Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 28.08.2008, Az.: L 1 KR 211/06

Bestehen einer Sozialversicherungspflicht für geringfügig Beschäftigte; Voraussetzungen einer geringfügigen Beschäftigung; Beurteilung der Berufsmäßigkeit einer Beschäftigung

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
28.08.2008
Aktenzeichen
L 1 KR 211/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 33564
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2008:0828.L1KR211.06.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Stade - 18.05.2006 - AZ: S 1 KR 54/03

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Der Streitwert wird auf 1724,41 Euro festgesetzt. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen.

2

Die Klägerin ist eine gewerbliche Steuerberatung in Form einer GmbH. Der am 21. März 1975 geborene Beigeladene zu 1) absolvierte bei der Klägerin eine Ausbildung zum Steuerfachgehilfen. Nach seiner Prüfung im August 1998 war er bei der Klägerin zunächst mit buchhalterischen Arbeiten befasst. Am 2. November 1998 trat der Beigeladene zu 1) seinen Zivildienst an und war nach dem Einführungslehrgang seit 1. Januar 1999 beim Blutspendedienst des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) tätig. Dort erhielt er zuletzt von September bis November 1999 monatlich 630 DM brutto. Während seines Urlaubes und an verschiedenen Samstagen hat der Beigeladene zu 1) im Zeitraum von Januar 1999 bis August 1999 bei der Klägerin wie folgt gearbeitet:

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Januar 2 Tage 16 Stunden 400,- DM Februar 14 Tage 123 Stunden 3.075,- DM März 1 Tag 8 Stunden 200,- DM April 1 Tag 8 Stunden 200,- DM Mai 20 Tage 158 Stunden 3.950,- DM Juni 2 Tage 16 Stunden 400,- DM August 1 Tag 8 Stunden 200,- DM.

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Er hat insgesamt 41 Tage für die Klägerin gearbeitet und 8.425,- DM Arbeitsentgelt erhalten. Nach Beendigung seines Zivildienstes am 30. November 1999 war der Beigeladene zu 1) zunächst weiter bei der Klägerin beschäftigt. Im Dezember bezog er ausweislich der Lohnsteuerkarte 1999 einen Bruttoarbeitslohn von 3.250,- DM. Bis zum 30. September 2000 war er bei den Beigeladenen zu 2) und 3) kranken- und pflegeversichert.

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Die Beklagte führte bei der Klägerin am 30. Oktober 2001 eine Betriebsprüfung nach § 28 p Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) für die Zeit vom 1. Januar 1997 bis 31. Dezember 2000 durch. Mit Bescheid vom 6. November 2001 forderte sie Beiträge in Höhe von 3.542,64 DM für den Beigeladenen zu 1) nach. Sie führte zur Begründung aus: In der Zeit vom 1. Januar 1999 bis zum 31. August 1999 habe Versicherungspflicht bestanden, da der Beigeladene zu 1) seine Beschäftigung bei der Klägerin berufsmäßig ausgeübt habe. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. September 2002 zurück.

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Hiergegen hat die Klägerin am 24. September 2002 (eingegangen bei der Beklagten) Klage erhoben und die Auffassung vertreten, dass bei dem Beigeladenen zu 1) in dem streitigen Zeitraum eine geringfügige, kurzfristige Beschäftigung vorgelegen habe, die nicht berufsmäßig ausgeübt worden sei. Der Beigeladene zu 1) habe lediglich während seines Urlaubes und an einzelnen Samstagen gearbeitet. Dies sei im Voraus vertraglich auf maximal 50 Arbeitstage begrenzt gewesen. Nach Wortlaut, Sinn und Zweck des Gesetzes seien Beschäftigungsverhältnisse von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung von der Versicherungspflicht freizustellen, ausnahmsweise gelte dies dann nicht, wenn diese berufsmäßig ausgeübt würden. Dann ergebe sich trotz Kurzfristigkeit wegen sozialer Schutzbedürftigkeit eine andere Beurteilung. Dies sei bei dem Beigeladenen zu 1) jedoch gerade nicht der Fall gewesen, da er während des hier streitigen Zeitraums als Zivildienstleistender sozial abgesichert gewesen sei. Es habe eine umfassende Heilfürsorge bestanden. Es habe auch keine regelmäßige Tätigkeit bei der Klägerin vorgelegen.

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Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass der Begriff der Berufsmäßigkeit von den Spitzenverbänden definiert worden sei. Auch Wehr- und Zivildienstleistende würden berufsmäßig tätig, wenn ihr Beschäftigungsverhältnis durch den Wehr- oder Zivildienst lediglich unterbrochen sei.

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Das Sozialgericht (SG) Stade hat mit Urteil vom 18. Mai 2006 den Bescheid der Beklagten vom 6. November 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2002 dahingehend geändert, dass der von der Klägerin nachzuentrichtende Gesamtsozialversicherungsbeitrag auf 1.724,41 Euro festgesetzt worden ist und im Übrigen die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin im Monat Januar 1999 sozialversicherungsfrei gewesen sei. Insoweit seien die Bescheide der Beklagten rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten. Die übrigen 7 Monate, in denen der Beigeladene zu 1) für die Klägerin neben seinem Zivildienst tätig gewesen sei, unterlägen jedoch der Sozialversicherungspflicht. Es habe sich nicht um eine kurzfristige Beschäftigung, sondern um eine so genannte geringfügige Beschäftigung gehandelt, bei der von vornherein absehbar gewesen sei, dass die hierfür im Gesetz vorgesehenen Entgeltgrenzen überschritten würden.

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Seit der Einführung des Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse zum 1. April 1999 hätten Arbeitgeber einen pauschalen Beitrag zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung zu leisten, soweit sie Mitarbeiter geringfügig gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV beschäftigten. Kurzfristige Beschäftigungen gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV blieben weiterhin frei von Sozialversicherungsabgaben. Anders als die Klägerin und die Beklagte meinten, sei die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) während der Ableistung seines Zivildienstes hier nicht als kurzfristige Beschäftigung anzusehen. Die Abgrenzung zwischen der entgeltgeringfügigen Beschäftigung (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV) und der zeitgeringfügigen Beschäftigung (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV) erfolge danach, ob eine Beschäftigung regelmäßig (dann Regelungen der Entgeltgeringfügigkeit) oder nicht regelmäßig, also nur gelegentlich (dann Zeitgeringfügigkeit), ausgeübt werde. Dabei sei von einer regelmäßigen Beschäftigung dann auszugehen, wenn der Beschäftigte zu sich wiederholenden Arbeitseinsätzen auf Abruf bereit stehe, ohne verpflichtet zu sein, jeder Aufforderung zur Arbeitsleistung Folge zu leisten. Dabei werde der Wille der Beteiligten zu einer regelmäßigen Beschäftigung häufig erst in der Retrospektive deutlich.

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Unter Berücksichtigung dieser Kriterien sei der Beigeladene zu 1) bei der Klägerin regelmäßig und nicht nur gelegentlich tätig geworden. Bis auf den Monat Juli 1999 sei er zumindest einmal monatlich für die Klägerin als Aushilfskraft tätig geworden. Dass die genaue Anzahl der Arbeitseinsätze zwischen den einzelnen Monaten stark differiere und sowohl die Anzahl als auch das exakte Datum der Aushilfstätigkeit im Voraus nicht absehbar gewesen seien, schließe eine Regelmäßigkeit der Beschäftigung nicht aus. Eine regelmäßige Beschäftigung sei nicht nur dann anzunehmen, wenn die einzelnen Arbeitseinsätze in exakt den gleichen zeitlichen Abständen aufeinander folgten. Ausreichend sei vielmehr, dass übereinstimmend von einer gewissen Anzahl an Arbeitseinsätzen über einen längeren Zeitraum ausgegangen werde. Hier seien die Arbeitseinsätze grundsätzlich absehbar gewesen, weil die Klägerin durch die Aushilfstätigkeit des Beigeladenen zu 1) versucht habe, dessen auswärtige Tätigkeit als Zivildienstleistender ohne die Einstellung einer Ersatzarbeitskraft zu überbrücken. Für den gesamten Zeitraum habe im Unternehmen der Klägerin der stetige Mehrbedarf an einer zusätzlichen Arbeitskraft bestanden. Insoweit habe auch von vornherein festgestanden, dass mit einem erhöhten Arbeitsaufwand zu rechnen gewesen sei, der allein von der Stammbelegschaft über einen Zeitraum von 8 Monaten nicht habe bewältigt werden können. Auch der Beigeladene zu 1) sei an kontinuierlich stattfindenden Arbeitseinsätzen interessiert gewesen. Er habe mit einem zusätzlich zur Verfügung stehenden Einkommen kalkulieren können. Der Beigeladene zu 1) sei vor Aufnahme seiner Nebentätigkeit für die Klägerin bei dieser mehrere Jahre sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Insoweit handele es sich auch für den hier streitigen Zeitraum um ein regelmäßig wiederkehrendes Arbeitsverhältnis, an dem sich bezogen auf den Inhalt der Tätigkeit weder vor noch nach der Ableistung des Zivildienstes etwas geändert habe. Derartige Arbeitsverhältnisse könnten nicht als kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse eingestuft werden.

11

Daher entscheide sich die Frage der Sozialversicherungspflicht hier gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV. Die Entgeltgeringfügigkeitsgrenzen seien lediglich im Januar 1999 eingehalten worden, der verbleibende Zeitraum unterliege daher der Sozialversicherungspflicht. Bereits ein einmaliges Überschreiten der Entgeltgrenze reiche aus. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV müsse die Entlohnung nämlich "regelmäßig" die jeweiligen Entgeltgrenzen unterschreiten. Hier habe der Beigeladene zu 1) jedoch bereits im Februar 1999 für die Klägerin 14 Tage mit einer Gesamtarbeitsleistung von 123 Stunden gearbeitet. Er habe in diesem Monat einen Verdienst von 3.075,00 DM (1.572,22 Euro) erhalten. Ähnlich verhalte es sich für Mai 1999. Ein zweimaliges Überschreiten der jeweils gültigen Geringfügigkeitsgrenze führe im Ergebnis zu einer Sozialversicherungspflicht für das geringfügige Beschäftigungsverhältnis. Auch unter Berücksichtigung der Geringfügigkeitsrichtlinien sei von einer Sozialversicherungspflicht auszugehen. Ziffer 3.1. der gültigen Richtlinien sehe vor, dass vom Tag des Überschreitens der jeweils gültigen Entgeltgrenze an Versicherungspflicht eintrete, soweit das Arbeitsentgelt eines geringfügig Entlohnten regelmäßig 400,- Euro überschreite. Für die Beteiligten sei auch vorhersehbar gewesen, dass der Beigeladene zu 1) mit seinem Verdienst die Entgeltgeringfügigkeitsgrenze überschreiten werde. Es sei von vornherein klar gewesen, dass der Beigeladene zu 1) während der Ableistung seines Zivildienstes durch Ableistung von Überstunden oder durch Urlaubszeiten in einem Umfang arbeiten würde, der sehr deutlich die Grenzen einer entgeltgeringfügigen Beschäftigung überschreite. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien sei lediglich der Verdienst des Beigeladenen zu 1) im Monat Januar sozialversicherungsfrei und die Nachforderung der Beklagten um die betreffende Verdienstsumme zu kürzen.

12

Gegen das ihr am 14. Juli 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10. August 2006 Berufung vor dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt. Sie geht nach wie vor davon aus, dass es sich bei der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin um eine versicherungsfreie, weil kurzfristige Tätigkeit gehandelt habe. Auch die Beklagte gehe von einer kurzfristigen Beschäftigung aus. Eine Regelmäßigkeit könne nicht angenommen werden. Es seien weder feste Tage noch feste Zyklen für die Ausübung der Tätigkeit festgelegt worden. In den Monaten Januar, März, April, Juni und August habe der Beigeladene zu 1) an einzelnen Samstagen gearbeitet. Im Juli habe er gar nicht gearbeitet und im Februar durchgehend von Freitag, dem 5. bis Samstag, dem 20. , mit Ausnahme der Sonntage. Im Mai habe der Beigeladene zu 1) durchgehend von Montag bis Samstag mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage gearbeitet. Das Gericht habe mit seiner Annahme, dass die Klägerin und der Beigeladene zu 1) übereinstimmend von einer gewissen Anzahl an Arbeitseinsätzen über einen längeren Zeitraum ausgegangen sein müssten, eine solche Übereinstimmung unterstellt, ohne diese positiv festgestellt zu haben. Dies wäre unschwer z.B. durch Befragung des Geschäftsführers der Klägerin oder des Beigeladenen zu 1) möglich gewesen. Das Gericht habe hypothetisch auf betriebliche Verhältnisse der Klägerin abgestellt. Feststellungen, dass tatsächlich ein Mehrbedarf an einer zusätzlichen Arbeitskraft bestanden habe und dass ohne die Aushilfstätigkeit eine Erwerbskraft hätte eingestellt werden müssen, seien jedoch nie getroffen worden. Tatsächlich habe ein solcher stetiger Mehrbedarf auch nicht bestanden. Vielmehr ergebe sich nach der Anhörung des Geschäftsführers der Klägerin im Erörterungstermin, dass ein stetiger Mehrbedarf gerade nicht bestanden habe. Die Arbeitseinsätze des Beigeladenen zu 1) seien in jedem Einzelfall sehr kurzfristig telefonisch abgesprochen worden. Hätte ein stetiger Mehrbedarf bestanden, wäre eine kurzfristige telefonische Abstimmung nicht erforderlich gewesen, sondern die Termine hätten im Voraus abgestimmt werden können. Gelegentlich seien auch keine Arbeiten für den Beigeladenen zu 1) vorhanden gewesen. Dies widerspreche der Annahme eines stetigen Mehrbedarfs. Der Arbeitsanfall sei schwankend gewesen. Die Regelmäßigkeit einer Beschäftigung sei durch objektive Umstände und nicht durch subjektive Interessen gekennzeichnet. Die Annahme, dass die Klägerin an kontinuierlichen Arbeitseinsätzen des Beigeladenen zu 1) interessiert gewesen sein dürfte, werde durch keinerlei tatsächliche Feststellungen des Gerichts gestützt. Diese bloße Unterstellung sei auch nicht zutreffend. Die Unregelmäßigkeit der Aushilfstätigkeit und der letztlich doch geringe Umfang zeige, dass eine Ersatzkraft nicht annähernd ausgelastet gewesen wäre. Die Erledigung der Arbeiten wäre auf die festen Mitarbeiter verteilt worden. Die kurzfristige Beschäftigung sei auch nicht berufsmäßig ausgeübt worden. Der Umfang der Beschäftigung und die Höhe des zu erzielenden Entgeltes habe nicht im Voraus festgestanden. Dementsprechend könne von einer Prägung der wirtschaftlichen Stellung und der gesamten Lebenssituation durch die kurzfristige Beschäftigung nicht ausgegangen werden. Der Lebensunterhalt des Beigeladenen zu 1) sei aufgrund des Dienstsoldes bereits sichergestellt gewesen. Er habe Anspruch auf Freie Heilfürsorge gehabt und keines Krankenversicherungsschutzes bedurft. Der Beigeladene zu 1) habe im Wesentlichen die hohe Vergütung durch die Tätigkeit während des Urlaubes im Zivildienst erzielt. Dies sei mit den typischen Ferienjobs von Schülern und Studenten zu vergleichen. Dieses führe auch dazu, dass nicht von einer berufsmäßigen Beschäftigung ausgegangen werde könne.

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Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 18. Mai 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 6. November 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbe- scheides vom 11. September 2002 insoweit aufzuheben, als der von der Klägerin nachzuentrichtenden Gesamtsozialversicherungsbeitrag auf einen Betrag in Hö- he von 1.724,41 Euro festgesetzt worden ist.

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Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

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Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend.

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Die Beigeladenen haben sich im Berufungsverfahren nicht geäußert und keine Anträge gestellt.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakte Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung geworden.

Entscheidungsgründe

18

Die gemäß § 143 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig.

19

Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG Stade hat im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 6. November 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2002 im Wesentlichen nicht zu beanstanden ist.

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Streitig ist im vorliegenden Fall nur noch die Sozialversicherungspflicht des Beschäftigungsverhältnisses des Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin während seines Zivildienstes in der Zeit von Februar 1999 bis August 1999. Das SG ist von der Sozialversicherungsfreiheit des Beigeladenen zu 1) im Januar 1999 ausgegangen und hat insoweit die Bescheide der Beklagten abgeändert. Dagegen hat sich die Beklagte nicht mit einer Berufung gewandt.

21

Der Beigeladene zu 1) war in dem hier streitigen Zeitraum während seines Zivildienstes bei der Klägerin versicherungspflichtig beschäftigt. Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 SGB IV für eine geringfügige Beschäftigung haben nicht vorgelegen.

22

Nach § 193 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) berührt der Zivildienst eine bestehende Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse nicht. Entsprechendes gilt für die Pflegeversicherung. Nach § 3 Satz 1 Nr. 2 SGB Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) löst die Ableistung von Zivildienst Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach § 26 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der Arbeitslosenversicherung aus.

23

Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI), § 6 Satz 1 SGB VI und § 24 Abs. 1 SGB III sind diejenigen Personen versicherungspflichtig, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Wird nur geringfügig gearbeitet, führt dies in der Regel zur Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung, der Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung (§ 7 SGB V, § 20 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Satz 1 SGB XI, § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB VI, § 27 Abs. 2 SGB III).

24

Eine geringfügige Beschäftigung lag nach § 8 Abs. 1 SGB IV in der bis zum 31. März 1999 geltenden Fassung vor, wenn 1. die Beschäftigung regelmäßig weniger als fünfzehn Stunden in der Woche ausgeübt wird und das Arbeitsentgelt regelmäßig im Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße ( § 18), bei höherem Arbeitsentgelt ein Sechstel des Gesamteinkommens nicht übersteigt, 2. die Beschäftigung innerhalb eines Jahres seit ihrem Beginn auf längstens zwei Monate oder fünfzig Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt die in Nummer 1 genannten Grenzen übersteigt.

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Ab 1. April 1999 lautete § 8 Abs. 1 SGB IV in der Fassung des Gesetzes zur Regelung geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse vom 24. März 1999 (BGBl. I 388) (gültig bis 31. Dezember 2001): Eine geringfügige Beschäftigung liegt vor, wenn 1. die Beschäftigung regelmäßig weniger als fünfzehn Stunden in der Woche ausgeübt wird und das Arbeitsentgelt regelmäßig im Monat 630 Deutsche Mark nicht übersteigt, 2. die Beschäftigung innerhalb eines Jahres seit ihrem Beginn auf längstens 2 Monate oder 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 630 Deutsche Mark im Monat übersteigt.

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Durch das Gesetz zur Regelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse vom 24. März 1999 (BGBl. I 388) ist zum 1. April 1999 durch § 249 b Abs. 1 Satz 1 SGB V und § 172 Abs. 3 Satz 1 SGB VI ein Pauschalbeitrag zur Kranken- und Rentenversicherung für Arbeitgeber einer Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV in Höhe von 13 vom Hundert des Arbeitsentgelts dieser Beschäftigung eingeführt worden. Dies bedeutete hier, dass selbst wenn ein Fall des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV vorliegen würde, die Klägerin ab 1. April 1999 einen Pauschalbeitrages zur Kranken- und Rentenversicherung abführen müsste.

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Der Senat geht in Übereinstimmung mit der Klägerin und der Beklagten aber davon aus, dass die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV hier nicht gegeben sind. Diese Vorschrift ist nur für Beschäftigungen relevant, die regelmäßig ausgeübt werden. Ob dies der Fall ist, muss in einer vorausschauenden Betrachtungsweise beurteilt werden (Gesetzesbegründung BT-Drucks. 7/4122 S. 43ff.), wobei die grundsätzliche Bereitschaft zur regelmäßigen Zusammenarbeit häufig erst durch die nachfolgende Handhabung eindeutig nachzuweisen ist (so: BSG SozR 3-2400 § 8 Nr. 4 S. 20). Regelmäßig ist eine Beschäftigung nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die von vornherein auf ständige Wiederholung und einen gewissen vorhersehbaren Arbeitszyklus gerichtet ist und über mehrere Jahre ausgeübt werden soll. Die Regelmäßigkeit ergibt sich daraus, dass die Arbeit nicht unvorhersehbar in wechselnder Häufigkeit und zu verschiedenen Zeiten übernommen wird oder dass aufgrund eines Rahmenvertrages eine auf Dauer angelegte Beschäftigung angestrebt ist. Erforderlich ist die grundsätzliche Bereitschaft zu regelmäßiger Zusammenarbeit. Das Merkmal der Regelmäßigkeit ist auch dann erfüllt, wenn der Beschäftigte zu den sich wiederholenden Arbeitseinsätzen auf Abruf bereit steht, ohne verpflichtet zu sein, jeder Aufforderung zur Arbeitsleistung Folge zu leisten (vgl. BSG SozR 3-2400 § 8 Nr. 3 S. 11, 12; BSG SozR 3-2400 § 8 Nr. 4 S.20; Seewald, in Kasseler Kommentar, Band 1, Stand: März 2004, § 8 Rdnr. 9).

28

Nach dem Vorbringen der Beteiligten sind diese Voraussetzungen hier nicht erfüllt. So hat der Geschäftsführer der Klägerin im Erörterungstermin vor dem SG bekundet, dass der Beigeladene zu 1) nur nach Bedarf bei ihm tätig werden sollte. Es habe weder feste Tage noch feste Zyklen gegeben. Im Einzelfall seien die Arbeitseinsätze telefonisch kurzfristig vereinbart worden. Dies wird auch durch die tatsächlich geleistete Arbeit bestätigt. So hat der Beigeladene zu 1) im Februar 123 Stunden, im März, April und August 8 Stunden, im Mai 158 Stunden, im Juni 16 Stunden und im Juli gar nicht bei der Klägerin gearbeitet. Die Arbeit war also unvorhersehbar in wechselnder Häufigkeit und gerade nicht regelmäßig angefallen. Dass der Beigeladene zu 1) auf Abruf für die Klägerin bereitgestanden hätte, ist nicht ersichtlich.

29

Ebenso wenig sind die Voraussetzungen für eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV erfüllt. Zwar war die Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) nach dem nicht bestrittenen Vorbringen der Klägerin auf 50 Arbeitstage begrenzt, der Beigeladene zu 1) hat tatsächlich auch nur 41 Tage bei der Klägerin gearbeitet. Die Beschäftigung war jedoch nicht geringfügig i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV, denn sie ist berufsmäßig ausgeübt worden und hat insgesamt die Entgeltgrenze des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV überstiegen.

30

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG übt jemand eine Tätigkeit berufsmäßig aus, wenn er hierdurch seinen Unterhalt überwiegend oder doch in solchem Umfang erwirbt, dass seine wirtschaftliche Stellung zu einem erheblichen Teil auf dieser Beschäftigung beruht (BSG SozR 2200 § 168 Nr. 3; SozR 2200 § 168 Nr. 5; BSGE 88, 256 [BSG 09.08.2001 - B 11 AL 11/01 R] = SozR 3-2400 § 8 Nr. 1; SozR 3-2500 § 6 Nr. 11 S. 31; SozR 3- 2400 § 8 Nrn 2, 3, 4). Im vorliegenden Fall hat der Beigeladene zu 1) ausweislich der Verdienstabrechnung Einkünfte als Zivildienstleistender in Höhe von 630, 00 DM brutto monatlich erhalten. Die Gesamteinkünfte bei der Klägerin von mehr als 8400, 00 DM sind daneben jedenfalls nicht von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung. Der durchschnittliche Verdienst übersteigt vielmehr die Einkünfte als Zivildienstleistender.

31

Neben der wirtschaftlichen Bedeutung ist für die Beurteilung der Berufsmäßigkeit einer Beschäftigung auf einen längeren Zeitraum abzustellen (BSG, Urteil vom 6. April 2006 - B 7 a AL 2/05 R Rdnr. 17). Berufsmäßig ist eine kurzfristige Beschäftigung immer dann, wenn ihr eine versicherungspflichtige Beschäftigung unmittelbar vorausgegangen ist oder folgt (BSG SozR 2200 § 168 Nr. 3; Seewald, in Kasseler Kommentar, Band 1, Stand: März 2004 § 8 Rdnr. 18). Als Personengruppen, die nicht berufsmäßig tätig werden, kommen nur solche in Betracht, die nach ihrer Lebensstellung keine versicherungspflichtige Beschäftigung auszuüben pflegen (z.B. Schüler, Studenten während der Semesterferien oder für die Zeit bis zur Aufnahme des Studiums- vgl. BSG, SozR 2200 § 168 Nr. 5; Seewald, a.a.O., Rdnr. 20). Demgegenüber wird auch ein Student, der während der Semesterferien eine frühere Beschäftigung vorübergehend wieder ausübt, berufsmäßig tätig (BSGE 78, 229 = SozR 2-2500 § 6 Nr. 11). Dies gilt auch für Frauen, die während des Erziehungsurlaubes zulässige Teilzeitbeschäftigungen ausüben (vgl. Seewald, a.a.O., Rdnr. 21).

32

Es kommt nämlich darauf an, ob der Beschäftigte nach seinem Erscheinungsbild zum Kreis der Arbeitnehmer zu rechnen ist. Maßgebend ist, ob beabsichtigt ist, weitere Beschäftigungen anzunehmen. Ist die Beschäftigung im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses aufgenommen oder das zum Ruhen gebrachte Arbeitsverhältnis anschließend wieder aufgenommen worden, liegt in jedem Fall Berufsmäßigkeit vor. Gleiches gilt, wenn der Versicherte eine Tätigkeit durch den Zivildienst nur unterbricht. Zivildienstleistende sind nach dem SGB III bzw. AFG dann beitragspflichtig, wenn sie vor ihrer Einberufung zu dem Kreis der durch die Sozialversicherung geschützten Arbeitnehmer gehört haben (vgl. BT-Drucks 11/ 3603 S. 12 zu § 168 AFG). Der Beigeladene zu 1) hat die während seiner Ausbildung und der anschließenden Tätigkeit bei der Klägerin erworbene Eigenschaft eines berufsmäßigen Arbeitnehmers durch den Zivildienst nicht verloren. Der Beigeladene zu 1) hat vor der Ableistung seines Zivildienstes bei der Klägerin zunächst als Auszubildender zum Steuerfachgehilfen und danach bis November 1998 als Angestellter für buchhalterische Tätigkeiten gearbeitet und nach Ende des Zivildienstes anschließend seine Tätigkeit dort wieder aufgenommen. Die in der Zeit von Februar 1999 bis August 1999 geleistete Aushilfstätigkeit bei der Klägerin ist unter diesen Umständen als berufsmäßig anzusehen.

33

Der Beigeladene zu 1) kann entgegen der Ansicht der Klägerin nicht mit einem Schüler oder einem Studenten vor der Aufnahme des Studiums verglichen werden, denn anders als bei dieser Personengruppe hatte bei ihm bereits vor Aufnahme des Zivildienstes ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden. Das BSG ist sogar im Fall eines Zivildienstleistenden, der eine dauerhafte Tätigkeit vor Ableisten des Zivildienstes nur "gesucht" hat, von der Berufsmäßigkeit ausgegangen (BSG, Urteil vom 6. April 2006, a.a.O.).

34

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

35

Es hat kein gesetzlicher Grund vorgelegen, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG).