Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 06.08.2003, Az.: 7 A 192/01
Erstattung von Aufwendungen zur Rechtsverfolgung aufgrund eines erfolglosen Widerspruchsverfahrens
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 06.08.2003
- Aktenzeichen
- 7 A 192/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 34308
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:2003:0806.7A192.01.0A
Rechtsgrundlagen
- § 45 VwVfG
- § 80 Abs. 1 S. 1, 2 VwVfG
Verfahrensgegenstand
Versetzungen und Abordnungen
hier: Kosten des Verwaltungsverfahrens
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 7. Kammer -
ohne mündliche Verhandlung
am 6. August 2003
durch
den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Nagler als Einzelrichter
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des gegen ihn festzusetzenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor einer Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 936,81 DM festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Erstattung seiner Aufwendungen zur Rechtsverfolgung in erfolglosen Widerspruchsverfahren.
Der Kläger ist Realschullehrer. Er beantragte im Januar 2000 und erneut im Juli 2000 seine Versetzung an eine wohnsitznähere Schule. Die Beklagte lehnte beide Anträge ab. Gegen diese Entscheidungen erhob der Kläger, vertreten durch seine damaligen Verfahrens- und jetzigen Prozessbevollmächtigten, jeweils Widerspruch. Zugleich beantragte er jeweils, die Hinzuziehung des bevollmächtigten Rechtsanwaltes für notwendig zu erklären. Mit Widerspruchsbescheid vom 31.03.2001 (Zustellung: 05.04.2001) wies die Beklagte die Widersprüche gegen ihre Bescheide vom 08.08.2000 sowie vom 28.09.2000 als jeweils unbegründet zurück und ergänzte darin ihre den Ausgangsbescheiden zugrunde liegenden Ermessenserwägungen. Zugleich teilte die Beklagte dem Kläger darin mit, dass er mit Wirkung vom 01.08.2001 an die Integrierte Gesamtschule D. und damit in die Nähe seines Wohnortes versetzt werde. Dieser Widerspruchsbescheid weist keine Regelung hinsichtlich einer Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen auf. Der Kläger akzeptierte den Widerspruchsbescheid mit diesem Gesamtregelungsgehalt, beantragte allerdings am 20.04.2001, den Widerspruchsbescheid um den folgenden Ausspruch zu vervollständigen: "Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung entstandenen notwendigen Aufwendungen werden Ihnen erstattet, falls Sie dies bei mir beantragen." Zur Begründung berief sich der Kläger auf § 80 Abs. 1 Satz 2 VwVfG und ergänzte, die beiden Widersprüche hätten nur deshalb keinen Erfolg gehabt, weil die Verletzung einer Verfahrens- oder Formvorschrift gemäß § 45 VwVfG unbeachtlich gewesen sei. Mit dem hier angegriffenen Bescheid vom 25.04.2001 lehnte die Beklagte diesen Antrag mit der Begründung ab, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen Aufwendungen würden dem Kläger nicht erstattet werden, weil die Voraussetzungen des § 80 Abs. 1 Satz 2 VwVfG nicht erfüllt seien. Die Widersprüche gegen die Ausgangsbescheide hätten (auch) deshalb keinen Erfolg gehabt, weil der Kläger zu den beiden ursprünglich begehrten Zeitpunkten keinen Anspruch auf Erlass der begehrten Versetzungsverfügungen gehabt habe.
Daraufhin hat der Kläger am 04.05.2001 vor dem erkennenden Gericht Klage erhoben, wobei er die Auffassung vertritt, ihm stünde ein Erstattungsanspruch aus § 80 Abs. 1 Satz 2 VwVfG zu, weil die Begründungen der ablehnenden Ausgangsbescheide vom 08.08.2000 und vom 29.08.2000 unstreitig nachträglich ergänzt worden sind und die Erfolglosigkeit seiner Widersprüche allein auf diesen nachträglichen Ergänzungen der Begründungen beider Ausgangsbescheide beruhe.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den in Ergänzung des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 31.03.2001 erlassenen Bescheid der Beklagten vom 25.04.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die ihm durch Hinzuziehung seiner Bevollmächtigten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen im Vorverfahren für erstattungsfähig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung beruft sie sich auf ihren ergänzenden Bescheid vom 25.04.2001 und vertieft dazu, dass der Anwendungsbereich des § 80 Abs. 1 Satz 2 VwVfG im vorliegenden Fall nicht eröffnet sei. Diese Vorschrift betreffe nur diejenigen Fälle, in denen ein Widerspruch allein aufgrund der Heilung von Verfahrens- und/oder Formfehlern erfolglos bleibe. Demgegenüber seien die Widersprüche des Klägers gegen die beiden Ausgangsbescheide ebenso unstreitig wie objektiv erkennbar auch aus materiellen Gründen, nämlich aufgrund nachträglicher ergänzender Ermessensausübung, zurückgewiesen worden. Insoweit verkenne er Kläger das Verhältnis zu § 114 VwGO.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen. Sämtliche Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
Das Gericht entscheidet infolge des Verzichts der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zulässig. Sie ist als Verpflichtungsklage statthaft. Denn zum einen hat die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 25.04.2001 den hier streitbefangenen Anspruch des Klägers per Verwaltungsakt negativ beschieden. Zum anderen hätte die Beklagte - unter regulären Umständen - die nunmehr erst unter dem 25.04.2001 ausgesprochene Versagung bereits zum Regelungsgegenstand ihres Widerspruchsbescheides vom 31.03.2001 machen müssen. Vor diesem Hintergrund ist der Klageantrag dahingehend auszulegen, dass der Kläger sowohl die Aufhebung des Bescheides vom 25.04.2001 als auch die Verpflichtung der Beklagten begehrt, einen gleichsam gegenteiligen, ihn begünstigenden Verwaltungsakt zu erlassen. Dabei war gegen den Bescheid vom 25.04.2001 nicht erneut Widerspruch zu erheben, weil jener nach übereinstimmender Vorstellung der Beteiligten wie auch bei objektiver Betrachtung den insoweit teilweise unvollständigen Widerspruchsbescheid lediglich ergänzen sollte.
Die Klage ist allerdings unbegründet.
Die Versagung des begehrten Verwaltungsaktes ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten.
Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Entgegen der von dem Kläger vertretenen Rechtsauffassung sind die Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage des § 80 Abs. 1 Satz 2 VwVfG nicht erfüllt. Nach dieser den § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG erweiternden Vorschrift hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen auch dann zu erstatten, wenn der Widerspruch zwar nicht erfolgreich war, allerdings nur deshalb keinen Erfolg hatte, weil die Verletzung einer Verfahrens- oder Formvorschrift nach § 45 VwVfG unbeachtlich gewesen ist. Der § 80 Abs. 1 Satz 2 VwVfG gewährt dem Widerspruchsführer letztlich aus Billigkeitsgründen einen Aufwendungserstattungsanspruch in den Fällen, in denen bei hinweggedachter Heilung des Form- oder Verfahrensfehlers nach § 45 VwVfG der Widerspruchsführer im Vorverfahren obsiegt hätte. Denn in solchen "Heilungsfällen" nach § 45 VwVfG unterliegt der Widerspruchsführer eben "nur" aufgrund der Heilung. Ohne diese wäre der Widerspruch erfolgreich gewesen und hätte den Aufwendungserstattungsanspruch aus § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG gegen die Behörde zur Folge gehabt. Jener wiederum würde aufgrund der materiellen Rechtslage allerdings weiterhin die Möglichkeit offen stehen, jederzeit einen nunmehr auch formell rechtmäßigen Bescheid gleichen Inhalts zu erlassen. Daran wird erkennbar, dass § 45 VwVfG der Verfahrensbeschleunigung und der Vermeidung von letztlich unsinnigem Verwaltungsaufwand dient. Zusammenfassend verfolgt § 80 Abs. 1 Satz 2 VwVfG demnach den Zweck, den Widerspruchsführer nach Heilung eines Form- oder Verfahrensfehlers gemäß § 45 VwVfG nicht schlechter zu stellen als er im Anwendungsbereich des § 80 Abs. 1 Satz 2 VwVfG stehen würde.
Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Beide Widersprüche des Klägers waren jeweils nicht allein wegen der Heilung eines Form- und/oder Verfahrensfehlers erfolglos. Vielmehr waren sie jeweils auch materiell unbegründet. Der Kläger hatte in beiden Fällen keinen Anspruch darauf, zu dem jeweils von ihm begehrten Termin an eine Schule in die Nähe seines Wohnortes versetzt zu werden. Insbesondere lagen in beiden Fällen die Voraussetzungen einer sogen. Ermessensreduzierung auf Null nicht vor - was zudem nicht einmal seitens des Klägers behauptet wird. Dass die in den beiden angegriffenen Ausgangsbescheiden dargelegten Ermessenserwägungen objektiv unzureichend waren und jeweils erst in der Begründung des Widerspruchsbescheides den rechtlichen Anforderungen entsprechend ergänzt worden sind, stellt keinen Anwendungsfall der Heilung eines Form-/Verfahrensfehlers dar, sondern betrifft die materielle Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide. Insoweit sieht § 114 Abs. 2 VwGO allerdings ausdrücklich vor, dass die Verwaltungsbehörde ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren - und damit erst recht im vorgeschalteten Widerspruchsverfahren - ergänzen kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht (§ 124a Abs. 1 VwGO) liegen nicht vor.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 2 GKG, wobei noch ein DM-Betrag festzusetzen war, weil die Klage vor dem 01.01.2002 erhoben worden ist.