Landgericht Osnabrück
Beschl. v. 14.11.2016, Az.: 7 T 657/16
Leistungsverpflichtung des Betreuten gegenüber der Staatskasse nach deren Leistung eines Einmalbetrages an den Betreuer; Berücksichtigung von Versicherungspolicen bei der Prüfung der Mittellosigkeit des Betreuten; Rückkaufswert von Lebensversicherungsverträgen als verwertbares Vermögen
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 14.11.2016
- Aktenzeichen
- 7 T 657/16
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2016, 29486
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:2016:1114.7T657.16.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Osnabrück - 05.07.2016
Rechtsgrundlagen
- § 1836c BGB
- § 1836e BGB
- § 1908 BGB
- § 90 Abs. 1 SGB XII
- § 90 Abs. 2 SGB XII
- § 90 Abs. 3 SGB XII
- Art. 2 Abs. 1 GG
Fundstelle
- JurBüro 2017, 89-91
In der Beschwerdesache
Betreuungssache
Betroffene und Beschwerdeführerin
Betreuer:
hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. Hockemeier,
die Richterin am Landgericht Dr. Stalljohann und
den Richter am Landgericht Dr. Kemme
am 14. November 2016
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Betroffenen vom 08.08.2016 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Betreuungsgerichts - Osnabrück vom 05.07.2016 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Für die Betroffene besteht seit vielen Jahren eine Betreuung. Betreuer ist ihr Bruder C. N. In den Jahren 2013 und 2014 entstanden im Rahmen der Betreuung Auslagen in einem Gesamtumfang von 722,00 € (323,00 € + 399,00 €). Weil der Betreuer Leistungen aus der Staatskasse erhalten hatte, bestimmte das Amtsgericht nach Anhörung der Betroffenen und des Betreuers mit der angefochtenen Entscheidung vom 05.07.2016, dass die Betroffene einen einmaligen Betrag von 722, 00 € an die Staatskasse zu leisten hat.
Hiergegen wendet sich die Betroffene mit ihrer Beschwerde vom 08.08.2016, die mit weiterem Schriftsatz vom 14.10.2016 nochmals ergänzend begründet wurde. Sie trägt vor, dass sie nicht in der Lage sei, den geforderten Betrag an die Staatskasse zu leisten, da sie über kein hinreichendes Vermögen verfüge. Ihr Girokonto bei der Volksbank Osnabrück weise nur ein minimales Guthaben aus. Ihre beiden Versicherungspolicen seien nicht als Vermögen zu berücksichtigen. Die Sterbegeldversicherung bei der HDI Lebensversicherung AG sei als Schonvermögen zu behandeln, der weitere Versicherungsvertrag mit der Thuringia Generali Lebensversicherung AG habe für sie "faktisch nicht im geringsten Vermögenswert".
II.
Die Beschwerde ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.
Zu Recht hat das Amtsgericht mit der angefochtenen Entscheidung der Betroffenen aufgegeben, einen einmaligen Betrag von 722,00 € an die Staatskasse zu leisten.
Aufgrund des gesetzlichen Forderungsübergangs gemäß § 1908i i.V.m. §§ 1836c, 1836e BGB sind von der Betroffenen Zahlungen an die Staatskasse zu leisten, nachdem diese Leistungen an den Betreuer erbracht hat.
Zwar mag es zutreffen, dass auf dem Girokonto der Betroffenen Nr. ........bei der Volksbank Osnabrück nur ein geringes Guthaben vorhanden ist. Ausweislich des Berichtes des Betreuers vom 08.06.2016 (Bl. 175 ff. Bd. III der Akten) war am 01.04.2015 ein Guthaben von 1.017,96 € auf dem Konto vorhanden. Der aktuelle Kontostand ist nicht bekannt. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass es sich insoweit um einen kleineren Barbetrag im Sinne des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII handelt, welcher nicht einzusetzen ist.
Etwas anderes gilt jedoch für die Versicherungspolicen der Betroffenen. Insoweit wird zunächst auf die zutreffenden Stellungnahmen des Bezirksrevisors vom 27.08.2015 (Bl. 168 f. Bd. III der Akten), vom 18.08.2016 (Bl. 201 ff. Bd. III der Akten) und vom 02.11.2016 (Bl. 211 Bd. III der Akten) Bezug genommen.
Nach der vom Bezirksrevisor zutreffend zitierten Entscheidung des BGH vom 30.04.2014 (XII ZB 632/13, NJW 2014, 2115 ff., auch abrufbar bei ) gehören auch Lebensversicherungsverträge bzw. deren Rückkaufswert grundsätzlich zum verwertbaren Vermögen im Sinne des § 1836 c Nr. 2 BGB i.V.m. § 90 Abs. 1 SGB XII. Einzusetzendes Vermögen ist das gesamte verwertbare Vermögen mit Ausnahme des in § 90 Abs. 2 SGB XII im Einzelnen aufgeführten Schonvermögens, soweit dessen Einsatz keine Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII bedeutet. Mit dieser Vorschrift sollen nach ihrem Zweck atypische Fallkonstellationen im Einzelfall aufgefangen werden, die nicht von den in § 90 Abs. 2 SGB XII genannten Fallgruppen erfasst sind, die aber den in dieser Vorschrift zum Ausdruck kommenden Leitvorstellungen des Gesetzes für die Verschonung von Vermögen vergleichbar sind (BGH, a.a.O., Rndz. 12).
Weiter ist der BGH in der genannten Entscheidung der schon bislang in Rechtsprechung und Literatur überwiegend vertretenen Auffassung im Grundsatz beigetreten, dass Vermögenswerte, die zur Absicherung der Kosten einer angemessenen Bestattung und Grabpflege angespart werden, durch die Härteregelung des § 90 Abs. 3 SGB XII geschützt sind. Das verfassungsgerichtlich in Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasse nämlich - so der BGH - auch das Recht, über die eigene Bestattung zu bestimmen. Dazu gehöre auch die Dispositionsfreiheit, bereits zu Lebzeiten in angemessenem Umfang für die Durchführung und Bezahlung der eigenen Bestattung Sorge zu tragen. Dieses durch Art. 2 Abs. 1 GG garantierte Recht sei nur dann ausreichend gewährleistet, wenn ein Betreuer die für eine angemessene finanzielle Vorsorge für den Todesfall bestimmten Mittel nicht für die Vergütung des Betreuers einsetzen müsse.
Allerdings - so der BGH weiter (a.a.O., Rndz. 15) - sei diese Privilegierung nur dann gerechtfertigt, wenn sichergestellt ist, dass der ansparte Vermögenswert auch tatsächlich für die Bestattungskosten oder die Grabpflege verwendet wird. Die Privilegierung der finanziellen Vorsorge für die Bestattung und Grabpflege gegenüber dem sonstigen Vermögen des Betreuten beruhe zwar zum einen auf deren besonderer Zweckbestimmung, jedoch sei bei der Prüfung der Härtefallregelung andererseits auch von Bedeutung, dass der Betreute seinen Wunsch, für eine angemessene Bestattung vorzusorgen, dadurch verwirklicht, dass er bereits zu Lebzeiten eine entsprechende Vermögensdisposition trifft und ihm dieser Vermögenswert somit nicht mehr zur freien Verfügung steht. Nur wenn der Betreute die für die Bestattung vorgesehenen Mittel aus seinem übrigen Vermögen ausgeschieden und man eine entsprechende Zweckbindung verbindlich festgelegt hat, stelle der Einsatz dieser Mittel für die Betreuervergütung für ihn eine unzumutbare Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 S. 1 SGB XII dar. Dies könne z.B. bei einer Sterbeversicherung der Fall sein. Allerdings genüge die bloße Absicht des Betroffenen, ein angespartes Guthaben im Falle des Todes für die Bestattungskosten zu verwenden, ohne einen entsprechenden Teil seines Vermögens mit einer entsprechenden Zweckbindung aus dem übrigen Vermögen auszugliedern, für sich genommen noch nicht, um von einem solchen Härtefall auszugehen.
Weiter hat der BGH in dem konkret von ihm entschiedenen Fall, in dem eine kapital-bildende Lebensversicherung ebenfalls als "Sterbegeldversicherung" bezeichnet worden war, eine hinreichende Zweckbindung nicht für gegeben erachtet (a.a.O., Rz. 16). Durch die konkrete Vertragsgestaltung sei eine Verwendung der Versicherungssumme gerade für die Absicherung der Bestattungskosten usw. nämlich nicht gewährleistet. Vielmehr bleibe dem Betroffenen die Möglichkeit, bis zum vorgesehenen Laufzeitende die Versicherung zum Rückkaufswert aufzulösen und das Kapital anderweitig zu verwenden. Auch für die Zeit nach dem Tode der Betroffenen sei durch die gewählte Vertragsgestaltung nicht sichergestellt, dass die ausgezahlte Versicherungsleistung für die Bestattungskosten oder für die Grabpflege verwendet wird. Dem von der Betroffenen für den Fall ihres Todes als Bezugsberechtigten bestimmten Sohn fließe die Versicherungssumme nämlich als Teil seines eigenen Vermögens zu, ohne dass ihm eine Verpflichtung auferlegt worden sei, mit diesem Kapital die Bestattungskosten der Betroffenen zu bestreiten. Da somit nicht sichergestellt sei, dass die von der Betroffenen angesparte Versicherung auch tatsächlich für die Bestattungskosten eingesetzt wird, stelle es auch keine Härte im Sinne von § 90 Abs. 3 SGB XII dar, wenn dieser Vermögenswert im Rahmen der Prüfung der Mittellosigkeit der Betroffenen berücksichtigt wird.
Nach diesen Grundsätzen ist auch im vorliegenden Fall nicht davon auszugehen, dass die Berücksichtigung der beiden Versicherungspolicen bei der Prüfung der Mittellosigkeit der Betroffenen eine Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII darstellt. Zumindest hat die Betroffene eine derartige Härte nicht hinreichend dargelegt, insbesondere hat sie sich nicht ausreichend mit den vom Bezirksrevisor bereits zutreffend erhobenen Einwendungen auseinandergesetzt.
Was zunächst die bei der HDI Lebensversicherung AG bestehende Versicherung betrifft, ist diese zwar (ebenso wie in dem der oben genannten Entscheidung des BGH zu Grunde liegenden Fall) als "Sterbegeldversicherung" bezeichnet. Die Versicherungsbedingungen sind dem Gericht allerdings nicht bekannt, die Betroffene hat lediglich als Anlage 1 zu der Beschwerdeschrift vom 08.08.2016 ein Informationsschreiben zum aktuellen Versicherungsschutz vorgelegt. Danach betrug der aktuelle Versicherungsschutz, d.h. das garantierte Sterbegeld, zum 01.12.2015 1.705,00 €. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass es der Betroffenen nicht möglich wäre, den Versicherungsvertrag vor dem Laufzeitende der Versicherung zum Rückkaufswert aufzulösen. Dies dürfte vielmehr nach versicherungsrechtlichen Grundsätzen sehr wohl möglich sein (vgl. §§ 168, 169 VVG).
Erst Recht gilt dies für die bei der Thuringia Generali Lebensversicherung AG bestehende Lebensversicherung. Insoweit hat die Betroffene als Anlage 2 zu der Beschwerdeschrift vom 08.08.2016 den Versicherungsschein lediglich auszugsweise vorgelegt. Sie selbst trägt hierzu vor, dass es sich bei dieser Versicherung "primär um eine Risikoversicherung" handele, womit offenbar gemeint ist, dass die Absicherung für den Todesfall im Vordergrund steht. Die Betroffene betont hier sehr einseitig, dass im Erlebensfall, d.h. in dem Fall, dass sie den 01.03.2039 noch erlebt, lediglich ein vergleichsweise geringer Betrag von 2.500,00 € fällig wird. Die Höhe der Todesfallleistung ist aus den von der Betroffenen vorgelegten Unterlagen nicht ersichtlich, weil Seite 4 des Versicherungsscheins insoweit auf eine "Anlage Struktur 1" Bezug nimmt, welche die Betroffene nicht vorgelegt hat. Es ist lediglich ersichtlich, dass im Falle eines tödlichen Unfalles der Betroffenen eine zusätzliche Zahlung von 5.000,00 € sofort fällig wird (vgl. Seite 5 des Versicherungsscheins).
Insbesondere verschweigt die Betroffene jedoch in ihrer Beschwerde, welchen Rückkaufswert die Versicherung derzeit hat. Insoweit hatte der Betreuer - worauf der Bezirksrevisor schon zutreffend hingewiesen hat - bereits mit einer Rechnung über die Verwaltung des Vermögens vom 30.05.2008 die von der Betroffenen nunmehr "unterschlagene" Seite 7 des Versicherungsscheines vorgelegt (Bl. 119 Bd. II der Akten). Daraus ergibt sich, dass die Versicherung mit der Versicherungsnummer 2 476 577 zum 01.03.2016 einen Rückkaufswert von 2.389,00 € hatte und zum 01.03.2017 einen Rückkaufswert von 2.646,00 € haben wird. Es kann daher überhaupt keine Rede davon sein, dass diese Versicherung, wie die Betroffene in dem Schriftsatz vom 14.10.2016 vorträgt, für sie "faktisch nicht den geringsten Vermögenswert" habe. Es handelt sich sehr wohl um einen Vermögenswert, der nach den Maßstäben der vorgenannten Entscheidung des BGH vom 30.04.2014 bei der Prüfung der Mittellosigkeit der Betroffenen zu berücksichtigen ist. Die Betroffene hat hier ohne Zweifel die Möglichkeit, die Versicherung vor dem Vertragsende zum Rückkaufswert aufzulösen und das Kapital anderweitig zu verwenden. Eine Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII liegt damit offensichtlich nicht vor.
Die Entscheidung bezüglich der Kosten beruht auf § 81 Abs. 1 S. 2 FamFG.