Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 01.06.2021, Az.: 7 B 2170/21

Bezeichnung des Lebensmittels; hinreichender Produktbezug; Internet; Internetpranger; öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch; Pranger; Sammelbezeichnung; Vorwegnahme der Hauptsache

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
01.06.2021
Aktenzeichen
7 B 2170/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 70672
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die von ihm ab dem 27. Mai 2021 geplante die Antragstellerin betreffende Veröffentlichung lebensmittelrechtlicher Verstöße auf der Internetplattform www.verstoesse.lebensmittel-futtermittel-sicherheit.niedersachsen.de vorzunehmen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist ein Unternehmen aus dem Bereich des Lebensmittelhandels und betreibt in Norddeutschland mehrere Verbrauchermärkte, darunter auch einen C. -Verbrauchermarkt in dem im Bezirk des Antragsgegners gelegenen D.. Am 15. Oktober 2020 fand in der Filiale der Antragstellerin in D. eine amtliche Lebensmittelkontrolle statt. Im Rahmen dieser Kontrolle wurden die in dem Schreiben des Antragsgegners vom 19. Oktober 2020 (GA Bl. 12ff.) beschriebenen Sachverhalte festgestellt. Zusammengefasst handelte es sich um Verschmutzungen im Bereich des Verkaufstresens der Fleischabteilung; um fehlende Kennzeichnungen des Herstellungsdatums und von Zusatzstoffen oder um überschrittene Mindesthaltbarkeitsdaten in der Kühleinrichtung im Hintertresenbereich und der Verkaufstheke; um in einer Schale befindliches nicht abgedecktes Fleisch sowie um aus einer Verpackung ausgelaufenen Fleischsaft. Darüber hinaus konnte zum Zeitpunkt der Kontrolle die aktuelle Mitarbeiterschulung nicht vorgelegt werden.

Mit Schreiben vom 11. Dezember 2020 hörte der Antragsgegner die Antragstellerin zu den bei der Kontrolle am 15. Oktober 2020 festgestellten Sachverhalten an und kündigte eine ordnungsbehördliche Verfügung unter Androhung von Zwangsmaßnahmen an (GA Bl. 21ff.).
Mit ihrer Stellungnahme vom 18. Februar 2021 (GA Bl. 37f.) führte die Antragstellerin aus, dass die in dem Schreiben vom 11. Dezember 2020 gemachten Beanstandungen inzwischen vollständig abgestellt seien.

Am 28. April 2021 fand eine weitere lebensmittelrechtliche Überprüfung der Filiale der Antragstellerin in D. durch den Antragsgegner statt. Im Rahmen dieser Kontrolle wurde zusammengefasst festgestellt, dass im Kühlraum acht Artikel gelagert wurden, deren Mindesthaltbarkeitsdatum zwischen dem 21. April 2021 und 27. April 2021 abgelaufen war. In der Fleisch- und Käsetheke wurden Aufschnitt bzw. einige Stücke Käsewaren gelagert, auf denen ein Mindesthaltbarkeitsdatum nicht ersichtlich bzw. verstrichen war. Das System der Rückverfolgung sei noch lückenhaft, die Angabe eines Verbrauchsdatums bei frischem Geflügel sei nicht ausreichend gewesen und in einem Aktionsaufsteller waren Zwiebeln mit einem Verkaufsschild der Handelsklasse I beworben worden, obgleich es sich um solche der Handelsklasse II handelte. Mit Schreiben vom 7. Mai 2021 hörte der Antragsgegner die Antragstellerin zu der beabsichtigten Veröffentlichung festgestellter lebensmittelrechtlicher Mängel gem. § 40 Abs. 1 a S. 1 Nr. 1 (gemeint und in Begründung auch genannt: Nr. 3) des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuchs (LFGB) an (GA Bl. 31ff.) und informierte die Antragstellerin schließlich mit Schreiben vom 19. Mai 2021, eingegangen bei der Antragstellerin am 21. Mai 2021, dass eine Veröffentlichung ab dem 27. Mai 2021 auf der Internetseite www.verstoesse.lebensmittel-futtermittel-sicherheit.niedersachsen.de erfolge und fügte als Anlage die Darstellung der Veröffentlichung bei (GA Bl. 45).

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

II.

Der Antrag der Antragstellerin, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, auf der Internetplattform www.verstoesse.lebensmittel-futtermittel-sicherheit.niedersachsen.de die in ihrem Verbrauchermarkt in D. festgestellten lebensmittelrechtlichen Verstöße zu veröffentlichen, ist zulässig und begründet.

Der Antrag nach § 123 VwGO ist zulässig. Er ist insbesondere statthaft. Denn die Verhinderung der Internetveröffentlichung kann nicht über das nach § 123 Abs. 5 VwGO vorrangige Eilrechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erreicht werden. Die vom Antragsgegner beabsichtigte Veröffentlichung von Verstößen gegen Vorschriften des LFGB ist mangels Regelungscharakters nicht als Verwaltungsakt, sondern als Realakt zu qualifizieren. Eine Verhinderung dieser Veröffentlichung ist in der Hauptsache mit einer allgemeinen Leistungsklage auf der Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs und nicht mit einer Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO durchzusetzen.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist auch begründet.

Das Gericht kann auf Antrag – und wie im vorliegenden Fall auch schon vor Klageerhebung – gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird (sog. Sicherungsanordnung). Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Dabei hat ein Antragsteller sowohl die Dringlichkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO.

Vorliegend möchte die Antragstellerin eine behauptete Beeinträchtigung ihrer Rechtsposition verhindern, weshalb ein Fall der Sicherungsanordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO gegeben ist.

Es besteht vorliegend ferner die Besonderheit, dass die Antragstellerin mit der einstweiligen Anordnung vorläufig das Gleiche begehrt, was sie auch im Hauptsacheverfahren begehren würde, nämlich die Untersagung der vom Antragsgegner angekündigten Veröffentlichung der von diesem bei einer Kontrolle am 28. April 2021 in dem Verbrauchermarkt der Antragstellerin festgestellten Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften. Die Antragstellerin begehrt mithin eine (zeitweilige) Vorwegnahme der Hauptsache, was grundsätzlich dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung widerspricht (Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 123 Rn. 14). Im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und einem Antragsteller nicht schon im vollen Umfang dasjenige gewähren, was er nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. Im Hinblick auf das in Art. 19 Abs. 4 GG statuierte Gebot effektiven Rechtsschutzes ist eine Vorwegnahme der Hauptsache im Eilverfahren jedoch ausnahmsweise dann zulässig, wenn diese im Interesse des Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist. Dies ist dann der Fall, wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den einzelnen Antragsteller unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache spricht (Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 123 Rn. 14).

Gemessen an diesen Voraussetzungen hat der Antrag in der Sache Erfolg.

Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund, d.h. die Dringlichkeit der begehrten gerichtlichen Entscheidung, glaubhaft gemacht. Durch die Veränderung des bestehenden Zustands in Gestalt der angekündigten Veröffentlichung festgestellter lebensmittelrechtlicher Verstöße im Internet wird die Verwirklichung von Rechten der Antragstellerin vereitelt oder jedenfalls wesentlich erschwert. Die weithin einsehbare und leicht zugängliche Veröffentlichung festgestellter Verstöße gegen die Vorschriften des LFGB kann zu einem erheblichen Verlust des hohen Ansehens des Unternehmens – das gerade die C. -Märkte in der Region wie allgemein - und damit gerichtsbekannt - besitzen und zu Umsatzeinbußen führen, was im Einzelfall – wenn wohl auch nicht gerade im Falle der zur „E.“ gehörenden Antragstellerin - bis hin zur Existenzvernichtung reichen kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 – juris, Rn. 34). Auch spätere Gegendarstellungen, Richtigstellungen oder sonstige Korrekturen im Falle eines späteren Obsiegens in der Hauptsache ändern nichts daran, dass die faktische Wirkung, die von einer solchen Information der Öffentlichkeit ausgeht, durch die jeweils handelnde Behörde regelmäßig nicht mehr eingefangen und umfassend beseitigt werden kann.

Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Die Voraussetzungen eines öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs, der als alleinige Rechtgrundlage in Betracht kommt, sind gegeben. Der auf Bewahrung des „status quo“ gerichtete öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch wird entweder auf eine analoge Anwendung des § 1004 Abs. 1 BGB gestützt oder aber aus der Abwehrfunktion der Grundrechte – d.h. vorliegend aus Art. 12 Abs. 1 GG – abgeleitet (BVerwG, Urteil vom 29. April 1988 – 7 C 33/87 – juris, Rn. 12). Unabhängig von der Frage der dogmatischen Herleitung dieses Anspruches setzt ein öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch voraus, dass ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in ein subjektiv-öffentliches Recht bevorsteht oder noch andauert. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, da der durch die angekündigte Veröffentlichung festgestellter Verstöße drohende Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit nach vorläufiger rechtlicher Würdigung rechtswidrig ist.

Als Rechtsgrundlage für die grundrechtsrelevante Veröffentlichung der lebensmittelrechtlichen Verstöße kommt allein die vom Antragsgegner angeführte Norm des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB in Betracht. Hiernach informiert die zuständige Behörde die Öffentlichkeit unverzüglich unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen, im Falle von Proben nach § 39 Absatz 1 Satz 2 LFGB auf der Grundlage von mindestens zwei Untersuchungen durch eine Stelle nach Artikel 12 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004, hinreichend begründete Verdacht besteht, dass gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich des LFGB, die dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens dreihundertfünfzig Euro zu erwarten ist.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die vom Antragsgegner festgestellten Sachverhalte tatsächlich geeignet sind, festgestellte lebensmittelrechtliche Mängel darzustellen und bejahendenfalls, ob deren Ausmaß nicht nur unerheblich war oder Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften wiederholt vorgekommen sind. Die Antragstellerin wendet sich im vorliegenden Fall unter anderem auch gegen die vom Antragsgegner beabsichtigte Art und Weise der Veröffentlichung. Dem schließt sich der Einzelrichter an.

Der Gesetzgeber hat - abgesehen von den nach § 40 Abs. 4 LFGB nachträglich aufzunehmenden Informationen - in § 40 Abs. 1a LFGB außer der Bezeichnung des Lebensmittels und der Nennung des Lebensmittelunternehmens keine weiteren konkreten Vorgaben für die Veröffentlichung gemacht, so dass die Ausgestaltung der Veröffentlichung im Wesentlichen dem Antragsgegner obliegt. Eine Veröffentlichung ist nicht zu beanstanden, wenn sie inhaltlich richtig ist und möglichst schonend für den Betroffenen erfolgt sowie dem Zweck der Vorschrift dient. Einzelne Normen müssen nicht zwingend bezeichnet werden (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 16. Januar 2020 -, 13 ME 394/19, juris Rn. 5; VG Würzburg, Beschluss vom 24. Juli 2019 - 8 E 19.766 -, juris Rn. 43). Nur die Verbreitung richtiger Informationen ist zur Erreichung des Informationszwecks geeignet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 - 1 BvF 1/13 -, juris Rn. 39; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. März 2019 - 13 B 67/19 -, juris Rn. 18).

Nach der Begründung des Gesetzentwurfs soll die Regelung des § 40 Abs. 1a LFGB vor allem eine hinreichende Grundlage für eigenverantwortliche Konsumentscheidungen der Verbraucher schaffen (vgl. BT-Drs. 17/7374, S. 2). Daneben wird die Funktion des § 40 Abs. 1a LFGB hervorgehoben, zur Einhaltung der Bestimmungen des Lebensmittel- und Futtermittelrechts beizutragen. Der drohende Nachteil der Informationsverbreitung soll das einzelne Unternehmen dazu veranlassen, den Betrieb im Einklang mit den lebensmittel- oder futtermittelrechtlichen Vorschriften zu betreiben (vgl. BT-Drs. 17/12299, S. 7). Das dient letztlich der Durchsetzung des allgemeinen Zwecks des Gesetzes, Gesundheitsgefahren vorzubeugen und abzuwehren und die Verbraucher vor Täuschung zu schützen (vgl. § 1 Abs. 1 LFGB; BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018, a.a.O., Rn. 32).

Diese vom Gesetzgeber verfolgten Ziele sind legitim, aber von unterschiedlichem Gewicht. Sofern die Einhaltung solcher Vorschriften gefördert werden soll, die dem Schutz vor Gesundheitsgefahren dienen, hat dies größeres Gewicht (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) als etwa die bloße Verbraucherinformation über (behobene) Hygienemängel. Allerdings kommt auch dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung und dem Ziel, deren Wissensgrundlage für eigenverantwortliche Entscheidungen zu verbessern, verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Dies stärkt jedenfalls deren Vertragsfreiheit (Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG). Im Übrigen kann der Gesetzgeber in die Berufsfreiheit auch zugunsten solcher Ziele eingreifen, die zu verfolgen er nicht bereits durch das Grundgesetz gehalten ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018, a.a.O., Rn. 33).

Das Maß des mit einer Veröffentlichung von lebensmittelrechtlichen Verstößen potentiellen Ansehensverlustes eines Unternehmens hängt auch von der konkreten Darstellung der Information durch die Behörde ab (OVG Lüneburg, Beschluss vom 16. Januar 2020 – 13 ME 394/19 -, juris Rn. 9). So kann die Beeinträchtigung der betroffenen Unternehmen etwa durch einen ausdrücklichen Hinweis abgemildert werden, dass die Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB nicht auf einer behördlichen Einschätzung des Risikos weiterer künftiger Verstöße beruht, die Information also nicht etwa als amtliche Warnung aufzufassen ist (wie dies im Übrigen auf der niedersächsischen Internetseite auch enthalten ist). Im Verhältnis zu konkurrierenden Unternehmen können Wettbewerbsnachteile begrenzt werden, wenn deutlich erkennbar ist, dass es sich womöglich nur um das Ergebnis stichprobenweise erfolgter Kontrollen handelt. Ohne negative Folgen wird die Veröffentlichung für die Betroffenen indessen kaum bleiben. Nach ihrem Regelungszweck soll sie auch durchaus negative Folgen entfalten, weil gerade hierauf die generalpräventive Wirkung der drohenden Veröffentlichung beruht. Allerdings ist der potenziell gewichtige Grundrechtseingriff dadurch relativiert, dass die betroffenen Unternehmen negative Öffentlichkeitsinformationen durch rechtswidriges Verhalten selbst veranlassen, umgekehrt also den Eingriff durch rechtstreues Verhalten verhindern können, und dass ihr Fehlverhalten angesichts seiner Konsequenzen für die Verbraucher einen Öffentlichkeitsbezug aufweist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018, a.a.O., Rn. 35 f. m.w.N.). Eine gewisse „Prangerwirkung“ ist mithin, und zwar berechtigterweise, beabsichtigt.

Vor diesem Hintergrund ist eine detaillierte Beschreibung festgestellter Mängel eine schonende und damit verhältnismäßige Vorgehensweise. Auf der einen Seite informiert sie den Verbraucher umfassend über die aufgetretenen Mängel; auf der anderen Seite grenzt sie aber auch das Ausmaß dieser Mängel eindeutig ein (OVG Lüneburg, Beschluss vom 16. Januar 2020 – 13 ME 394/19 -, juris Rn. 10). Dabei muss die beabsichtigte Veröffentlichung auch einen hinreichenden Produktbezug aufweisen.

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat wiederholt ausgeführt, dass an die Konkretheit des Produktbezuges auch unter Berücksichtigung der in § 40 Abs. 1a LFGB geforderten “Bezeichnung des Lebensmittels“ keine hohen Anforderungen zu stellen sind (Beschluss vom 1. Februar 2019 – 13 ME 27/19 -, juris Rn. 10; Beschluss vom 18. Januar 2013 -, 13 ME 267/12 -, juris Rn. 14; Beschluss vom 16. Januar 2020 – 13 ME 394/19 -, juris Rn. 11). Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit als auch aufgrund des Gesetzeszweckes, eine hinreichende Grundlage für eigenverantwortliche Konsumentscheidungen der Verbraucher zu schaffen, ist es aber zumindest erforderlich, die betroffenen Lebensmittel mit Blick auf die jeweiligen Verstöße und ausgehend von diesen hinreichend genau zu bezeichnen (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. April 2021 – 9 S 661/21 -, juris Rn. 22). Zwar kann ein konkreter Lebensmittelbezug ggf. auch durch Verwendung einer Sammelbezeichnung hergestellt werden, wenn eine konkretere Bezeichnung der betroffenen Produkte nur eingeschränkt möglich und sinnvoll erscheint. Die erforderliche Genauigkeit der Bezeichnung des Lebensmittels richtet sich dabei nach dem jeweiligen Verstoß und ist ausgehend von diesem zu bestimmen. Dementsprechend muss die Veröffentlichung keine vollständige Aufzählung aller betroffenen Lebensmittel beinhalten, sondern vor allem aus der Sicht des Normzwecks - Gesundheits- und Verbraucherschutz - hinsichtlich der genannten Lebensmittel zutreffend sein. Dabei hat die Bezeichnung aufgrund der erheblichen Wirkungen einer Veröffentlichung schonend für den Betroffenen und damit so genau wie möglich zu erfolgen, um dem Eindruck vorzubeugen, es seien Lebensmittel betroffen, bei denen das gar nicht der Fall ist. Eine Spezifizierung hat gegebenenfalls inhaltlich, räumlich oder auch zeitlich zu erfolgen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. April 2021 – 9 S 661/21 -, juris Rn. 22).

Diesen Anforderungen genügt die hier von dem Antragsgegner beabsichtigte Darstellung der Veröffentlichung hinsichtlich der Produktbezeichnung „sämtliche Lebensmittel, die hergestellt, feilgehalten oder in den Verkehr gebracht werden“ nicht. So handelt es sich bei der Bezeichnung „sämtliche Lebensmittel“ schon nicht um eine Sammelbezeichnung für eine gewisse Gattung von Lebensmitteln (z. B. Fleisch, Aufschnitt, Wurst, Obst, Gemüse), sondern es wird vielmehr das gesamte Sortiment des Verbrauchermarktes - soweit es dem Verzehr dient - von dieser Produktbezeichnung erfasst, was ersichtlich nicht mit den Feststellungen des Antragsgegners im Rahmen der lebensmittelrechtlichen Kontrolle übereinstimmt, denn von einer derartigen Bezeichnung wären beispielsweise auch Milchprodukte, Backwaren und Fisch erfasst. Im Übrigen sind bei der Kontrolle am 28. April 2021 auch bezüglich des von dem Begriff „sämtliche Lebensmittel“ erfassten Obstes keine Beanstandungen erfolgt, sondern lediglich hinsichtlich der „Gemüse“zwiebeln. Unter Anlegung dieser Umstände, wäre die beabsichtigte Veröffentlichung schon nicht richtig und damit in jedem Fall unverhältnismäßig, weil der nach dem Gesetzeszweck geschützte Verbraucher bei einer derartigen Beschreibung davon ausgehen kann, dass flächendeckend das gesamte Warensortiment, soweit es Lebensmittel betrifft, zu lebensmittelrechtlichen Beanstandungen geführt hat.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Der Streitwert ist vorliegend nicht gemäß Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NordÖR 2014, 11) zu halbieren, da die Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes jedenfalls zeitweise die Hauptsache vorwegnehmen soll.