Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 02.01.2009, Az.: 7 B 2/09

Verbot einer Versammlung unter freiem Himmel mit Kundgebung und Aufzug wegen Nichteinhaltung der Anmeldungsfrist; Unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit während der Durchführung der Versammlung durch gewaltbereite Gegendemonstranten; Erfahrungen der Vergangenheit mit gewaltbereiten Gegendemonstranten als Grundlage für ein Verbot und für die Anordnung der sofortigen Vollziehung; Versammlungsverbot wegen fehlender Kooperation mit dem Veranstalter

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
02.01.2009
Aktenzeichen
7 B 2/09
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 10647
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2009:0102.7B2.09.0A

Verfahrensgegenstand

Versammlungsverbot

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Ist aufgrund einer Gefahrenprognose der Schluss gerechtfertigt, dass es durch gewaltbereite Gegendemonstranten mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Gewalttätigkeiten, Straftaten und mithin zu einer Verletzung der öffentlichen Sicherheit bei Durchführung des angekündigten Demonstrationsaufzuges kommen wird, so liegt eine versammlungsspezifische Gefahr im Sinne des § 15 Abs. 1 VersammlG vor.

  2. 2.

    Die Inanspruchnahme eines Nichtstörers in Gestalt eines Versammlungsverbots ist ausnahmsweise im Falle eines echten polizeilichen Notstands gerechtfertigt.

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Oldenburg - 7. Kammer -
am 2. Januar 2009
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

    Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

  2. 2.

    Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro (in Worten: Fünftausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller gab am 18. Dezember 2008 um 22.00 Uhr auf der Wache des Einsatz- und Streifendienstes 1. der Polizeiinspektion Oldenburg-Stadt/Ammerland, Am Friedhofsweg 30, in Oldenburg einen verschlossenen und an die Polizeiinspektion adressierten Briefumschlag ab. Der Umschlag enthielt die Anmeldung einer Versammlung "unter freiem Himmel mit Kundgebung und Aufzug für Sonnabend, den 3. Januar 2009....." mit folgendem Inhalt:

"Thema Härtere Strafen für Kinderschänder - Pädophilie keine Chance geben

Dauer Beginn: 13.00 Uhr

Ende: 20.00 Uhr.

Versammlungsbeginn: Hauptbahnhof Oldenburg, Bahnhofsvorplatz

Zum Ablauf:

Die Versammlung soll am Hauptbahnhof mit einer Auftaktkundgebung von 20 Minuten beginnen und der nachfolgende Aufzug folgenden Verlauf nehmen:

Bahnhofsplatz; Moslestraße; Staulinie; Heiligengeistwall; Kundgebung auf dem Julius-Mosen- Platz; Theaterwall; Schlosswall; Huntestraße; Stau; Staugraben; Am Stadtmuseum; Pferdemarkt; Kundgebung auf dem Pferdemarkt; Am Stadtmuseum; Moslestraße; Bahnhofsplatz.

Zwischenkundgebungen sind geplant am Julius-Mosen-Platz (Dauer 20 Minuten) und am Pferdemarkt (Dauer 20 Minuten). Der Aufzug endet am Hauptbahnhof, Bahnhofsvorplatz, wo eine Abschlusskundgebung von 20 Minuten vorgesehen ist.

Es ist beabsichtigt, folgende Hilfsmittel für die Versammlung einzusetzen:

- ?1 Trägerfahrzeug mit Lautsprecheranlagen

- ?3 Handmegaphone

- ?Fahnen - bestehend aus Fahnenstange und Fahnentuch in den Farben schwarz und schwarz-weiß-rot sowie Parteifahnen der NPD und Fahnen der Bundesländer. Die Fahnenstangen werden eine max. Länge von 2,20 m und einen max. Durchmesser von 2,0 cm haben. Anzahl der Fahnen: 1 Fahne je 10 Teilnehmer.

- ?Transparente und Trageschilder.

Einsatz von Ordnern gemäß § 9 VersG.:

Es ist beabsichtigt, auf je 50 Teilnehmer 1 Ordner einzusetzen.

Anzahl der Teilnehmer:

Es wird veranstalterseitig mit ca. 150 Teilnehmern gerechnet."

2

Mitarbeiter der Polizeiinspektion Oldenburg-Stadt/Ammerland erörterten den Antrag am Mittag des 19. Dezember 2008 mit dem Antragsteller in dessen Wohnung in Anwesenheit von Herrn Michael Meyer (Vorsitzender der NPD/Unterbezirk Oldenburg).

3

Auf den Einwand der Beamten, dass die Zeit zwischen der Anmeldung und der geplanten Durchführung der Versammlung zu kurz sei, um polizeilicherseits entsprechende Maßnahmen planen zu können, antwortete der Antragsteller sinngemäß, dass ihm dies egal sei. Wegen seiner Vorbereitungsmaßnahmen könne er den Termin für die Versammlung nicht mehr verschieben. Die Polizei gewann bei der Erörterung den Eindruck, dass der Antragsteller nicht der wahre Initiator der Anmeldung sei, sondern auf Druck Anderer handle. Höchstwahrscheinlich stehe Herr Christian Worch aus Hamburg hinter der Anmeldung (Vermerk Bl. 5 f Beiakte A). Die Antragsgegnerin und Vertreter der Polizeiinspektion Oldenburg-Stadt/Ammerland erörterten am 22. Dezember 2008 vormittags die Anmeldung zu der Demonstration am 3. Januar 2009.

4

Die Antragsgegnerin hörte den Antragsteller mit am 23. Dezember 2008 mittags durch Einwurf in seinen Briefkasten zugestelltem Schreiben vom 22. Dezember 2008 zu ihrer Absicht an, die Versammlung zu verbieten, weil die Zeit nicht ausreiche, um die notwendigen Schutzmaßnahmen sowohl für Versammlungsteilnehmer als auch für Unbeteiligte zu organisieren. Die Erfahrung in der Vergangenheit habe gezeigt, dass es anlässlich von Versammlungen mit NPD-Beteiligung regelmäßig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen sei, die nur mit erheblichem Polizeiaufwand hätten eingegrenzt werden können. Insbesondere auf die Versammlungen vom 3. September 2005 und vom 5. Juli 2008 sei hinzuweisen. Nach Einschätzung der zuständigen Polizeibehörde sei zum wirksamen Schutz der öffentlichen Sicherheit im Falle der angemeldeten Demonstration mindestens die zehnfache Stärke an einzusetzenden Polizeibeamten einschließlich notwendiger Sachausstattung erforderlich. Der hierfür notwendige Planungs- und Koordinierungsaufwand könne bis zum geplanten Zeitpunkt der Versammlung nicht erbracht werden.

5

Der Antragsteller übergab dem zuständigen Mitarbeiter der Antragsgegnerin am 29. Dezember 2008 um 9.00 Uhr eine schriftliche Stellungnahme zu dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 22. Dezember 2008. Darin teilte er u.a. mit, dass ihm die Aussage zu der Zahl der Polizeibeamten, die zum Schutz der Versammlung notwendig sei, unverständlich sei.

6

Die Antragsgegnerin fragte den Antragsteller daraufhin, ob er zu einem Koordinierungsgespräch bereit sei. Der Antragsteller antwortete daraufhin, dass er zwar bereit sei, den zuständigen Mitarbeiter der Antragsgegnerin (Herrn Hullmann) anzuhören, nicht jedoch zu einer Stellungnahme. Die Antragsgegnerin erläuterte dem Antragsteller daraufhin, dass sie aufgrund bisheriger Erfahrungswerte mit bis zu 2.000 Gegendemonstranten rechne. Auf die Frage, ob der Antragsteller sich eine Versammlung zu einem späteren Termin oder aber ein gegenüber seiner Anmeldung reduziertes Programm vorstellen könnte, verweigerte der Antragsteller eine inhaltliche Äußerung.

7

Die Antragsgegnerin verbot durch dem Antragsteller am 30. Dezember 2008 mittags durch Einwurf in seinen Briefkasten zugestellten Bescheid vom 29. Dezember 2008 die für Sonnabend, den 3. Januar 2009 geplante Versammlung mit Aufzug unter dem Thema "Härtere Strafen für Kinderschänder - Pädophilie keine Chancen geben". Zur Begründung führte die Antragsgegnerin u.a. aus, dass der Eingang des Antrags des Antragstellers vom 19. Dezember 2008 mit dem Datum 22. Dezember 2008 zu bestätigen sei. Gem. § 15 Abs. 1 VersammlungsG könne die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei der Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet sei. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt, und eine weniger beeinträchtigende Maßnahme, etwa durch Auflagen für die Versammlung, komme nicht in Betracht, zumal sich die Gefährdungssituation dadurch nur unwesentlich minimieren ließe. Die zuständige Behörde habe sich bei ihrer Gefährdungseinschätzung an Erfahrungswerten zu orientieren. Eine Beteiligung der NPD bzw. NPD-naher Organisationen an einer Versammlung in der Stadt Oldenburg - wie hier zu erwarten - stelle ein sicheres Indiz für ein erhöhtes Gefahrenpotential dar. Anlässlich von Versammlungen in der Stadt Oldenburg in jüngster Vergangenheit mit NPD-Beteiligung habe es wiederholt gewalttätige Auseinandersetzungen gegeben, die - wie beispielsweise die Veranstaltungen vom 3. September 2005 und vom 5. Juli 2008 - nur mit einem erheblichen Polizeiaufgebot hätten eingegrenzt werden können. Bei einer Gruppe von 150 rechtsgerichteten Demonstranten müsse nach den bisherigen Erkenntnissen mindestens die zehnfache Stärke Polizeibeamter einschließlich notweniger Sachausstattung zum notwendigen Schutz eingesetzt werden. Hierfür sei ein ausreichender zeitlicher Vorlauf für die organisatorische und polizeiliche Vorbereitung zwingend erforderlich. Dies sei innerhalb der wenigen Werktage zwischen dem Eingang der Anmeldung bis zu dem Veranstaltungstermin nicht leistbar gewesen. Die angemeldete Aufzugroute würde umfangreiche weiträumige Straßensperrungen erfordern, um ein Aufeinandertreffen von Demonstranten und Gegendemonstranten wirksam zu verhindern. Dadurch ergäben sich Auswirkungen auf den öffentlichen Personen-Nahverkehr und den individuellen Straßenverkehr. Betroffen wären auch wichtige Knotenpunkte für Einsatzfahrten der Feuerwehr und die Erreichbarkeit der innerstädtischen Krankenhäuser. Ohne konzeptionelle Vorbereitung würden an der Versammlung Nichtbeteiligte unverhältnismäßig in ihren Grundrechten, wie die Freizügigkeit und Gefahren für körperliche Unversehrtheit, eingeschränkt. Zudem müssten Rettungsdienste für die Dauer der Veranstaltung deutlich überdurchschnittlich zur Verfügung stehen. Dies sei nur durch freiwillige Dienste und Kräfte möglich, die im Hinblick auf die ungünstige Feiertagskonstellation sowie die Ferienzeit schlecht zu mobilisieren seien. Eine bedarfsgerechte Einsatzvorbereitung für die Rettungsdienste sei daher nicht möglich, woraus wiederum ein Sicherheitsrisiko für Beteiligte und Unbeteiligte resultiere. Mehrere Brandstiftungen in der Zeit zwischen dem 16. und 18. Dezember 2008 rechtfertigten aufgrund der vorhandenen Erkenntnisse die Annahme, dass sie politisch motiviert gewesen seien. Es sei damit zu rechnen, dass die Täter einen NPD-Aufzug in der Stadt zu weiteren Anschlägen mit unübersehbaren Folgen nutzen würden. Hinzu komme die zeitliche Nähe des Veranstaltungstermins mit dem Jahreswechsel. Es könnten Gegendemonstranten massenhaft Feuerwerkskörper erwerben und diese in gewalttätigen Auseinandersetzungen missbrauchen. Dieses Szenario sei mit hoher Wahrscheinlichkeit - auch den bereits erschienenen Aufrufen im Internet folgend - zu erwarten. Gewalttätige Gegendemonstranten verfügten daher höchstwahrscheinlich über ein erheblich höheres Gefährdungspotential als mit einfachen Wurfgeschossen wie Steinen oder Flaschen. Das Sicherheitsrisiko für Einsatzkräfte der Polizei, Demonstranten und Unbeteiligte sei unkalkulierbar. Alternativen mit einem geringeren Gefährdungspotential seien nicht Gegenstand der streitigen Anmeldung, da der Antragsteller sie bei dem Gespräch am 29. Dezember 2008 verweigert habe. Zudem könnten diese nicht die zu erwartenden Aktivitäten von Gegendemonstranten im gesamten Bereich der Innenstadt verhindern. Auch eine stehende Kundgebung sei wegen des zu erwartenden Missbrauchs von Silvester-Feuerwerkskörpern einer besonderen Gefahrensituation ausgesetzt. Die Vorgehensweise insbesondere linker autonomer Gruppen anlässlich früherer vergleichbarer Versammlungen begründe diese Gefahrenprognose, da erste Gegendemonstrationen auch bereits angekündigt seien. Hinzu komme, dass der Antragsteller persönlich nicht geeignet sei, eine Versammlung mit erkennbar erhöhtem Gefahrenpotential zu leiten. Er sei mehrfach vorbestraft wegen Körperverletzung und besitze nicht die Fähigkeit, in den zu erwartenden Konfliktsituationen bei der Konfrontation mit gewaltbereiten Gegendemonstranten so besonnen und deeskalierend zu agieren, wie dies von einem Versammlungsleiter im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erwartet werden müsse.

8

Die Polizeiinspektion Oldenburg-Stadt/Ammerland erhielt unter dem 30. Dezember 2008 folgende "Erkenntnismitteilung" zur Person des Antragstellers:

"2006 003 34223

Verstoß: §§ 243, 244 StGB

Tz./To 11.032006, Oldenburg

Az. StA Oldenburg: 521 Js 25875/06

Ausgang: Einstellung gem. § 45 JGG

2006 008 78757

Verstoß: § 223 StGB

Tz./To: 30.06.2006, Oldenburg

Az.StA Oldenburg: 521 Js 4922106

Ausgang: Verweisung auf den Weg der Privatklage

2006 017 29379

Verstoß: § 86a StGB

Tz./To: 02.12.2006, Lingen

Az: StA Oldenburg: 920 Js 8343707

Ausgang: Einstellung gem. § 45, 47 JGG

2006 003 34223

Verstoß: § 223 StGB

Tz./To: 02.12.2006, Edewecht

Az. StA Oldenburg: 521 Js 54154/06

Ausgang: 1 Jahr Gesamtfreiheitsstrafe auf 3 Jahre zur Bewährung ausgesetzt

2007 000 1723

Verstoß: §§ 223, 241, StGB

Tz./To: 01.01.2007, Oldenburg

Az. StA Oldenburg: 521 Js 54154/06

Ausgang: 1 Jahr Gesamtfreiheitsstrafe auf 3 Jahre zur Bewährung ausgesetzt

2006 008 51618

Verstoß: § 223 StGB

Tz./To: 24.06.2006, Oldenburg

Az.: StA Oldenburg 521 Js 54154/06

Ausgang: 1 Jahr Gesamtfreiheitsstrafe auf 3 Jahre zur Bewährung ausgesetzt

2008 003 80416

Verstoß: § 223 StGB

Tz./To: 15.03.2008, Westerstede

Az.: StA Oldenburg: 531 Js 34918/08

Ausgang: Einstellung gem. § 170 (2) StPO

2007 008 43142

Verstoß: § 86a StGB

Tz./To: 14.06.2007, Wolfsburg

Az. StA Oldenburg: 703 Js 48940/07

Ausgang. Einstellung gem. § 170 (2) StPO

2008 010 54087

Verstoß: § 224 StGB

Tz./To: 26.07.2008, Oldenburg

Az. StA Oldenburg: unbekannt Ausgang: unbekannt

Dennis N. steht derzeit unter Bewährung:

Mit Entscheidung vom 31.08.2007 wurde er wegen Körperverletzung in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchter Nötigung, zu einer Jugendstrafe (1 Jahr Freiheitsstrafe) verurteilt.

Die Strafe wurde zur Bewährung (3 Jahre Bewährungszeit) ausgesetzt.

Az AG Oldenburg: 54 JS 521 Js 54154/06 /68/07)

Rechtskraft des Urteils: 08.09.2007".

9

Der Antragsteller hat am 2. Januar 2009 (Eingang: 7.50 Uhr) Klage erhoben und um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.

10

Er beantragt,

das Verbot einer von ihm für Sonnabend, den 3. Januar 2009, angemeldeten Demonstration aufzuheben, und die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.

11

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Klage abzuweisen und den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen.

12

Sie erwidert: Die Niedersächsische Polizei sei nicht in der Lage, mit nur 1.500 Kräften die Sicherheit der angemeldeten Versammlung auch in einer alternativen Durchführung gegenüber dem Antrag des Antragstellers vom 19.12.2008 gewährleisten.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen; sie waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

14

II.

Der zulässige Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage vom 2. Januar 2009 (Az.: 7 A 1/09) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 29. Dezember 2008, durch den sie eine Versammlung unter freiem Himmel in Oldenburg mit dem Thema "Härtere Strafen für Kinderschänder - Pädophilie keine Chance geben" am 3. Januar 2009 in Oldenburg ab 13:00 Uhr in der Stadtmitte verbietet, ist zulässig, aber unbegründet.

15

Nach § 80 Abs. 1 VwGO hat eine Klage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt jedoch gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO, wenn die Behörde - wie hier - die sofortige Vollziehung einer Verfügung im öffentlichen Interesse anordnet. Dabei genügt die Begründung der Anordnung der Antragsgegnerin vom 29. November 2008 den an sie gestellten Anforderungen ( § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO).

16

In materieller Hinsicht ist nach § 80 Abs. 5 VwGO entscheidend, ob im Einzelfall dem Interesse des Antragstellers am Schutz vor Schaffung ihn belastender vollendeter Tatsachen auf Grund eines möglicherweise rechtswidrigen Verwaltungsakts oder dem Interesse Dritter oder der Behörde an einer Durchführung der mit dem Verwaltungsakt angeordneten oder zugelassenen Maßnahmen auch vor einer abschließenden gerichtlichen Prüfung seiner Rechtmäßigkeit das größere Gewicht beizumessen ist. Im Rahmen der Interessenabwägung sind mit der im vorläufigen Verfahren gebotenen Zurückhaltung auch die Aussichten des Begehrens im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen. Bei einem offensichtlich Erfolg versprechenden Rechtsbehelf überwiegt das Suspensivinteresse des Betroffenen jedes denkbare öffentliche Vollzugsinteresse. Der Antrag ist dagegen in aller Regel unbegründet, wenn der Antragsteller im Verfahren zur Hauptsache offensichtlich keinen Erfolg haben wird, insbesondere wenn die angegriffene Verfügung offensichtlich rechtmäßig ist. An der sofortigen Vollziehung eines offenbar zu Unrecht angefochtenen Verwaltungsaktes besteht nämlich regelmäßig ein besonderes öffentliches Interesse.

17

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe überwiegt hier das öffentliche Vollzugsinteresse.

18

Rechtsgrundlage des in Rede stehenden Versammlungsverbots ist § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz - VersammlG -. Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. Voraussetzung ist, dass die öffentliche Sicherheit bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist und eine Güterabwägung unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit als elementarem Freiheitsrecht und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ergibt, dass ein Verbot zum Schutze anderer gleichwertiger Rechtsgüter notwendig ist (BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 -, BVerfGE 69, 315 "Brokdorf"). Dabei ist eine Gefahrenprognose zugrunde zu legen, die auf nachweisbaren Tatsachen, Sachverhalten und sonstigen Erkenntnissen beruht. Bloße Vermutungen ohne das Vorliegen hinreichender tatsächlicher Anhaltspunkte genügen dafür nicht ( BVerfG, Beschluss vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, [...], mit Veröffentlichungshinweis auf NVwZ 1998, 834). Ein Versammlungsverbot ist nur zum Schutz von elementaren Rechtsgütern zulässig, die der Bedeutung des Grundrechts aus Art. 8 Abs. 1 GG zumindest gleichwertig sind ( BVerfG, Beschluss vom 26. Januar 2001 - 1 BvQ 9/01 -, NJW 2001, 1409 f. [BVerfG 26.01.2001 - 1 BvQ 9/01]; BVerfG, Beschluss vom 1. Mai 2001 - 1 BvQ 22/01 -, [...], NJW 2001, 2076 f.). Eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit liegt dann vor, wenn eine konkrete Sachlage vorliegt, die bei Durchführung der Versammlung nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge den Eintritt eines Schadens mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten lässt und deshalb bei ungehindertem Geschehensablauf zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Rechtsgüter führt (BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 -, a.a.O.). Die öffentliche Sicherheit ist immer gefährdet, wenn aufgrund der zugrunde liegenden Gefahrenprognose mit Straftaten zu rechnen ist, da die Strafgesetze Teil der Rechtsordnung sind, deren Unversehrtheit zum Schutzgut der öffentlichen Sicherheit gehört. Keine unmittelbare Gefährdung liegt vor, wenn eine Gefahr nur nicht ausgeschlossen werden kann oder lediglich allgemein befürchtet wird ( BVerfG, Beschluss vom 15. August 1991 - 1 BvQ 8/91 -, NVwZ 1992, 54).

19

Diese Maßstäbe gelten aber nicht uneingeschränkt. Bereits in der oben zitierten Brokdorf- Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht Umstände genannt, durch die die Eingriffsschwelle für ein Versammlungsverbot höher rücken oder absinken kann. Maßgeblich ist insoweit, dass es sowohl bestimmte behördliche Pflichten als auch Obliegenheiten auf der Veranstalterseite bei Versammlungen gibt. Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit hat einen wesentlichen verfahrens- und organisationsrechtlichen Gehalt. Der Pflicht der Behörde zu einem versammlungsfreundlichen Verhalten grundsätzlich auch gegenüber einem missliebigen Veranstalter entspricht, dass auch den Veranstalter die Obliegenheit zur Kooperation in dem Sinne trifft, gemeinsam auf das Ziel einer friedlichen und die Beeinträchtigung von Drittinteressen möglichst gering haltenden Durchführung von Demonstrationen hinzuwirken (BVerfG, Beschluss v. 14. Mai 1985, a.a.O.). Scheitert der behördliche Versuch einer solchen Kooperation aus Gründen, die von Seiten der Veranstalter und Demonstranten zu vertreten sind, kommt ein Versammlungsverbot in Betracht. Dieses Kooperationsgebot findet seinen gesetzlichen Ausdruck in der Pflicht aus § 14 VersammlG, öffentliche Veranstaltungen unter freiem Himmel und Aufzüge anzumelden. Die mit dieser Anmeldung verbundene Kontaktaufnahme ermöglicht über das gegenseitige Kennenlernen hinaus einen Dialog und eine Kooperation zwischen Behörden und Veranstalter, zu denen die Behörde bereit sein muss und die sich auch für den Demonstrationsträger empfehlen (BVerfG, a.a.O. S. 358). Allerdings dürfen die Anforderungen an die Kooperation auf Seiten des Veranstalters nicht ein Ausmaß annehmen, dass der Charakter von Demonstrationen als prinzipiell staatsfreie unreglementierte Beiträge zur politischen Meinungs- und Willensbildung sowie die Selbstbestimmung der Veranstalter über Art und Inhalt der Demonstration ausgehöhlt würde. Auch rechtfertigt alleine eine Verweigerung einer solchen Kooperation mit der Behörde den Erlass eines Versammlungsverbots nicht, da der Veranstalter nicht zur Kooperation verpflichtet ist. Ein Kooperationsdefizit setzt aber die Schwelle für die Verhängung eines solchen Verbots deutlich herab, und dies umso mehr, als die Behörde - wie hier - ihrerseits den verfahrensrechtlichen Pflichten nachgekommen ist, d.h. je kooperativer, fairer und versammlungsfreundlicher sie das Verfahren gestaltet hat (s. Thüringer OVG, Beschluss v. 12. April 2002 - 3 EO 261/02 -, zitiert nach [...], m.w.N.).

20

So ist der Fall hier gelagert.

21

Nach den gegenwärtig erkennbaren Umständen ist davon auszugehen, dass die öffentliche Sicherheit bei Durchführung einer Versammlung und eines Aufzuges gemäß dem Antrag des Antragstellers vom 19. Dezember 2008 unmittelbar gefährdet ist. Von einer weiteren Darstellung seiner diesbezüglichen Entscheidungsgründe sieht das Gericht ab und nimmt auf die im Wesentlichen zutreffenden Erwägungen des angefochtenen Bescheides der Antragsgegnerin vom 29. Dezember 2008 Bezug (Feststellung analog § 117 Abs. 5 VwGO). Dafür ist insbesondere maßgebend, dass die Kammer die Auffassung der Antragsgegnerin teilt, dass die NPD mittelbar oder unmittelbar an Versammlung und Aufzug beteiligt sein soll. Daher ist es nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin bei ihrer Gefahrenprognose die bekannten Auseinandersetzungen und Krawalle um solche Versammlungen und Aufzüge in der Vergangenheit berücksichtigt. Es ist daher der Schluss gerechtfertigt, dass es durch gewaltbereite Gegendemonstranten mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Gewalttätigkeiten, Straftaten und mithin zu einer Verletzung der öffentlichen Sicherheit bei Durchführung des angekündigten Demonstrationsaufzuges kommen wird. Eine versammlungsspezifische Gefahr ( § 15 Abs. 1 VersammlG) liegt somit vor.

22

Grundsätzlich haben sich dann polizeiliche Maßnahmen gegen die Störer, also gegen die - wie zu vermuten ist - gewaltbereiten Gegner der Veranstaltung des Antragstellers zu richten (s. BVerfG, Beschl. v. 14. Juli 2000 - 1 BvR 1245/00 -, NJW 2000, 3051 [BVerfG 14.07.2000 - 1 BvR 1245/00]). Eine Inanspruchnahme des Antragstellers als Zweckveranlasser kommt hier nicht in Betracht. Eine solche Inanspruchnahme setzte voraus, dass der Antragsteller aufgrund belegbarer Tatsachen die gegen die Versammlung gerichteten Störaktionen und die damit verbundene Gefährdung der öffentlichen Sicherheit bewusst auslösen will, um eine besondere Aufmerksamkeit zu erreichen oder den politischen Gegner zu diskreditieren (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 16. Oktober 2006 - 11 ME 275/06 -, V.n.b., m.w.H.). Da im vorliegenden Fall entsprechend belegbare Tatsachen nicht hinreichend ersichtlich sind und von der Antragsgegnerin nicht vorgetragen wurden, kann daher zumindest derzeit nicht verneint werden, dass es dem Antragsteller in erster Linie um die Ausübung seines Rechtes auf Versammlungsfreiheit geht.

23

Mit Art. 8 GG wäre es allerdings nicht zu vereinbaren, dass bereits mit dem - hier von den Beteiligten übereinstimmend für wahrscheinlich gehaltenen - Bevorstehen von Gegenaktionen, die den Einsatz von Polizeikräften erfordern, erreicht werden kann, dass dem Veranstalter der angemeldeten Versammlung die Möglichkeit genommen wird, sein Demonstrationsanliegen zu verwirklichen. Gewalt von "links" ist keine verfassungsrechtlich hinnehmbare Antwort auf eine Bedrohung der rechtsstaatlichen Ordnung von "rechts" (BVerfG, Beschluss vom 10. Mai 2006 - 1 BvQ 14/06 -, NVwZ 2006, 1049, dasselbe , Beschluss vom 18. August 2000 - 1 BvQ 23/00 -, NJW 2000, 3053). Drohen Gegenaktionen, haben sich Maßnahmen daher zunächst gegen den Störer, also das linke/autonome Spektrum, zu richten. Nur unter den Voraussetzungen des echten oder unechten polizeilichen Notstandes kann ausnahmsweise auch gegen einen Nichtstörer oder eine nicht störende Versammlung eingeschritten werden, wenn also feststeht, dass die Versammlungsbehörde wegen der Erfüllung vorrangiger staatlicher Aufgaben und trotz des Bemühens, gegebenenfalls externe Polizeikräfte hinzuzuziehen, zum Schutz der Versammlung nicht in der Lage wäre. Eine pauschale Behauptung reicht insoweit nicht aus (BVerfG, Beschluss vom 24. März 2001 - 1 BvQ 13/01 -, [...], mit Veröffentlichungshinweis auf NJW 2001, 2069 [BVerfG 24.03.2001 - 1 BvQ 13/01]; Nds.OVG, Beschluss vom 16. Oktober 2006 - 11 ME 275/06 -, V.n.b.). Polizeikräfte müssen dabei allerdings nicht ohne Rücksicht auf sonstige Sicherheitsinteressen in unbegrenztem Umfange bereitgehalten werden. Das Gebot, vor der Inanspruchnahme von Nichtstörern eigene sowie gegebenenfalls externe Polizeikräfte gegen die Störer einer Versammlung einzusetzen, steht vielmehr unter dem Vorbehalt der tatsächlichen Verfügbarkeit solcher Kräfte (BVerfG, Beschluss vom 10. Mai 2006, a.a.O.).

24

Ein solcher echter polizeilicher Notstand, der ausnahmsweise eine Inanspruchnahme des Antragstellers als Nichtstörer in Gestalt eines Versammlungsverbots rechtfertigt, liegt hier vor. Von einem echten polizeilichen Notstand spricht man, wenn eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für wichtige Rechtsgüter droht und die Gefahrenlage weder durch die Inanspruchnahme des Störers noch durch polizeiliche Maßnahmen abgewehrt werden kann (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 16. Oktober 2006 - 11 ME 275/06 -, V.n.b.).

25

Hier ist für das Gericht zunächst maßgeblich, dass die Inanspruchnahme des gewalttätigen linken autonomen Spektrums aller Voraussicht nach nicht möglich ist, da nach den Erfahrungen aus vergangenen Veranstaltungen davon auszugehen ist, dass dieses nur in kleinen Gruppen ohne versammlungsrechtliche Anmeldung auftritt (zu alledem siehe Beschluss des Gerichts vom 26. April 2007 - 2 B 1144/07 -, V.n.b.). Ausnahmsweise ist u.a. daher hier der Antragsteller als Nichtstörer in Form eines Versammlungsverbotes in Anspruch zu nehmen. Von einer Darstellung seiner diesbezüglichen Entscheidungsgründe sieht das Gericht zunächst ab und nimmt auf die im Wesentlichen zutreffenden Erwägungen des angefochtenen Bescheides der Antragsgegnerin vom 29. Dezember 2008 und ihres Schriftsatzes vom heutigen Tage Bezug (§ 117 Abs. 5 VwGO analog).

26

Ergänzend ist auf folgendes hinzuweisen. Hier ist die polizeiliche und versammlungsbehördliche Gefahrenprognose, wie sie sich aus den Verwaltungsvorgängen der Antragsgegnerin und ihrem Vorbringen im gerichtlichen Verfahren ergibt, zugrunde zu legen. Dafür ist maßgeblich, dass der Antragsteller nicht hinreichend mit den Behörden kooperiert hat (Thüringisches OVG, a.a.O.). Es sprechen bereits beachtliche Gesichtspunkte dafür, dass der Antrag vom 19. Dezember 2008 von vorneherein eine Ablehnung provozieren sollte. Dafür spricht schon die Person des Antragstellers. Erkennbar ist der 3. Januar 2009, ein Samstag, an dem die Innenstadt Oldenburgs am Ende der Schulferien und der Weihnachtszeit sehr stark besucht sein wird. Zudem ist die Route der Demonstration in dem Antrag vom 19. Dezember 2008 so gewählt, dass jedweder innerstädtische Verkehr am 3. Januar 2008 zum Erliegen kommen wird, und dass auch Gegendemonstranten unzählige Gelegenheiten zum Übergriff bekommen werden. Insbesondere hat der Antragsteller auch keinen tragfähigen Grund dafür genannt, warum er die Versammlung und den Aufzug so kurzfristig für den 3. Januar 2009 (acht Werktage zuvor) angemeldet hat. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem geplanten Tag der Veranstaltung und einem diesbezüglichen Vorfall im Landkreis Ammerland besteht. Im Hinblick auf das Thema der Veranstaltung wäre es gleichwohl unschädlich gewesen, diese in Kooperation mit der Ordnungsbehörde auf einen Zeitpunkt zu verlegen, an dem eine Sicherstellung der Demonstration durch die Polizei möglich gewesen wäre.

27

Der Antragsteller hat bei den Gesprächen mit der Polizei am 19. Dezember 2008 und mit der Antragsgegnerin am 29. Dezember 2008 jede Bereitschaft zu einer Kooperation vermissen lassen, durch die die angemeldete Demonstration hätte friedlicher und unter stärkerer Berücksichtigung von Drittinteressen durchgeführt werden können. Zu demonstrationsrechtlich erheblichen Umständen, nämlich zu der Identität der Redner bei den beabsichtigten Kundgebungen hat sich der Antragsteller weder in der Anmeldung noch in den Kooperationsgesprächen in der gebotenen Weise erklärt. Für sich gesehen sind dies zwar keine Gründe, die ein Versammlungsverbot tragen können, in die rechtliche Gesamtbewertung sind sie aber durchaus einzustellen. Schließlich bestehen erhebliche Zweifel daran, dass der Antragsteller überhaupt der wirkliche Veranstalter ist. Dies ist in zweierlei Hinsicht von Bedeutung: Zum Einen stellt eine etwaige Täuschung über den wirklichen Veranstalter die Redlichkeit und damit die Ernsthaftigkeit der Bereitschaft und Kooperation in Frage. Zum anderen wird dadurch die Effektivität behördlicher Sicherheitsmaßnahmen in Frage gestellt, weil die Behörde letztlich Gefahr läuft, ihre Verfügung an den "Falschen" zu richten, also nicht an den wirklichen Veranstalter, der regelmäßig größeren Einfluss auf die Einhaltung ordnungsbehördlicher Vorgaben hat als ein als Anmelder aufgetretener "Strohmann". Ob der Antragsteller hier tatsächlich nur zum Schein als Veranstalter agiert - seine Klage dürfte beispielsweise nicht von ihm stammen - oder nicht, bedarf keiner abschließenden Klärung. Er hat jedenfalls die erheblichen Zweifel an seiner wirklichen Funktion durch sein eigenes Verhalten gesetzt und diese weder im Kooperationsgespräch noch im nachfolgenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausräumen können, was bei der Bewertung seines Kooperationsverhaltens zu seinen Lasten geht (Thüringer OVG, Beschl. v. 12. April 2002, a.a.O.).

28

Auch die Stellungnahme der Polizeiinspektion Oldenburg-Stadt/Ammerland vom heutigen Tage (Anlage zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom heutigen Tage) rechtfertigt nicht die Annahme, dass das streitige Verbot ermessensfehlerhaft ist. Die Polizei äußert sich lediglich zu einem Aspekt der Gefahrenlage, ohne deren Gesamtbewertung durch die Antragsgegnerin in Frage zu stellen.

29

Durchgreifender Beleg für die mangelnde Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit des Demonstrationsträgers ist die Person des Leiters der Versammlung. Die Kammer teilt die Einschätzung der Antragsgegnerin, dass der Antragsteller aufgrund seiner Vorstrafen und seines bisherigen strafrechtlich relevanten Verhaltens nicht dazu beitragen würde, dass die geplante Demonstration friedlich und ohne Rechtsverletzung ablaufen würde. Vielmehr ist das Gegenteil nahe liegend. Dabei ist für die Kammer maßgeblich nicht alleine die strafrechtliche Verurteilung des Antragstellers zu einer Jugendstrafe von einem Jahr Freiheitsentzug auf Bewährung (für drei Jahre - die Bewährungszeit "läuft" noch). Maßgeblich ist weiter, dass der Antragsteller in vielfältiger Weise mit Körperverletzungsvorwürfen und einer Straftat nach § 86 a StGB (Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) aufgefallen ist. Für die Berücksichtigung dieser Vorfälle in Verwaltungsverfahren ist es unerheblich, dass der Antragsteller nicht in allen Fällen rechtskräftig verurteilt worden ist (s. Urteil der Kammer vom 18. Juli 2007 - 7 A 817/07 - zum gefahrenabwehrrechtlichen Begriff der Unzuverlässigkeit). In diesem Zusammenhang ist ferner zu beachten, dass der Antragsteller auch durch sein jugendliches Alters höchstwahrscheinlich nicht die kommunikative Kompetenz haben wird, um in der zu erwartenden Gefährdungslage einer Demonstration gemäß seinem Antrag vom 19. Dezember 2008 deeskalierend zu wirken.

30

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

31

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG unter Berücksichtigung der Empfehlungen in Nr. 1.5 und 45.4 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 7./8. Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327 ff. = DVBl. 2004, 1525 ff.) - Auffangwert -. Dabei hat das Gericht berücksichtigt, dass die Entscheidung eine Vorwegnahme der Hauptsache darstellt.

32

Rechtsmittelbelehrung zu Tenor Nr. 1):

33

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg statthaft.

34

Rechtsmittelbelehrung zu Tenor Nr. 2):

35

Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro übersteigt. Wird der Beschwerdewert nicht erreicht, ist die Beschwerde nur statthaft, wenn sie vom Gericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Fragen zugelassen wird.

Dr. Schrimpf
Burzynska
Ahrens