Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 02.03.2007, Az.: 6 U 213/06
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 02.03.2007
- Aktenzeichen
- 6 U 213/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 59868
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2007:0302.6U213.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Oldenburg - 11.04.2006 - AZ: E4 C 4122/06 (IX)
- nachfolgend
- BGH - 16.01.2008 - AZ: IV ZR 85/07
In dem Rechtsstreit
...
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ...und den Richter am Oberlandesgericht ...auf die mündliche Verhandlung vom 16. Februar 2007 für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11. April 2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts Oldenburg geändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich mit der Vollstreckungsabwehrklage gegen die Zwangsvollstreckung durch die Beklagten aus einem Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Oldenburg vom 06.09.2005. Die Beklagten hatten aus einer ihnen abgetretenen Grundschuld über 180 000,- DM die Zwangsvollstreckung in das im Eigentum des Lebensgefährten der Klägerin stehende Grundstück in W...., S...., betrieben. Mit dem genannten Zuschlagsbeschluss hat die Klägerin das Grundstück für 57 000,- € ersteigert. Da die Klägerin nur einen Betrag von 32 000,- € aufbringen konnte, kam es im Vorfeld der Versteigerung zu Verhandlungen zwischen dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin, den Beklagten und dem Auktionator B..... In einem Telefongespräch zwischen dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin und dem Beklagten zu 2) kam es schließlich zu einer Vereinbarung, deren genauer Inhalt zwischen den Parteien streitig ist. Klar war aber, dass die Klägerin zunächst 32 000,- € abzüglich der zu leistenden Sicherheit (4 500,- €) zahlen sollte. Der Restbetrag von 25 000,- € sollte gestundet bzw. von den Beklagten als Darlehen gewährt werden.
Der Beklagte zu 2) setzte der Klägerin für die Zahlung der 32 000,- € abzgl. der Sicherheit von 4 500,- € mit Faxschreiben vom 27.09.05 eine Frist bis zum 30.09.05. Die Klägerin teilte mit Schreiben vom 29.09.05 mit, dass diese Frist zu kurz bemessen sei. Mit Schreiben vom 05.10.05 setzten die Beklagten eine Frist bis zum 11.10.05 und kündigten für den Fall der nicht fristgerechten Zahlung an, von den getroffenen Vereinbarungen Abstand zu nehmen und auf der sofortigen Zahlung des gesamten Ersteigerungserlöses zu bestehen. Per Blitzgiro am 19.10.05 überwies die Klägerin den Beklagten 27 500,- €. Mit Anwaltsschreiben vom 03.11.05 kündigten die Beklagten die Zahlungsvereinbarung und verlangten die Zahlung des Restbetrages nebst Zinsen (insgesamt 27 097,45 €).
Die Klägerin behauptet, dass die mit Schreiben vom 05.10.05 gesetzte Frist nochmals bis zum 20.10.05 verlängert worden sei. Dies habe der ebenfalls für die Beklagten handelnde Auktionator B.... fernmündlich bestätigt. Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagten seien nach wie vor verpflichtet, der Klägerin das zugesagte Darlehen über 25 000,- € zu gewähren. Die Beklagten behaupten, man habe sich darauf geeinigt, dass die 32 000,- € "im Termin oder kurz danach" gezahlt werden sollten. Daran habe sich die Klägerin nicht gehalten. Es treffe weder zu, dass der Auktionator einer weiteren Fristverlängerung zugestimmt habe noch dass er hierzu von den Beklagten bevollmächtigt gewesen sei.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Zwangsvollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss sei unzulässig, weil die Forderung auch im Hinblick auf die noch ausstehende Restzahlung über 25 000,- € als erfüllt anzusehen sei. Denn die Beklagten hätten sich unstreitig verpflichtet, der Klägerin diesen Betrag als Darlehen zu Verfügung zu stellen. Dass dies davon abhängig gewesen sei, dass die Klägerin zuvor ihrerseits die 32 000,- € "sofort" zahlt, müssten die Beklagten beweisen. Beweis hierfür hätten sie nicht angetreten. Die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung seien nicht gegeben und eine Parteianhörung sei "nicht veranlasst", weil allein mit der Anhörung einer Partei der Beweis nicht geführt werden könne. Wegen der Einzelheiten der Begründung und der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 I Nr. 1 ZPO).
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie rügen insbesondere eine Verletzung des § 286 I ZPO. Das Amtsgericht habe nicht beachtet, dass das Gericht seine Überzeugungsbildung auch auf die Anhörung einer Partei stützen könne.
Die Beklagten beantragen,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie meint, es sei gar nicht vereinbart worden, dass sie direkt an die Beklagten zahlen solle. Sie behauptet, der Auktionator B.... habe für die Beklagten einer weiteren Fristverlängerung zugestimmt. Dieser sei auch in der Vergangenheit schon für die Beklagten tätig gewesen. Sie ist der Auffassung, dass sich eine Berechtigung des Auktionators B...., für die Beklagten zu handeln, zumindest aufgrund einer Duldungs- oder Anscheinsvollmacht ergebe.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen H..... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 16. Februar 2007 (Bl. 139f d.A.) Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig und begründet.
Die von der Klägerin erhobene Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO ist nicht begründet. Der Klägerin stehen keine Einwendungen zu, die den Anspruch selbst betreffen. Insbesondere kann entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht angenommen werden, dass die Klägerin den Anspruch der Beklagten aus dem Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Oldenburg vom 06.09.2005 vollständig erfüllt hat. Denn es ist inklusive Zinsen unstreitig noch ein Restbetrag von 25 805,- € offen.
Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb die Forderung im Hinblick auf die zwischen dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin und dem Beklagten zu 2) am 05.09.2005 getroffene Vereinbarung als erfüllt anzusehen sein sollte. Unstreitig hatten sich die Parteien in Abweichung von § 107 II ZVG darauf geeinigt, dass die Klägerin nicht den vollen Betrag von 57 000,- €, sondern zunächst nur 32 000,- € abzgl. der Sicherheitsleistung von 4 500,- €, also noch 27 500,- € zahlen sollte. Den Restbetrag sollten die Beklagten stunden bzw. der Klägerin als ein in den ersten zwei Jahren zinsloses Darlehen zur Verfügung stellen.
Im Hinblick auf die unstreitig seitens der Klägerin vorab zu zahlenden 27 500,- € hat der Senat keinen Zweifel, dass diese an die Beklagten zu zahlen waren und den Beklagten deshalb ein gemäß § 271 I BGB sofort fälliger Zahlungsanspruch in dieser Höhe zustand. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann nämlich nicht angenommen werden, dass die Parteien insoweit gar keine Regelung getroffen haben. Nach dem Gesetz wäre der volle Betrag von der Klägerin im Verteilungstermin an das Gericht zu zahlen gewesen (§ 107 II ZVG). Mit der Vereinbarung vom 05.09.2005 wollten die Parteien eine hiervon abweichende Zahlungsregelung treffen. Unstreitig sollte ein Teilbetrag von 25 000,- € gestundet oder als Darlehen gewährt werden, weil die Klägerin nicht den vollen Betrag von 57 000,- €, sondern nur 32 000,- € selbst aufbringen konnte. Auch wenn, was sehr fernliegend erscheint, es nicht ausdrücklich Gesprächsgegenstand gewesen sein sollte, wann und an wen der von der Klägerin vorab aufzubringende erste Teilbetrag von 32 000,- € (abzgl. Sicherheit von 4 500,- €) zu zahlen sein sollte, ergibt sich aus den Umständen, dass dieser Betrag an die Beklagten zu zahlen war; und zwar mangels abweichender Vereinbarung sofort (§ 271 I BGB). Daran hatte auch die Klägerin keinen Zweifel. Selbst wenn zunächst Zweifel bestanden haben sollten, waren diese spätestens durch das Schreiben des Beklagten zu 2) vom 27.09.2005 behoben. Denn in diesem Schreiben hatte der Beklagte zu 2) dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin seine Kontoverbindung angegeben und, nachdem in den letzten drei Wochen nach dem Zuschlag keine Zahlung erfolgt war, die Klägerin aufgefordert, die Zahlung bis zum 30.09.2005 zu leisten. Mit Schreiben vom 29.09.05 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin lediglich um Fristverlängerung gebeten, nicht aber in Zweifel gezogen, dass der Zahlungsanspruch fällig und die Zahlung an die Beklagten zu leisten war. Unter diesen Umständen bestehen keine Zweifel daran, dass den Beklagten ein fälliger Zahlungsanspruch gegen die Klägerin in Höhe von 27 500,- € zustand.
Auf die der Klägerin in der Vereinbarung vom 05.09.2005 eingeräumte Stundung des Restbetrages von 25 000,- € kann sich die Klägerin nicht mehr stützen. Denn die Beklagten sind von dieser Vereinbarung mit Schreiben vom 03.11.2005 wirksam zurückgetreten.
Nach § 323 I BGB steht dem Gläubiger ein Rücktrittsrecht zu, wenn der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht rechtzeitig erbringt, sofern dem Schuldner zuvor erfolglos eine angemessene Frist gesetzt worden war. Diese Voraussetzungen lagen vor. Den Beklagten stand, wie bereits ausgeführt, ein fälliger Zahlungsanspruch gegen die Klägerin in Höhe von 27 500,- € zu. Der Klägerin ist auch eine angemessene Zahlungsfrist gesetzt worden. Dabei kann dahinstehen, ob die erste durch den Beklagten zu 2) mit Schreiben vom 27.09.2005 gesetzte Frist von 3 Tagen als angemessen anzusehen ist oder ob dadurch eine objektiv angemessene Frist in Lauf gesetzt wurde (vgl. dazu Palandt-Grüneberg, BGB, 66. Aufl., § 323 Rdn. 14 m.w.N.). Denn jedenfalls die weitere mit anwaltlichem Schreiben vom 05.10.05 gesetzte Frist bis zum 11.10.2005 ist als angemessen anzusehen. Insbesondere wenn man berücksichtigt, dass seit dem Zuschlag am 06.09.2005 bereits mehr als ein Monat vergangen war und die Beklagten der Klägerin schon insoweit entgegen gekommen waren, als diese nicht den vollen Betrag, sondern zunächst nur einen Teilbetrag leisten musste.
Die erst am 19.10.2005 per Blitzgiro erfolgte Zahlung war verspätet. Denn die Klägerin hat ihre Behauptung, die ihr gesetzte Zahlungsfrist sei nochmals bis zum 20.10.05. verlängert worden, nicht beweisen können. Der Zeuge H.... hat bekundet, dass er im Anschluss an das Schreiben des Rechtsanwalts N...., mit dem die Zahlungsfrist bis zum 11.10.05 verlängert worden war, den Auktionator B.... angerufen habe. Dieser habe erklärt, dass die gesetzte Frist zu kurz sei, was Herr E.... auch wisse. Er, Herr B...., habe die Angelegenheit nun klären wollen. Später sei es zu einem zweiten Telefonat mit Herrn B.... gekommen, in dem dieser erklärt habe, dass die Frist bis zum 20.10.2005 verlängert würde. Dieser Aussage vermag der Senat jedoch nicht zu folgen. Zweifel bestehen schon deshalb, weil die behauptete Fristverlängerung weder durch die Beklagten selbst noch durch den von diesen eingeschalteten Rechtsanwalt N.... erklärt worden ist und auch der Zeuge H.... nicht nachvollziehbar erklären konnte, weshalb der Auktionator B.... berechtigt gewesen sein sollte, insoweit für die Beklagten eine wirksame Erklärung abgeben zu können. Selbst wenn Herr B.... früher im Einverständnis mit den Beklagten in deren Interesse tätig geworden sein sollte und dadurch möglicherweise das Vorliegen einer Duldungs- oder Anscheinsvollmacht in Betracht kommen könnte, wäre ein etwaiger Rechtsschein auch aus Sicht der Klägerin spätestens dadurch beendet worden, dass der Beklagte zu 2) im Hinblick auf die streitgegenständlichen Zahlungen zunächst persönlich und anschließend durch einen Rechtsanwalt tätig geworden ist. So war gerade das Schreiben des Rechtsanwalts N.... vom 05.10.05 für den Zeugen H.... der Anlass, sich mit dem Auktionator B.... in Verbindung zu setzen. Auch für die Klägerin und den Zeugen H.... war damit erkennbar, dass der Auktionator B.... nicht mehr befugt war, in dieser Angelegenheit für die Beklagten Erklärungen abzugeben. Der Senat vermochte sich aufgrund der Aussage des Zeugen H.... aber auch nicht davon zu überzeugen, dass der Beklagte zu 2) mit einer weiteren Fristverlängerung einverstanden war, dies Herrn B.... mitgeteilt hat und dieser dann gegenüber dem Zeugen H.... (als Bote) die Erklärung des Beklagten zu 2) weitergegeben hat. Dagegen spricht schon der bereits erwähnte Umstand, dass die Beklagten in dieser Angelegenheit mittlerweile einen Rechtsanwalt eingeschaltet hatten und damit offenbar nicht mehr selbst tätig sein wollten. Dagegen spricht auch, dass der Zeuge H.... insoweit aus eigener Kenntnis keine Angaben machen konnte, weil er mit dem Beklagten selbst gar nicht gesprochen hat. Außerdem hat der Zeuge H.... auch auf Nachfrage des Gerichts nicht klar beantworten können, ob der Auktionator B.... nur geäußert hat, dass er persönlich die gesetzte Frist für zu kurz hielt, ob er die Frist möglicherweise (deshalb) ohne ausdrückliche Ermächtigung der Beklagten selbständig verlängert hat oder ob der Beklagte zu 2) ausdrücklich erklärt hat, mit einer weiteren Fristverlängerung einverstanden zu sein. Schließlich konnte auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass es sich bei dem Zeugen H.... um den Lebensgefährten der Klägerin handelt und er deshalb auch ein eigenes Interesse am Ausgang dieses Verfahrens hat.
Da eine weitere Fristverlängerung somit nicht festgestellt werden kann und die Klägerin innerhalb der bis 11.10.2005 verlängerten Frist nicht gezahlt hat, konnten die Beklagten wirksam von der am 05.09.2005 getroffenen Vereinbarung zurücktreten.
Die Beklagten sind entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus Treu und Glauben gehindert, sich auf die verspätete Zahlung zu berufen und deshalb von der Vereinbarung vom 05.09.2005 zurückzutreten. Denn es nicht als widersprüchliches Verhalten anzusehen, weil die Beklagten einerseits die (verspätete) Zahlung der Klägerin angenommen, gleichwohl aber das zunächst versprochene Darlehen (oder Stundung) nicht gewährt und sich insoweit von der Vereinbarung gelöst haben. Das Verhalten der Beklagten ist nicht treuwidrig, sondern durchaus nachvollziehbar. Es bestand aus ihrer Sicht kein Anlass, die (über-) fällige Teilzahlung abzulehnen, zumal sie dann möglicherweise riskiert hätten, am Ende ganz auszufallen. Die Beklagten mussten angesichts des zögerlichen Zahlungsverhaltens berechtigte Zweifel an der Zahlungsfähigkeit der Klägerin auch im Hinblick auf die vereinbarten Ratenzahlungen haben. Die Beklagten durften deshalb die verspätete Teilzahlung annehmen, ohne dadurch nach Treu und Glauben gehindert zu sein, aus der Verspätung die Konsequenzen des § 323 I BGB zu ziehen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO, die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711, 543 Abs. 2 Satz 1, 544 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.