Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 20.04.2004, Az.: 4 A 2/03

alleinerziehende Eltern; Elternteil; Mindestunterhalt; Rückforderung; Unterhalt; Unterhaltsausfall; Unterhaltsvorschuss

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
20.04.2004
Aktenzeichen
4 A 2/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50604
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz, die sie für ihre Kinder C. D. (geboren am 30.10.1991) und E. D. (geboren am 09.03.1994) erhalten hat.

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Die Klägerin lebt seit dem Jahr 1998 von ihrem ehemaligen Ehemann F. D., dem Vater von C. und E., getrennt. Sie wohnte zunächst zusammen mit den beiden Kindern sowie ihrer Tochter, Frau G. H. (geboren am 8. November 1983), in der I. straße 90 in J..

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Am 18. Februar 1999 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten für C. und E. Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz -UVG-. Mit Bescheiden vom 18. Mai 1999 bewilligte der Beklagte den Kindern der Klägerin ab dem 1. April 1999 monatlich Leistungen in Höhe von 299,-- DM für C. und in Höhe von 224,-- DM für E.. Mit Schreiben vom 18. Mai 1999 informierte der Beklagte den Vater der Kinder hierüber. Mit Bescheiden vom 26. Juli 1999 erhöhte der Beklagte ab dem 1. Juli 1999 die Leistungen auf 306,-- DM für C. und auf 230,-- DM für E.. Mit Bescheid vom 18. Februar 2000 bewilligte er für E. ab dem 1. März 2000 Leistungen ebenfalls in Höhe von 306,-- DM und hob die vorangegangenen Bewilligungsbescheide auf. Mit Bescheiden vom 21. März 2000 setzte der Beklagte die Leistungen für beide Kinder ab dem 1. Januar 2000 auf je 296,-- DM fest.

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Nachdem der Beklagte den Vater der Kinder mit Schreiben vom 8. Juni 2000 über den Übergang der Unterhaltsansprüche der Kinder in Kenntnis gesetzt hatte, teilte dieser am 19. Juni 2000 mit, E. lebe seit März 1999 bei ihm. Von dem Einwohnermeldeamt der Gemeinde J. erfuhr der Beklagte, dass E. seit dem 1. August 1999 mit Hauptwohnsitz in der I. straße 49 und mit Nebenwohnsitz in der I. straße 90 gemeldet war. Herr D. war seit dem 1. August 1999 in der I. straße 49 gemeldet. Mit Schreiben vom 22. Juni 2000 wiederholte der Vater der Kinder seine Angaben vom 19. Juni 2000. Er habe E. deswegen erst am 1. August 1999 umgemeldet, weil er mit ihr zusammen im Juni umgezogen sei und die Ummeldung nur einmal habe vornehmen wollen.

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Der Beklagte hörte in der Folgezeit die Klägerin zu der beabsichtigten Einstellung der Leistungen für beide Kinder an. Diese wandte sich hiergegen mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 23. Juni 2000. Es treffe nicht zu, dass E. ihren gewöhnlichen Aufenthalt bei ihrem Vater habe. Nach Beendigung eines ersten Scheidungsverfahrens durch die Rücknahme des Scheidungsantrages hätten sich die Parteien darauf geeinigt, dass sie, die Klägerin, die Kinder in ihre Wohnung aufnehme und auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht erhalte. Um langfristig den Unterhalt sichern zu können, habe sie sich zu einem Fortbildungslehrgang angemeldet, der insgesamt neun Monate habe dauern sollen. Für diese Zeit habe sie mit dem Vater der Kinder die vorläufige Regelung getroffen, dass E. häufiger als bisher bei ihm sein solle. Das Umgangsrecht habe so gestaltet werden sollen, dass sich die Tochter, je nach der Belastungssituation der Eltern, entweder bei dem einen oder dem anderen Elternteil habe aufhalten sollen. Wegen der räumlichen Nähe der Wohnungen sei dies auch unproblematisch gewesen. Leider habe sie, die Klägerin, dann während des Lehrgangs einen schweren Unfall erlitten und sei gesundheitlich lange Zeit erheblich beeinträchtigt gewesen. Hierdurch habe es sich ergeben, dass E. häufiger bei ihrem Vater übernachtet habe. Nachdem sie, die Klägerin, jetzt wieder gesund sei, weigere sich der Vater, E. wieder herauszugeben. Er habe die Situation genutzt, um zu versuchen, den endgültigen Aufenthalt seiner Tochter bei ihm zu statuieren. So habe er sie umgemeldet, ohne dass sie, die Klägerin, dies gewusst oder dem zugestimmt habe. Die Ummeldung sei ihr erst jetzt bekannt geworden. Sie werde zeitnah die Scheidung einreichen und das Aufenthaltsbestimmungsrecht gerichtlich klären lassen.

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Mit Bescheiden vom 30. Juni 2000 stellte der Beklagte die Unterhaltsvorschussleistungen für die Kinder der Klägerin mit Ablauf des 31. Juli 2000 ein. Gleichzeitig forderte er die Klägerin zur Rückzahlung des in der Zeit vom 1. August 1999 bis zum 31. Juli 2000 für E. geleisteten Betrages in Höhe von 3.070,-- DM (1.569,67 €) und des im gleichen Zeitraum für C. geleisteten Betrages in Höhe von 3.602,-- DM (1.841,67 €) auf. Es bestehe kein Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistung, wenn der andere Elternteil seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Berechtigten durch Vorausleistung erfüllt habe. Hier lebten von zwei Kindern je eines bei einem Elternteil, wobei jeder Elternteil voll für den Unterhalt aufkomme. Jedes der Kinder sei deswegen so zu behandeln, als zahle der andere Elternteil regelmäßig den Mindestunterhalt.

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Die Klägerin erhob am 13. Juli 2000 Widerspruch und verwies auf ihr Schreiben vom 23. Juni 2000.

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Am 28. August 2000 beantragte die Klägerin die Scheidung und die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für ihre Tochter E. auf sich. Im Hinblick auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht beantragte sie weiter den Erlass einer einstweiligen Anordnung. In ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 29. August 2000 gab sie dabei u.a. an:

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„Weil mein Mann den Unterhalt dann doch nicht zahlte und ich mich ohnehin um eine eigene wirtschaftliche Existenz kümmern wollte, habe ich eine Fortbildung in Buchhaltung am 1.6.1999 begonnen. Mein Mann ist dann im Juli 1999 in meine Nähe gezogen, damit er die Kinder häufiger sehen konnte. Ab August 1999 habe ich E. bis zu drei bis viermal die Woche bei ihrem Vater übernachten lassen. Dies hat sich so ergeben, weil mein Mann wegen Arbeitslosigkeit tagsüber Zuhause war und ich aufgrund der Fortbildung und eines Nebenjobs bei einer Werbeagentur weniger Zeit hatte als er und vor allem Probleme hatte, E. zum Kindergarten zu bringen und abzuholen. Damals schlug mein Mann vor, E. ganz zu sich zu nehmen, was ich ablehnte. Nach Abschluss der Fortbildung Ende Februar 2000 sollte E. wie ursprünglich vereinbart immer in meinem Haushalt sein, abgesehen von Besuchen beim Vater im üblichen Umfang.... Im November 1999 hatte ich eine Nasenoperation, so dass ich gezwungen war, beide Kinder für eine Woche ganz zum Vater zu geben. Am 18.1.2000 hatte ich einen unverschuldeten Verkehrsunfall... Nach meinem Verkehrsunfall musste ich E. ganz bei meinem Mann lassen. Diese Situation hat mein Mann ausgenutzt und gibt mir E. jetzt nicht mehr zurück. ...“

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Herr D. bestritt diese Angaben und machte geltend, E. habe mit Einverständnis der Klägerin bereits seit März 1999 bei ihm gelebt.

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Das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wurde für erledigt erklärt, nachdem die Klägerin und ihr ehemaliger Ehemann im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 14. März 2001 eine Umgangsvereinbarung abgeschlossen haben. E. verblieb danach bei ihrem Vater, für die Klägerin wurde ein Umgangsrecht eingeräumt.

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Die Ehe der Klägerin mit Herrn D. wurde durch Urteil des Amtsgerichts L. vom 8. März 2002 geschieden (5 F 614/00).

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Im Übrigen bemühte sich die Klägerin darum, die Anmeldung ihrer Tochter unter der Anschrift I. straße 49 rückgängig zu machen. Ihr ehemaliger Ehemann erklärte im Rahmen dieses Verfahrens  mit Schreiben vom 27. November 2000 gegenüber der Gemeinde J.:

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„Ich erkläre hiermit, dass meine Tochter E. D. seit Mitte März 1999 bei mir im Haushalt lebt und vollständig von mir betreut und versorgt wird. Dass meine Tochter erst später umgemeldet wurde, hat den Grund, dass ich mit ihr im Juni umgezogen bin und die Ummeldung nur einmal vornehmen wollte. Zahlreiche Freunde von E.  und mir, Kindergartenerzieher, Nachbarn etc. können das bestätigen. Entsprechend hat meine Frau sämtliche Kleidung, Spielsachen, persönliche Dinge und auch Möbel von E. Ende Juni 1999 herausgegeben, so dass sich diese bei mir befinden. Kurz nach dem Auszug von E. zu mir hat meine Frau ihre Wohnung derart umgestaltet, das ein Kinderzimmer völlig aufgelöst wurde und mit einem Wanddurchbruch als offenes Zimmer zum Wohnzimmer hinzugenommen wurde. Für E.  ist im Haushalt der Mutter nicht einmal ein Kinderzimmer vorhanden...“.

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Die Gemeinde J. teilte der Klägerin im Dezember 2000 mit, dass eine Unrichtigkeit in der Führung des Melderegisters nicht gesehen werden könne. E. habe seit 1. August 1999 ihren Lebensmittelpunkt bei ihrem Vater, denn sie habe nach den eigenen Angaben der Klägerin drei- bis viermal in der Woche bei ihrem Vater übernachtet.

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Mit Bescheid vom 29. November 2002 half die Bezirksregierung Hannover dem Widerspruch der Klägerin insoweit ab, als er die Einstellung der Leistungen für C. ab 31. Juli 2000 und die Rückforderung der für ihn in der Zeit vom 1. Juni 2000 bis zum 31. Juli 2000 gezahlten Leistungen betraf. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück. Unterhaltsleistungen nach dem UVG würden nur bei einem planwidrigen Ausbleiben von Elternunterhalt gezahlt. Hätten Eltern zwei Kinder nach der Trennung dergestalt „aufgeteilt“, dass je eines der Kinder bei einem Elternteil wohne und jeder der Elternteile das bei ihm lebende Kind vollständig unterhalte, sei jedes der Kinder so zu behandeln, als zahle der andere Elternteil regelmäßig Mindestunterhalt. Denn bei „aufgeteilten“ Kindern und vollständiger Unterhaltsgewährung für jedes der Kinder liege regelmäßig kein planmäßiges Ausbleiben von Unterhaltsleistungen vor, welches den betreuenden Elternteil zu Unterhaltsleistungen nötige, die er anderenfalls nicht erbracht hätte. Es sei vielmehr im Gegenteil davon auszugehen, dass der betreuende Elternteil ohnehin bereit gewesen sei, dem bei ihm lebenden Kind den vollen Unterhalt einschließlich des auf den anderen Elternteil entfallenden Anteils zu gewähren, wenn er im Gegenzug nicht zur Leistung des Unterhalts herangezogen werde, der an sich für das bei dem anderen Elternteil lebende Kind geschuldet werde. Etwas anderes gelte nur, wenn einer der Elternteile oder beide nicht leistungsfähig seien. Es sei davon auszugehen, dass E. seit 1. August 1999 bei ihrem Vater gelebt habe. Seit Ende Mai 2000 beziehe dieser aber Leistungen nach dem BSHG, so dass der Unterhalt für C. vom 1. Juni 2000 an wieder planwidrig ausbleibe. Von diesem Zeitpunkt an, könne die Klägerin für C. wieder Leistungen nach dem UVG erhalten. Hinsichtlich E. bleibe es dabei, dass die Leistungen in dem umstrittenen Zeitraum zu Unrecht an die Klägerin gezahlt worden seien. Die Zahlung der Unterhaltsleistungen sei auch durch zumindest fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben der Klägerin herbeigeführt worden, denn die Klägerin hätte unverzüglich anzeigen müssen, dass E. in den Haushalt ihres Vaters gewechselt sei. Die Klägerin habe ihre Mitwirkungspflicht aus § 6 Abs. 4 UVG verletzt, obwohl sie hierauf hingewiesen worden sei. Die Klägerin sei zur Rückzahlung des für C. in der Zeit vom 1. August 1999 bis zum 31. Mai 2000 geleisteten Betrages in Höhe von 3.010,-- DM (1.538,98 €) verpflichtet und zur Rückzahlung der in der Zeit vom 1. August 1999 bis zum 31. Juli 2000 für E. erbrachten Leistungen in Höhe von 3.070,-- DM (1.569,67 €).

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Die Klägerin hat am 30. Dezember 2002 Klage erhoben, soweit von ihr Unterhaltsleistungen für die Zeit vom 1. August 1999 bis zum 17. Januar 2000 zurückgefordert werden. Zur Begründung führt sie aus:

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Bis zum 17. Januar 2000 habe E. ihren Lebensmittelpunkt bei ihr, der Klägerin, gehabt. Sie habe dort zusammen mit ihrem Bruder ein Kinderzimmer gehabt, sämtliche ihrer persönlichen Sachen hätten sich bis Ende Januar 2000 bei ihr, der Klägerin, befunden. Es sei zwar vorgekommen, dass das Mädchen bei ihrem Vater übernachtet habe. Dies sei aber höchstens ein bis zwei Tage in der Woche der Fall gewesen. Auch das Arbeitsamt sei nach Recherchen davon ausgegangen, dass E. bis Januar 2000 bei ihr, der Klägerin, gelebt habe, was sich dem Schreiben des Arbeitsamtes L. vom 16. März 2001 entnehmen lasse.

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Die Klägerin beantragt,

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die Bescheide des Beklagten vom 30. Juni 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Hannover vom 29. November 2002 aufzuheben, soweit sie den Zeitraum vom 1. August 1999 bis zum 17. Januar 2000 betreffen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen die Gründe der angefochtenen Bescheide.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die im Gerichtsverfahren gewechselten Schriftsätze und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Bezirksregierung Hannover Bezug genommen. Dem Gericht hat auch die Akte des Amtsgerichts L. vorgelegen. Das Gericht hat Beweis erhoben, indem es den Vater der Kinder, Herrn F. D., und die Tochter der Klägerin, Frau G. H., als Zeugen vernommen hat. Wegen des Ergebnisses wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.

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Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, soweit darin die für C. in der Zeit vom 1. August 1999 bis zum 17. Januar  2000 gezahlten Leistungen zurückgefordert werden. Die Rückforderung der für E. erbrachten Zahlungen ist hingegen nicht zu beanstanden.

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Rechtsgrundlage für das Rückforderungsbegehren ist § 5 Abs. 1 des Unterhaltsvorschussgesetzes (UVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 ( BGBl. I S. 2615). Haben die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung in dem Kalendermonat, für den sie gezahlt worden ist, nicht oder nicht durchgehend vorgelegen, so hat nach § 5 Abs. 1 UVG der Elternteil, bei dem der Berechtigte lebt, oder der gesetzliche Vertreter des Berechtigten den geleisteten Betrag insoweit zu ersetzen, als er die Zahlung der Unterhaltsleistung dadurch herbeigeführt hat, dass er vorsätzlich oder fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht oder eine Anzeige nach § 6 unterlassen hat, (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG) oder gewusst oder infolge von Fahrlässigkeit nicht gewusst hat, dass die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung nicht erfüllt waren (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 UVG).

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In dem umstrittenen Zeitraum haben die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsvorschussleistungen an C. vorgelegen, E. konnte hingegen keine Leistungen beanspruchen.

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Nach § 1 Abs. 1 UVG in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Januar 1994 (BGBl. I S. 165) zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. 12. 1999 (BGBl. I S. 2671) hat Anspruch auf Unterhaltsvorschuss - oder -ausfall - Leistung u.a. wer das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UVG), im Geltungsbereich des Gesetzes bei einem seiner Elternteile lebt, der ledig, verwitwet, geschieden ist oder von seinem Ehegatten getrennt lebt (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG), und nicht oder nicht regelmäßig Unterhalt von dem anderen Elternteil mindestens in der in § 2 Abs. 1 und Abs. 2 bezeichneten Höhe erhält (§ 1 Abs. 1 Nr. 3a UVG), d.h. in der Höhe der Regelbeträge, wie sie nach der Regelbetrag - Verordnung  jeweils gelten, abzüglich eines Betrages in Höhe der Hälfte des für ein erstes Kind zu zahlenden Kindergeldes, wenn der Elternteil, bei dem das Kind lebt, Anspruch auf volles Kindergeld hat. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 UVG sind dabei auch dann erfüllt, wenn der monatlich laufend gezahlte Unterhalt nicht die aus § 2 Abs. 1 und Abs. 2 UVG ersichtliche Höhe erreicht, etwa, weil der barleistungsverpflichtete Elternteil nur zur Zahlung eines geringeren monatlichen Betrages verpflichtet ist (Scholz, UVG, 4. Aufl. 1999, § 1 Rn. 18).

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Entgegen der Auffassung des Beklagten kann nicht festgestellt werden, dass es bei beiden Kindern an der Voraussetzung des § 1 Abs. 1 Nr. 3a UVG fehlte, d.h., dass es bei ihnen nicht zu einem Unterhaltsausfall gekommen ist. Kommt bei zwei gemeinsamen Kindern geschiedener oder getrennt lebender Kinder jeder Elternteil für den vollen Unterhalt eines dieser Kinder auf, so ist jedes Kind so zu behandeln, als zahle der andere Elternteil den aus § 2 Abs. 1 und Abs. 2 UVG ersichtlichen Mindestunterhalt, wenn jeder Elternteil wirtschaftlich leistungsfähig ist. Denn das Nichtleisten stellt dann für den sorgeberechtigten Elternteil kein planwidriges Ausbleiben von Unterhaltsleistungen dar, welches ihn zu Ersatzleistungen nach § 1607 BGB nötigte, die er andernfalls nicht erbracht hätte. Vielmehr ist regelmäßig davon auszugehen, dass der sorgeberechtigte Elternteil ohnehin bereit war und ist, dem bei ihm lebenden Kinde den vollen Unterhalt zu gewähren - also unter Einschluss des an sich auf den anderen Elternteil entfallenden Anteils -, schon weil er von dem anderen Elternteil im Gegenzug seinerseits nicht zu an sich geschuldeten Unterhalts- oder Unterhaltserstattungsleistungen für das bei diesem lebende andere Kind herangezogen wird. Dies gilt unabhängig davon, ob die Eltern eine ausdrückliche Vereinbarung getroffen haben oder ob lediglich faktisch jeder Elternteil den Unterhalt des bei ihm lebenden Kindes vollständig deckt (Scholz, UVG, 4. Aufl. 1999, § 1 Rn. 17; VGH Baden - Württemberg, Urt. v. 8.11.1995 - 6 S 1945/96 -, NJW 1996, 946).

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So liegt es hier nicht.

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Das Gericht hat nicht feststellen können, dass E. D. in dem streitigen Zeitraum allein bei ihrem Vater lebte und von diesem vollständig unterhalten wurde. Es ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vielmehr davon überzeugt, dass sie in der Zeit vom 1. August 1999 bis zum 17. Januar 2000 sowohl bei der Klägerin als auch bei dem Zeugen D. wohnte und von beiden Elternteilen in etwa gleichem Umfang unterhalten und betreut wurde. Die Klägerin sowie der Zeuge D. haben in der mündlichen Verhandlung ihre bisherigen Angaben im Wesentlichen wiederholt und vertieft. Die Aussage des Zeugen D., wonach E. seit März 1999 ausschließlich bei ihm gelebt habe und ihre Mutter nur jedes zweite Wochenende besucht habe, glaubt die Kammer dabei nicht. Dagegen spricht zunächst, dass er auf das Schreiben des Beklagten vom 18. Mai 1999, mit dem ihm der Bezug der Unterhaltsvorschussleitungen mitgeteilt worden ist, nicht unverzüglich geltend gemacht hat, dass E. nicht mehr bei ihrer Mutter lebte. Seine Einlassung, er habe das Schreiben nicht erhalten, hält die Kammer für unglaubhaft. Der Zeuge konnte auch nicht plausibel darlegen, weshalb E., die unstreitig zunächst bei der Klägerin gelebt hat, zu ihm gezogen ist. Seine Angabe, anlässlich eines Besuches am Wochenende habe E. erklärt, sie wolle nicht zurück, worauf hin die Klägerin telefonisch erklärt habe, dann solle sie bei dem Zeugen bleiben, ist angesichts des aus der Akte des Amtsgerichtes L. zu ersehenden Ausmaßes der Zerrüttung der Beziehung der ehemaligen Eheleute nicht glaubhaft. Dagegen sprechen auch die Anstrengungen, die die Klägerin unternommen hat, um das Aufenthaltsbestimmungsrecht für E. zu erhalten.

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Die Kammer glaubt vielmehr der Klägerin, dass E. in dem streitigen Zeitraum noch in ihrem Haushalt gewohnt hat und auch von ihr erzogen wurde. Die Angaben, die sie in der eidesstattlichen Versicherung vom 29. August 2000 und im Termin zur mündlichen Verhandlung gemacht hat, rechtfertigen aber den Schluss, dass das Kind in dem streitigen Zeitraum gleichermaßen auch von dem Zeugen D. betreut wurde. So hat dieser E. oft in den Kindergarten gebracht und sie wieder abgeholt. Das Kind hat auch nicht nur vereinzelt bei ihm übernachtet. Was die Zahl der Übernachtungen angeht, muss sich die Klägerin dabei an den Angaben ihrer gegenüber dem Amtsgericht L. abgegebenen eidesstattlichen Versicherung vom 29. August 2000 festhalten lassen, nämlich, dass dies etwa drei - bis viermal die Woche der Fall war. Die Klägerin hat zwar im Termin zur mündlichen Verhandlung versucht, diese Angaben zu relativieren und ausgeführt, abhängig von ihrer beruflichen Belastung habe sich E. sehr unregelmäßig bei ihrem Vater aufgehalten und dort übernachtet. Die in der eidesstattlichen Versicherung genannten Zahlen hat sie aber nicht bestritten.

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Auch die Aussage der Zeugin H. spricht dafür, dass E. im streitigen Zeitraum von beiden Elternteilen in etwa gleichem Umfang betreut und unterhalten wurde. Die Zeugin hat zwar zunächst angegeben, nach der Trennung der Klägerin von Herrn D. hätten sie bis zum Unfall der Klägerin mit E. zusammen in der I. straße gewohnt. Insgesamt war die Aussage der Zeugin aber sehr vage und pauschal. Konkrete Nachfragen konnte sie meist nicht beantworten. Insbesondere bei der Frage des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, ob E. ein eigenes Bett in der I. straße gehabt habe, zögerte die Zeugin auffallend lange, bevor sie aussagte, dies müsse wohl der Fall gewesen sein, weil sie ja aus der N. - Straße ausgezogen seien, wo jeder ein eigenes Bett gehabt habe. Später räumte sie dann ein, dass C. „danach“ ein Hochbett gehabt habe, während für E. eine Schlafcouch gekauft worden sei. Die zögerlichen Angaben zu dieser Frage können nicht mit Erinnerungslücken erklärt werden, denn zuvor war die Zeugin durchaus in der Lage, die Einrichtung eines anderen Zimmers der Wohnung zu beschreiben. Die Kammer wertet sie vielmehr als Bestreben der Zeugin, nichts zu sagen, was sich für ihre Mutter, die Klägerin, als ungünstig herausstellen könnte. Aus der Aussage der Zeugin „ich würde eher sagen, sie hat bei uns gelebt und hat ihren Vater besucht“ schließt die Kammer, dass sich die Zeugin angesichts des häufigen Aufenthalts E’.s bei dem Zeugen D. selbst nicht ganz sicher war, wo der tatsächliche Lebensmittelpunkt des Kindes war.

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Steht nach allem zur Überzeugung der Kammer fest, dass E. in der Zeit vom 1. August 1999 bis zum 17. Januar 2000 gleichermaßen bei beiden Elternteilen gelebt hat, lagen in ihrem Fall die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG nicht vor. Sie hat nicht im Sinne der Vorschrift bei einem ihrer Elternteile gelebt.

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Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Kind nur dann bei einem Elternteil lebt, wenn es mit ihm eine auf Dauer angelegte häusliche Gemeinschaft hat, in der es auch von ihm betreut wird. Abgrenzungsprobleme entstehen dann, wenn das Kind regelmäßig einen Teil des Monats auch bei dem anderen Elternteil verbringt. Bei der Auslegung des in § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG verwendeten Rechtsbegriffs des "bei einem Elternteil leben" muss der Sinn und Zweck des Unterhaltsvorschussgesetzes beachtet werden. Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz stellen eine besondere Sozialleistung - auch für den alleinerziehenden Elternteil - dar. Der Gesetzgeber hat sie vorgesehen, weil alleinerziehende Elternteile ihre Kinder in der Regel unter erschwerten Bedingungen erziehen und bei Ausfall von Unterhaltsleistungen des anderen Elternteils auch für den von dem anderen Elternteil geschuldeten Unterhalt aufkommen müssen. Diese zusätzliche Belastung soll durch eine öffentliche Unterhaltsleistung aufgehoben oder wenigstens gemildert werden. Entscheidendes Kriterium zur Beantwortung der Frage, ob bei einem Kind, das auch von dem Elternteil, bei dem es nicht lebt, betreut wird, die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG vorliegen, ist der Umfang der persönlichen Betreuung und Versorgung, den das Kind beim anderen Elternteil findet, und die damit einhergehende Entlastung des Elternteiles, bei dem es lebt, von der Pflege und Erziehung des Kindes. Nach der Intention des Unterhaltsvorschussgesetzes kommt es nämlich entscheidend darauf an, ob der alleinstehende Elternteil die doppelte Belastung mit Erziehung und Unterhaltsgewährung wegen des Ausfalls des anderen Elternteils in seiner Person zu tragen hat. Denn gerade deswegen soll er durch die staatliche Sozialleistung entlastet werden. Von einer solchen Belastungssituation kann jedoch bei einer fortbestehenden Betreuung durch den anderen Elternteil nicht ausgegangen werden, wenn diese eine wesentliche Entlastung des Unterhaltsvorschuss beantragenden Elternteils bei der Pflege und Erziehung des Kindes zur Folge hat. Bei dieser Konstellation ist daher die Annahme, das Kind lebe im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG bei einem Elternteil, nicht gerechtfertigt. Anders ist es jedoch zu beurteilen, wenn der Unterhaltsvorschuss beantragende Elternteil trotz der Betreuungsleistungen des anderen Elternteils die Verantwortung für die Sorge und Erziehung des Kindes tatsächlich noch allein hat, weil der Schwerpunkt der Betreuung und Fürsorge des Kindes ganz überwiegend bei ihm liegt. In einem solchen Fall erfordert es die oben beschriebene Zielrichtung des Unterhaltsvorschussgesetzes, im Hinblick auf die im Grunde nach wie vor bestehende Doppelbelastung des Elternteils, bei dem sich das Kind ganz überwiegend aufhält, das Vorliegen des in § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG enthaltenen Rechtsbegriffs "bei einem Elternteil leben" als erfüllt anzusehen und Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz zu gewähren (vgl. hierzu VGH Baden - Württemberg, Urt.19.12.1996 - 6 S 1668/94 - FEVS 47, 445; Scholz, UVG, 4. Aufl. 1999, § 1 Rn. 9).

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Von der zuletzt genannten Fallgestaltung ist hier aber nicht auszugehen, denn der Zeuge D. hat sich - wie bereits ausgeführt wurde - in erheblichem Umfang an der Erziehung und Betreuung von E. beteiligt. Dem Schreiben des Arbeitsamtes L. vom 16. März 2001 lässt sich entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht entnehmen, dass das Mädchen ihren ausschließlich Lebensmittelpunkt bei ihr hatte, denn darin heißt es lediglich, es sei davon auszugehen, dass das Kinde „zumindest ab Januar 2000 beim Kindvater lebt“. Da die Voraussetzungen des § 1 UVG für jedes Kind gegeben sein müssen, kommt es für die Beurteilung im Rahmen des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG nicht darauf an, dass die Klägerin  unstreitig allein für die Betreuung und Erziehung von C. verantwortlich war. Nach allem lagen in dem Zeitraum vom 1. August 1999 bis zum 17. Januar 2000 die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG für E. nicht vor.  Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz hätte sie deswegen nicht beanspruchen können.

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Die Klägerin ist zur Rückzahlung verpflichtet, denn sie hat es entgegen ihrer Verpflichtung aus § 6 Abs. 4 UVG unterlassen, die Änderung in der Betreuungssituation des Kindes dem Beklagten anzuzeigen (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG) und hat damit die Zahlung herbeigeführt.

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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Gründe für eine Zulassung der Berufung (§§ 124 Abs. 1, 124a Abs. 1 VwGO) liegen nicht vor.