Sozialgericht Aurich
Urt. v. 08.03.2005, Az.: S 19 AY 4/05 ER
Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Anspruchs auf Gewährung höherer Leistungen bzw. Geldleistungen für Asylbewerber i.R.e. gerichtlichen Eilverfahrens; Umfang der den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft zugebilligten leistungsrechtlichen Sanktionierung von negativem Verhalten eines Ausländers; Leistungsrechtliche Auswirkungen eines vorläufigen Absehens von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen
Bibliographie
- Gericht
- SG Aurich
- Datum
- 08.03.2005
- Aktenzeichen
- S 19 AY 4/05 ER
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 45318
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGAURIC:2005:0308.S19AY4.05ER.0A
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs. 1 AsylbLG
- § 3 AsylbLG
- § 51 Abs. 1 AuslG
- Art. 16 RL 2003/9/EG
- § 86b Abs. 2 S. 2 SGG
- § 920 Abs. 3 ZPO
Tenor:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt L. wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Antragstellerin zu 1) reiste im Jahre 1989 zusammen mit ihrem Ehegatten, der inzwischen volljährigen Antragstellerin zu 2) und dem minderjährigen Antragsteller zu 3) in die Bundesrepublik Deutschland ein. In der Folgezeit gebar sie im Bundesgebiet die Antragsteller zu 4) bis 7).
Den Asylerstantrag der Antragstellerin zu 1), den sie gemeinsam mit ihrem Ehegatten nach der Einreise gestellt hatte, lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (ab 01.Januar 2005: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge; im Folgenden: Bundesamt) ab; die Entscheidung erwuchs am 04. März 1992 in Rechtskraft. Den daraufhin gestellten Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (1. Asylfolgeantrag) lehnte das Bundesamt ebenfalls ab; diese Entscheidung erlangte am 05. November 1996 Rechtskraft.
In der Folgezeit erteilte die zuständige Ausländerbehörde der Antragstellerin zu 1), ihrem Ehemann sowie den Antragstellern zu 4) bis 6) eine Duldung.
Die für die Antragsteller zu 4) bis 6) am 07. August 1997 gestellten Asylanträge lehnte das Bundesamt am 22. Oktober 1997 rechtskräftig ab. Den für den Antragsteller zu 7) am 01. Dezember 1997 gestellten Asylantrag lehnte das Bundesamt ebenfalls ab; die Entscheidung erwuchs am 26. Februar 2001 in Rechtskraft.
Daraufhin erhielten die Antragsteller erneut Duldungen.
Aufgrund des vom Ehegatten der Antragstellerin zu 1) und Vater der Antragsteller zu 2) bis 7) am 13. März 2001 gestellten zweiten Asylfolgeantrages stellte das Bundesamt mit Bescheid vom 07. Februar 2002 in seiner Person das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG fest. Der dagegen vom Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten erhobenen Klage gab das VG Stade mit Urteil vom 26. August 2004 (4 A 343/02) statt. Den daraufhin gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht inzwischen rechtskräftig (01. Februar 2005) zurückgewiesen.
Die von den Antragstellern ebenfalls am 13. März 2001 gestellten Asylfolgeanträge lehnte das Bundesamt am 2. März 2002 bestandskräftig ab. Wegen des damals noch laufenden Klageverfahrens des Ehegatten bzw. Vaters erteilte die Ausländerbehörde den Antragstellern zu 1) bis 6) weiterhin Duldungen. Den Asylfolgeantrag des Antragstellers zu 7) lehnte das Bundesamt bestandskräftig am 9. März 2002 ab; auch er erhielt eine Duldung.
In der Folgezeit sah die Ausländerbehörde von der Durchsetzung der Abschiebung der Antragsteller gemäß § 43 Abs. 3 AsylVfG ab, um deren gemeinsame Ausreise mit ihrem Ehegatten und Vater zu ermöglichen.
Nachdem diesem vom Bundesamt am 07. Februar 2002 Abschiebungsschutz zuerkannt worden war, beantragten die Antragsteller, die bislang Leistungen nach §§ 3 ff. AsylbLG erhalten hatten, die Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG. Dies lehnte die Gemeinde M. mit Bescheid vom 13. Juni 2002 ab; über die dagegen erhobene Klage hat das VG Stade (4 A 9/03) noch nicht entschieden. Eine Neuberechnung der Leistungen erfolgte unter dem 09. Januar 2003 und 27. Dezember 2004.
Angesichts der zum 01. Januar 2005 in Kraft getretenen Neufassung des § 2 Abs. 1 AsylbLG bemühten sich die Antragsteller erneut (erfolglos) um eine leistungsrechtliche Besserstellung.
Daraufhin stellten die Antragsteller am 06. Januar 2005 beim VG Stade einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, den das VG mit Beschluss vom 18. Januar 2005 an das SG Stade verwies; der Antrag ging am 23. Februar 2005 beim SG Stade ein.
Zur Begründung der von den Antragstellern begehrten Leistungen nach § 2 AsylbLG verweist ihr Bevollmächtigter auf den beim Niedersachsen Oberverwaltungsgericht anhängigen Berufungszulassungsantrag ihres Ehegatten bzw. Vaters sowie auf die ihnen erteilte "Duldung" nach § 43 Abs. 3 AsylVfG. Da sie einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hätten, bestünde auch - wie sich aus der ständigen Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts ergäbe -, ein Anordnungsgrund. Ihnen sei nicht zuzumuten, sich bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache mit geringeren oder gekürzten oder andersartigen Leistungen zur Sicherung des laufenden Lebensunterhaltes zufriedenzugeben.
Die Antragsteller beantragen,
- 1.
die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen Leistungen gem. § 2 AsylbLG analog dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuches zu bewilligen und auszuzahlen,
- 2.
ihnen Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt L. zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass die Antragsteller bereits keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht haben, da nicht dargetan worden sei, weshalb zwei Jahre nach Erhebung der Hauptsacheklage ein Interesse an einer Eilentscheidung bestünde. Außerdem liege angesichts des monatlichen Verdienstes des Ehegatten der Antragstellerin zu 1) aus einer Teilzeitbeschäftigung bei einer Baufirma in N. keine plötzliche wirtschaftliche Notlage vor. Darüber hinaus hätten die Antragsteller auch einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Ein rechtlicher Grund habe nach Ergehen des Bundesamtsbescheides vom 07. Februar 2002 ausschließlich der Ausreise bzw. der Abschiebung ihres Ehegatten bzw. Vaters entgegengestanden. Dagegen habe der Abschiebung der Antragsteller lediglich ein tatsächlicher Grund entgegengestanden, der die Vergünstigungen des § 2 Abs. 1 AsylbLG nicht rechtfertige. Zum anderen hätten die Antragsteller bereits in der Vergangenheit die Dauer ihres Aufenthalts rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst, indem die Antragstellerin zu 1) und ihr Ehegatte treuwidrig in Kenntnis der voraussichtlichen Erfolglosigkeit die Asylanträge für ihre minderjährigen Kinder (die Antragsteller zu 4] bis 6]) erst nach Eintritt der rechtskräftigen Ablehnung ihres Asylfolgeantrags und den Asylantrag für den Antragsteller zu 7) seinerseits erst nach rechtskräftiger Ablehnung der Asylfolgeanträge der Antragsteller zu 4) bis 6) gestellt hätten. Die Stellung der Asylanträge wäre ihnen jedoch zu einem früheren Zeitpunkt möglich gewesen. Damit hätten sie die Dauer ihres Aufenthaltes mehrfach rechtsmissbräuchlich hinausgezögert. Schließlich sei der Asylfolgeantrag 1992 erst gestellt worden, nachdem ihnen eine erneute Ausreisefrist gesetzt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vom Antragsgegner vorgelegten Behördenakte sowie auf den Inhalt der beigezogenen Gerichtsakte (4 A 99/03), der zum Gegenstand der Entscheidungsfindung gemacht worden ist.
II.
Der nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unbegründet.
Aufgrund der im gerichtlichen Eilverfahren allein gebotenen und auch nur möglichen summarischen Prüfung bestehen vorliegend bereits durchgreifende Bedenken gegen die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes (Eilbedürftigkeit der Regelungsanordnung, § 86 b Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 920 Abs. 3 ZPO).
Zwar schließt sich die Kammer der vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung im Grundsatz an, wonach bei einem glaubhaft gemachten Anspruch auf Gewährung (höherer) Leistungen bzw. Geldleistungen in Höhe der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz regelmäßig auch ein Anordnungsgrund besteht (vgl nur OVG Lüneburg, 06. Februar 2004 - 4 ME 494/03), sodass für das AsylbLG dem Hilfebedürftigen im Regelfall nicht zuzumuten ist, bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache mit den im Vergleich zu den Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG spürbar abgesenkten Grundleistungen (§ 3 AsylbLG) auskommen zu müssen.
Vorliegend werden den Antragstellern aber bereits seit Juni 2002 die höheren Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG verwehrt, ohne dass sie versucht hätten, deren Gewährung durch Stellung eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vorläufig durchzusetzen. Stattdessen haben sie gegen den negativen Leistungsbescheid vom 13. Juni 2002 - unter späterer Einbeziehung der Folgebescheide vom 09. Januar 2003 und 27. Dezember 2004 - ausschließlich Klage erhoben (4 A 99/03), über die bislang noch entschieden worden ist. Auch nach Ergehen des für sie positiven PKH-Beschlusses des VG Stade vom 18. Juli 2003 im Rahmen des vorerwähnten Klageverfahrens haben sie nicht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Weshalb nunmehr - immerhin mehr als zweieinhalb Jahre später nach Ergehen des Bescheides vom 13. Juni 2002 - der Erlass der begehrten Regelungsanordnung unter ausnahmsweiser Vorwegnahme der Hauptsache "zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint", hat der Bevollmächtigte der Antragsteller in der Antragsschrift auch nicht ansatzweise dargetan. Er hat sich insoweit lediglich damit begnügt, auf die bereits erwähnte Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts zu verweisen, ohne für die Antragsteller näher darzulegen, weswegen es diesen nicht zumutbar sein soll, ihren notwendigen Bedarf auch weiterhin aus den ihnen in Form von Geldleistungen gewährten Grundleistungen des § 3 AsylbLG zu decken. Einer diesbezüglichen Darlegung hätte es nicht zuletzt deshalb bedurft, weil der Ehegatte der Antragstellerin zu 1) und Vater der Antragsteller zu 2) bis 7), mit dem diese in einer Haushaltsgemeinschaft leben, ausweislich des Leistungsbescheides vom 09. Januar 2003 und der im Klageverfahren (4 A 99/03) vorgelegten PKH-Erklärung vom 14. Januar 2003 als Bauarbeiter einer Erwerbstätigkeit nachgeht, woraus er nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Antragsgegners im Schriftsatz vom 28. Februar 2005 einen monatlichen Verdienst zwischen 600,- EUR und 1100,- EUR erzielt. Allein der Umstand, dass die tatbestandliche Fassung des § 2 Abs. 1 AsylbLG mit Wirkung zum 1.1.2005 teilweise geändert wurde (aufgrund Art. 8 Nr. 3 des Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern [Zuwanderungsgesetz] vom 30. Juli 2004, BGBl. I S 1950) genügt zur Glaubhaftmachung der Dringlichkeit der begehrten Regelungsanordnung nicht.
Zudem haben die Antragsteller einen Anordnungsanspruch, d.h. einen materiellen Anspruch auf Gewährung der begehrten (höheren) Leistungen, nicht glaubhaft gemacht.
Gemäß der ab dem 1.1.2005 geltenden Neufassung des § 2 Abs. 1 AsylbLG ist - abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG - das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die über die Dauer von insgesamt 36 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten und (kumulativ) die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Nach Abs. 3 dieser Vorschrift erhalten minderjährige Kinder, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Haushaltsgemeinschaft leben, Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG nur dann, wenn mindestens ein Elternteil in der Haushaltsgemeinschaft Leistungen nach Absatz 1 erhält.
Dass der 36-monatige Leistungsvorbehalt vorliegend bei den Antragstellern erfüllt ist, ist zwischen den Beteiligten unstreitig und bedarf deshalb keiner weiteren Darlegungen.
Entgegen der Auffassung der Antragsteller haben sie aber die Dauer ihres Aufenthalts rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst. Hierunter ist ein in der Ausübung eines subjektiven Rechts bestehendes oder darauf bezogenes, von der Rechtsordnung missbilligtes, subjektiv vorwerfbares Verhalten eines Ausländers zu verstehen, das ursächlich für dessen tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet war oder ist. Diese Auslegung erschließt sich aus dem Wortlaut der Neufassung des § 2 Abs. 1 AsylbLG (" die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben "), der Entstehungsgeschichte der Norm, genauer: der ihr beigefügten Begründung (die beispielhaft die Vernichtung des Passes oder die Angabe einer falschen Identität nennt; BT-Drucks 15/420, S. 121) und der darin vorgenommenen Bezugnahme auf Art. 16 der inzwischen wirksam gewordenen Richtlinie 2003/9/EG vom 27.1.2003 (ABlEG 2003 Nr. 1 31, S 18) und der danach den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft zugebilligten leistungsrechtlichen Sanktionierung von "negativem Verhalten" eines Ausländers, aus dem systematischen Zusammenhang des § 2 Abs. 1 AsylbLG mit § 1 a Nrn. 1 und 2 AsylbLG sowie aus dem allgemeinen Bedeutungsgehalt des Begriffs der Rechtsmissbräuchlichkeit im bürgerlichen und öffentlichen Recht. Zudem genügt diese Auslegung dem generellen Anliegen des Asylbewerberleistungsgesetzes, Ausländern jeglichen wirtschaftlichen Anreiz für die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland und ihren weiteren Verbleib zu nehmen, Schleußerbanden den wirtschaftlichen Nährboden für ihre Betätigung zu entziehen und die rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme von Sozialleistungen zu vermeiden, sowie der speziellen Zielsetzung des § 2 Abs. 1 AsylbLG, nach Ablauf des 36-monatigen Leistungsbezugs prinzipiell Bedürfnisse des Ausländers anzuerkennen, die auf eine bessere soziale Integration gerichtet sind. Auch die vom Gesetzgeber mit der Neufassung verfolgte Intention, "zwischen denjenigen Ausländern zu unterscheiden, die unverschuldet nicht ausreisen können und denjenigen, die ihrer Ausreisepflicht rechtsmissbräuchlich nicht nachkommen" (BT-Drucks 15/420, S 121), stützt die hier vorgenommene Interpretation. Die ohne weitere Einschränkung in die Neufassung des § 2 Abs. 1 AsylbLG aufgenommene Formulierung "Dauer des Aufenthalts" rechtfertigt es, in die Prüfung der Rechtsmissbräuchlichkeit grundsätzlich den gesamten Zeitraum des Aufenthalts des Ausländers, beginnend mit der Einreise und endend mit der Ausreise oder mit einem Leistungswechsel unmittelbar in das SGB XII (vgl § 1 Abs. 3 Nr. 1 AsylbLG), in den Blick zu nehmen. Da ein während dieses Zeitraums ausgeübtes rechtsmissbräuchliches Verhalten regelmäßig fortwirkt, ist der daraus resultierende Ausschluss einer leistungsrechtlichen Besserstellung grundsätzlich von Dauer und wirkt auch über den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neufassung des § 2 Abs. 1 AsylbLG hinaus. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann es allerdings im Einzelfall gebieten, aufgrund von Umständen, die nach einem festgestellten rechtsmissbräuchlichen Verhalten eingetreten sind, von dem grundsätzlich dauerhaften Ausschluss von Leistungen entsprechend dem SGB XII eine Ausnahme zuzulassen.
Gemessen an diesen Grundsätzen ist nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage von einer in der Vergangenheit mehrfach rechtsmissbräuchlich selbst beeinflussten Dauer des Aufenthalts der Antragsteller auszugehen, mit der Folge, dass ihnen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Anspruch auf die begehrten (höheren) Leistungen entsprechend dem SGB XII nicht zusteht.
Aus dem vom Antragsgegner vorgelegten Verwaltungsvorgang geht hervor, dass die Antragstellerin zu 1) - zusammen mit ihrem Ehegatten - die Asylerstanträge für die gemeinsamen minderjährigen Kinder (die Antragsteller zu 4] bis 6]), erst mehrere Jahre nach deren Geburt (für den Antragsteller zu 4] ca. sechs Jahre, für den Antragsteller zu 5] ca. vier Jahre und für den Antragsteller zu 6] ca. drei Jahre) gestellt haben (am 07. August 1997), und zwar in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der rechtskräftigen Ablehnung ihres ersten Asylfolgeantrages am 10. Juli 1997. Da bereits der erste Asylfolgeantrag der Antragstellerin zu 1) vom 03. April 1992 nur einen Monat nach rechtskräftiger Ablehnung ihres Asylerstantrages am 04. März 1992 gestellt wurde, hält es das Gericht bei summarischer Prüfung für überwiegend wahrscheinlich, dass die Asylerstanträge für die Antragsteller zu 4) bis 6) im August 1997 ausschließlich mit der Absicht gestellt worden sind, um einer drohenden Aufenthaltsbeendigung zu begegnen, zumal sie zuvor ausreichend Gelegenheit hatten, die Anträge zu stellen (§ 30 Abs. 3 Nr. 4 AsylVfG). Diese Einschätzung wird dadurch erhärtet, dass sich die Antragstellerin zu 1) im Zeitpunkt der Stellung dieser Asylerstanträge schon mehrere Jahre im Bundesgebiet aufhielt, ein Asylerstverfahren und ein Asylfolgeverfahren bereits erfolglos betrieben hatte und sich deshalb für sie nicht zuletzt auch aufgrund des geringen Alters der Antragsteller zu 4) bis 6) die Erfolglosigkeit der für sie gestellten Asylerstanträge geradezu aufdrängen musste.
Hinzu kommt, dass die Antragstellerin zu 1) und ihr Ehegatte etwa eine Woche nach vollziehbarer Ausreisepflicht der Antragsteller (am 01. Dezember 1997) erneut einen Asylerstantrag stellten, und zwar dieses Mal für den bereits am 24. April 1997 geborenen Antragsteller zu 7), obgleich auch hier Gelegenheit bestand, den Asylerstantrag bereits zu einem früheren Zeitpunkt, und zwar unverzüglich nach der Geburt des Antragstellers zu 7) zu stellen. Auch dieses Verhalten der Antragstellerin zu 1) spricht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für die Annahme, dass auch die Stellung dieses Asylerstantrages einzig und allein der Verhinderung einer ansonsten drohenden Aufenthaltsbeendigung diente, zumal von einer positiven Bescheidung des Asylantrages ernsthaft nicht ausgegangen werden konnte.
Schließlich haben die Antragstellerin zu 1) und ihr Ehegatte unmittelbar nach der rechtskräftigen Ablehnung dieses von vornherein aussichtslosen Asylantrages (26. Februar 2001) am 13. März 2001 ihren zweiten Asylfolgeantrag gestellt, obgleich ihre freiwillige Ausreise in die Türkei - wie sich einem im Verwaltungsvorgang befindlichen Vermerk der zuständigen Ausländerbehörde entnehmen lässt - bereits seit dem 13. Juni 2000 möglich gewesen wäre.
All dies zeigt bei summarischer Prüfung, dass die Antragstellerin zu 1) gemeinsam mit ihrem Ehegatten schon im Zeitpunkt der Stellung ihres ersten Asylfolgeantrages in rechtsmissbräuchlicher Weise Einfluss auf die (weitere) Dauer ihres Aufenthaltes und den ihrer minderjährigen Kinder, die Antragsteller zu 2) bis 7) genommen hat. Statt ihrer vollziehbaren Ausreisepflicht nachzukommen, haben sie durch sukzessive, zeitversetzte Stellung von Asylerstanträgen für ihre im Bundesgebiet geborenen minderjährigen Kinder in subjektiv vorwerfbarer Weise die Dauer ihres Aufenthaltes in einer von der Rechtsordnung missbilligten Weise mehrfach verlängert.
Dem steht auch nicht entgegen, dass mit Bescheid des Bundesamtes vom 07. Februar 2002 zu Gunsten des Ehegatten der Antragstellerin zu 1) das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG festgestellt wurde. Denn zum einen ist diese Feststellung zu keinem Zeitpunkt in Rechtskraft erwachsen. Im Gegenteil, das VG Stade hat in seinem Urteil vom 26. August 2004 auf Klage des Bundesbeauftragten den Bescheid des Bundesamtes aufgehoben, und das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat diese Entscheidung inzwischen rechtskräftig bestätigt. Darüber hinaus galt die Feststellung des Bundesamtes ausschließlich für den Ehegatten der Antragstellerin zu 1) - ihr eigener Asylfolgeantrag und die der Antragsteller zu 2) bis 6) vom 13. März 2001 wurden rechtskräftig am 02. März 2002 abgelehnt -, sodass die Antragstellerin zu 1) jedenfalls in leistungsrechtlicher Hinsicht hieraus keine begünstigende rechtliche Position (Anspruch auf Leistungen entsprechend dem SGB XII) ableiten kann. Das vorläufige, auf § 43 Abs. 3 AsylVfG gestützte Absehen von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen durch die zuständige Ausländerbehörde ist zwar eine mögliche ausländerrechtliche Folge des der Antragstellerin zu 1) zugute kommenden grundrechtlichen Schutzes von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG), asylbewerberleistungsrechtlich ergibt sich daraus aber kein Anspruch auf Bewilligung von Leistungen entsprechend dem SGB XII nach § 2 Abs. 1 AsylbLG. Diese Folge kann schon deshalb nicht gezogen werden, als das Gebrauchmachen von der Befugnis des § 43 Abs. 3 AsylVfG allein dazu dient, die Abschiebung der Antragsteller vorübergehend auszusetzen, um die gemeinsame Ausreise - nicht den weiteren Verbleib im Bundesgebiet - der Familie zu ermöglichen. Damit entfällt auch die mit der Gewährung von Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG regelmäßig gewollte Berücksichtigung eines nach 36 Monaten Grundleistungen anzuerkennenden zusätzlichen sozialen Integrationsbedarfs. Nach der nunmehr rechtskräftigen Aufhebung der zu Gunsten des Ehegatten der Antragstellerin zu 1) ergangenen Bescheides des Bundesamtes sowie der nach Angaben des Antragsgegners im Schriftsatz vom 28. Februar 2005 in Kürze bevorstehenden Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegen die Antragsteller muss dies erst recht gelten.
Hinsichtlich der inzwischen volljährigen Antragstellerin zu 2) und bezüglich der noch minderjährigen Antragsteller zu 3) bis 7), die mit der Antragstellerin zu 1) und ihrem Ehegatten (Vater der Antragstellerin zu 2]) in einer Haushaltsgemeinschaft leben, gilt im Ergebnis das Gleiche. Sie haben sich das rechtsmissbräuchliche Verhalten ihrer Mutter, der Antragstellerin zu 1), und das ihres Vaters zurechnen zu lassen. Zwar zielt das den Anspruch auf Leistungen entsprechend dem SGB XII ausschließende materielle Kriterium der rechtsmissbräuchlichen Selbstbeeinflussung der Aufenthaltsdauer dem Grunde nach auf ein personengebundenes, in den Verantwortungsbereich eines Einzelnen fallendes Verhalten ab. Gleichwohl ist bei summarischer Prüfung nichts dafür ersichtlich, dass im Rahmen des § 2 Abs. 1 AsylbLG F. 2005 der unter anderem im Sozialhilferecht geltende Grundsatz, wonach das Verhalten des gesetzlichen Vertreters prinzipiell den minderjährigen Kindern zuzurechnen ist (BVerwG, 30.10.1979 - 5 C 31/78 - BVerwGE 59, 73 [76]), keine Anwendung finden soll; dass die Antragstellerin zu 2) inzwischen volljährig geworden ist, rechtfertigt für sie keine andere Beurteilung, da das mehrfach rechtsmissbräuchliche Verhalten ihrer Eltern in einen Zeitraum fällt, in dem sie noch minderjährig war. Die gegenteilige Ansicht würde letztlich zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme von Leistungen entsprechend dem SGB XII durch minderjährige Ausländer führen, obgleich ihre gesetzlichen Vertreter die Dauer ihres Aufenthalts und den ihrer minderjährigen Kinder rechtsmissbräuchlich ausgedehnt haben.
Mit der vom Antragsgegner im Schriftsatz vom 28. Februar 2005 erklärten Umstellung der Leistungen an den Vater der Antragsteller zu 2) bis 7) auf Grundleistungen nach § 3 AsylbLG entfällt ein Anspruch der minderjährigen Antragsteller zu 3) bis 7) im Übrigen bereits nach § 2 Abs. 3 AsylbLG. Denn mit erfolgter Leistungsumstellung fehlt es an der darin normierten zusätzlichen Voraussetzung für eine leistungsrechtliche Besserstellung Minderjähriger (Erhalt von Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG durch mindestens einen Elternteil der Haushaltsgemeinschaft) (s OVG Lüneburg, 31. Mai 1999 - 4 L 1884/99 - abgedr. In: GK-AsylbLG, Bd. 2, VII - zu § 2 Abs. 3 [OVG-Nr. 1]; VG Potsdam, 24. Oktober 2000 - 7 L 1158/00 - abgedr. In: GK-AsylbLG, Bd. 2, VII - zu § 2 Abs. 3 [VG - Nr. 3]).
Da - wie vorstehend im Einzelnen dargelegt - das Antragsbegehren der Antragsteller keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, war der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Bevollmächtigten der Antragsteller ebenfalls abzulehnen (§ 73 a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 114 Abs. 1, 121 ZPO).
Die Kostenentscheidung folgt aus dem entsprechend anzuwendenden § 193 SGG; es entspricht der Billigkeit von einer Erstattung der außergerichtlichen Kosten der unterliegenden Antragsteller abzusehen.