in der Filiale Oldenburg, Lange Straße 2, der Beklagten, mit der seit dem Jahre 2000 eine Geschäftsbeziehung bestand, 11 Wertpapiere der "Lehman Brothers Treasury C. B.V., Dow Jones EURO STOXX 50 Absolute Performer Anleihe" (WKN AOGTUH) zu einem Nennwert von jeweils 1 000,00 EUR zuzüglich eines 3 %igen Agios in Höhe von insgesamt 330,00 EUR. Hierbei handelte es sich um von der niederländischen Lehman Brothers Treasury Co. B.V. (LBT) (nachfolgend: Emittentin) herausgegebene Inhaberschuldverschreibungen (Zertifikate), wobei die Rückzahlungsansprüche von der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers Holdings Inc. (LBHI) (nachfolgend: Garantiegeberin) garantiert wurden.

2

Die vom Kläger erworbenen Inhaberschuldverschreibungen hatten eine Laufzeit von vier Jahren. Am Ende der Laufzeit erhielt der Kunde - die Bonität der Emittentin vorausgesetzt - das eingesetzte Kapital voll zurück. Darüber hinaus erhielt er gegebenenfalls einen Bonus, der sich aus der durchschnittlichen Wertentwicklung an vier so genannten Beobachtungstagen ableitete, die zum Wert des anfänglichen Festlegungstages ins Verhältnis gesetzt wird. Dabei profitierte der Kunde von möglichst großen Kursabweichungen gegenüber dem Kurs des Festlegungstages, wobei unerheblich war, ob diese Abweichungen auf über oder unter dem Wert des Festlegungstages liegenden Kurswerten an den Beobachtungstagen begründet wurden.

3

Auf der vom Kläger und dem seinerzeitigen Mitarbeiter der Beklagten M.... unterzeichneten und formularmäßig gestalteten "Wertpapiersammelorder", wegen deren Inhalts auf die vom Kläger als Anlage K 1 zu den Akten gereichte Kopie Bezug genommen wird, ist unter anderem angekreuzt: "Mit dem Kunden sind die Risiken und Funktionsweise der Anlage besprochen worden" sowie "Verkaufsprospekt Der Kunde verzichtet". Ferner findet sich hierauf unter der Rubrik "Risikostatus nach Ausführung" die Formulierung "Risikoanteil ist zu hoch (max. 70,0 %), Risikoanlagen auf eigenen Kundenwunsch".

4

Die Wertstellung des Kaufauftrages erfolgte am 05.09.2006. Am 15.09.2008 stellte die Garantiegeberin einen mit einem Insolvenzantrag vergleichbaren so genannten "Chapter-11-Antrag" beim United States Bankruptcy Court of the Southern District of New York. Zwischenzeitlich sind sowohl die Garantiegeberin als auch die Emittentin insolvent.

5

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 22.07.2009 forderte der Kläger die Beklagte vergeblich unter Fristsetzung bis zum 06.08.2009 zur Zahlung des mit dem Klageantrag zu 1. geltend gemachten Betrages auf. Mit der am 10.08.2009, einem Montag, bei Gericht eingegangener Klage beansprucht der Kläger von der Beklagten Rückabwicklung des Wertpapierkaufs.

6

Der Kläger behauptet, er sie bei Zeichnung der Zertifikate durch die Beklagte fehlerhaft beraten worden. Er sei, was der Beklagten aufgrund der bisherigen Beratungen und getätigten Anlagen auch bekannt sei, ein grundsätzlich konservativer Anleger, dem es an vertieften Kenntnissen im Kapitalanlagebereich fehle.

7

Das Gespräch vom 08.08.2006 sei auf Initiative der Beklagten zustande gekommen. Die Zeichnung der Zertifikate, die ihm zuvor unbekannt gewesen seien, sei auf Empfehlung des Mitarbeiters der Beklagten M.... erfolgt. Dieser habe, nachdem er zuvor wiederholt auf eine gute Rendite hingewiesen gehabt habe, auf mehrfache ausdrückliche Nachfrage stets erklärt, dass es sich hierbei um eine "absolut sichere" und "vollkommen risikofreie" Anlage handele und versichert, dass er - der Kläger - sein eingesetztes Kapital in jedem Fall in vollem Umfang zurück erhalte. Diese Versicherung sei im Hinblick darauf, dass es sich um eine hochriskante Anlage handele, falsch gewesen. Darauf, dass es sich bei dem Wertpapier um ein Zertifikat handele, das als Inhaberschuldverschreibung - unstreitig - nicht dem Einlagensicherungsfonds unterliege und deshalb die Möglichkeit eines Totalverlustes - etwa im Falle der Zahlungsunfähigkeit der Garantiegeberin - bestehe, habe er ebenso wenig hingewiesen wie darauf, dass es andere Produkte gebe, die diese Sicherheiten aufwiesen. Insbesondere habe M.... weder die Garantiegeberin noch Art und Wesen der Anlage selbst näher dargestellt. So sei er beispielsweise nicht darüber aufgeklärt worden, dass die gezeichneten Wertpapiere bis zum Ende der Laufzeit Kursschwankungen unterliegen und unter den Nennbetrag fallen könnten. Ferner habe es M.... unterlassen, darauf hinzuweisen, dass Emittentin und Garantiegeberin personenverschieden und zudem jeweils ausländische Unternehmen seien. Auch habe er - der Kläger - weder dem für das Zertifikat entwickelten Produktflyer noch andere produktbezogene Dokumente erhalten.

8

M.... habe auch nicht darauf hingewiesen, dass die Beklagte neben dem offen gelegten Agio eine einmalige Vertriebsgebühr in Höhe von 2,10 % erhalte.

9

Hätte die Beklagte ihn ordnungsgemäß über Art und Risiko der Anlage oder über die anfallende Rückvergütung aufgeklärt, hätte er von einer Zeichnung Abstand genommen und stattdessen ein sicheres inländisches Kapitalanlageprodukt, wie etwa Bundesschatzbriefe oder Spareinlagen, erworben. Aufgrund der eingetretenen Insolvenzen seien die Zertifikate nunmehr so gut wie wertlos.

10

Der Kläger beantragt,

  1. 1.

    die Beklagte zu verurteilen, an ihn 11 330,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Übertragung von 11 "Lehman Brothers Treasury C. B.V., Dow Jones EURO STOXX 50 Absolute Performer Anleihe", WKN A0GTUH zu zahlen,

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4 % Zinsen auf 11 330,00 EUR zwischen dem 07. September 2006 und Rechtshängigkeit und auf diesen Zinsertrag weitere Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

  3. 3.

    die Beklagte zu verurteilen, ihn von den Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 962,71 EUR freizustellen.

11

Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

12

Die Beklagte behauptet, die in Rede stehende Order sei auf ausdrücklichen Wunsch des Klägers erfolgt und nicht von ihr vorgeschlagen worden. Der Kläger, der im Übrigen im Handel mit Zertifikaten erfahren gewesen sei, sei vor Abschluss des Wertpapiergeschäfts umfassend unter Heranziehung der Produktinformation und der ihm ferner überreichten "Basisinformation über Vermögensanlagen in Wertpapieren" über Ausgestaltung, Funktionsweise und Risiken des Wertpapiers aufgeklärt worden. Obwohl der Kläger, bei dem sich aufgrund des erstellten Risikoprofils eine mittlere Risikoneigung ergebe und der in der Vergangenheit eine risikobereite Anlagestrategie verfolgt habe, mehrfach darauf hingewiesen worden sei, dass durch den Erwerb der Zertifikate der Risikoanteil in dem von ihm gehaltenen Depot geringfügig überschritten worden sei, habe er sich gleichwohl für die Anleihe entschieden. In der Produktinformation und der "Wertpapiersammelorder" werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Einlagensicherung nicht bestehe und die Rückzahlung zwar am Ende der Laufzeit zu 100 % des Nominalbetrages erfolge, indes von der Bonität der Emittentin bzw. Garantiegeberin abhänge. In den Produktinformationen sei auch darauf hingewiesen worden, dass sie - die Beklagte - für den Abschluss der Order seitens der Emittentin einen Bonus erhalte. Der Produktprospekt sei dem Kläger im Übrigen auch angeboten worden, er habe hierauf aber verzichtet.

13

Die Beklagte meint, ein ausdrücklicher Hinweis auf den Bonus sei schon deshalb nicht erforderlich gewesen, weil es sich hierbei nicht um eine Rückvergütung handele, sondern lediglich um eine Gewinnmarge, weil sie die Zertifikate aufgrund eines von der Emittentin gewährten Rabatts geringfügig unter dem Preis erworben habe, zu dem sie sie an den Kläger weiterveräußert habe (Bl. 94 d.A.).

14

Im Übrigen erhebe sie die Einrede der Verjährung.

15

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 08.02.2010 durch Vernehmung des Zeugen M.... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Sitzung vom 08.02.2010 Bezug genommen.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

17

Die Klage ist mit Ausnahme des Klageantrages zu 2. begründet.

18

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch in zuerkannter Höhe gemäß § 280 Abs. 1 BGB wegen Verletzung von Beratungspflichten des mit der Beklagten geschlossenen Beratungsvertrages zu.

19

Zwischen den Parteien ist ein konkludent geschlossener Beratungsvertrag zustande gekommen. Tritt - wie dies aufgrund der durchweg glaubhaften Aussage des Zeugen M.... im vorliegenden Fall zur Überzeugung des Gerichts feststeht - ein Anlageberater einer Bank an einen Kunden heran, um ihn hinsichtlich einer Anlageentscheidung zu beraten, wird das darin liegende Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrages stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgesprächs angenommen (BGHZ 123, 126, 128; BGH WM 2006, 851 [BGH 21.03.2006 - XI ZR 63/05]). Das Vorliegen eines solchen Beratungsvertrages wird von der Beklagten auch nicht ersichtlich in Zweifel gezogen.

20

Die Beklagte hat ihre aus dem Beratungsvertrag folgenden Pflichten verletzt.

21

Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen von den Umständen des Einzelfalles ab. Die Beratung muss anleger- und objektgerecht sein (BGHZ 123, 126, 128f.). Maßgeblich sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft, die Vermögensverhältnisse und das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen Risiken, wie etwa die Konjunkturlage und die Entwicklung des Kapitalmarktes, sowie die speziellen Risiken, die sich aus den besonderen Eigenschaften des Anlageobjekts ergeben (BGHZ 123, 126, 128; 178,149).

22

Unter Anwendung dieser allgemein anerkannten Grundsätze stellt sich die durch den Zeugen M.... vorgenommene und der Beklagten gemäß § 278 BGB zurechenbare Beratung als jedenfalls unvollständig und damit fehlerhaft dar.

23

Dabei kann vorliegend dahin stehen, ob die seitens des Zeugen M.... ausgesprochene Empfehlung zum Erwerb der in Rede stehenden Zertifikate bereits nicht anlegergerecht war, etwa weil sie von vorneherein nicht hinreichend den Wünschen und Vorstellungen des Klägers sowie seinen geäußerten und objektiven wirtschaftlichen Interessen und seiner finanziellen Situation entsprochen hat oder nicht zu seinem Anleger- bzw. Risikoprofil passte. Jedenfalls hat nämlich die Beklagte ihre Pflicht zur anlagegerechten (objektgerechten) Beratung verletzt.

24

Diese objektgerechte Beratung bezieht sich auf die konkret gewünschte oder als möglich ins Auge gefasste Anlageform. Hier richten sich die Pflichten der Bank in erster Linie danach, welche Anlageobjekte gewollt und mit welchen Vermögensrisiken sie verbunden sind. Eine objektgerechte Beratung erfordert demnach eine Aufklärung des Kunden über die allgemeinen Risiken des Kapitalmarktes sowie die speziellen Risiken, die sich aus den besonderen Umständen des Anlageobjektes ergeben (BGH NJW 2006, 2041 [BGH 21.03.2006 - XI ZR 63/05]). Während eine Aufklärung über diese Umstände richtig und vollständig zu sein hat, muss die Bewertung und Empfehlung eines Anlageobjektes unter Berücksichtigung der genannten Gegebenheiten ex ante betrachtet lediglich vertretbar sein. Der Kunde trägt damit das Risiko, dass sich eine Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweist (BGH a.a.O.).

25

Gemessen an diesen Anforderungen ist der Beklagten ein Verstoß gegen die Grundsätze der objektgerechten Beratung anzulasten.

26

Dabei kann unentschieden bleiben, ob angesichts der Bekundungen des Zeugen M.... von einer ausreichenden Aufklärung des Klägers über das Bonitätsrisiko der Emittentin ausgegangen werden kann. Ebenso bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob eine Pflicht der Beklagten bestand, den Kläger über die Gewinnmarge aus dem Verkauf der Zertifikate aufzuklären sowie ob ein etwaiger Pflichtverstoß als schadensursächlich angesehen werden könnte. Die Beklaget hat es nämlich pflichtwidrig versäumt, den Kläger darüber aufzuklären, dass das Zertifikat nicht von einem Einlagensicherungsfonds gedeckt war.

27

Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme steht zunächst zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die nicht vorhandene Einlagensicherung anlässlich des Beratungsgesprächs nicht thematisiert worden ist. Zwar hatte der Zeuge M.... keine sichere Erinnerung mehr an Einzelheiten des mit dem Kläger geführten Beratungsgesprächs. Indes meinte er auf zweifache Nachfrage jeweils, seinerzeit nicht auf die fehlende Einlagensicherung hingewiesen zu haben. Wenngleich der Wortlaut der insoweit protokollierten Bekundungen die Möglichkeit, dass der Zeuge, ohne sich hieran noch zu erinnern, gleichwohl auf die fehlende Einlagensicherung hinwies, ist diese Möglichkeit nach Überzeugung des Gerichts allenfalls theoretischer Natur und damit vernachlässigenswert gering. Der Zeuge war sich in diesem Punkt seiner Aussage erkennbar vergleichsweise sicher. Die vorgenommene Einschränkung seiner Bekundungen war - wie auch an mehreren anderen Stellen seiner Vernehmung - ersichtlich allein dem Bestreben um eine vollständig korrekte und hundertprozentig wahrheitsgemäße Aussage sowie dem Willen geschuldet, auch nur die entfernteste Unwägbarkeit deutlich zu machen. Hinzu kommt, dass die Einschätzung des Zeugen vornehmlich auch darauf beruhte, wie er - unterstützt durch den computerunterstützten Beratungsleitfaden der Beklagten - standardmäßig und immer wieder gleich bei seinen Beratungsgesprächen vorgegangen ist und dieser computerunterstützte Standard bei den in Rede stehenden Zertifikaten offensichtlich einen Hinweis auf die fehlende Einlagensicherung nicht vorsah oder der Zeuge einen solchen Hinweis regelmäßig ignorierte.

28

Ein Hinweis auf die fehlende Einlagensicherung wäre aber erforderlich gewesen. Hierbei handelt es sich um einen maßgeblichen Umstand für einen um - vollständigen oder wesentlichen - Kapitalerhalt bestrebten Anleger. Dass es sich bei dem Kläger um einen solchen, allgemein als konservativ bezeichneten Anlegertyp handelt, belegen nicht nur seine im Rahmen der informatorischen Anhörung gemachten und insgesamt stimmigen und nachvollziehbaren Angaben, sondern auch das von der Beklagten anhand eines vom Kläger ausgefüllten Fragebogens erstellte Risikoprofil.

29

So hat der Kläger - ausweislich dieses von der Beklagten als Anlage KE 2 zu den Akten gereichten Risikoprofils (Bl. 98 Bd. I d.A.) - unter anderem der Aussage voll zugestimmt, dass es ihn stark belasten würde, wenn auch nur ein Teil seines Vermögens verloren gehe. Schon dieser Hinweis allein hätte der Beklagten Anlass geben müssen, die nicht vorhandene Einlagensicherung anzusprechen. Zudem verdeutlicht aber auch die Antwort auf die Frage nach der Anlageform im Falle der Investition des gesamten Anlagevermögens, bei der der Kläger eine Rendite von -5 % bis 12 % angekreuzt hat, dass es dem Kläger ganz entscheidend auf möglichst vollständigen Kapitalerhalt ankam.

30

Im Übrigen oblag der Beklagten die Aufklärung über das Nichtbestehen einer Sicherungseinrichtung für Einlagen auch unabhängig von den seitens des Klägers gemachten Angaben als objektiv gebotene Pflicht. Für nahezu jeden Anleger macht es nämlich einen erheblichen Unterschied, ob im Fall des finanziellen Zusammenbruchs des Emittenten eine - wie auch immer im Einzelnen ausgestaltete - Sicherungseinrichtung zur Verfügung steht oder nicht (so zutreffend bereits LG Hamburg WM 2009, 1282 [LG Hamburg 23.06.2009 - 310 O 4/09]; LG Düsseldorf Urt. v. 25.02.2010 - 2b O 215/08 zit. n. juris).

31

Der vom Zeugen M.... erteilte Hinweis auf das Bonitätsrisiko der Emittentin ersetzte den darüber hinaus gebotenen Hinweis auf die fehlende Einlagensicherung nicht, da eine Einlagensicherung ein solches Bonitätsrisiko gerade absichern soll und somit als Sicherungssystem naturgemäß erst dann zum Tragen kommen kann, wenn sich das Bonitätsrisiko verwirklicht. Die in der Rechtsprechung vertretene abweichende Auffassung (LG Stuttgart WM 2009, 1679) vermag aus diesem Grund nicht zu überzeugen; auch die in dieser Entscheidung in Bezug genommene Entscheidung des 11. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 14.07.2009 (XI ZR 152/08 - NJW 2009, 3429 [BGH 14.07.2009 - XI ZR 152/08]) besagt im Übrigen nichts Gegenteiliges.

32

Hinzu tritt, dass der seitens des Zeugen M.... durch einen Vergleich mit der (äußerst unwahrscheinlichen) Insolvenz der Deutsche Bank als größter deutscher Privatbank erteilte Hinweis ohnehin verharmlosend, ersichtlich unzureichend und deshalb nicht geeignet war, dem Kläger die mit dem Erwerb der Inhaberschuldverschreibungen verbundenen Risiken einer fehlenden Bonität der Emittentin mit der notwendigen Eindringlichkeit vor Augen zu führen, mögen diese auch im Zeitpunkt der Zeichnung allgemein noch als gänzlich unwahrscheinlich eingeschätzt worden sein.

33

Auch der Ansicht des Landgerichts Heidelberg (Urt. v. 30.03.2010 - 2 O 14/09; zit n. juris), wonach das angeführte Urteil des 11. Zivilsenats des BGH vom 14.07.2009 erkennen lasse, dass ein ausdrücklicher Hinweis auf das Fehlen eines Einlagensicherungsfonds nur dann als Pflichtverstoß angesehen werden könne, wenn die Bank einem erkennbar auf die vollständige Sicherheit einer Anlage bedachten Kunden eine Anlage empfehle, vermag sich das erkennende Gericht nicht anzuschließen. Zwar trifft es zu, dass der Sachverhalt des vom Bundesgerichtshof zu entscheidenden Falls eine Anlegerin betraf, der es in erster Linie an einer "sicheren" Geldanlage gelegen war. Abgesehen davon, dass dies im Wesentlichen auch für den Kläger des vorliegenden Rechtsstreits zutrifft, lässt sich dem Urteil des Bundesgerichtshofs aber gerade nicht entnehmen, dass die Hinweispflicht bei weniger sicherheitsorientierten Anlegern stets entfällt, zumal der Bundesgerichtshof im dort zu entscheidenden Fall auch vornehmlich darauf abgestellt hat, dass die ausgesprochene Anlageempfehlung bereits nicht anlegergerecht war.

34

Ein Hinweis auf die fehlende Einlagensicherung war auch nicht vor dem Hintergrund entbehrlich, dass der Kläger bereits zuvor Zertifikate von der Beklagten erworben hatte. Dies könnte die Beklagte nur dann von einer (erneuten) Hinweispflicht entbinden, wenn der Kläger bei einem früheren Erwerb ordnungsgemäß auf die fehlende Einlagensicherung hingewiesen worden wäre. Dies lässt der Vortrag der Beklagten nicht substantiiert erkennen. Allein der mehrfache Erwerb von Zertifikaten als solcher stellt weder für eine solche Belehrung noch für eine Kenntnis des Klägers vom Fehlen einer Einlagensicherung ein belastbares Indiz dar. Hierauf weist der Kläger zu Recht hin.

35

Soweit nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei dem Beratungsgespräch der als Anlage K 3 (Bl. 31 Bd. I d.A.) zu den Akten gereichte Produkt-Flyer der Beklagten Verwendung gefunden hat, rechtfertigt dies eine andere Beurteilung nicht. Der dort enthaltene Hinweis, dass "Anlagen in die Anleihe (...) keine Bankeinlagen und (...) nicht durch Citibank/Citigroup, deren Töchter oder den Einlagensicherungsfonds garantiert" sind, stellt sich schon deshalb nicht als ausreichend dar, weil er derart kleingedruckt und im fortlaufend eng gesetzten Text ohne jede Hervorhebung geradezu "versteckt" ist, dass nicht erwartet werden kann, dass ein durchschnittlicher Kunde, ihn zur Kenntnis nimmt. Besonders schwer wiegt in diesem Zusammenhang auch, dass sich insbesondere keinerlei Hinweis auf die fehlende Einlagensicherung unter der Rubrik der speziell hervorgehobenen "Risiken" befindet.

36

Auch der in der "Wertpapiersammelorder" enthaltene Hinweis auf die fehlende Garantie durch den Einlagensicherungsfonds führt nicht zu einer anderen Betrachtung. Aufgrund der Aussage des Zeugen M.... steht gerade nicht fest, dass die "Wertpapiersammelorder" mit dem Kläger im Einzelnen Punkt für Punkt durchgegangen worden ist. Im Übrigen ist diese augenscheinlich auch erst nach Abschluss des Anlagegesprächs und bereits getroffener Anlageentscheidung durch den Kläger als Bestätigung der Order und im Vertrauen darauf unterschrieben worden, dass die bereits erfolgte Beratung sein Sicherheitsbedürfnis ausreichend berücksichtigt.

37

Dem Kläger ist ein ersatzfähiger Schaden entstanden. Der Anleger, der auf Grund einer fehlerhaften Empfehlung eine für ihn nachteilige Kapitalanlage erworben hat, ist bereits durch deren Erwerb geschädigt (BGH NJW 2005, 1579, 1580 [BGH 08.03.2005 - XI ZR 170/04]). Aus diesem Grund ist es nicht entscheidend, dass - wie die Beklagte meint - der Ausgang des Insolvenzverfahrens der Emittentin noch aussteht.

38

Steht - wie hier - eine Aufklärungspflichtverletzung fest, streitet für den Anleger die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, das heißt, dass der Aufklärungspflichtige beweisen muss, dass der Anleger die Kapitalanlage auch bei richtiger Aufklärung erworben hätte, er also den unterlassenen Hinweis unbeachtet gelassen hätte. Diese Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens gilt grundsätzlich für alle Aufklärungsfehler eines Anlageberaters, also auch für die unterlassene Aufklärung bezüglich der fehlenden Einlagensicherung (so auch LG Hamburg WM 2009, 1282 [LG Hamburg 23.06.2009 - 310 O 4/09]).

39

Die Rechtsprechung, wonach es bei der Beweislast für den Ersatzberechtigten bleibt, weil eine ordnungsgemäße Aufklärung mangels einer einzigen Möglichkeit aufklärungsrichtigen Verhaltens nur zu einem Entscheidungskonflikt für ihn geführt hätte (vgl. etwa BGH NJW 2009, 1591 [BGH 05.02.2009 - IX ZR 6/06]), steht dem nicht entgegen. Während es in den typischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterhaftungs-Fällen, zu denen die Rechtsprechung die genannte Einschränkung der grundsätzlich auch dort geltenden Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens entwickelt hat, regelmäßig um die Frage geht, ob der Ersatzberechtigte eine bestimmte Maßnahme (z.B. die Vornahme einer Investition mit dem Ziel der Steuerersparnis) überhaupt ergriffen hätte und die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens deshalb nicht greifen kann, wenn es wegen verschiedener sinnvoller Handlungsmöglichkeiten ein aufklärungsrichtiges Verhalten gar nicht gibt, geht es vorliegend um die Frage, ob ein Bankkunde, dem bestimmte, von der Rechtsprechung als für seine Anlageentscheidung als relevant angesehene Informationen nicht erteilt wurden, von dieser Anlage bei gehöriger Aufklärung abgesehen hätte. Auch wenn es insoweit verschiedene vernünftige Anlagealternativen gegeben hätte, so haben diese doch alle gemeinsam, dass es sich hierbei nicht um die tatsächlich gewählte, mit einem Aufklärungsmangel behaftete Anlage handelt. Deshalb ist es richtig, zunächst eine Vermutung zu begründen, wonach der Ersatzberechtigte, dem relevante Informationen verschwiegen wurden, Abstand von der gewählten Anlage genommen hätte und in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob die aufklärungspflichtige Bank Umstände darlegen kann, die es als überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Kunde die Anlage gleichwohl gewählt hätte (so zutreffend LG Hamburg WM 2009, 1282 [LG Hamburg 23.06.2009 - 310 O 4/09]).

40

Die Beklagte hat die demnach gegen sie sprechende Vermutung nicht widerlegen können. Sie hat weder vorgetragen noch unter Beweis gestellt, dass der Kläger bei ordnungsgemäßer Aufklärung den unterlassenen Hinweis unbeachtet gelassen und die spekulative Kapitalanlage gleichwohl erworben hätte. Ungeachtet dessen hat der Kläger im Rahmen seiner persönlichen Anhörung auch plausibel und überzeugend dargelegt, dass er das Zertifikat nicht erworben hätte, wenn er vom Fehlen der Einlagensicherung gewusst hätte. Für die Richtigkeit dieser Angaben spricht nicht zuletzt sein von ihm im Einzelnen widerspruchsfrei und nachvollziehbar erläutertes späteres Anlageverhalten.

41

Gemäß § 249 Abs. 1 BGB hat die Beklagte den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der Kläger das in Rede stehende Zertifikat nicht erworben hätte. Der Kläger kann daher die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe der Zertifikate beanspruchen.

42

Der Anspruch ist auch nicht verjährt. Schadensersatzansprüche des Klägers unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß § 195 BGB. Da die Ansprüche des Klägers angesichts des am 08.08.2006 erfolgten Erwerbs frühestens mit Ablauf des 08.08.2009 verjähren können, ist durch die am Montag, den 10.08.2009 per Telefax bei Gericht eingegangene Klage die Verjährung rechtzeitig vor Ablauf der Verjährungsfrist gehemmt worden (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB i.V. mit § 167 ZPO).

43

Der Zinsanspruch folgt aus Verzug (§§ 280 Abs. 1 und Abs. 2, 286 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1 BGB).

44

Ferner kann der Kläger von der Beklagten Freistellung der Kosten der außergerichtlichen Einschaltung seines Rechtsanwalts beanspruchen. Dieser ebenfalls aus Verzug folgende Anspruch besteht auch in geltend gemachter Höhe. Die Rechtssache ist ersichtlich von überdurchschnittlichem Umfang und weist in rechtlicher Hinsicht besondere Schwierigkeiten auf, so dass die Höhe der im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens vom Prozessbevollmächtigten des Klägers geltend gemachte und vom Gericht nur eingeschränkt überprüfbare Gebühr nicht zu beanstanden ist.

45

Soweit der Kläger darüber hinaus mit dem Klageantrag zu 2. entgangenen Gewinn geltend macht, ist die Klage indes unbegründet. Es ist nicht hinreichend konkret dargetan, dass der Kläger bei erfolgtem Hinweis auf die fehlende Einlagensicherung sein Geld in ein festverzinsliches Wertpapier eingesetzt hätte, das in Höhe von mindestens 4 % Zinsen erbracht hätte.

46

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO.

Muders