Landgericht Osnabrück
Beschl. v. 02.02.2017, Az.: 7 T 770/16

Ersatz von Aufwendungen eines Betreuers i.R.d. rechtlichen Betreuung

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
02.02.2017
Aktenzeichen
7 T 770/16
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 22353
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Papenburg - 05.09.2016 - AZ: 19 XVII 138/15

Fundstelle

  • JurBüro 2017, 429-430

In der Sache
Betreuungssache G.
Bezirksrevisor bei dem Landgericht - Landeskasse -, Neumarkt 2, 49074 Osnabrück,
Geschäftszeichen: 5600 Ea VIII (12/16L)
Beschwerdeführer
Frau G.
Betreuerin
hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück am 02.02.2017 durch die Richterin am Landgericht Dr. Paul (als Vert. d. Vors.), den Richter am Landgericht Dr. Kemme und den Richter Koch
beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde vom 04.10.2016 wird der Beschluss des Amtsgerichts Papenburg vom 05.09.2016 geändert und wie folgt neu gefasst:

Der der ehemaligen Betreuerin aus der Staatskasse zu erstattende Aufwendungsersatz für die Zeit vom 04.08.2015 bis zum 02.08.2016 wird auf 1.190,16 € festgesetzt.

Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Papenburg vom 11.05.2011 wurde die Halbschwester des Betroffenen zu seiner Betreuerin bestellt. Der Aufgabenkreis umfasste hierbei Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge, Geltendmachung von Ansprüchen auf Altersversorgung, Geltendmachung von Ansprüchen auf Hilfe zum Lebensunterhalt sowie Rechts- /Antrags- und Behördenangelegenheiten. Die Bestellung wurde bei gleichbleibendem Aufgabenkreis zuletzt mit Beschluss des Amtsgerichts Papenburg vom 23.08.2012 (Az. 19 XVII 90/09) verlängert. Der Betroffene verstarb am 30.07.2016.

Mit Schreiben vom 16.08.2016 beantragte die ehemalige Betreuerin beim Amtsgericht Papenburg Aufwendungsersatz gem. §§ 1908i, 1835 BGB. Sie machte für den Zeitraum vom 04.08.2015 bis 02.08.2016 unter anderem Fahrtkosten in Höhe von 4356,00 € (0,30 € pro Kilometer) für eine Gesamtstrecke von 14.520 Kilometern geltend. Bezüglich der näheren Einzelheiten in Hinblick auf die Fahrten wird auf den Antrag nebst Anhang (Bl. 59 ff. d.A.) verwiesen. Mit Beschluss vom 05.09.2016 (Az. 19 XVII 138/15) setzte das Amtsgericht Papenburg den Aufwendungsersatz auf 4.370,00 € fest.

Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit der sofortigen Beschwerde vom 04.10.2016, eingegangen am selben Tag beim Amtsgericht Papenburg. Als Begründung wird unter anderem angeführt, dass die überwiegende Zahl der geltend gemachten Fahrten nicht dem Aufgabenkreis der rechtlichen Betreuung zugerechnet werden könne und somit die Erstattungsfähigkeit zu verneinen sei. Der ehemaligen Betreuerin stehe rechnerisch lediglich ein Aufwendungsersatz von 1.190,16 € zu. Die ehemalige Betreuerin hat mit Schreiben vom 30.10.2016 hierzu Stellung genommen und unter Berücksichtigung der Beschwerdebegründung beantragt, den Aufwendungsersatz nunmehr auf 4273,70 € festzusetzen. Insoweit wird auf die Schriftsätze des Beschwerdeführers und der ehemaligen Betreuerin (Bl. 74 ff. d.A.) Bezug genommen.

Das Amtsgericht Papenburg hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist als statthafter Rechtsbehelf gem. §§ 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. 58 Abs. 1, 61 Abs. 1, 168, 292 Abs. 1, 304 Abs. 1 FamFG zulässig und hat in der Sache Erfolg.

Der Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen im Rahmen der rechtlichen Betreuung folgt aus §§ 1908i, 1835, 669, 670 BGB i.V.m. §§ 292, 168 FamFG. Hiernach kann ein Betreuer, dem zum Zwecke der Führung der Betreuung einer mittelosen Person Aufwendungen entstanden sind, diese aus der Staatskasse nach den für den Auftrag geltenden Vorschriften ersetzt verlangen. Maßgeblich ist insoweit, dass der Betreuer im Rahmen seines Aufgabenkreises sowie im Interesse des Betroffenen tätig wird und das er die Tätigkeit aus seiner Sicht nach den Umständen des Einzelfalls auch für erforderlich halten durfte.

Nach Überzeugung der Kammer, liegen diese Voraussetzungen für die geltend gemachten Fahrstrecken nur zum Teil vor.

Richtigerweise stellt der Beschwerdeführer zunächst klar, dass es sich bei der Betreuung im Sinne der §§ 1901 ff. BGB um eine rein rechtliche Betreuung handelt. Bereits nach der gesetzgeberischen Konzeption beschränkt sich die rechtliche Betreuung auf rechtsfürsorgliche Tätigkeiten ohne persönliche Pflegeleistungen oder Hilfestellungen tatsächlicher Art. Hierin liegt der wesentliche Unterschied zur tatsächlichen Betreuung. Grundsätzlich sind rein tatsächliche Hilfestellungen damit nicht vom Aufgabenkreis des rechtlichen Betreuers umfasst und insoweit auch nicht vergütungsfähig (vgl. Palandt/Götz BGB 75. Aufl. § 1901 Rn.1).

Es ist hierbei allerdings auch zu berücksichtigen, dass die Betreuung unter Schaffung eines besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen dem Betroffenen und seinem Betreuer geführt werden soll. Dies setzt nach § 1897 Abs. 1 BGB eine zumindest teilweise persönliche Betreuung voraus, die auf die Wünsche und Vorstellungen der Betreuten Rücksicht nimmt. Diesem Gedanken folgend, kann sich der Aufgabenkreis auch bei der rechtlichen Betreuung im Zweifel auf tatsächliche Hilfestellungen erstrecken, soweit der Betreute auf diese notwendigerweise angewiesen ist und eine alternative Organisation nicht oder nur mit erheblichem Mehraufwand realisiert werden könnte (vgl. BayObLG, Beschluss vom 09.10.2002 - 3Z BR 146/02 -, zitiert nach ). Entscheidend ist hierbei der Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände insbesondere auch in Hinblick auf den betroffenen Aufgabenkreis und die sich daraus ergebenden Folgen für den Betroffenen.

Ist dem Betreuer wie vorliegend, auch der Aufgabenkreis der Gesundheitsfürsorge übertragen, gehört zu seinen Aufgaben die Sicherstellung und Kontrolle der ärztlichen Behandlung sowie der Befolgung der ärztlichen Anweisungen und Ratschläge. In diesem Bereich kommt der gesetzlichen Nebenpflicht des § 1901 Abs. 4 BGB besondere Bedeutung zu. Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Regelung und den dahinter stehenden Interessen des Betreuten, kann im Einzelfall die Teilnahme des Betreuers an für die Diagnose oder die weitergehende Behandlung wichtigen Arztbesuchen gerechtfertigt sein (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 20.12.2013 - 15 WF 257/13 - zitiert nach ; LG Lübeck, Beschluss vom 03.03.2011 - 7 T 201/10 - zitiert nach ; BayObLG a.a.O.).

Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte sind die geltend gemachten Fahrtkosten zur Dialyse teilweise erstattungsfähig, da sie in diesem Fall dem Aufgabenkreis der rechtlichen Betreuung zugeordnet werden können und die ehemalige Betreuerin diese auch für erforderlich halten durfte.

Die ehemalige Betreuerin durfte zu Recht davon ausgehen, dass die Überwachung der Dialysebehandlung grundsätzlich von ihrem Aufgabenkreis als rechtliche Betreuerin umfasst war, da unter wertender Betrachtung der vorgetragenen Tatsachen, eine effektive medizinische Versorgung ohne Rücksprache nicht gewährleistet werden konnte. Bei der Dialyse handelt es sich insoweit auch um einen intensiven körperlichen Eingriff mit schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen, so dass hier im besonderen Maße auf die Interessen des Betroffenen Rücksicht zu nehmen war. Allerdings gilt es auch hier die Grenzen der rechtlichen Betreuung insgesamt zu wahren. Die Kammer kommt vorliegend zu dem Schluss, dass die Anwesenheit der ehemaligen Betreuerin bei jedem einzelnen Dialysetermin nicht erforderlich war, um den Behandlungserfolg insgesamt sicherzustellen und die ärztliche Behandlung zu überwachen. Aufgrund der eingeschränkten Kommunikationsfähigkeit des Betroffenen und der Notwendigkeit, die weitergehende Behandlung im erforderlichen Maße als rechtliche Betreuerin zu begleiten und zu organisieren, kommt die Kammer allerdings zu dem Schluss, dass im vorliegenden Fall die Fahrtkosten für zwei Dialysebegleitungen pro Monat dem Aufgabenkreis der Gesundheitsfürsorge zugerechnet werden können. Daher ist der ehemaligen Betreuerin in Hinblick auf die tatsächlich wahrgenommenen Termine, insoweit ein Aufwendungsersatz für 24 Fahrten zu je 96 km in dem Zeitraum vom 04.08.15 bis 21.07.2016 zuzubilligen. Die darüber hinaus geltend gemachten Fahrtkosten zur Dialyse sind als Kosten einer tatsächlichen Betreuung nicht erstattungsfähig. Auch wenn der Wunsch nach persönlicher Betreuung bei den ärztlichen Terminen aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung nachzuvollziehen ist, wäre es aus Sicht der Kammer dennoch möglich gewesen, die Fahrdienste durch staatliche oder private Organisationen anderweitig durchführen zu lassen und bei Problemen im Rahmen der Behandlung, fernmündlich Rücksprache mit den behandelnden Ärzten zu halten. Das derartige Fahrtkosten in früheren Abrechnungszeiträumen von der Staatskasse ersetzt worden sind, ist in diesem Zusammenhang unerheblich, da ein Vertrauensschutz in die generelle Erstattungsfähigkeit von bestimmten Betreuungsgeschäften bereits aufgrund der unterschiedlichen Gestaltung des Einzelfalles ausscheidet (vgl. BayObLG a.a.O.).

Soweit der Beschwerdeführer darüber hinaus auf das familiäre Näheverhältnis zwischen der ehemaligen Betreuerin und dem Betroffenen hinweist, sieht die Kammer im vorliegenden Fall keine Hinweise dafür, dass die geltend gemachten Fahrtkosten auf einfache Besuchsfahrten zurückzuführen sind.

In Hinblick auf die geltend gemachten Fahrtkosten im Übrigen, schließt sich die Kammer der Argumentation des Beschwerdeführers an, da auch unter Berücksichtigung der bereits aufgezeigten Maßstäbe, eine abweichende Beurteilung nicht angezeigt ist.

Rechnerisch sind der ehemaligen Betreuerin damit Fahrtkosten in Höhe von 1.154,40 € für insgesamt 3.848 km zuzubilligen. Unter Berücksichtigung der sonstigen erstattungsfähigen Aufwendungen in Höhe von 35,76 €, ergibt sich insgesamt ein erstattungsfähiger Betrag in Höhe von 1.190,16 €.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1 Satz. 2 FamFG.

Gegen diesen Beschluss ist gem. § 70 FamFG ein Rechtsmittel nicht gegeben. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Entscheidung auf der Würdigung von Tatsachen dieses Einzelfalles beruht und die Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 FamFG nicht vorliegen.

Dr. Paul
Dr. Kemme
Koch