Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 29.07.2015, Az.: 9 U 22/15
Dinglicher Übergang abgespaltener Vermögensteile an den abgespaltenen Rechtsträger; Dingliche Wirkung einer Zuweisung einer bestimmten Summe in Euro in einer Abspaltungsbilanz an den abgespaltenen Rechtsträger; Zahlungsbegehren aus dem Spaltungsvertrag
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 29.07.2015
- Aktenzeichen
- 9 U 22/15
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2015, 23070
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2015:0729.9U22.15.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 23.01.2015
Rechtsgrundlagen
- § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG
- § 133 BGB
- § 157 BGB
Fundstellen
- ZAP EN-Nr. 820/2015
- ZAP 2015, 1174
- ZIP 2015, 1679-1680
Amtlicher Leitsatz
Die Zuweisung einer bestimmten Summe in Euro in einer Abspaltungsbilanz an den abgespaltenen Rechtsträger hat keine dingliche Wirkung, wenn ein entsprechender Eurobetrag sich nicht im Eigentum des anderen Rechtsträgers befindet (sondern bestenfalls als Forderung gegen eine oder mehrere Bank(en) vorhanden ist). Ein Zahlungsanspruch des abgespaltenen Rechtsträgers besteht nicht, solange nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Forderungen gegen Banken noch beiden Rechtsträgern zustehen.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Vorbehaltsurteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover vom 23. Januar 2015 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 27. Februar 2015 abgeändert.
Die Klage wird als im Urkundsverfahren unstatthaft abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt Zahlung eines ihr vermeintlich im Zuge der Spaltungsvereinbarungen zugedachten Geldbetrages von derjenigen Gesellschaft, von der sie durch Spaltungsvertrag abgespalten worden ist.
Die Geschäftsführer der hier streitenden Gesellschaften mit beschränkter Haftung waren bis 2014 Gesellschafter der LP GmbH. Infolge von Unstimmigkeiten beschlossen sie, sich gesellschaftsrechtlich zu trennen und schlossen unter dem 22. August 2014 einen notariellen Spaltungsvertrag. Teile des Gesellschaftsvermögens wurden auf die Klägerin übertragen; die LP GmbH hat in die Beklagte umfirmiert. Die Spaltung ist im Handelsregister am 9. September 2014 eingetragen.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin im Wege des Urkundenprozesses Zahlung in Höhe von 159.154,06 € nebst Zinsen. Den Betrag hat sie als anteiligen Kassenbestand bezeichnet (GA 3); ihr Begehren stützt sie auf § 1 Nr. 2a dritter Spiegelstrich des Spaltungsvertrages in Verbindung mit der Spaltungsbilanz.
"§ 1 Vermögensübertragung" des Spaltungsvertrages - soweit hier von Interesse - lautet:
1. Die übertragende Gesellschaft überträgt die nachfolgend bezeichneten Vermögensteile jeweils als Gesamtheit mit allen Rechten und Pflichten ...
2. Für die Übertragung der Gegenstände des Aktiv- und Passivvermögens auf die aufnehmende Gesellschaft gilt im Einzelnen:
Auf die aufnehmende Gesellschaft übertragen werden alle Aktiva und Passiva sowie alle sonstigen Vermögensgegenstände, die wirtschaftlich zum Unternehmensteil des Teilbetriebes (wie in der Vorbemerkung definiert und in Anlage V 1 näher dargestellt) gehören und in der zum 31. Juli 2014 aufgestellten "Abspaltungsbilanz" (vgl. Anlage 1 (2) a) der LP GmbH enthalten sind, sowie alle diesem Unternehmensteil zuzuordnenden nicht bilanzierungsfähigen ... Rechtspositionen und Gegenstände, Verträge und sonstige Rechte und Pflichten. Im Einzelnen sind dies insbesondere:
- in Anlage 1 (2) a Sp. 1 .... aufgeführten Gesellschaften ....
- alle dem Unternehmensteil des Teilbetriebs zuzuordnenden Verträge, insb. die
§ | in der Anlage ...aufgeführten Leasing- und Mietverträge, die mit NN gekennzeichnet sind, |
---|
§ | in der Anlage aufgeführten Betreuerverträge, die mit NN gekennzeichnet sind, |
---|
- die in der Abspaltungsbilanz (Anlage 1 (2) a) ausgewiesenen Vermögensgegenstände des Anlage- und Umlaufvermögens, soweit nicht bereits vorstehend erfasst.
In der Abspaltungsbilanz sind bei den Aktiva unter III. "Kassenbestand und Guthaben bei Kreditinstituten" aufgeführt:
gesamt | 250.438,75 €, |
---|---|
der LP sind zugeordnet: | 91.284,67 €, |
der NW GmbH sind zugeordnet | 159.154,08 €. |
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 159.154,08 € nebst Zinsen zu zahlen,
hilfsweise, ihr die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorzubehalten.
Die Beklagte ist dem entgegen getreten.
Die Beklagte hat die Klage im Urkundsverfahren für unstatthaft gehalten, weil es bei den Guthaben bei Kreditinstituten nicht um einen Anspruch gehe, der auf Zahlung gerichtet sei. Für das Nachverfahren hat sie die Geltendmachung von Zurückbehaltungsrechten und Gegenansprüchen angekündigt, die insb. aus einer gesamtschuldnerischen Inanspruchnahme auch der Beklagten seitens einer Kundin aus der Zeit vor der Spaltung, die nunmehr dem Geschäftsfeld der Klägerin zugeordnet ist, herrühren sollen.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Es hat gemeint, die Beklagte weise zwar mit Recht darauf hin, dass die Guthaben bei Kreditinstituten nicht im Wege der reinen Zahlung übertragen werden könnten, sondern durch Abtretung des Anspruchs gegen das Kreditinstitut. Bei verständiger Würdigung seien unter den "Guthaben bei Kreditinstituten" der Spaltungsbilanz liquide Mittel im Gegensatz zu den "Sach- und Finanzanlagen" des Anlagevermögens zu verstehen, die durch Zahlung beglichen werden könnten und bei denen die Beklagte den gesamten Anspruch gegenüber dem Geldinstitut behalte.
Gegen diese Erkenntnis richtet sich die Berufung der Beklagten, die ihre Argumentation vertieft.
Die Beklagte beantragt,
das Vorbehaltsurteil des Landgerichts aufzuheben und die Klage als im Urkundsprozess unstatthaft abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das landgerichtliche Urteil. Sie meint, mit der Eintragung der Spaltung im Handelsregister sei sachenrechtliche Übertragungswirkung eingetreten, was z. B. für die Übertragung von Grundstücken ganz zweifelsfrei sei.
Bezüglich der Forderung ergänzt sie, die 250.438,75 € als Gesamtsumme von Kassenbestand und Guthaben bei Kreditinstituten seien der Buchhaltung der LP GmbH entnommen. Es habe:
einen Kassenbestand i. H. v. | 1.207,55 €, |
---|---|
ein Bankguthaben bei der Sparkasse H. i. H. v. | 151.284,57 €, |
ein Bankguthaben bei der DKB i. H. v. | 96.256,15 €, |
ein Bankguthaben auf einem Treuhandkonto DKB i. H. v. | 0,97 €, |
ein Guthaben auf einem Commerzbank-Konto i. H. v. | 175,21 €, |
Finanzanlagemittel zur kurzfristigen Disposition i. H. v. | 1.502,19 € |
und hinterlegte Bürgschaften i. H. v. | 12,11 € |
gegeben. Sie halte danach das landgerichtliche Urteil weiterhin für richtig. Auch ein Spaltungsvertrag sei auszulegen; dies habe zu erfolgen, wie das Landgericht es getan habe.
Das Gericht hat mit Verfügung vom 27. April 2015 einen rechtlichen Hinweis erteilt (Bl. 80 d. A.). Danach komme in Betracht, dass der Klägerin aufgrund des Spaltungsvertrages allein Auszahlungsansprüche gegen Geldinstitute übertragen worden sein könnten bzw. sie Anspruch auf Übertragung von Forderungsteilen haben könnte, soweit der Spaltungsvertrag sachenrechtlichen Bestimmtheitserfordernissen nicht genüge.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das landgerichtliche Urteil und die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
Der Klägerin steht kein im Urkundsverfahren durchsetzbarer Zahlungsanspruch gegen die Beklagte aus dem Spaltungsvertrag zu.
Eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten gegenüber der Klägerin ist in der Urkunde dem Wortlaut nach nicht erwähnt.
Die Zahlungsverpflichtung ergibt sich auch nicht im Wege der Auslegung der Urkunde gem. §§ 133, 157 BGB. Zwar ist dem Landgericht zuzugeben, dass die Parteien mit dem Spaltungsvertrag und der Spaltungsbilanz gemeint haben könnten, dass die Beklagte der Klägerin den ihr zugewiesenen Euro-Betrag aus der Spaltungsbilanz zahlen soll.
Gegen diese Auslegung spricht aber, dass sie mit der dinglichen Wirkung der Spaltungsvereinbarung nicht in Einklang zu bringen ist. Gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG bewirkt die - im Streitfall erfolgte - Eintragung der Spaltung im Handelsregister, dass diejenigen abgespaltenen Vermögensteile, die dem abgespaltenen Rechtsträger gemäß der Aufteilung im Spaltungsvertrag zugewiesen sind, auch dinglich auf ihn übergehen.
Im Streitfall lässt sich weder ausmachen, dass das Eigentum an 159.154,08 € auf die Beklagte übergegangen ist, so dass sie die Zahlung als Herausgabe verlangen könnte, weil aufgrund der Zusammensetzung des Betrages von 250.438,75 € feststeht, dass die LP GmbH kein Eigentum an Geldstücken oder -scheinen in der Gesamthöhe hatte, noch dass die eine oder andere Forderung gegen eine kontoführende Bank ganz oder teilweise in Höhe eines jeweils bestimmten Betrages auf die Klägerin übergegangen sein könnte. Vielmehr sind der Spaltungsvertrag und die Spaltungsbilanz sachenrechtlich hinsichtlich der Vermögensgegenstände (insbesondere der Guthabenkonten bei mehreren Geldinstituten), die in III. der Spaltungsbilanz eingegangen sind, gänzlich unbestimmt.
Das Eigentum an einer durch Aufaddieren unterschiedlichster geldwerter Vermögensgegenstände ermittelten Summe kann sachenrechtlich nicht übergehen.
Deshalb geht der Senat davon aus, dass gemäß § 131 Abs. 3 UmwG die Vermögensgegenstände, die zusammen am Spaltungsstichtag in die rechnerische Summe von 250.438,75 € in III. der Spaltungsbilanz eingegangen sind, den Parteien sachenrechtlich gemeinsam verblieben sind. Diese sachenrechtliche Würdigung, wonach die Klägerin an den in die Summe eingegangenen Vermögensgegenständen Mitberechtigte geworden ist, steht der hier begehrten Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Wertanteils entgegen, bei der der Klägerin ein Miteigentumsanteil verbliebe.
Die Klägerin kann gegen die Beklagte - wegen der dinglichen Unbestimmtheit des Spaltungsvertrages nebst Anlage - insoweit möglicherweise Ansprüche aus § 131 Abs. 3 UmwG haben oder von der Beklagten die Zustimmung zur Auszahlung von Teilen der Guthaben gegenüber mehreren Banken verlangen, wenn und soweit dies geeignet ist, das der Klägerin betragsmäßig Zugedachte zu erfüllen; in Betracht könnte auch ein Anspruch auf Ergänzung der Spaltungsvereinbarungen kommen, wobei die Klägerin dann im Antrag eine Formulierung vorgeben müsste, zu der die Beklagte zu verurteilen wäre, wenn sie dazu aus Treu und Glauben zweifelsfrei verpflichtet wäre.
Derartige Anträge sind aber nicht Gegenstand des Rechtsstreits und können im von der Klägerin gewählten Urkundsverfahren auch nicht geltend gemacht werden.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen gründen sich auf § 91 Abs. 1 ZPO hinsichtlich der Kosten und auf §§ 708 Nr. 4, 711 ZPO hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit.