Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 15.03.2007, Az.: 8 U 133/06

Verpflichtung zur Zurückgewährung von Versicherungsleistungen zur Insolvenzmasse; Benachteiligung der Insolvenzgläubiger als Voraussetzung der Schenkungsanfechtung; Wirkung eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses im Einzelfall; Bestimmung des Begriffs Unentgeltlichkeit der Leistung im Zusammenhang mit der Insolvenzanfechtung ; Unentgeltlichkeit des Erhaltes der Bezugsberechtigung aus Lebensversicherungsverträgen

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
15.03.2007
Aktenzeichen
8 U 133/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 50486
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2007:0315.8U133.06.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - 23.05.2006 - AZ: 8 O 3347/05
nachfolgend
BGH - 12.06.2008 - AZ: IX ZA 11/07

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Die Vorschrift des § 134 InsO verfolgt grundsätzlich den Zweck, dem Insolvenzverwalter aus Billigkeitsgründen die Möglichkeit zu geben, freigebige Zuwendungen aus dem Schuldnervermögen zugunsten der Insolvenzmasse auch dann rückgängig zu machen, wenn die strengeren Voraussetzungen der §§ 130 - 133 InsO nicht vorliegen. Freigebige Zuwendungen sind weniger schutzwürdig als ein Erwerb, für den der Empfänger ein ausgleichendes Vermögensopfer zu erbringen hatte; dieser soll sie daher billigerweise nicht auf Kosten der Allgemeinheit der Gläubiger behalten.

  2. 2.

    Zum Schutz der Gläubiger erfordert der Begriff der Unentgeltlichkeit eine weite Auslegung. Eine Lebensversicherung zugunsten eines Dritten gewährt diesem das Bezugsrecht im Allgemeinen unentgeltlich.

  3. 3.

    Die Ausschlagung der Erbschaft ist eine Möglichkeit, die grundsätzlich unbeschränkte Erbenhaftung des § 1967 BGB zu vermeiden, was insbesondere bei einem überschuldeten Nachlass Bedeutung gewinnen kann.

  4. 4.

    Die Benachteiligung der Gläubiger kennt der, der weiß, dass das Vermögen des späteren Schuldners nicht mehr ausreicht, um alle Verbindlichkeiten zu erfüllen, er also überschuldet bzw. zahlungsunfähig ist oder seine Zahlungsunfähigkeit droht. Dem Empfänger der unentgeltlichen Leistung müssen die auf die Gläubigerbenachteiligung objektiv hinweisenden tatsächlichen Umstände bekannt sein, wobei ihm eine normale Einsichtsfähigkeit zuzumuten ist. Beachtet er Umstände nicht, die auch ohne besonders hohe Aufmerksamkeit und besonders gründliche Überlegung zu der Erkenntnis führen, dass die Freigebigkeit des Schuldners die Gläubiger benachteiligt, so fehlt es an der Redlichkeit im Sinne des § 143 Abs. 2 S. 2 InsO.

  5. 5.

    Der Umstand, dass die unentgeltliche Leistung einer nahestehenden Person zugewandt worden ist, ist in der Regel bei der Beweiswürdigung von Bedeutung, auch wenn sich dadurch die Beweislast für die fehlende Redlichkeit nicht ändert.

  6. 6.

    Ablichtungen sind keine zulässigen Beweismittel.

  7. 7.

    Es fehlt an einer Entreicherung, wenn durch das Erlangte noch Vermögenswerte vorhanden sind oder Vorteile verschafft wurden. Die Tilgung eigener Schulden und Anschaffungen von Gegenständen führen nicht zu einem Wegfall der Bereicherung.

In dem Rechtsstreit
...
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht...,
den Richter am Oberlandesgericht ...und
den Richter am Oberlandesgericht ...
auf die mündliche Verhandlung vom 1. März 2007
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 23. Mai 2006 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

1

I.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über den Nachlass des am 15. November 2004 verstorbenen Rechtsanwalts und Notars Dr. G... K... (Amtsgericht Essen, Aktenzeichen 116 IN 117/05). Mit der Klage fordert er von der Beklagten, der Witwe des Erblassers, die Rückgewähr von Lebensversicherungsleistungen, die nach dem Tod des Erblassers an die Beklagte ausgezahlt worden sind.

2

Der Erblasser und die Beklagte waren seit 1993 verheiratet. Der Erblasser hatte bei verschiedenen Versicherungen insgesamt vier Lebensversicherungen abgeschlossen; in allen Verträgen hatte er der Beklagten widerrufliche Bezugsrechte eingeräumt. Im Jahr 2004 ermittelten Staatsanwaltschaft und Notarkammer gegen ihn, weil er fällige Fremdgelder nicht an die Berechtigten ausgezahlt hatte. Am 20. Juli 2004 schlossen die Beklagte und der Erblasser einen Übergabevertrag, durch den die Beklagte ihren hälftigen Eigentumsanteil an dem bisher beiden Parteien gemeinschaftlich gehörenden Hausgrundstück in E... auf den Erblasser übertrug. Am 15. November 2004 beging der Ehemann der Beklagten Selbstmord. Das Arbeitsverhältnis der Beklagten, die auch Angestellte in der Kanzlei ihres Ehemannes und dort für die Buchhaltung zuständig war, wurde von der Kanzleiabwicklerin im November 2004 fristlos gekündigt. In der Folgezeit schlug die Beklagte - testamentarische Alleinerbin ihres verstorbenen Ehemannes - die Erbschaft aus. Am 22. Dezember 2004 wurde die Rechtsanwältin G... aus E... zur Nachlasspflegerin bestellt. Am 6./7. Januar 2005 wurden die Versicherungsleistungen in Höhe von insgesamt 239.785,87 Euro an die Beklagte ausgezahlt. Mit Schreiben vom 27. Mai 2005 beantragte die Nachlasspflegerin wegen erheblicher Überschuldung des Nachlasses die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens über das Vermögen des Erblassers. Der Kläger wurde mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 31. Mai 2005 gemäß § 5 InsO zum Sachverständigen bestellt. Das Insolvenzverfahren wurde am 16. August 2005 eröffnet; der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter ernannt. Mit Schreiben von diesem Tage forderte er die Beklagte auf, die Versicherungsleistungen von 239.785,87 Euro zurückzuzahlen. Zur Begründung berief er sich auf eine Anfechtung gemäß § 134 Abs. 1 InsO. Die Beklagte erkannte nach Beratung über die Sach- und Rechtslage das Anfechtungsbegehren des Klägers mit anwaltlichem Schreiben vom 14. September 2005 dem Grunde nach an, wies allerdings darauf hin, dass sie nur noch über einen Betrag von 138.900,00 Euro verfüge und die Versicherungsleistungen im Übrigen schon verbraucht habe. Den Betrag von 138.900,00 Euro hat sie am 29. September 2005 an den Kläger zurückgezahlt.

3

Mit der Klage fordert der Kläger die Rückgewähr des Restbetrages von 100.885,87 Euro. Er vertritt die Auffassung, die Beklagte habe die von den Versicherungen gezahlten Beträge durch eine unentgeltliche Leistung ihres verstorbenen Ehemannes in nach § 134 InsO anfechtbarer Weise erlangt. Die Übertragung des hälftigen Miteigentums an dem gemeinsamen Hausgrundstück sei nicht als Gegenleistung anzusehen. Die danach unentgeltliche Leistung des Erblassers habe eine Gläubigerbenachteiligung verursacht. Gegenüber dem Rückgewähranspruch könne sich die Beklagte infolge Bösgläubigkeit im Sinne des § 143 Abs. 2 InsO nicht darauf berufen, sie sei nicht mehr bereichert.

4

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 100.885,87 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 239.785,87 Euro vom 30. August 2005 bis zum 28. September 2005 und auf 100.885,87 Euro seit dem 29. September 2005 sowie 1.570,41 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. Oktober 2005 zu zahlen.

5

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

6

Die Beklagte hat bestritten, die Bezugsberechtigung aus den Lebensversicherungsverträgen unentgeltlich erhalten zu haben. Vielmehr habe es sich um eine Gegenleistung für die Überschreibung ihres hälftigen Miteigentumsanteils auf den Erblasser gemäß notariellem Vertrag vom 20. Juli 2004 gehandelt. Die Immobilie habe der Kläger anschließend unter Wert veräußert. Weiter hat sich die Beklagte auf ihre Entreicherung berufen; wegen der Einzelheiten wird auf die Anlagen zum Schriftsatz vom 9. Januar 2006 Bezug genommen. Von einer Gläubigerbenachteiligung habe sie nichts gewusst.

7

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung verurteilt.

8

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie ergänzt und vertieft ihr Vorbringen dazu, dass der Erblasser ihr die Bezugsrechte aus den Lebensversicherungsverträgen entgeltlich übertragen habe. Das Hausgrundstück habe einen Wert von über 600.000,00 Euro gehabt und sei bei weitem nicht wertausschöpfend belastet gewesen. Eine Gläubigerbenachteiligung bestreitet sie; insbesondere im Hinblick auf erhebliche Schadensersatzansprüche gegen den bei der Errichtung des Wohnhauses tätigen Architekten sowie den Statiker sei der Nachlass nicht überschuldet gewesen. Daneben beruft sie sich weiterhin auf ihre Entreicherung und die fehlende Bösgläubigkeit.

9

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

10

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

11

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Er bestreitet das Vorbringen der Beklagten zum Verkehrswert des Hausgrundstücks; weiter trägt er vor, die beiden von dem Erblasser (bzw. jetzt von ihm) und der Beklagten geführten Bauprozesse würden voraussichtlich auf Vorschlag des Gerichts vergleichsweise gegen Zahlung eines Betrages von 160.000,00 Euro beigelegt werden. Die Insolvenzgläubiger könnten allenfalls mit einer Quote in Höhe von 10% rechnen.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

13

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

14

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückgewähr der Versicherungsleistungen in Höhe von 100.885,87 EUR gemäß den §§ 143 Abs. 1 und 2, 134 InsO.

15

1.

Die Beklagte ist dem Grunde nach aufgrund eines von ihr erklärten Anerkenntnisses zur Rückgewähr verpflichtet.

16

Die Beklagte hat mit anwaltlichem Schreiben vom 14. September 2005 das Anfechtungsbegehren dem Grunde nach anerkannt, nachdem sie von ihren Prozessbevollmächtigten über die Sach- und Rechtslage aufgeklärt worden war; sie hat sodann einen Betrag von 138.900 EUR zurückgezahlt. Darin liegt ein deklaratorisches Anerkenntnis im Sinne des § 781 BGB; die Parteien haben durch das Schreiben vom 14. September 2005 und durch das vorherige Schreiben des Klägers vom 16. August 2005 einen Schuldbestätigungsvertrag geschlossen. Damit haben sie ihre Rechtsbeziehungen in dem Sinne geregelt, dass zwischen ihnen ein Rückgewährschuldverhältnis gemäß den §§ 134, 143 InsO besteht; dieses Schuldverhältnis haben sie dem Grunde nach dem Streit entzogen. Die Beklagte hat sich in dem genannten Schreiben im Folgenden nur auf ihre teilweise Entreicherung und die fehlende Kenntnis der Pflicht zur Rückgewähr berufen.

17

Die Wirkung des deklaratorischen Schuldanerkenntnisses im Einzelfall ist Auslegungsfrage. Zunächst ist es hier wirksam auf den Grund des Rückgewähranspruchs beschränkt worden. Die Beklagte hat, was auch in der Rückgewähr nur des noch vorhandenen Betrags zum Ausdruck kommt, lediglich den Anspruchsgrund anerkannt; den Entreicherungseinwand hat sie sich ausdrücklich vorbehalten und sich zur Abwehr des Anspruchs im Einzelnen darauf berufen, sie sei gutgläubig davon ausgegangen, dass ihr die Versicherungsleistung zustehe. Das hat zur Folge, dass alle weiteren möglichen Einwendungen tatsächlicher oder rechtlicher Natur insbesondere zum Grund des Anspruchs für die Zukunft ausgeschlossen werden, die die Beklagte bei Abgabe kannte oder mit denen sie mindestens rechnete; auf unbekannte oder künftige Einwendungen wird hingegen regelmäßig nicht verzichtet. Dementsprechend hat sich die Beklagte in erster Instanz neben dem Bestreiten der Unentgeltlichkeit der Zuwendung hauptsächlich mit dem Entreicherungseinwand verteidigt.

18

2.

Die Beklagte wendet sich mit der Berufung gegen die Feststellung des Landgerichts, sie habe die Versicherungsleistungen durch eine unentgeltliche Leistung ihres verstorbenen Ehemannes - des Schuldners - in nach § 134 InsO anfechtbarer Weise erlangt. Dieser Berufungsangriff hat keinen Erfolg.

19

Zu den Anspruchsvoraussetzungen des § 134 InsO gehört die Unentgeltlichkeit der Leistung des Schuldners. Die Beklagte erwähnt in dem anwaltlichen Schreiben vom 14. September 2005, sie habe davon ausgehen dürfen, "dass sie die Versicherungsleistung als entgeltliche Leistung für die Übertragung des hälftigen Immobilienanteils an ihren verstorbenen Ehemann werde behalten dürfen". Hätte sie mit dem Erblasser eine in diesem Sinne entgeltliche Übertragung vereinbart und wäre ihre Gegenleistung gleichwertig, so bestünde schon mangels Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen kein Rückgewähranspruch. Trotzdem hat die Beklagte den Anspruch dem Grunde nach anerkannt und den noch bei ihr vorhandenen Teil der Versicherungsleistungen gezahlt. Erfolgsaussicht im Hinblick auf den Anspruchsgrund hat sie diesem Umstand damit nicht beigemessen. Das führt insgesamt dazu, dass sie mit diesem Einwand ausgeschlossen ist; sie mag zwar eine entgeltliche Leistung des Schuldners für möglich gehalten haben, sie hat sich mit dieser Einwendung aber letztlich nicht verteidigt und diese damit dem Streit entzogen. Dafür spricht weiter, dass die angebliche Entgeltlichkeit der Zuwendung nur im Zusammenhang mit dem Entreicherungseinwand genannt und als Argument für die fehlende Bösgläubigkeit im Sinne des ausdrücklich zitierten § 143 Abs. 2 InsO gebraucht wird.

20

Das Vorbringen der Beklagten ergibt des weiteren nicht, dass die Übertragung des hälftigen Miteigentums an dem Hausgrundstück eine entgeltliche Leistung war; Einwendungen, mit denen sie nach Maßgabe der unter 1. aufgeführten Grundsätze nicht ausgeschlossen ist, trägt sie auch in der Berufungsinstanz nicht vor.

21

Die Vorschrift des § 134 InsO verfolgt grundsätzlich den Zweck, dem Insolvenzverwalter aus Billigkeitsgründen die Möglichkeit zu geben, freigebige Zuwendungen aus dem Schuldnervermögen zugunsten der Insolvenzmasse auch dann rückgängig zu machen, wenn die strengeren Voraussetzungen der §§ 130 - 133 InsO nicht vorliegen. Freigebige Zuwendungen sind weniger schutzwürdig als ein Erwerb, für den der Empfänger ein ausgleichendes Vermögensopfer zu erbringen hatte; dieser soll sie daher billigerweise nicht auf Kosten der Allgemeinheit der Gläubiger behalten (vgl. HK-InsO/Kreft, 4. Aufl., § 134 RdNr. 2). Eine Leistung ist unentgeltlich, wenn der Empfänger (= Anfechtungsgegner) für sie vereinbarungsgemäß keine ausgleichende Gegenleistung zu erbringen hat. Der Leistung des Schuldners muss aufgrund einer Vereinbarung eine werthaltige Gegenleistung des Anfechtungsgegners gegenüberstehen; ob dies der Fall ist, ist nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu entscheiden. Zum Schutz der Gläubiger erfordert der Begriff der Unentgeltlichkeit eine weite Auslegung (vgl. HK-InsO/Kreft a.a.O.., § 134 RdNr. 7 f.). Eine Lebensversicherung zugunsten eines Dritten gewährt diesem das Bezugsrecht im Allgemeinen unentgeltlich (vgl. MünchKommInsO/Kirchhof § 134 RdNr. 16).

22

Die Beklagte behauptet, das - bis dahin widerrufliche - Bezugsrecht sei ihr im Hinblick auf die Übertragung ihres hälftigem Miteigentums an dem gemeinsamen Hausgrundstück auf den Schuldner gewährt worden; der Schuldner habe ihr zugesichert, das Bezugsrecht in ein unwiderrufliches umzuwandeln. Dem steht entgegen, dass der notarielle Übergabevertrag vom 20. Juli 2004 in § 3 die Bestimmung enthält, dass dort ein Übergabepreis nicht vereinbart wird. Die Beklagte ist lediglich von den auf den Grundstück lastenden Verbindlichkeiten freigestellt worden, was keine Gegenleistung im Sinne des § 134 InsO ist. Angesichts der durch eine weitere Grundschuld abzusichernden Kreditaufnahme im Juli 2004 und der wertausschöpfenden Belastung des an die Sparkasse E... verpfändeten Grundstücks, die sich aus den Berichten der Nachlasspflegerin und des Insolvenzverwalters ergibt, ist der Verzicht auf die Vereinbarung einer Gegenleistung auch plausibel. Auf die salvatorischen Klauseln in § 8 des Vertrages kann sich die Beklagte nicht berufen; angesichts des eindeutigen Wortlauts in § 3 kann weder von einer Lücke des Vertrages noch von einer unwirksamen Bestimmung gesprochen werden, die durch eine gleichwertige Ersatzbestimmung zu schließen bzw. zu ersetzen wäre. Die Übertragung des Miteigentumsanteils wäre der Einräumung von unwiderruflichen Bezugsrechten zudem objektiv nicht gleichwertig. Weiterhin hat der Schuldner in dem mehrmonatigen Zeitraum zwischen dem Vertragsschluss und seinem Tod die Bezugsrechte nicht in unwiderrufliche umgewandelt; das spricht gegen die Vereinbarung eines Entgelts außerhalb des notariellen Vertrages. Einseitig gebliebene Vorstellungen der Beklagten vermögen eine Entgeltlichkeit nicht zu begründen.

23

Die Beklagte macht in der Berufungsinstanz geltend, dass das Grundstück einen die Belastungen deutlich übersteigenden Wert von mindestens 600.000 EUR gehabt habe. Das hat aus mehreren Gründen keinen Erfolg. Zum einen geht es hier um eine Einwendung, die sie bei der Abgabe des Anerkenntnisses entweder kannte oder mit der sie mindestens rechnen musste. Sie macht nicht geltend, dass ihr Kenntnisstand zu diesem Zeitpunkt ein anderer war als jetzt. Die Wertangabe ist zudem nach dem Inhalt der Akten ersichtlich nicht realistisch. Das Grundstück war zum Zeitpunkt des Übergabevertrages mit einer voll valutierenden Grundschuld von 255.646 EUR belastet; die Grundpfandgläubigerin (Sparkasse E...) hatte ausweislich des Berichts der Nachlasspflegerin Forderungen von 543.413,22 EUR, von denen - bezogen auf den Zeitpunkt des Übergabevertrages - nur die später ausgezahlten Darlehensmittel von 75.000 EUR abzusetzen sind. Das Wohnhaus wies erhebliche statische Mängel und Feuchtigkeitserscheinungen und -schäden auf; deswegen führten der Schuldner und die Beklagte Prozesse vor dem LG Essen und dem OLG Hamm. Das Grundstück ist mit Genehmigung der Gläubigerversammlung für 150.000 EUR verkauft worden. Der spätere Erwerber hatte zuvor - als ihm die Feuchtigkeitsschäden noch nicht bekannt waren - auch nur 250.000 EUR geboten, hatte das Angebot dann aber auf 150.000 EUR reduziert. Der im Immobiliengeschäft tätige Bruder der Beklagten hat ausweislich der von den Parteien vorgelegten Korrespondenz einen Kaufpreis von 160.000 oder 180.000 EUR geboten und von "Vermarktungsmöglichkeiten bis zu 250.000 EUR" gesprochen. Die an die weitere Kreditvergabe von 250.000 EUR gegen Eintragung einer weiteren Grundschuld von 200.000 EUR geknüpften Erwägungen zum Verkehrswert sind nicht plausibel. Sie lassen außer Acht, dass es nur um eine befristete Vorfinanzierung der Sanierungskosten im Hinblick auf die laufenden, offenbar erfolgversprechenden Prozesse ging. Ein die Grundstücksbelastungen von 255.646 EUR übersteigender Wert ist danach ausgeschlossen, eine entgeltliche Zuwendung scheidet angesichts der wertausschöpfenden Belastung des Grundstücks aus.

24

3.

Weitere Voraussetzung der Schenkungsanfechtung ist eine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger, § 129 ZPO. Die Rechtshandlung - die Einräumung widerruflicher Bezugsrechte - muss zu einer Verkürzung der Aktivmasse geführt und dadurch den Zugriff auf das Schuldnervermögen vereitelt oder erschwert haben; die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger müssen sich ohne die Rechtshandlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet haben (vgl. HK-InsO/Kreft a.a.O.., § 129 RdNr. 36). Das Fehlen einer solchen Gläubigerbenachteiligung macht die Beklagte in der Berufungsinstanz ohne Erfolg geltend.

25

Die Beklagte trägt im Hinblick auf die Gläubigerbenachteiligung Einwendungen, mit denen sie nach Maßgabe der unter 1. aufgeführten Grundsätze nicht ausgeschlossen ist, nicht vor. Aus ihrem Vorbringen folgt des weiteren nicht, dass die Einräumung widerruflicher Bezugsrechte und die darauf zurückzuführende Auszahlung der Versicherungsleistungen nicht zu einer Schmälerung der Aktivmasse und einer Beeinträchtigung der Befriedigungsmöglichkeiten der Gläubiger geführt hat.

26

Die Auslegung des Anerkenntnisses im Schreiben vom 14. September 2005 ergibt, dass die Beklagte bei dessen Abgabe eine Gläubigerbenachteiligung annahm oder für möglich hielt; ansonsten hat das Anerkenntnis dem Grunde nach und der Vorbehalt lediglich des Entreicherungseinwandes keinen Sinn. Hintergrund werden sicherlich die anlässlich der Ausschlagung der Erbschaft, die zwischen dem 15. November 2004 (Tod des Schuldners) und dem 22. Dezember 2004 (Anordnung der Nachlasspflegschaft) erfolgt sein muss, gewonnenen Erkenntnisse zum Stand des Nachlasses gewesen sein. Die Ausschlagungsfrist dient allgemein dazu, dem Erben Gelegenheit zu geben, sich über den Bestand des Nachlasses zu unterrichten und sich über Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft schlüssig zu werden; auch die Beklagte muss derartige Überlegungen angestellt haben. Die Ausschlagung der Erbschaft ist eine Möglichkeit, die grundsätzlich unbeschränkte Erbenhaftung des § 1967 BGB zu vermeiden, was insbesondere bei einem überschuldeten Nachlass Bedeutung gewinnen kann.

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Anhaltspunkte dafür, dass sie schon Ende des Jahres 2004 von einem überschuldeten Nachlass ausging, folgen aus dem von ihr vorgelegten psychiatrischen Gutachten vom 28. August 2006. Dort heißt es nämlich, dass erst in der Folge der weiteren Erkenntnisse nach dem Suizid die Überschuldung des Herrn K... klar wurde, die Unregelmäßigkeiten/Unterschlagungen entdeckt wurden, und dass es ein herber Schlag für die Beklagte gewesen sei, sich dazu zu entschließen, "das gesamte Erbe - da überschuldet - auszuschlagen". Die Erklärung im Schriftsatz vom 26. Februar 2007, damit sei gemeint, dass sie erst durch die Anfechtung des Klägers Kenntnis von der Überschuldung des Nachlasses erlangt habe, ist angesichts der aus dem Prozessstoff hervorgehenden Gesamtumstände unzureichend. Weiterer Grund für die Ausschlagung der Erbschaft mag gewesen, dass die Beklagte, wie sie bei ihrer Anhörung durch den Senat bekundet hat, wegen der laufenden straf-, zivil- und arbeitsrechtlichen Verfahren mit der Veräußerung von Haus und Praxis und der sonstigen Abwicklung des Nachlasses nichts zu tun haben wollte. In jeder Hinsicht schlüssig ist dieses Argument jedoch nicht; bei der Abwicklung hätte sie sich, wenn sie selbst dazu nicht in der Lage gewesen sein sollte, der Hilfe sachverständiger Berater bedienen können, wovon sie im Übrigen bei den gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren, an denen sie im fraglichen Zeitraum beteiligt war, Gebrauch gemacht hat.

28

Aufgrund der Ermittlungen der Nachlasspflegerin und nach gerichtlicher Prüfung der Insolvenzgründe ist schließlich das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Daraus folgt das Vorlegen einer Überschuldung.

29

Diese Umstände ergeben insgesamt, dass die Beklagte bei Abgabe des Schuldanerkenntnisses die Tatsache der Gläubigerbenachteiligung wenn nicht kannte, so doch mindestens mit ihr rechnete. Sie ist deshalb mit dem jetzt erhobenen Einwand der fehlenden Gläubigerbenachteiligung ausgeschlossen. In der Sache war der Nachlass tatsächlich überschuldet; neue, ihr bei Abgabe des Anerkenntnisses unbekannte Gesichtspunkte trägt die Beklagte nicht vor.

30

Die Überschuldung folgt aus den Berichten der Nachlasspflegerin und des Insolvenzverwalters. Die Nachlasspflegerin beziffert die Verbindlichkeiten mit 665.378,91 EUR; der Kläger, der seinem Bericht allerdings nicht die Insolvenztabelle beigefügt hat, rechnet ohne eine nähere Begründung mit einer Quote von 10%, die sich allerdings bei erfolgreichem Verlauf der geführten Prozesse noch erhöhen könne. Die Kosten des Insolvenzverfahrens sollen etwa 40.000 EUR betragen, die Nachlasspflegerin soll eine Vergütung von 1.677,52 EUR erhalten.

31

Dabei nicht berücksichtigt sind der Erlös aus dem Verkauf des Hausgrundstücks (150.000 EUR), um den sich abzüglich einer Kostenpauschale von 7.500 EUR die Forderungen der Hauptgläubigerin, der Sparkasse E..., mindern, sowie der von der Beklagten gezahlte Betrag von 138.900 EUR. Der Rechtsstreit vor dem OLG Hamm wird nach Angaben des Klägers voraussichtlich aufgrund Vergleichsvorschlags des Senats einen Betrag von 160.000 EUR erbringen, der der Insolvenzmasse und der Beklagten jeweils zur Hälfte zugute kommen wird. Die Verbindlichkeiten und die Kosten sind mit diesen weiteren Vermögenswerten von ca. 370.000 EUR noch nicht gedeckt. Auch die Klageforderung reicht dafür nicht aus.

32

Die entgegenstehende Auffassung der Beklagten zur Überschuldung des Nachlasses gründet sich zunächst auf einen höheren Wert des Hausgrundstücks. Das trifft aber aus den oben unter 2. genannten Gründen nicht zu. Aus der Darlehensgewährung der Sparkasse E... an den Schuldner im Jahr 2004 kann ebenso wenig etwas zugunsten der Höhe des Vermögens des Schuldners hergeleitet werden; dieser Umstand belegt vielmehr, dass er nicht über liquide Mittel oder Rücklagen verfügte. Die Höhe der Schadensersatzansprüche gegen Architekt und Statiker beziffert die Beklagte gemäß einem Schreiben des Schuldners vom 1. Dezember 2003 mit 688.142,16 EUR. Aus einem Schreiben des Schuldners vom 6. Mai 2003 an die Sparkasse E..., in dem er um die Bewilligung einer Zwischenfinanzierung bat, ergibt sich anderes. Danach gab es nicht rechtskräftig titulierte Schadensersatzansprüche von 47.434,79 EUR sowie Gutachten über Bauschäden von 85.838,42 EUR und 260.000 EUR. In der Sache geht es um Kostenvoranschläge und Schätzungen von Bausachverständigen, die in keinem Verhältnis zum Wert des Hausgrundstücks stehen. Der Vergleichsvorschlag des OLG Hamm bewegt sich hingegen bei 160.000 EUR. Die Schadensersatzansprüche müssen der Beklagten, die selbst Partei der Prozesse war und ist, zudem im Einzelnen bekannt gewesen sein; sie hat trotzdem die Erbschaft ausgeschlagen und den Rückgewähranspruch anerkannt und ist deshalb mit dieser Einwendung ausgeschlossen.

33

Schließlich meint die Beklagte, die Anwaltspraxis sei für 875.000 EUR zu veräußern gewesen. Auch das ist ein Umstand, der ihr bei der Anerkennung des Rückgewähranspruchs bekannt gewesen sein muss. Im Übrigen ist dieses Vorbringen ohne hinreichende tatsächliche Substanz. Es kommt hinzu, dass die Umstände der Beendigung der anwaltlichen Tätigkeit des Schuldners (Veruntreuung von Fremdgeldern mindestens in Höhe von 150.000 EUR, Strafverfolgung und dienstaufsichtliche Ermittlungen, schließlich Selbstmord) der Suche nach einem Käufer und einer Veräußerung entscheidend entgegen standen. Eine geordnete Übertragung der Praxis auf einen Nachfolger dürfte unter diesen Umständen kaum möglich gewesen sein, so dass nur die Abwicklung der Praxis blieb.

34

4.

Die Beklagte hat damit die von ihr erlangten Versicherungsleistungen zur Insolvenzmasse zurückzugewähren bzw. Wertersatz zu leisten (§ 143 Abs. 1 InsO). Sie kann sich gegenüber diesem Rückgewähranspruch nicht darauf berufen, sie sei nicht mehr bereichert (§ 143 Abs. 2 InsO). Die von ihr getätigten Ausgaben (Anlagenkonvolut B 5), die der Kläger zudem zulässig bestritten hat, fallen in einen Zeitraum (Januar bis August 2005), in dem sie mindestens den Umständen nach wissen musste, dass die unentgeltliche Gewährung der Bezugsrechte die Gläubiger benachteiligte, § 143 Abs. 2 S. 2 InsO.

35

Die Benachteiligung der Gläubiger kennt, wer weiß, dass das Vermögen des späteren Schuldners nicht mehr ausreicht, um alle Verbindlichkeiten zu erfüllen, er also überschuldet bzw. zahlungsunfähig ist oder seine Zahlungsunfähigkeit droht. Dem Empfänger der unentgeltlichen Leistung müssen die auf die Gläubigerbenachteiligung objektiv hinweisenden tatsächlichen Umstände bekannt sein, wobei ihm eine normale Einsichtsfähigkeit zuzumuten ist. Beachtet er Umstände nicht, die auch ohne besonders hohe Aufmerksamkeit und besonders gründliche Überlegung zu der Erkenntnis führen, dass die Freigebigkeit des Schuldners die Gläubiger benachteiligt, so fehlt es an der Redlichkeit im Sinne des § 143 Abs. 2 S. 2 InsO (vg. MünchKommInsO/Kirchhof § 143 RdNr. 106 f.; HK-InsO/Kreft a.a.O.., § 143 RdNr. 29 ff.). Die von der Beklagten in Abrede gestellte Unredlichkeit muss zwar der Kläger/Insolvenzverwalter als Anfechtender beweisen (MünchKommInsO/Kirchhof a.a.O.., RdNr. 112). Ob für nahestehende Personen im Sinne des § 138 Abs. 1 InsO - die Beklagte gehört zu diesem Personenkreis - eine andere Beweislastverteilung anzunehmen, kann dahin stehen; jedenfalls ist das Näheverhältnis bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen. Die Beklagte hatte aufgrund der nachfolgenden Umstände derartige Kenntnisse; sie unterliegt deshalb der Haftung des § 143 Abs. 2 S. 2 InsO.

36

Die Beklagte, testamentarische Alleinerbin ihres Ehemannes (des Schuldners), hat noch im November/Dezember 2004 das Erbe ausgeschlagen, weshalb am 22. Dezember 2004 die Nachlasspflegschaft angeordnet wurde. Es liegt aus den bereits oben unter 3. genannten Gründen auf der Hand, dass die Ausschlagung entsprechend allgemeiner Erfahrung im Hinblick auf die Überschuldung des Nachlasses erfolgte (vgl. den Bericht der Nachlasspflegerin vom 30. März 2005). Für eine Überschuldung spricht auch der von der Beklagten vorgelegte Abschiedsbrief ihres Ehemannes; dem dort enthaltenen Passus "Wenn nach Ablösung aller Schulden noch etwas übrig bleiben sollte, erben dies..." ist diese Tatsache deutlich zu entnehmen. Dass allein der bei der mündlichen Anhörung vorgebrachte Umstand, dass sie nach einer Ausschlagung des Nachlasses mit der Abwicklung des Nachlasses und der Kanzlei nichts mehr zu tun haben würde, der Beweggrund gewesen sein soll, ist aufgrund der Gesamtumstände nicht überzeugend. Die Beklagte geht selbst davon aus, dass ihr Ehemann einen großzügigen Lebensstil pflegte und häufig hohe Geldausgaben tätigte. Sie wusste aus den Geschehnissen im Jahr 2004, dass der Schuldner erheblichen Kapitalbedarf hatte (250.000 EUR gemäß Darlehen der Sparkasse E... vom 4. März 2004). Daneben entnahm er den Notaranderkonten Fremdgelder von ca. 150.000 EUR. Liquide Mittel waren ersichtlich nicht vorhanden. Zu diesem Zeitpunkt lebte die Beklagte noch nicht von diesem getrennt (so ihr Aktenvermerk Anl. B 1); sie ist ausweislich des von ihr vorgelegten Gutachtens erst Ende Juli 2004 nach O... umgezogen. Sie war weiterhin in der Kanzlei ihres Ehemannes beschäftigt, und zwar bis nach dessen Tod im November 2004. Dort hat sie die Bücher, wenn auch ihren Angaben zufolge nicht die Notaranderkonten geführt. Die erheblichen finanziellen Schwierigkeiten des Schuldners bzw. die Überschuldung des Nachlasses können ihr unter diesen Umständen selbst dann nicht verborgen geblieben sein, falls sie keine Kenntnis von den Veruntreuungen des Schuldners gehabt hat. Sie war weiterhin zusammen mit dem Schuldner Miteigentümerin des Hausgrundstücks. Für die weitere Kreditaufnahme im Frühjahr/Sommer 2004 wollte sie die Mithaft nicht übernehmen. Sie gehört zu den Personen, die als dem Schuldner nahestehend nach § 138 Abs. 1 Nr. 1 InsO anzusehen sind und von denen durchweg anzunehmen ist, dass sie über besondere Informationsmöglichkeiten hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners verfügen. Der Umstand, dass die unentgeltliche Leistung einer nahestehenden Person zugewandt worden ist, ist - wie hier - in der Regel bei der Beweiswürdigung von Bedeutung, auch wenn sich dadurch die Beweislast für die fehlende Redlichkeit nicht ändert. Weiter ist aufgrund des bei ihrer persönlichen Anhörung von dem Senat gewonnenen Eindrucks auszuschließen, dass die Beklagte als Ehefrau und Angestellte des Schuldners keinen Einblick in die - weitgehend gemeinsamen - finanziellen Verhältnisse gehabt und diese Dinge - mit der Ausnahme der Notaranderkonten - ihrem verstorbenen Ehemann überlassen hat.

37

Die Unredlichkeit muss sich auf die Gläubigerbenachteiligung beziehen. Die Beklagte kann sich deshalb nicht darauf berufen, dass die Versicherungsunternehmen die Versicherungsleistungen ohne weiteres ausgezahlt haben und von einem der Beklagten gegen sie bestehenden Anspruch auf diese Leistungen ausgegangen sind. Das betrifft ersichtlich nur den Umstand, dass die Versicherungsleistungen nicht in den Nachlass fielen; zu insolvenzrechtlichen Fragen besagen die Schreiben der Versicherungen erkennbar nichts. Das gilt auch für das Schreiben der A... Lebensversicherung vom 16. September 2005, das zudem aus der Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens stammt.

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Auf die Änderung der Rechtsprechung mit der Entscheidung BGHZ 156, 350 ff. kann sie sich ebenso wenig berufen. Zwar wurde zuvor in Rechtsprechung und Schrifttum angenommen, es seien nur die im Anfechtungszeitraum geleisteten Prämienzahlungen, nicht aber die gesamte Versicherungsleistung zurückzuzahlen; einen Vertrauensschutz, den der Bundesgerichtshof - der diese Rechtsfrage zuvor noch nicht zu entscheiden hatte - auch der Beklagten der genannten Entscheidung nicht gewährt hat, kann die Beklagte hier nicht in Anspruch nehmen. Es war stets grundsätzlich anerkannt, dass unentgeltliche Leistungen bei einer Gläubigerbenachteiligung zurückzugewähren sind.

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Der Beklagten schadet die Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung im gesamten Zeitraum zwischen dem Empfang der Leistung bis zum Eintritt der Entreicherung (vgl. HK-InsO/Kreft a.a.O.., § 143 RdNr. 32). Hier konnte die Beklagte - wie ausgeführt - spätestens bei Ausschlagung der Erbschaft im November/Dezember 2004 erkennen, dass der Nachlass überschuldet war. Die Ausgaben, auf die sie sich für ihre Entreicherung beruft, liegen im Zeitraum von Januar bis August 2005, also zeitlich vor dem Aufforderungsschreiben des Klägers. Für die ab Juni 2005 getätigten Ausgaben kann sie sich aus einem weiteren Grund, nämlich der Mitteilung des Amtsgerichts Essen vom 31. Mai 2005 über die Bestellung des Klägers als Sachverständigen zwecks Aufklärung des Sachverhalts (§ 5 InsO), nicht auf eine Entreicherung berufen. Auch dieser Umstand musste ihr in Verbindung mit ihrem ohnehin gegebenen Kenntnistand die Annahme nahe legen, dass die Befriedigung der Gläubiger durch die unentgeltliche Leistung verkürzt wurde.

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Angesichts dessen kann dahinstehen, ob - was die Berufung weiterhin geltend macht - die Beklagte entreichert ist (vgl. zu den Voraussetzungen der Entreicherung MünchKommInsO/Kirchhof a.a.O.., § 143 RdNr. 104), insbesondere eigene finanzielle Mittel nicht erspart oder Luxusausgaben getätigt hat. Die Beklagte als Anfechtungsgegnerin hat zu beweisen, dass und aus welchen Gründen ihr eine Rückgewähr in Natur nicht möglich ist (vgl. MünchKommInsO/Kirchhof a.a.O.., § 143 RdNr. 110). Sie hat eine größere Anzahl von Belegen über Reisen, Anschaffungen usw. in Ablichtung vorgelegt (s. Anlagenband). Beweis hat sie ansonsten nicht angeboten. Der Kläger hat dieses Vorbringen zulässig (§ 138 Abs. 4 ZPO) mit Nichtwissen bestritten. Die Beklagte ist daher als beweisfällig anzusehen sein; Ablichtungen sind keine zulässigen Beweismittel. Ohnehin fehlt es an einer Entreicherung, wenn sie sich durch das Erlangte noch in ihrem Vermögen vorhandene Werte oder Vorteile verschafft hat (vgl. BGHZ 118, 383, 386 f.) [BGH 17.06.1992 - XII ZR 119/91]. Die Tilgung eigener Schulden - hier insbesondere die Rechts- und Steuerberatungskosten - und Anschaffungen von Gegenständen führen damit nicht zu einem Wegfall der Bereicherung.

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5.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.