Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 28.08.2008, Az.: L 1 R 303/08
Notwendigkeit der gutachterlichen Anhörung eines bestimmten Arztes nach Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder des Hinterbliebenen; Vorliegen einer Prozessverschleppungsabsicht durch Stellung von Anträgen zur gutachterlichen Anhörung eines speziellen Arztes durch den Prozessbevollmächtigten
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 28.08.2008
- Aktenzeichen
- L 1 R 303/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 22785
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2008:0828.L1R303.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hildesheim - 04.06.2008 - AZ: S 41 R 136/06
Rechtsgrundlage
- § 109 SGG
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Ein lediglich hinsichtlich der Benennung des Arztes unvollständiger, im Übrigen aber unbedingt gestellter Antrag nach § 109 SGG kann nicht abgelehnt werden, bevor dem Beteiligten vorab Gelegenheit zur Vervollständigung seines Antrags innerhalb angemessener Frist gegeben worden ist.
- 2.
Es stellt keine Begründung für eine Verschleppungsabsicht im Sinne des § 109 Abs. 2 SGG dar, dass der Prozessbevollmächtigte des Beteiligten in anderen Verfahren, die nicht den Beteiligten betrafen, ebenfalls Anträge nach § 109 SGG gestellt haben soll.
Tenor:
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 4. Juni 2008 wird aufgehoben. Das Verfahren wird an das Sozialgericht Hildesheim zurückverwiesen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitbefangen ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI).
Die 1948 geborene Klägerin erhob, nachdem die Beklagte ihren Antrag auf Erwerbsminderungsrente abgelehnt hatte (Bescheid der Beklagten vom 22. September 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2006), am 13. März 2006 Klage beim Sozialgericht (SG) Hildesheim. Das SG hat Befundberichte der Dres. G. und H. sowie das orthopädische Gutachten des Dr. I. vom 18. September 2006 eingeholt. Zu diesem Gutachten, in dem das Leistungsvermögen der Klägerin für leichte körperliche Tätigkeiten auf 6 Stunden und mehr pro Arbeitstag geschätzt worden ist, hat die Klägerin zunächst keine Stellungnahme abgegeben. Im November 2006 hat das SG bei der Klägerin angefragt, ob diese mit einer Rücksendung der zur Gerichtsakte gelangten Unterlagen des Dr. G. an dessen Praxisnachfolger Dr. J. einverstanden sei. In ihrer Antwort ging die Klägerin irrtümlich davon aus, dass vom Gericht ein weiterer Befundbericht des Dr. J. angefordert werden solle (Schriftsatz vom 6. Dezember 2006). Ca. ein Jahr später hat die Klägerin eine Sachstandsanfrage gestellt, die das SG dahingehend beantwortet hat, dass vorrangig Klageverfahren aus den Jahren 2002/2003 abzuarbeiten seien. Mit richterlicher Verfügung vom 9. Mai 2008 hat das SG den Beteiligten dann mitgeteilt, dass es den Sachverhalt für aufgeklärt halte und keine weiteren Maßnahmen treffen werde. Nach vorläufiger Prüfung der Sach- und Rechtslage habe die Klage keine Aussicht auf Erfolg. Es sei beabsichtigt, durch Gerichtsbescheid gem. § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entscheiden. Die Beteiligten könnten hierzu bis zum 31. Mai 2008 Stellung nehmen. Auf diese Anhörung hat die Klägerin beim SG angefragt, ob der von Dr. J. angeforderte Befundbericht mittlerweile eingegangen sei. Sie hat weiterhin vorgetragen, dass sie - wie sich auch aus dem Gutachten des Dr. I. ergebe - keine sitzende Tätigkeit mehr ausüben könne, so dass ein berufskundliches Gutachten einzuholen sei. "Im Übrigen" sei sie mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden (Schriftsatz vom 22. Mai 2008 - Eingang beim SG am 26. Mai 2008). Mit einem weiteren Schriftsatz vom 30. Mai 2008 (Eingang per Fax am selben Tag) hat die Klägerin die Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens gemäß § 109 SGG beantragt, ohne allerdings einen bestimmten Arzt zu benennen.
Das SG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Klägerin nach den im Verwaltungs- und Klageverfahren eingeholten Gutachten noch über ein Restleistungsvermögen für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes von mehr als 6 Stunden pro Arbeitstag verfüge. Aufgrund ihres beruflichen Werdegangs sei die Klägerin auf alle ungelernten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar. Da auch weder die Wegefähigkeit gravierend eingeschränkt sei noch eine Summierung atypischer Leistungseinschränkungen vorliege, bestehe kein Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung nach §§ 43, 240 SGB VI. Der Beweisantrag nach § 109 SGG sei abzulehnen, weil er in formal unzulässiger Weise gestellt worden sei (fehlende Benennung eines bestimmten bzw. bestimmbaren Arztes). Auch gehe das Gericht davon aus, dass dieser Antrag lediglich in Verschleppungsabsicht gestellt worden sei. Dem von der Klägerin bevollmächtigten Fachanwalt für Sozialrecht, der bereits in zahlreichen Rentenverfahren Anträge nach § 109 SGG gestellt habe, sei durchaus bekannt, dass ein konkreter Arzt zu benennen sei. Zudem sei der Antrag erst ca. 1 ½ Jahre nach Übersendung des Gutachtens des Dr. I. gestellt worden; noch mit Schriftsatz vom 22. Mai 2008 sei das Einverständnis zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid erklärt worden. Vor diesem Hintergrund könne der formal fehlerhaft gestellte Antrag nach § 109 SGG nur als prozesstaktischer Antrag zur Verzögerung des Verfahrens angesehen werden (Gerichtsbescheid vom 4. Juni 2008).
Gegen den der Klägerin am 9. Juni 2008 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich ihre am 11. Juni 2008 eingelegte Berufung. Die Klägerin hält ihren Antrag nach § 109 SGG aufrecht und benennt als Gutachterin die Neurologin und Psychiaterin Dr. K., L ... Das SG habe den Beweisantrag zu Unrecht abgelehnt. Schließlich habe sich das SG seit Übersendung des Gutachtens Dr. I. überhaupt nicht dazu geäußert, ob noch ein berufskundliches Gutachten eingeholt werde. Das SG habe auch nicht mitgeteilt, ob die im November 2006 von Dr. J. angeforderten Unterlagen eingegangen sei. Der Beweisantrag sei, nachdem das SG für die Klägerin überraschend einen Gerichtsbescheid angekündigt habe, innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist gestellt worden.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
- 1.
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 4. Juni 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 22. September 2005 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2006 aufzuheben,
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine Erwerbsminderungsrente,
hilfsweise
eine Erwerbsunfähigkeitsrente ab Antragstellung zu gewähren,
vorsorglich das Verfahren an das Sozialgericht Hildesheim zurückzuverweisen.
Die Beklagte hat in der Sache keine Stellungnahme abgegeben und auch keinen Antrag gestellt, nachdem der Senat auf die Möglichkeit einer Zurückverweisung des Verfahrens an das SG hingewiesen hat.
Mit Schriftsätzen vom 4. und 16. Juli 2008 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten sowie die erst- und zweitinstanzliche Gerichtsakte verwiesen. Sie haben der Entscheidung zugrunde gelegen.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG).
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das SG begründet. Das erstinstanzliche Verfahren leidet an einem wesentlichen Verfahrensmangel i.S.d. § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG, da sich die Ablehnung des Antrags nach § 109 SGG als rechtsfehlerhaft erweist.
Im sozialgerichtlichen Verfahren ist gem. § 109 Abs. 1 SGG auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder des Hinterbliebenen ein bestimmter Arzt gutachtlich zu hören. Die Anhörung wird zwar in aller Regel von der Einzahlung eines Kostenvorschusses abhängig gemacht (§ 109 Abs. 1 S. 2 SGG), kann ansonsten jedoch nur unter den Voraussetzungen des § 109 Abs. 2 SGG abgelehnt werden. Damit ist eine Ablehnung dieses Beweisantrags nur dann möglich, wenn der Antrag entweder (lediglich) in Verschleppungsabsicht oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. In beiden Fallkonstellationen müsste es bei einer Zulassung des Beweisantrags zudem zu einer Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits kommen.
Der Beweisantrag nach § 109 SGG durfte nicht bereits deshalb abgelehnt werden, weil (noch) kein bestimmter Arzt benannt worden war. Zwar erfordert ein vollständiger Antrag nach § 109 SGG die Benennung eines bestimmten bzw. zumindest bestimmbaren Arztes. Aufgrund der prozessualen Fürsorgepflicht (§ 106 Abs. 1 SGG), die auch gegenüber fachkundig vertretenen Beteiligten gilt, kann das Gericht einen unvollständigen Antrag jedoch erst dann ablehnen, wenn die erforderlichen Angaben nicht innerhalb einer angemessenen Frist nachgeholt werden (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 109 Rn 9a; Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 109 Anm. 3). Insoweit ist zudem zu berücksichtigen, dass eine - u.a. der Fristwahrung dienende - Antragstellung nach § 109 SGG zunächst ohne Nennung des in Aussicht genommenen Gutachters im sozialgerichtlichen Verfahren durchaus üblich ist. Gründe hierfür können u.a. sein, dass die Bereitschaft des Sachverständigen vorab abgeklärt werden soll (vgl. hierzu: Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Auflage 2008, III Rn 92 - in der Praxis verlangen sogar manche Sozialgerichte eine entsprechende Bestätigung der Bereitschaft des Gutachters vor Erlass der Beweisanordnung nach § 109 SGG) oder aber die Finanzierung des erforderlichen Kostenvorschusses noch nicht geklärt ist. Auch die Tatsache, dass ein Beteiligter das Gericht um Mithilfe bei der Suche nach einem geeigneten Gutachter bitten kann (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., Rn 4; HK-SGG/Roller § 109 Rn 5; Pawlak in Hennig, SGG, § 109 Rn 22), belegt, dass ein hinsichtlich der Benennung des Arztes unvollständiger, im Übrigen aber unbedingt gestellter Antrag nach § 109 SGG nicht abgelehnt werden kann, bevor dem Beteiligten vorab Gelegenheit zur Vervollständigung seines Antrags innerhalb angemessener Frist gegeben worden ist. Insoweit stimmt der erkennende Senat auch nicht der in der Rechtsliteratur vereinzelt vertretenen Auffassung zu, dass es sich bei einem Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG von einem "noch zu benennenden Arzt" noch gar nicht um einen wirksamen Antrag, sondern lediglich um die Ankündigung eines zukünftigen Antrags handeln soll (so jedoch: Kolmetz, SGb 2004, 83, 86 sowie Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., Rn 4). Zwar ist es durchaus denkbar, dass Anträge nach § 109 SGG lediglich angekündigt werden, z.B. wenn sich ein Beteiligter eine entsprechende Antragstellung ausdrücklich vorbehält. Wie bei allen anderen Anträgen ist jedoch auch ein Antrag nach § 109 SGG bereits dann rechtswirksam gestellt und dementsprechend vom Gericht zu bescheiden, wenn er ohne (unzulässige) Bedingungen gestellt wird. Erfüllt ein solcher wirksam gestellter Antrag nicht die gesetzlichen Voraussetzungen, kann er vom Gericht abgelehnt werden, nicht jedoch als noch nicht wirksam gestellter Antrag unbeachtet bleiben.
Das SG hätte dem wirksam gestellten Beweisantrag der Klägerin stattgeben müssen, da keine Ablehnungsgründe nach § 109 Abs. 2 SGG vorliegen.
Im angefochtenen Gerichtsbescheid ist eine Prozessverschleppungsabsicht der Klägerin bzw. ihres Prozessbevollmächtigten nicht überzeugend begründet worden: Dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in anderen Verfahren, die nicht die Klägerin betrafen und zudem vom SG nicht näher bezeichnet wurden, ebenfalls Anträge nach § 109 SGG gestellt haben soll, stellt keine Begründung für eine Verschleppungsabsicht dar. Zudem erscheint äußerst fraglich, ob sich die Klägerin - über § 73 Abs. 6 S 6 SGG i.V.m. § 85 Zivilprozessordnung hinaus - auch diejenigen Handlungen ihres Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen muss, die dieser in anderen Gerichtsverfahren für andere Mandanten vorgenommen hat. Ebenso wenig ergeben sich aus dem Ablauf des erstinstanzlichen Klageverfahrens Hinweise auf eine Verschleppungsabsicht: Zwar hat die Klägerin zu dem - für sie negativen - Ergebnis der Beweisaufnahme zunächst keine Stellungnahme abgegeben. Im Übrigen hat der Prozessbevollmächtigte jedoch das Verfahren für die Klägerin dringend betrieben und auch die Anfragen des Gerichts zeitnah beantwortet (vgl. z.B. die Antworten auf die richterlichen Verfügungen vom 15. März und 15. November 2006).
Der Antrag nach § 109 SGG wurde auch nicht aus grober Nachlässigkeit verspätet gestellt. Vielmehr erfolgte die Antragstellung am 30. Mai 2008, also noch vor Ablauf der vom SG gesetzten Frist (31. Mai 2008). Zwar bezog sich diese Frist primär auf eine Stellungnahme der Beteiligten zu der vom SG beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid. Das SG hatte in der Verfügung vom 9. Mai 2008 allerdings auch mitgeteilt, dass von Amts wegen keine weiteren Ermittlungen beabsichtigt seien (vgl. zur Fristsetzung nach § 109 SGG mittels eines solchen Hinweises: Meyer-Ladewig/Keller/Leither, a.a.O. Rn 11). Diese vom SG gesetzte Frist durfte die Klägerin ausschöpfen, zumal sie auch nicht durch ihren vorangegangenen Schriftsatz vom 22. Mai 2008 auf ihr Antragsrecht nach § 109 SGG verzichtet hatte. Zwar hatte die Klägerin zunächst "im Übrigen" ihr Einverständnis zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid erklärt. Bei dieser Erklärung handelte es sich jedoch nicht um eine die Klägerin bindende Prozesserklärung, die einer späteren Änderung des Antrags entgegen stehen würde (Beweisantrag nach § 109 SGG anstatt Antrag auf Entscheidung in der Sache). Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die vom SG gesetzte Frist zu kurz gewesen sein dürfte. Allgemein wird eine Frist von mindestens 4 Wochen als angemessen angesehen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. September 2003 - L 7 SB 104/02; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O. Rn 11; Kolmetz, SGb 2004, 83, 88 jeweils m.w.N.). Dagegen betrug die vom SG gesetzte Frist, deren Beginn mangels Zustellung des Anhörungsschreibens vom 9. Mai 2008 nach Aktenlage nicht bestimmt werden kann (vgl. zum Zustellungserfordernis: §§ 63, 65 SGG sowie LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8. Februar 2007 - L 2 KN 236/06 und Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O. Rn 11), aufgrund der Absendung der Verfügung erst am 19. Mai 2008 deutlich weniger als zwei Wochen.
Die fehlende Benennung eines bestimmten Arztes in dem Antrag vom 30. Mai 2008 hätte - bei Zulassung des Beweisantrags - auch nicht zu einer auf grobe Nachlässigkeit der Klägerin bzw. ihres Prozessbevollmächtigten zurückzuführenden Verzögerung geführt. Schließlich hätte das SG selbst bei sofortiger Benennung eines Sachverständigen am 30. Mai 2008 die Beweisanordnung nach § 109 SGG zu diesem Zeitpunkt noch nicht erlassen können, sondern hätte zunächst den erforderlichen Kostenvorschuss anfordern müssen. Eine zeitnahe Entscheidung unmittelbar nach Fristablauf - entweder mittels Beweisanordnung nach § 109 SGG oder aber mittels abschießender Entscheidung durch Gerichtsbescheid - wäre verfahrensfehlerfrei vielmehr lediglich dann möglich gewesen, wenn das SG vorab konkret auf § 109 SGG hingewiesen hätte sowie die Benennung eines bestimmten Arztes und die Einzahlung eines bestimmten Vorschusses (unter Angabe des Betrages und der einschlägigen Kontoverbindung) innerhalb angemessener Frist verlangt hätte.
Ebenso wenig vermag der lange Zeitraum zwischen dem Eingang des Gutachtens des Dr. I. (September 2006) und der Stellung des Antrags nach § 109 SGG (30. Mai 2008) einen Ablehnungsgrund nach § 109 Abs. 2 SGG zu begründen. In diesem Zeitraum von mehr als 1 ½ Jahren wurde das Verfahren weder durch die Klägerin noch durch das SG wesentlich gefördert: Inhaltliche Stellungnahmen der Klägerin erfolgten nicht. Das SG korrespondierte lediglich im Zusammenhang mit der Rücksendung von ärztlichen Unterlagen bzw. beantwortete die Sachstandsanfrage der Klägerin. Während die Untätigkeit der Klägerin möglicherweise (auch) darauf beruht haben mag, dass diese irrtümlich davon ausging, dass das SG von Dr. J. Behandlungsunterlagen angefordert hatte (obwohl tatsächlich an diesen die Unterlagen seines Praxisvorgängers zurückgesandt wurden, vgl. zu diesem Irrtum: Schriftsätze der Klägerin vom 6. Dezember 2006 und 22. Mai 2008), ist hinsichtlich des SG zu unterstellen, dass der mehrfache Wechsel im Kammervorsitz sowie die allgemein bekannte starke Überlastung der niedersächsischen Sozialgerichte einer früheren Entscheidung bzw. Förderung des Verfahrens entgegen gestanden haben. Keiner dieser Gesichtspunkte vermag jedoch eine Verkürzung oder Einschränkung des Antragsrechts der Klägerin nach § 109 SGG zu begründen.
Die rechtsfehlerhafte Ablehnung des Beweisantrags nach § 109 SGG stellt einen wesentlichen Verfahrensfehler i.S.d. § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG dar (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30. Januar 2003 und 8. Februar 2007 - L 7 SB 157/02 und L 2 KN 236/06; LSG für das Saarland, Urteil vom 18. November 2005 - L 2 U 65/05; Udsching, NZS 1992, 50, 55; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 109 Rn 20; HK-SGG/Roller, a.a.O., § 109 Rn 27). Da das Verfahren infolge der verfahrensfehlerhaften Ablehnung des Antrags nach § 109 SGG noch nicht entscheidungsreif ist, hält der erkennende Senat eine Zurückverweisung an das SG gem. § 159 SGG für geboten anstatt selbst - nach noch durchzuführender Beweisaufnahme nach § 109 SGG - in der Sache zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung bleibt der erneuten Entscheidung des SG vorbehalten.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.