Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 06.05.2021, Az.: 1 U 10/21

Eintrittspflicht der Betriebsschließungsversicherung bei Betriebsschließungen aufgrund der Covid-19-Pandemie

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
06.05.2021
Aktenzeichen
1 U 10/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 37682
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Aurich - 21.12.2020 - AZ: 3 O 513/20

Fundstellen

  • NJW-RR 2021, 1042-1045 "Betriebsschließungsversicherung"
  • VersR 2021, 965-967
  • r+s 2021, 567

Amtlicher Leitsatz

Definieren die Bedingungen einer Betriebsschließungsversicherung meldepflichtige Krankheiten oder Krankheitserreger, welche unter bestimmten wei-teren Voraussetzungen einen Entschädigungsanspruch begründen können, als

"die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich ge-nannten Krankheiten oder Krankheitserreger",

so sind Betriebsschließungen infolge der Krankheit COVID-19 beziehungs-weise des Krankheitserregers SARS-CoV-2 grundsätzlich nicht vom Versi-cherungsschutz umfasst, wenn sich an die zitierte Klausel eine Auflistung einzelner Krankheiten und Krankheitserreger anschließt, in der weder COVID-19 noch SARS-CoV-2 genannt sind.

Da das Ergebnis der objektiven Auslegung insoweit eindeutig ist, gelangt die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB nicht zur Anwendung. Ebenso wenig bestehen unter dem Gesichtspunkt des § 307 BGB durchgreifende Bedenken gegen die Wirksamkeit der Klausel.

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 21.12.2020 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Aurich, Geschäfts-Nr. 3 O 513/20, wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Betriebsschließungsversicherung im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.

Der Kläger unterhält für das von ihm in (...) betriebene "AA's Hotel" bei der Beklagten eine solche Versicherung. Die Versicherungssumme beträgt 1.644.222,00 €. Das Versicherungsverhältnis ist näher ausgestaltet durch die Zusatzbedingungen für die Versicherung von Betrieben gegen Schäden durch Betriebsschließung infolge Infektionskrankheiten aufgrund behördlicher Anordnungen nach dem Infektionsschutzgesetz (Betriebsschließung) - Fassung 2016 (Anlage B 1; nachfolgend: Zusatzbedingungen).

Nach § 1 Abs. 1 der Zusatzbedingungen leistet der Versicherer Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des IfSG beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger den versicherten Betrieb schließt. Hinsichtlich der Begriffe Krankheit und Krankheitserreger nimmt diese Regelung Bezug auf § 1 Abs. 2 der Zusatzbedingungen.

Dieser lautet:

"Meldepflichtige Krankheiten oder Krankheitserreger

Meldepflichtige Krankheiten oder Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten oder Krankheitserreger:"

Es schließt sich eine Auflistung einzelner Krankheiten und Krankheitserreger an, wobei weder COVID-19 noch SARS-CoV-2 aufgeführt werden. Wegen der Einzelheiten wird auf § 1 Abs. 2 der Zusatzbedingungen Bezug genommen.

Der Landkreis Wittmund untersagte mit einer Allgemeinverfügung vom 18.03.2020 Betreibern von Hotels, Personen zu touristischen Zwecken zu beherbergen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe einen Anspruch auf die Versicherungsleistung für einen Zeitraum von 30 Tagen. Die Auslegung der Zusatzbedingungen ergebe, dass auch die Betriebsschließung wegen der Krankheit COVID-19 bzw. des Krankheitserregers SARS-CoV-2 vom Versicherungsschutz umfasst sei. Mit seiner Klage hat er die Entschädigung für den 19.03.2020 geltend gemacht. Hierzu hat er vorgetragen, die tägliche Entschädigungssumme betrage 5.003,89 €.

Er hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.003,89 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.04.2020 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die in § 1 Abs. 2 der Zusatzbedingungen enthaltene Auflistung von Krankheiten und Krankheitserregern sei abschließend.

Das Landgericht hat die Klage mit dem am 21.12.2020 verkündeten Urteil, das gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO in Bezug genommen wird, abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Betriebsschließung sei hier nicht wegen des Auftretens einer meldepflichtigen Krankheit oder eines meldepflichtigen Krankheitserregers im Sinne der Zusatzbedingungen angeordnet worden. Dies ergebe die Auslegung der Regelungen in § 1 der Zusatzbedingungen. Diese Regelungen seien auch nicht intransparent.

Hiergegen richtet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er sein erstinstanzliches Klageziel weiterverfolgt. Zur Begründung wiederholt und vertieft er seinen Vortrag aus der ersten Instanz.

Er beantragt,

das Urteil des Landgerichts Aurich, Aktenzeichen 3 O 513/20 vom 21.12.2020 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.003,89 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.04.2020 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Aurich vom 21.12.2020 (3 O 513/20) zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 14.04.2021.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 5.003,89 € gemäß § 1 S. 1 VVG in Verbindung mit § 1 Ziff. 1 der Zusatzbedingungen.

a) Es besteht zwar unstreitig ein Vertrag über eine Betriebsschließungsversicherung zwischen den Parteien, welcher die Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine Entschädigung in der vereinbarten Höhe zu zahlen, wenn es zu einer Schließung des versicherten Betriebs durch die zuständige Behörde aufgrund des IfSG zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern kommt. Die Erkrankung COVID-19 und der Krankheitserreger SARS-CoV 2, aufgrund derer der Landkreis Wittmund mit der Allgemeinverfügung Nr. 7/2020 vom 18.03.2020 den Betreibern von Hotels untersagt hat, Personen zu touristischen Zwecken zu beherbergen, unterfallen jedoch nicht dem Anwendungsbereich des § 1 der Zusatzbedingungen, weshalb hier kein Versicherungsschutz besteht. Zu diesem Ergebnis führt die notwendige Auslegung des § 1 der Zusatzbedingungen.

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist von dem Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH, Urteil vom 04.11.2020 - IV ZR 19/19 -, Rn. 8, juris; BGH, Urteil vom 22.01.2020 - IV ZR 125/18 -, Rn. 10, juris; BGH, Urteil vom 09.05.2018 - IV ZR 23/17 -, Rn. 16, juris; BGH, Urteil vom 11.03.2015 - IV ZR 54/14 -, Rn. 12, juris). Dieser Grundsatz erfährt dann eine Ausnahme, wenn sich Verwender und Kunde oder Versicherter im Einzelfall über ein von dem Ergebnis objektiver Auslegung abweichendes Verständnis des Sinngehalts der Regelung einigen, was auch durch schlüssiges Verhalten geschehen kann. Dann geht diese übereinstimmende Vorstellung wie eine Individualvereinbarung dem Ergebnis der objektiven Auslegung vor (BGH, Urteil vom 14.06.2006 - IV ZR 55/05, Rn. 13, juris, Prölss/Martin/Armbrüster, 31. Auflage, Einleitung, Rn. 265).

Dass die Parteien sich individuell auf das gemeinsame Verständnis geeinigt hätten, § 1 Abs. 2 der Zusatzbedingungen enthalte eine dynamische Verweisung auf §§ 6, 7 IfSG, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Es kommt hier demnach auf die objektive Auslegung des § 1 der Zusatzbedingungen nach den oben dargestellten Grundsätzen an. Diese führt zu dem Ergebnis, dass der in dieser Regelung enthaltene Katalog von Krankheiten und Krankheitserregern abschließend ist. Weil der Katalog weder COVID 19 noch SARS-CoV-2 umfasst, besteht hier kein Versicherungsschutz für eine Betriebsschließung, die dazu dient, die Verbreitung dieser Krankheit bzw. dieses Krankheitserregers zu verhindern. Dass durch die Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit vom 01.02.2020 die Meldepflicht nach §§ 6, 7 IfSG auf Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus ausgedehnt worden ist und schließlich mit Wirkung ab dem 23.05.2020 COVID 19 unter lit t) in den Katalog des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 IfSG sowie SARS-CoV-2 unter Nr. 44a in § 7 Abs. 1 S. 1 IfSG aufgenommen worden sind, kommt dem Kläger somit nicht zugute.

Ein um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer wird nicht annehmen können, dass eine Betriebsschließung infolge COVID 19 bzw. SARS-CoV-2 dem von der Beklagten versprochenen Versicherungsschutz unterfällt (ebenso OLG Stuttgart, Urteil vom 18.02.2021 - 7 U 351/20, Rn. 35, juris). Nach der Regelung in § 1 Abs. 2 der Zusatzbedingungen sind meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen "die folgenden, im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger". Es folgt der Katalog, unterteilt nach Krankheiten und Krankheitserregern. Wieso außer den "folgenden", dann im einzelnen aufgezählten Krankheiten und Krankheitserregern auch noch andere (im Folgenden eben nicht genannte) Krankheiten und Krankheitserreger den Versicherungsfall begründen können sollten, erschließt sich aus dem Wortlaut der Klausel nicht.

Nichts anderes ergibt sich aus der Verwendung des Wortes "namentlich". Richtig ist zwar, dass dieses Wort auch die Bedeutung "in besonderer Weise/ganz besonders/hauptsächlich/insbesondere" hat, was dafürsprechen könnte, den Katalog in § 1 Ziff. 2 der Zusatzbedingungen nicht als abschließend anzusehen. Diese Bedeutung passt indes nicht zu der in der Klausel konkret verwendeten Formulierung. Ersetzt man das Wort "namentlich" hier durch "in besonderer Weise" ergibt sich folgender Satz:

"Meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7 in besonderer Weise genannten Krankheiten und Krankheitserreger."

Dies ergibt keinen Sinn, denn in §§ 6, 7 IfSG werden keine Krankheiten oder Erreger in besonderer Weise genannt. Die Verwendung der anderen Bedeutung des Wortes "namentlich", die eine namentliche Angabe oder jemanden namentlich zu nennen meint, passt hier hingegen zum Satzbau. In dem zuletzt genannten Sinne wird ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer in diesem Regelungszusammenhang den Begriff "namentlich" verstehen (OLG Stuttgart, Urteil vom 18.02.2021 - 7 U 351/20, Rn. 35, juris).

Eine andere Bedeutung des Wortes "namentlich" ergibt sich auch nicht aus §§ 6, 7 IfSG. Nach diesen Vorschriften sind bestimmte Umstände namentlich zu melden. Dem steht gegenüber, dass es auch Krankheiten bzw. Krankheitserreger gibt, deren Auftreten nicht namentlich zu melden ist. Was in diesem Zusammenhang unter einer namentlichen Meldung zu verstehen ist, ergibt sich ausdrücklich aus § 9 IfSG. Hat eine namentliche Meldung zu erfolgen, muss sie nach dieser Vorschrift die dort im einzelnen genannten Angaben zu der betroffenen Person, der mit der Erregerdiagnostik beauftragten Untersuchungsstelle, dem Meldenden und ggf. zu einer Schutzimpfung enthalten. Diese Bedeutung des Wortes "namentlich" scheidet im Zusammenhang mit § 1 Abs. 2 der Zusatzbedingungen aus.

Dass die Beklagte keinen Versicherungsschutz für Betriebsschließungen wegen aller in der jeweils aktuellen Fassung der §§ 6, 7 IfSG genannten Krankheiten und Krankheitserreger hat gewähren wollen, ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass der Katalog des § 1 Abs. 2 der Zusatzbedingungen nicht mit den Aufzählungen in §§ 6, 7 IfSG identisch ist.

Da sich aus den Feststellungen, die das Landgericht getroffen hat, das Datum des Vertragsschlusses nicht ergibt, wohl aber, dass der Versicherungsschein vom 05.12.2017 datiert, ist der Senat insoweit von der Fassung des IfSG ausgegangen, die vom 25.07.2017 bis zum 13.08.2018 gültig gewesen ist. Nichts anderes ergibt sich im Übrigen, wenn man auf die am 25.10.2019 geltende Fassung des IfSG abstellt - an diesem Tag soll nach dem Vortrag des Klägers der Abschluss des streitgegenständlichen Versicherungsvertrags erfolgt sein; ausweislich des Nachtrags zum Versicherungsschein vom 25.10.2019 (Blatt 9) ist zu dieser Zeit jedoch lediglich in dem bereits bestehenden Versicherungsverhältnis die Versicherungssumme in der Ertragsausfallversicherung erhöht worden, und zwar mit Wirkung zum 23.09.2019.

Der Senat verkennt nicht, dass §§ 6, 7 IfSG einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht bekannt sein werden. Dem um Verständnis bemühten Versicherungsnehmer ist jedoch zuzumuten, sich beim Abschluss einer Betriebsschließungsversicherung Kenntnis von den in § 1 Abs. 2 der Zusatzbedingungen genannten gesetzlichen Regelungen zu verschaffen (OLG Stuttgart, Urteil vom 18.02.2021 - 7 U 351/20, Rn. 36, juris). Der Vergleich zwischen den Katalogen in den Zusatzbedingungen einerseits und im Gesetz andererseits kostet nur wenige Minuten. Bei einem solchen Abgleich kann auch der durchschnittliche Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse schnell erkennen, dass diese Kataloge nicht deckungsgleich sind. Aus diesen Abweichungen wird ein um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer schließen, dass der in § 1 Abs. 2 der Zusatzbedingungen enthaltenen Aufzählung abschließender Charakter zukommt (OLG Stuttgart, Urteil vom 18.02.2021 - 7 U 351/20, Rn. 40, juris), zumal es keinen Sinn machen würde, die verschiedenen Krankheiten und Krankheitserreger in den Versicherungsbedingungen aufzulisten, wenn letztlich für den Umfang des Versicherungsschutzes doch die gesetzliche Regelung in der jeweils geltenden Fassung entscheidend wäre.

Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der Regelung in § 4 Abs. 4 der Zusatzbedingungen. Demnach haftet der Versicherer nicht bei Prionenerkrankungen oder dem Verdacht hierauf. Auch wenn richtig sein mag, dass dieser Ausschluss mit Blick auf § 1 Abs. 2 der Zusatzbedingungen ins Leere läuft, weil dort keine Prionenerkrankung genannt ist, wird ein um Verständnis bemühter durchschnittlicher Versicherungsnehmer aus diesem Umstand nicht schließen, dass es für den Umfang des Versicherungsschutzes letztlich nicht auf § 1 Abs. 2 der Zusatzbedingungen, sondern auf die Kataloge der §§ 6, 7 IfSG ankommen soll. Prionenerkrankungen bilden ersichtlich weder den Fokus der Betriebsschließungsversicherung noch des IfSG. Das (jedenfalls momentane) Leerlaufen eines randseitigen Haftungsausschlusses kann keine Auslegung einer allgemeinen Versicherungsbedingung rechtfertigen, die hier - wie oben gezeigt worden ist - letztlich an ihrem Wortlaut vorbeigehen würde.

Für die hier vertretene Auffassung spricht im Übrigen auch die Überlegung, dass die Verwendung des Katalogs in den Versicherungsbedingungen erkennbar macht, dass der Versicherer, hier also die Beklagte, nur die Risiken abdecken möchte, die sich aus bekannten Krankheiten und Krankheitserregern ergeben. Auch einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse wird einleuchten, dass die Übernahme solcher Risiken für den Versicherer nicht kalkulierbar wäre. Eine berechtigte Erwartung des Versicherungsnehmers, der Versicherer wolle ein unkalkulierbares Risiko eingehen, lässt sich indes nicht begründen (OLG Stuttgart, Urteil vom 18.02.2021 - 7 U 351/20, Rn. 47, juris).

Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich dem auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Auswirkungen der in dem Katalog des § 1 Abs. 2 der Zusatzbedingungen enthaltenen Katalogs genannten Krankheiten und Krankheitserreger seien ebenfalls nicht abzuschätzen. Die Risiken, die sich für den Versicherer ergeben, wenn er in der Betriebsschließungsversicherung Versicherungsschutz gegen eine bereits bekannte Krankheit bietet, lassen sich trotz aller insoweit bestehenden Unwägbarkeiten kalkulieren. Die Kosten, die sich für einen Versicherer infolge einer bei Vertragsschluss noch unbekannten, möglicherweise nicht einmal existierenden Krankheit ergeben können, entziehen sich hingegen jeder Kalkulation.

Aus diesem Grunde führt entgegen der Auffassung des Klägers auch der Umstand, dass COVID 19 zu ähnlichen Symptomen und Krankheitsverläufen führen mag wie andere in dem Katalog des § 1 Abs. 2 der Zusatzbedingungen genannte Krankheiten, nicht zu einem anderen Ergebnis. Nach diesem Gedanken müsste jede Krankheit, die zu hohem Fieber und/oder einer Überreaktion des Immunsystems bzw. Blutgerinnseln führt, wegen der Vergleichbarkeit mit den aufgezählten Krankheiten dem Versicherungsschutz unterfallen. Die Erwartung, dass ein Versicherer in der Betriebsschließungsversicherung derartige, unkalkulierbare Risiken übernimmt, wird ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer nicht hegen. Im Übrigen lässt sich auch dieser Gedanke mit der hier erfolgten Verwendung eines Katalogs von Krankheiten und Krankheitserregern in den Versicherungsbedingungen nicht vereinbaren.

b) Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf § 305c Abs. 2 BGB berufen. Nach dieser Vorschrift gehen Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders. Unklar in diesem Sinne sind Klauseln, bei denen nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel verbleibt und mindestens zwei unterschiedliche Auslegungen vertretbar sind (BGH, Urteil vom 14.06.2017 - IV ZR 161/16 -, Rn. 12, juris; BGH, Urteil vom 23.06.2004 - IV ZR 130/03 -, Rn. 21). Dies ist hier nicht der Fall. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, ist das Ergebnis der objektiven Auslegung eindeutig.

c) Gegen die Wirksamkeit des § 1 Ziff. 2 der Zusatzbedingungen bestehen keine Bedenken.

(1) Eine Inhaltskontrolle dieser Klausel hat gemäß § 307 Abs. 3 S. 1 BGB nicht zu erfolgen, denn diese Regelung weicht nicht von Rechtsvorschriften ab. Das VVG selbst enthält keine speziellen Vorschriften zur Betriebsschließungsversicherung. Die allgemeinen, unabhängig von dem jeweiligen Versicherungszweig geltenden Normen des VVG werden von § 1 Ziff. 2 der Zusatzbedingungen nicht berührt. Abweichungen können sich deshalb nicht ergeben.

Ohne Bedeutung ist diesbezüglich auch, dass der Katalog der Krankheiten und Krankheitserreger nach § 1 Ziff. 2 der Zusatzbedingungen von den Aufzählungen in §§ 6, 7 IfSG abweicht. Das Infektionsschutzgesetz hat den Zweck, übertragbaren Krankheiten bei Menschen vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern (§ 1 Abs. 1 IfSG). Bestimmungen zu der Ausgestaltung von Versicherungen, welche diesbezügliche Risiken zum Gegenstand haben, enthält es hingegen nicht (im Ergebnis ebenso OLG Stuttgart, Urteil vom 18.02.2021 - 7 U 351/20, Rn. 52, juris).

(2) Ob § 1 Abs. 2 der Zusatzbedingungen ein integraler Bestandteil des Hauptleistungsversprechens des Beklagten ist, sodass auch eine Transparenzkontrolle zu unterbleiben hat (vgl. BGH, Urteil vom 26.03.2014 - IV ZR 422/12 -, Rn. 35, juris), kann hier dahinstehen. Die Klausel hält einer Überprüfung nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB stand.

Aus dieser Vorschrift folgt, dass sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders Allgemeiner Geschäftsbedingungen auch daraus ergeben kann, dass die jeweilige Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Nach dem somit geltenden Transparenzgebot ist der Verwender Allgemeiner Versicherungsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass eine Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben auch, dass sie die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (BGH, Urteil vom 14.08.2019 - IV ZR 279/17 -, Rn. 18, juris). Dem Versicherungsnehmer soll bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor Augen geführt werden, in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden (BGH, Urteil vom 04.04.2018 - IV ZR 104/17, Rn. 8). Nur dann kann er die Entscheidung treffen, ob er den angebotenen Versicherungsschutz nimmt oder nicht (BGH, Urteil vom 20.11.2019 - IV ZR 159/18 -, Rn. 7, juris; BGH, Urteil vom 06.07.2016 - IV ZR 44/15 -, Rn. 30). Hierbei bedarf es weder eines solchen Grades an Konkretisierung, dass alle Eventualitäten erfasst sind und im Einzelfall keinerlei Zweifelsfragen auftreten können, noch ist ein Verstoß gegen das Transparenzgebot schon dann zu bejahen, wenn Bedingungen noch klarer und verständlicher hätten formuliert werden können (BGH, Urteil vom 04.04.2018 - IV ZR 104/17 -, Rn. 8, juris; BGH, Urteil vom 13.09.2017 - IV ZR 302/16 -, Rn. 15, juris). Maßgebend sind die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden. Insoweit gilt kein anderer Maßstab als derjenige, der auch bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen zu beachten ist (BGH, Urteil vom 20.11.2019 - IV ZR 159/18 -, Rn. 8, juris; BGH, Urteil vom 04.04.2018 - IV ZR 104/17 -, Rn. 9, juris).

Die hier vorgenommene Bestimmung der dem Versicherungsschutz unterfallenden Krankheiten und Krankheitserreger in § 1 Ziff. 2 der Zusatzbedingungen wird diesen Anforderungen gerecht. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, wird der durchschnittliche, um Verständnis bemühte Versicherungsunternehmer die Klausel so verstehen, dass der dort enthaltene Katalog abschließend ist. Es wird gerade nicht der Eindruck vermittelt, es komme auf die Aufzählungen in §§ 6, 7 IfSG an. Somit kann der Versicherungsunternehmer dem § 1 Ziff. 2 der Zusatzbedingungen unmittelbar entnehmen, für welche Krankheiten und Krankheitserreger Versicherungsschutz besteht. Unschwer wird sich ihm im Umkehrschluss erschließen, dass dies für dort nicht genannte Krankheiten und Krankheitserreger nicht der Fall ist. Der Katalog lässt nicht unklar, was der Beklagte versichern will und was nicht (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.02.2021 - 7 U 351/20, Rn. 56, juris). Damit besteht eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Versicherungsnehmers, ob er den Versicherungsschutz nimmt oder nicht.

Eine Intransparenz der Regelung ergibt sich auch nicht daraus, dass in § 1 Abs. 1 der Zusatzbedingungen die Rede von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern ist, ohne dass eine Einschränkung erfolgt. Hierdurch wird nicht der Anschein erweckt, alle meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger seien von dem Versicherungsschutz erfasst. In einem Klammerzusatz unmittelbar hinter diesen Begriffen wird auf § 1 Abs. 2 der Zusatzbedingungen Bezug genommen. Für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer ist deshalb unmittelbar nachzuvollziehen, dass die Allgemeinen Versicherungsbedingungen hier eine nähere Definition dieser Begriffe beinhalten. Diese Regelung, die wegen der dort enthaltenen Auflistung der Krankheiten und Krankheitserreger umfangreich ist und dem Betrachter ohne weiteres ins Auge fällt, schließt sich in dem Regelungswerk unmittelbar an und steht gemeinsam mit § 1 Abs. 1 der Zusatzbedingungen auf der ersten Seite der Zusatzbedingungen, weshalb sie der Aufmerksamkeit eines durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmers nicht entgehen kann.

Dass § 1 Abs. 2 der Zusatzbedingungen noch klarer hätte formuliert werden können - vor den Worten "die folgenden, im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserregern" hätte das Wort "nur" aufgenommen werden können (so in dem Fall, der dem Beschluss des OLG Hamm vom 15.07.2020 - 20 W 21/20 -, juris, zugrunde gelegen hat) - rechtfertigt ebenfalls nicht, die Regelung als intransparent im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB zu beurteilen. Wie oben bereits dargelegt worden ist, führt nicht ohne weiteres zur Intransparenz, dass im Einzelfall eine deutlichere und klarere Formulierung möglich gewesen wäre.

2. Da bereits die geltend gemachte Hauptforderung nicht besteht, hat der Kläger auch keinen Anspruch gegen die Beklagte aus §§ 286, 288 BGB auf Zahlung von Zinsen aus 5.003,89 € in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.04.2020.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

4. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihren Rechtsgrund in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

5. Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen, denn diese Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Die hier entscheidungserheblichen, bislang höchstrichterlich nicht geklärten Fragen, wie § 1 Abs. 2 der Zusatzbedingungen auszulegen ist bzw. ob diese Regelung einer Kontrolle nach § 307 BGB standhält, können sich in einer Vielzahl von Fällen stellen, denn identische oder sehr ähnliche Regelungen finden sich auch in den Bedingungswerken anderer Anbieter (ebenso OLG Stuttgart, Urteil vom 18.02.2021 - 7 U 351/20, Rn. 66f, juris).