Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 28.01.2009, Az.: 11 A 1756/07
Wohnsitzauflage; Flüchtling; Familienangehöriger; subsidiär; Schutzberechtigter; Verlängerungsantrag; Verspätung; Fortgeltungsfiktion
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 28.01.2009
- Aktenzeichen
- 11 A 1756/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 44491
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2009:0128.11A1756.07.0A
Rechtsgrundlagen
- 12 II 2 AufenthG
- 81 IV AufenthG
- 23 GFK
- 26 GFK
- 23 II RL 2004/83
- 28 RL 2004/83
- 32 RL 2004/83
Amtlicher Leitsatz
Aus den Bestimmungen der Richtlinie 2004/83/EG (sog. Qualifikationsrichtlinie) folgt, dass auch Familienangehörige von Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigte nicht allein wegen des Bezuges von Sozialleistungen eine Wohnsitzauflage erhalten dürfen (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 15. Januar 2008 - 1 C 17.07 - InfAuslR 2008, 268 [BVerwG 15.01.2008 - 1 C 17.07]).
Ein nach Ablauf der Geltungsdauer einer Aufenthaltserlaubnis gestellter Verlängerungsantrag löst keine Fortgeltungsfktion nach § 81 Abs. 4 AufenthG aus, auch wenn seither nur wenige Tage verstrichen sind (gegen OVG Münster, Beschluss vom 23. März 2006 - 18 B 120/06 - InfAuslR 2006, 448 [OVG Nordrhein-Westfalen 23.03.2006 - 18 B 120/06]).
Tatbestand
Der am 17. April 1977 geborene Kläger ist iranischer Staatsangehöriger. Er ist transsexuell, d.h. er fühlt sich weiblich und erstrebt eine entsprechende Geschlechtstransformation.
Er reiste Ende November 1999 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Dies ist mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 20. Oktober 2000 zunächst abgelehnt worden. Auf seine hiergegen gerichtete Klage verpflichtete das erkennende Gericht die Bundesrepublik Deutschland mit Urteil vom 15. November 2002 - 4 A 4069/00 - u.a. Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG festzustellen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, dass dem Kläger im Iran die Todesstrafe drohe. Einen entsprechenden Bescheid hat das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 26. Februar 2003 erlassen.
Bereits am 3. Juli 2002 schloss der Kläger mit dem iranischen Staatsangehörigen (geb. am), welcher als Flüchtling anerkannt ist, eine Lebenspartnerschaft. Der Beklagte hat diesem eine bis zum 21. November 2008 geltende Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG erteilt, welcher keine Nebenbestimmungen beigefügt waren.
Der Kläger erhielt von dem Beklagten am 24. August 2006 eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG. Dieser war u.a. die Nebenbestimmung beigefügt, dass er den Wohnsitz nicht außerhalb der Stadt Jever nehmen dürfe. Diese ist später dahingehend geändert worden, dass der Wohnsitz innerhalb des Gebietes des Beklagten zu nehmen sei.
Am 16. Januar 2007 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Änderung seiner Wohnsitzauflage. Er wolle seinem Lebenspartner nach L. im Bezirk des Beigeladenen folgen. Der Lebenspartner werde am 1. Februar 2007 in F. eine Arbeitsstelle antreten.
Mit Schreiben vom 21. Februar 2007 verweigerte der Beigeladene hierzu seine Zustimmung. Der Kläger und sein Lebenspartner hätten Sozialleistungen beantragt, weil das Arbeitsverhältnis des Lebenspartners bereits nach kurzer Zeit wieder gekündigt worden sei.
Mit Bescheid vom 13. Juni 2007 lehnte der Beklagte daher den Antrag des Klägers auf Streichung seiner Wohnsitzauflage ab.
Am 21. Juni 2007 hat der Kläger hiergegen Klage erhoben. Er hat am 3. September 2007 bei dem Beklagten die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis beantragt. Hierüber ist bisher nicht entschieden worden.
Der Kläger trägt zur Begründung der Klage im Wesentlichen vor: Die Wohnsitzauflage verstoße gegen Art. 6 GG. Sein Lebenspartner sei ein anerkannter Flüchtling. Die Trennung von ihm würde zu einer Gesundheitsgefährdung führen. Sie hätte eine massive depressive Symptomatik mit akuter Suizidgefahr zur Folge. Außerdem sei eine therapeutische Behandlung von Transsexuellen im Gebiet des Beklagten nicht möglich. Zur Glaubhaftmachung wurde auf ein fachwissenschaftliches Attest der Universitätsklinik Frankfurt am Main vom 9. Januar 2008 verwiesen. Außerdem sei er wegen der Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 53 AuslG als politischer Flüchtling im Sinne der GFK anzusehen, so dass die Wohnsitzauflage gegen Art. 23 und 26 GFK verstoße. Dies ergebe sich auch aus der neueren Rechtssprechung des BVerwG, wonach Flüchtlingen allein wegen des Sozialhilfebezuges keine Wohnsitzbeschränkungen auferlegt werden dürften.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
festzustellen, dass der Bescheid des Beklagten vom 13. Juni 2007 rechtswidrig und der Beklagte verpflichtet war, die Wohnsitzauflage zu seiner Aufenthaltserlaubnis zu streichen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist zur Begründung auf den ablehnenden Bescheid und die Ausführungen des Beigeladenen.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag. Er trägt im Wesentlichen vor: Dem Antrag auf Streichung der Wohnsitzauflage könne wegen der Inanspruchnahme sozialer Leistungen nicht entsprochen werden. Wohnsitzauflagen seien erforderlich, um die damit verbundenen Kosten gleichmäßig auf die Länder und Kommunen zu verteilen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus Art. 6 GG. Weder der Kläger noch der Lebenspartner gingen einer beruflichen Tätigkeit nach. Sie seien nicht auf eine Wohnung in seinem Zuständigkeitsbereich angewiesen. Es bestehe auch keine Aussicht auf Aufnahme einer Beschäftigung. Eine adäquate Betreuung der Transsexualität des Klägers sei auch im Gebiet des Beklagten bzw. in der erreichbaren Nähe möglich. Nach Auskunft der Medizinischen Hochschule H. sei eine psychologische Behandlung auch durch eine Therapeutin in Timmel, welches 46 km von Jever entfernt liege, möglich. Der Kläger sei auch kein anerkannter Flüchtling, so dass die Wohnsitzauflage nicht gegen die GFK verstoße. Es bestehe lediglich ein Abschiebungshindernis nach § 53 AuslG. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei daher hier nicht anwendbar. Die Freizügigkeit des Lebenspartners werde auch nicht in unzumutbarer Weise eingeschränkt. Nach Art. 23 QRL hätten die Mitgliedsstaaten zwar dafür Sorge zu tragen, dass der Familienverband aufrechterhalten bleibe. Nach dem Erwägungsgrund Nr. 29 der Richtlinie müssten diese aber nicht dieselben Vergünstigungen erhalten, so dass mittelbare Beeinträchtigungen des Schutzberechtigten in Kauf genommen würden. Die Richtlinie sehe auch nicht vor, dass der Familienverband an jedem beliebigen Ort aufrechterhalten bleiben müsse. Der Kläger selbst genieße keinen besonderen Schutz nach der QRL.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und des Beigeladenen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
1.
Die Klage ist bei verständiger Würdigung (§ 88 VwGO) nicht mehr als Klage auf Verpflichtung, die Wohnsitzauflage des Klägers zu streichen, zulässig, sondern in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklage.
Die Wohnsitzauflage des Klägers gilt gem. § 51 Abs. 6 AufenthG zwar auch nach dem Ablauf seines Aufenthaltstitels fort. Dennoch hat sich sein Begehren auf Streichung der Wohnsitzauflage zum Zwecke des Umzuges nach L. erledigt. Der Kläger ist nämlich derzeit vollziehbar ausreisepflichtig, so dass sein Aufenthalt kraft Gesetzes auf das Land Niedersachsen beschränkt ist (§ 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG).
Er ist ausreisepflichtig, weil er nicht mehr über den erforderlichen Aufenthaltstitel verfügt (§ 50 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Seine Aufenthaltserlaubnis war bis zum 23. August 2007 befristet. Diese Ausreisepflicht ist nicht durch seinen erneuten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 3. September 2007 entfallen. Zwar gilt der bisherige Aufenthaltstitel gem. § 81 Abs. 4 AufenthG als fortbestehend, wenn die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis beantragt wird. Dies setzt aber nach Wortlaut, Systematik und Sinn und Zweck der Vorschrift voraus, dass der Antrag vor Ablauf der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis gestellt worden ist.
Anderenfalls liegt nämlich schon begrifflich eine Verlängerung nicht vor. In systematischer Hinsicht ist außerdem zu berücksichtigen, dass in § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eine Regelung für verspätete Anträge von Personen, die sich ohne Aufenthaltserlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, besteht. In § 81 Abs. 4 AufenthG ist hierüber dagegen gerade keine Bestimmung getroffen worden. Hinzu kommt, dass nach dem Wortlaut des § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG in der bis zum 27. August 2007 geltenden Fassung einiges dafür sprach, dass die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis auch noch nach Ablauf der Geltungsdauer beantragt werden konnte. Durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl.I.S. 1970) sind die Worte "nach Ablauf der Geltungsdauer" jedoch gestrichen worden. In der amtlichen Begründung ist dazu ausgeführt worden, dass gem. § 81 Abs. 4 AufenthG die Verlängerung nach Ablauf der Geltungsdauer einer Aufenthaltserlaubnis nicht möglich sei (BT-Drs. 16/5065, S. 184). Auch Gründe der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sprechen dafür, dass verspätete Verlängerungsanträge keine Fiktionswirkungen entfalten können (vgl. auch Funke-Kaiser in: GK-AufenthG, Stand: Februar 2008, Rn. 42 ff. zu § 81; Albrecht in: Storr u.a., Zuwanderungsrecht, 2. Auflage 2008, Rn. 21 zu § 81; VG München, Beschluss vom 8. Oktober 2008 - M 10 S 08.3029 u.a. - <juris>; VG Kassel, Beschluss vom 15. September 2008 - 4 L 1259/08.Ks - <juris>; VG Berlin, Urteil vom 12. August 2008 - 38 V 26.08 - <juris>; tendenziell auch: VGH München, Beschluss vom 5. März 2007 - 24 Cs 07 207 - <juris>). Die Auffassung des OVG Münster (Beschluss vom 23. März 2006 - 18 B 120/06 - InfAuslR 2006, 448 ff. [OVG Nordrhein-Westfalen 23.03.2006 - 18 B 120/06]), wonach auch ein verspäteter Antrag die Fortgeltungsfiktion auslösen kann, wenn - wie hier - noch ein innerer Zusammenhang mit dem Ablauf des Titels besteht, vermag die Kammer daher nicht zu folgen. Die Ausreisepflicht des Klägers ist gem. § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG auch vollziehbar, weil keine erstmalige Antragstellung und nach den obigen Ausführungen auch kein Verlängerungsantrag vorliegt, da dieser erst nach Ablauf des alten Aufenthaltstitels gestellt worden ist (vgl. Funke-Kaiser a.a.O., Rn. 12.1 zu § 58 und Rn. 34 und 49 zu § 81; Wenger in: Storr u.a., a.a.O., Rn. 9 zu § 58). Daran ändert auch der Umstand, dass bei dem Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 3 AufenthG vorliegt, nichts. Dies führt lediglich zu einer Einschränkung der Abschiebungsandrohung (§ 59 Abs. 3 AufenthG).
Wegen der angesprochenen gesetzlichen räumlichen Beschränkung des Aufenthalts des Klägers nach § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist der Beklagte nach ständiger Rechtsprechung der Kammer nicht berechtigt, einen Zuzug außerhalb des Landes Niedersachsen zuzulassen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 17. Oktober 2002 - 8 ME 142/02 - NVwZ-Beil. 2003, 22 f.; Urteil vom 28. September 2006 - 11 LB 193/06 -; OVG Hamburg, Beschluss vom 15. September 2004 - 3 Bs 257/04 - NordÖR 2005, 344 [OVG Hamburg 15.09.2004 - 3 Bs 257/04]<345>) . Der Kläger muss vielmehr nunmehr eine (sog. zweite) Duldung am Zuzugsort, also bei dem Beigeladenen, beantragen.
Es besteht ein berechtigtes Interesse des Klägers, die Rechtswidrigkeit der Ablehnung der Streichung der Wohnsitzauflage feststellen zu lassen. Wegen des Fortbestehens des genannten Abschiebungsverbotes ist nämlich davon auszugehen, dass ihm in Zukunft wieder eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG erteilt werden wird.
2.
Die so verstandene Klage ist auch begründet. Der Kläger hatte einen Anspruch auf Streichung seiner Wohnsitzauflage.
Rechtliche Grundlage für die Erteilung von Wohnsitzauflagen ist § 12 Abs. 2 Satz 2 AufenthG. Danach steht dies und entsprechend auch die Streichung einer Wohnsitzauflage im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörde, welches gem. § 114 Satz 1 VwGO gerichtlich nur daraufhin überprüfbar ist, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten wurden und von dem Ermessen in einer dem Zweck entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Dabei ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn sich die Ausländerbehörde auf generelle Regelungen in Verwaltungsvorschriften bezieht (hier die im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung maßgeblichen Nr. 12.2.1 ff. der Vorl. Nds. VV zum AufenthG vom 30. November 2005). Die hierdurch bewirkte Ermessensbindung findet ihre Grenze allerdings dort, wo wesentliche Besonderheiten des Einzelfalls nicht mehr hinreichend Rechnung getragen wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Januar 2008 - 1 C 17.07 - InfAuslR 2008, 268 f. [BVerwG 15.01.2008 - 1 C 17.07]).
Der Beklagte und der Beigeladene haben die Streichung der Wohnsitzauflage mit der Begründung abgelehnt, dass der Kläger Leistungen nach dem SGB II in Anspruch nimmt (vgl. auch Nr. 12.2.3.1 der hier maßgeblichen Vorl. Nds. VV zum AufenthG). Die damit erstrebte gleichmäßige Verteilung der Sozialhilfelasten zwischen den Kommunen und Ländern ist ein grundsätzlich rechtlich nicht beanstandender Zweck (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 17. August 2007 - 1 ME 221/07 - <juris>). Hier standen dem Fortbestand der den Kläger betreffenden Wohnsitzauflage jedoch vorrangige gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen entgegen.
Zum einen folgte dies aus der Flüchtlingsanerkennung des Lebenspartners des Klägers. Nach dem erwähnten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Januar 2008 (a.a.O.) ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Art. 23 und 26 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), dass anerkannte Flüchtlinge nicht allein im Hinblick auf die angemessene Verteilung der Sozialhilfelasten eine Wohnsitzauflage erhalten dürfen. Art. 26 GFK sieht vor, dass Flüchtlinge ihren Aufenthalt frei wählen und sie sich frei bewegen können, vorbehaltlich der Bestimmungen, die allgemein auf Ausländer unter den gleichen Bedingungen Anwendung finden. Art. 23 GFK bestimmt, dass Flüchtlinge, die sich rechtmäßig in ihrem Staatsgebiet aufhalten, auf dem Gebiet der Fürsorge die gleiche Behandlung wie die eigenen Staatsangehörigen des Aufenthaltsstaates erhalten. Es darf deshalb keine Schlechterstellung gegenüber deutschen Sozialhilfeempfängern erfolgen, die Freizügigkeit im Bundesgebiet genießen (vgl. Art. 11 Abs. 1 GG).
In der GFK finden sich allerdings keine Regelungen für Familienangehörige der Flüchtlinge. Entsprechende Bestimmungen enthält aber die sog. Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates) - QRL - deren Umsetzungsfrist am 10. Oktober 2006 abgelaufen ist (Art. 38), so dass sie unmittelbare Anwendung findet.
Nach Art. 32 QRL ist die Bewegungsfreiheit von Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, unter den gleichen Einschränkungen wie für andere Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten, gewährleistet. Gem. Art. 28 QRL ist die notwendige Sozialhilfe wie Staatsangehörigen des Mitgliedsstaates zu gewähren. Die Regelungen entsprechen damit im Wesentlichen den Art. 23 und 26 GFK, nach denen die Freizügigkeit von Flüchtlingen nicht aus Gründen des Sozialhilfebezuges eingeschränkt werden darf (so wohl auch BVerwG a.a.O., S. 271). Es ist auch nicht erkennbar, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber hinter den Regelungen der GFK zurückbleiben wollte. In der Begründungserwägung Nr. 3 ist nämlich ausgeführt, dass die GFK wesentlicher Bestandteil des internationalen Rechtsrahmens für Flüchtlinge sei.
Nach Art. 23 Abs. 2 1. Unterabsatz QRL haben auch die Familienangehörigen der Personen, die als Flüchtling anerkannt wurden, einen Anspruch auf die in Art. 24 - 34 QRL genannten Vergünstigungen, soweit dies mit der persönlichen Rechtsstellung des Familienangehörigen vereinbar ist. Der von dem Beigeladenen angesprochene Erwägungsgrund 29 betrifft lediglich Familienangehörige von Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus nach Art. 18 QRL zuerkannt wurde. Für die Richtigkeit dieser Einschätzung spricht, dass der Flüchtling mittelbar in seiner Freizügigkeit eingeschränkt würde, wenn seine Familienangehörigen Auflagen zur Wohnsitznahme hätten. Hierauf deutet auch hin, dass nach Nr. 12.2.1 der Vorl. Nds. VV zum AufenthG in der Fassung vom 31. Juli 2008 Ehegatten und minderjährigen Kinder von Flüchtlingen wie diesen selbst Aufenthaltserlaubnisse ohne Wohnsitzauflagen erteilt werden.
Nach Art. 2 lit. h 1. Spiegelstrich QRL sind Familienangehörige auch unverheiratete Partner, die nach dem Ausländerecht des Mitgliedsstaates in vergleichbarer Weise wie ein Ehegatte behandelt werden. In § 27 Abs. 2 AufenthG sind Lebenspartnerschaften der Ehe aufenthaltsrechtlich gleichgestellt (vgl. BT-Drs. 15/420, S. 81; Marx in: GK-AufenthG, Stand: Mai 2008, Rn. 231 ff. zu § 27)
Darüber hinaus folgt der Anspruch des Klägers auch aus eigenem Recht, denn er ist subsidiär Schutzberechtigter im Sinne des Art. 18 QRL. Nach dem Bescheid des Bundesamtes vom 26. Februar 2003 i.V.m. dem Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 15. November 2002 besteht bei dem Kläger wegen der Gefahr der Todesstrafe ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 2 AuslG (= § 60 Abs. 3 AufenthG). Gem. Art. 15 lit. a QRL ist die Gefahr der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe ein ernsthafter Schaden, der zum subsidiären Schutz berechtigt. Art. 32 und 28 QRL gelten nach dem nicht zweifelhaften Wortlaut der Bestimmungen auch für subsidiär Schutzberechtigte (vgl. auch VG Würzburg, Urteil vom 3. März 2008 - W 7 K 07 683 und 981 - <juris>). Art. 28 Abs. 2 QRL sieht zwar Beschränkungen der Sozialhilfe bei Personen mit subsidiärem Schutzstatus auf Kernleistungen vor. Dies ist aber nur im gleichen Umfang und unter denselben Voraussetzungen wie für eigene Staatsangehörige möglich.
Ob sich ein Anspruch auf Streichung der Wohnsitzauflage auch aus den anderen von den Beteiligten erörterten Gesichtspunkten ergeben hat, kann deshalb offen bleiben.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124a Abs. 1, 154 Abs. 1, 162 Abs. 3, 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Berufung war zuzulassen, weil die Fragen, ob ein verspäteter Antrag auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels die Fiktionswirkungen des § 81 Abs. 4 AufenthG auslöst und Familienangehörige von Flüchtlingen und nach der QRL subsidiär Schutzberechtigte Wohnsitzauflagen wegen des Bezuges von Sozialleistungen erhalten dürfen, grundsätzliche Bedeutung haben.