Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 18.09.2017, Az.: 2 A 130/17

Ahmadiyyas; Flüchtlingsanerkennung; Pakistan; überregional bekannt

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
18.09.2017
Aktenzeichen
2 A 130/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 53640
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

Der Kläger begehrt internationalen Schutz und macht Abschiebungshindernisse geltend.

Der Kläger ist nach eigenen Angaben am in Toba Tek Singh in Pakistan geboren; pakistanischer Staatsangehörigkeit und panjubischer Volkszugehörigkeit und gibt an, Mitglied der Religionsgemeinschaft der Ahmadiyya zu sein. Nach ebenfalls eigenen Angaben reiste er am 22. Dezember 2014 auf dem Luftweg über Lahore in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 26. Mai 2015 seine Anerkennung als Asylberechtigter.

In seiner Anhörung am 20. November 2015 vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) machte er geltend, wegen seiner Religionszugehörigkeit zur Ahmadiyya in seiner Heimat malträtiert und verfolgt worden sei. Er habe als Homöopath gearbeitet und eine eigene Praxis gehabt. Patienten hätten sich wegen seiner Glaubenszugehörigkeit nicht von ihm behandeln lassen wollen und er sei von Mullahs beleidigt worden. Er habe daraufhin mehrmals den Standort seiner Praxis verlegt. Er sei von Toba Tek Singh nach Jhan. Dort habe er sich ein Jahr lang aufgehalten. Anschließend sei er nach Gorja und Pirmehel. Die Probleme hätten jedoch angehalten. Auch habe er - als er später bei Bosch bearbeitet habe - für die von ihm vertriebenen Medikamente kein Geld bekommen. Stattdessen sei er bedroht worden. Er habe sich bezüglich der Drohungen auch an seine Vorgesetzten gewandt. Die hätten ihm nicht geholfen, da es ihm nicht um das Geschäftliche ginge. Eines Tages sei er zusammengeschlagen worden. Er habe diesen Vorfall zum Anlass genommen, zu flüchten. Auch sei seine Frau nach seiner Ausreise telefonisch bedroht worden. Er habe ihr geraten nach Rabwah umzuziehen. Seitdem sei nichts weiter passiert.

Er sei schon in seiner Heimat als Quaid Majlis und auch hier in Deutschland für seine Gemeinde tätig gewesen. Er würde im Falle einer Rückkehr auch weiterhin für die Jamaat tätig sein wollen.

Mit Bescheid vom 14. Juli 2016 lehnte die Beklagte den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter, Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie des subsidiären Schutzstatus ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nicht vorliegen. Weiter forderte sie den Kläger zur Ausreise innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung auf und drohte ihm die Abschiebung nach Pakistan an. Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung wird auf die Ausführungen im Bescheid Bezug genommen.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 26. Juli 2016 Klage erhoben. Zur Begründung seiner Klage führt er an, dass ihm bei einer Rückkehr nach Pakistan Verfolgung wegen seines Glaubens drohe. Dies gelte schon aufgrund seiner Glaubenszugehörigkeit zu der Ahmadiyya-Gemeinde.  Die Verfolgung der Ahmadiyya-Zugehörigen, die - wie er - ihren Glauben nach außen kundtun -, sei in Pakistan an der Tagesordnung. Die Unruhen und die Verfolgung seiner Religionsangehörigen seien mittlerweile auch in die Stadt Rabwah durchgedrungen, so dass er selbst dort nicht mehr sicher wäre.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Juli 2016 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

hilfsweise,

ihm subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen sowie

hilfsweise,

festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5, Abs. 7 AufenthG bestehen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie nimmt auf ihren Bescheid Bezug.

Mit Beschluss vom 27. Juli 2017 - Einzelrichterin - hat die Kammer für das Verfahren im ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt.

Am 18. September 2017 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Diesbezüglich wird auf die Niederschrift vom Verhandlungstag verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Weiter wird verwiesen auf die Erkenntnismittel, die zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden sind.

Entscheidungsgründe

Die Klage, über die das Gericht trotz Ausbleibens der Beklagten verhandeln und entscheiden konnte, weil die Beklagte in der Terminsladung hierauf hingewiesen wurde (§ 102 Abs. 2 VwGO), hat Erfolg. Die zulässige Klage ist begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 14. Juli 2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG, Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG.

Der Kläger hat einen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz (v. 1.7.1992, neugefasst durch Bekanntmachung v. 2.9.2008, BGBl. I, S. 1798, zuletzt geändert durch Gesetz v. 20.7.2017).

Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Die Furcht vor einer Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit tatsächlich drohen.

Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2).

Zu dem - vorliegend allein in Betracht kommenden - Verfolgungsgrund der Religion findet sich eine nähere Definition in § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Danach umfasst der Begriff der Religion insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind. Zu den Handlungen, die eine schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG darstellen können, gehören dabei nicht nur gravierende Eingriffe in die Freiheit des Betroffenen, seinen Glauben im privaten Kreis zu praktizieren, sondern auch solche in seine Freiheit, diesen Glauben öffentlich zu leben. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine an die Religion des Betroffenen anknüpfende Verfolgungshandlung vorliegt, kommt es darauf an, ob er wegen der Ausübung dieser Freiheit in seinem Herkunftsland tatsächlich Gefahr läuft, durch einen der in § 3c AsylG genannten Akteure verfolgt oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Unerheblich ist dabei, ob der Betroffene die Gefahr einer Verfolgung möglicherweise dadurch vermeiden kann, dass er auf die religiöse Betätigung verzichtet (EuGH, Urt. v. 5.9.2012 - C 71/11 u.a. -, juris). Nicht erforderlich ist, dass der Ausländer seinen Glauben im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland tatsächlich in einer ihn der Verfolgungsgefahr aussetzenden Weise ausüben würde. Vielmehr kann bereits der angesichts des Drucks der Verfolgungsgefahr zu erwartende Verzicht auf Glaubenshandlungen die Qualität einer Verfolgung erreichen. Jedoch muss die konkrete Glaubenspraxis für den Einzelnen ein zentrales Element seiner religiösen Identität und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar sein. Nach der Rechtsprechung des EuGH hängt die Beurteilung, wann eine Verletzung der Religionsfreiheit die erforderliche Schwere aufweist, um die Voraussetzungen einer Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2011/95/EU zu erfüllen, von objektiven wie auch subjektiven Gesichtspunkten ab. Objektive Gesichtspunkte sind insbesondere die Schwere der dem Ausländer bei Ausübung seiner Religion drohenden Verletzung anderer Rechtsgüter wie z.B. Leib und Leben. Die erforderliche Schwere kann insbesondere dann erreicht sein, wenn dem Ausländer durch die Teilnahme an religiösen Riten in der Öffentlichkeit die Gefahr droht, an Leib, Leben oder Freiheit verletzt, strafrechtlich verfolgt oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Als relevanten subjektiven Gesichtspunkt für die Schwere der drohenden Verletzung der Religionsfreiheit sieht der Gerichtshof den Umstand an, dass für den Betroffenen die Befolgung einer bestimmten gefahrträchtigen religiösen Praxis in der Öffentlichkeit zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist (EuGH, Urt. v. 5.9.2012 - C 71/11 u.a. -, juris). Es reicht aber nicht aus, dass der Asylbewerber eine enge Verbundenheit mit seinem Glauben hat, wenn er diesen - jedenfalls im Aufnahmemitgliedstaat - nicht in einer Weise lebt, die ihn im Herkunftsstaat der Gefahr der Verfolgung aussetzen würde. Maßgeblich für die Schwere der Verletzung der religiösen Identität ist die Intensität des Drucks auf die Willensentscheidung des Betroffenen, seinen Glauben in einer für ihn als verpflichtend empfundenen Weise auszuüben oder hierauf wegen der drohenden Sanktionen zu verzichten (BVerwG, Urt. v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 -, juris). Es ist Sache des Asylbewerbers, die Umstände, aus denen sich die Verfolgung ergibt, in schlüssiger Form vorzutragen. Das Gericht muss dabei die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten individuellen Schicksals und von der Richtigkeit der Prognose drohender Verfolgung gewinnen. Auf Grund der Beweisschwierigkeiten, in denen sich der Schutzsuchende hinsichtlich der asylbegründeten Vorgänge in seinem Heimatland regelmäßig befindet, muss sich das Gericht jedoch mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig ausgeschlossen werden können (BVerwG, Beschl. v. 21.7.1989 - 9 B 239.89 -, NVwZ 1990, 171). Das Asylverfahren ist eine Einheit, so dass ein gegenüber den Angaben vor der Verwaltungsbehörde im gerichtlichen Verfahren vorgetragener neuer Sachverhalt regelmäßig Zweifel an der Richtigkeit dieses Vorbringens wecken wird. Bei erheblichen Widersprüchen oder Steigerungen im Sachvortrag kann dem Asylsuchenden nur bei einer überzeugenden Auflösung der Unstimmigkeiten geglaubt werden (BVerwG, Urt. v. 12.11.1985 - 8 C 27.85 -, juris). Der Asylbewerber muss die persönlichen Umstände seiner Verfolgung und Furcht vor einer Rückkehr hinreichend substantiiert, detailliert und widerspruchsfrei vortragen und plausible, wirklichkeitsnahe Angaben machen. Auch unter Berücksichtigung des Herkommens, Bildungsstandes und Alters muss der Asylbewerber im Wesentlichen gleichbleibende, möglichst detaillierte und konkrete Angaben zu seinem behaupteten Verfolgungsschicksal machen.

Die Tatsache, dass ein Asylbewerber bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ist nach Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Asylbewerbers vor Verfolgung begründet Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Asylbewerber erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.

Bei einer fehlenden Vorverfolgung gelten dagegen strengere Maßstäbe (vgl. EGMR, Urt. v. 28.2.2008 - Nr. 37201/06, Saadi -, juris mwN). Die Furcht vor Verfolgung ist in diesen Fällen dann begründet, wenn dem Ausländer die genannten Gefahren, aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände und in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 -, juris; BVerwG, Beschl. v. 7.2.2008 - 10 C 33.07 -, juris). Entscheidend ist, ob aufgrund der Art und Weise, wie der Betroffene seinen Glauben lebt, davon auszugehen ist, dass für ihn zur Wahrung seiner religiösen Identität bestimmte Handlungen und Verhaltensweisen – z.B. Gebet, religiös begründete Bekleidung, Erziehung, Lehre, missionarische Aktivität oder Teilnahme an religiösen Riten, Festen, Prozessionen oder Gottesdiensten im privaten oder öffentlichen Bereich – wesentlich sind und er hierdurch in seinem Herkunftsland bei Aufrechterhaltung seiner konkreten Lebensführung der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt wäre (VG Chemnitz, Urt. v. 7.4.2017 - 6 K 135/16.A -, juris).

Hat der Asylbewerber keine eigene Verfolgung wegen seiner Religion erfahren, kann sich die Gefahr eigener politischer Verfolgung eines Asylbewerbers aber auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen ergeben, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmales verfolgt werden, das er mit ihnen teilt und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gruppenverfolgung). In Betracht kann auch eine Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure kommen. Um eine Gruppenverfolgung mit der Regelvermutung individueller Betroffenheit annehmen zu können, muss insbesondere das Erfordernis der Verfolgungsdichte erfüllt sein (BVerwG, Urt. v. 18.7.2006 - 1 C 15.05 -; v. 1.2.2007 - 1 C 24.06 -; v. 21.4.2009 - 10 C 11.08 - und v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 -, alle juris).

Nach § 3e Abs. 1 AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2).

Nach diesen Maßstäben kann der Kläger die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft beanspruchen.

Der Kläger ist zur Überzeugung der Einzelrichterin bereits in Pakistan in Anknüpfung an das flüchtlingsrechtlich relevante Merkmal der Religion - hier als Mitglied der Ahmadiyya Glaubensgemeinschaft - verfolgt worden.

Die Religionsgemeinschaft der Ahmadiyya wurde im Jahr 1889 von Mirza Ghulam Ahmad gegründet und ist nach eigenem Verständnis islamisch. Von muslimischen Geistlichen in Pakistan wird die Gemeinschaft hingegen nicht als muslimisch anerkannt. Durch eine Änderung der Verfassung im Jahr 1974 wurde diese Lehrmeinung Verfassungsgrundsatz. Streitpunkt ist vor allem der Anspruch des Ahmadiyya - Gründers, im Rang eines Propheten zu stehen. Dieser Anspruch ist nach orthodoxer islamischer Auffassung unzulässig, weil der Prophet Muhammad als letzter der Propheten gilt. Seit den 1950er Jahren kam es in Pakistan immer wieder zu Ausschreitungen gegen Mitglieder der Religionsgemeinschaft, die von radikal-islamistischen Gruppen geschürt wurden. Durch eine Verfassungsänderung im Jahr 1974 sind die Ahmadis sodann durch die Gesetzeslage ausdrücklich zu Nicht-Muslimen erklärt worden und werden in der Verfassung als religiöse Minderheit qualifiziert und geführt. Dieses hat unmittelbare Konsequenzen auch für den Bereich des Wahlrechts insofern, als Ahmadis nur auf besonderen Minderheitenlisten kandidieren und nur solche Personen auf diesen Listen wählen können. Um hingegen ohne Einschränkungen als Muslim kandidieren bzw. wählen zu können, muss eine eidesähnliche Erklärung zur Finalität des Prophetenamtes Mohammeds abgegeben sowie ausdrücklich beteuert werden, dass der Gründer der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft ein falscher Prophet ist. Aufgrund dessen werden seitdem die Wahlen durch die Ahmadis regelmäßig und in erheblichem Umfang boykottiert (vgl. (U.S. Department of State, International Religious Freedom Report Pakistan for 2011, S. 4; U.S. State Department, Human Rights Report Pakistan for 2012, S. 38; Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 7.12.2012, Ziff. 19.104 ff.; Rashid, Pakistan’s failed Commitment: How Pakistan’s institutionalised Persecution of the Ahmadiyya Muslim Community violates the international Convenant on civil and political Rights, S. 25). In den Pässen werden die Ahmadis ausdrücklich als „non-muslim” geführt (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan vom 30. Mai 2016, S. 14 ff.). Seit 1984 bzw. 1986 gibt es in Pakistan eine gezielte gegen die  Ahmadis gerichtete Gesetzgebung. Ihnen wird zwar vom Gesetz der Status einer religiösen Minderheit eingeräumt, gleichzeitig ist es ihnen aber ausdrücklich verboten, sich als Muslime zu bezeichnen oder sich wie Muslime zu verhalten. Dieses Verbot ist im Pakistanischen Strafgesetzbuch (§ 298c PPC) niedergelegt und mit einer Strafandrohung von maximal drei Jahren Freiheitsstrafe sanktioniert. Es besteht allerdings immer die Gefahr, dass ein gegen Ahmadis gerichtetes Verfahren um den Vorwurf der Blasphemie nach § 295c PPC erweitert wird, auf die in Pakistan die Todesstrafe gilt. Nach der Auskunftslage gestaltet sich die Anwendung der Gesetze allerdings nicht streng. So sind im Jahr 2012 fünf Ahmadis wegen Blasphemie angeklagt worden und weitere 57, weil sie sich verbotenerweise als Muslime bezeichnet hätten. 2014 verloren insgesamt elf Ahmadis bei gezielten Angriffen ihr Leben und weitere elf Ahmadis wurden wegen Blasphemie angeklagt (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan vom 23. Juni 2015, S. 15). Im Jahr 2015 wurden eine Fabrik und eine Gebetsstätte im District Jhelum durch einen aufgebrachten Mob verwüstet. Daneben wurden drei Ahmadis wegen Blasphemie angeklagt (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan vom 30. Mai 2016, S. 15). In der Berufungsinstanz erfolgt jedoch häufig eine Abänderung des Strafvorwurfs (z. B. Entweihung des Korans gemäß § 295b PPC), so dass die für Blasphemie zwingend vorgesehene Todesstrafe in eine lebenslange Freiheitsstrafe (die auf 25 Jahre begrenzt ist) umgewandelt wird (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan vom 30. Mai 2016, S. 15). Die Auskunftslage betont, dass bisweilen kein Fall einer Vollstreckung der Todesstrafe bekannt ist.

Ausgehend von dieser allgemeinen Lage der religiösen Minderheit in Pakistan, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Gerichts glaubhaft dargelegt, dass er in Pakistan aufgrund seiner Religion Bedrohungen gegen Leib und Leben ausgesetzt gewesen war und unter dem Druck dieser Anfeindungen Pakistan verlassen hat. Der Kläger schilderte für das Gericht überzeugend, dass ihm im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Homöopath regelmäßig von Vertretern des islamischen Glaubens sog. „Mullahs“ aufgelauert wurde und er unter dem Druck von Beleidigungen und körperlichen Übergriffen gezwungen wurde, seinen Glauben in der Öffentlichkeit zu unterdrücken bzw. Abkehr von der Minderheitenreligion hin zum Islam zu vollführen. Dieses Verfolgungsgeschehen schilderte der Kläger schlüssig und widerspruchsfrei. Auch auf Rückfragen des Gerichts vermochte der Kläger detailliert zu antworten. So erläuterte er gegenüber dem Gericht nachvollziehbar, dass er sich in im Laufe seiner beruflichen Tätigkeit als Homöopath einen großen Kundenstamm erarbeitet habe. Es habe sich schnell rumgesprochen, dass er Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft angehöre. Dementsprechend seien auch hohe Amtsträger seiner Gemeinde in seiner Praxis gekommen und hätten sich von ihm behandeln lassen. Die anderen Patienten - die überwiegend sunnitischen Glaubens waren - hätten dies zum Anlass genommen, ihn auf seine Religion anzusprechen. Er habe daraufhin bei denjenigen Patienten, die regelmäßig in seines Praxis kamen und zu denen er ein Vertrauensverhältnis aufgebaut habe, angefangen über seine Religion zu sprechen, diesen zu erklären, was Inhalt seiner Religion sei und welche Unterschiede zum Sunnitentum bestünden. Die Verbreitung der „Offenbarung“ sei gerade der Kerngehalt seines Glaubens. Deshalb habe er das Getan. Auch dies habe sich dann rumgesprochen. Hierdurch sei er in den Fokus der „Mullahs“ geraten. Gruppen von Mullahs seien wiederholt in seine Praxis eingedrungen und hätten ihn beleidigt und seien in körperlich angegangen. Zum Teil sei er von ihnen aus der Praxis rausgezerrt worden und vor der Praxis - in Anwesenheit seiner Patienten - geschlagen worden. Auch sei er genötigt worden in seinen Praxisräumen das Glaubensbekenntnis aufzusagen. Auch hätten seine Patienten zum Teil versucht ihm durch verbalen Zuspruch zu helfen. Davon hätten sich die Angreifer nicht abhalten lassen. Aus der gesamten widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Schilderung des Klägers hat das Gericht insgesamt den Eindruck gewonnen, dass der Kläger ein selbst erlebtes Geschehen wiedergibt.

Beim Kläger handelt es sich nach Überzeugung der Einzelrichterin um einen mit seinem Glauben eng verbundenen Ahmadi, für den die Glaubensbetätigung in der Öffentlichkeit ein zentrales persönliches Anliegen und Teil seiner religiösen Identität ist. Dies folgt aus den dem Gericht vorliegenden Dokumenten und Lichtbildern sowie den unmittelbaren persönlichen Eindrücken aus der informatorischen Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung. Die Einzelrichterin nimmt insofern Bezug auf die vielfachen Tätigkeiten, die der Kläger bislang für die Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft wahrgenommen hat. Trotz Nachteilen hat er sich bereits vor seiner Ausreise aus Pakistan dort in der Gemeinde engagiert und auch im beruflichen Umfeld nicht gescheut, die Kerninhalte seiner Religion nach außen zu tragen. Auch in der Bundesrepublik Deutschland hat er dieses Engagement in seiner Gemeinde fortgeführt und nimmt - durch Lichtbilder nachgewiesen - an vielfachen öffentlichkeitswirksamen Aktionen der Gemeinde aktiv teil. Die enge Gemeindemitarbeit wird auch durch die Bescheinigung der Ahmadiyya Muslim Jamaat (Abteilung für Allgemeine Angelegenheiten) vom 18. August 2016 bestätigt. Die Ausführungen des Klägers in der informatorischen Anhörung vor dem Gericht verdeutlichen dies. Der Kläger vermochte gegenüber dem Gericht überzeugend kundzutun, dass er es für sich als verpflichtend ansieht, den Kerngehalt seiner Religion - nämlich die Weitertragen der Offenbarung - zu folgen. Im Rahmen seiner ausführlichen Darstellung betonte der er den Umstand immer wieder und machte deutlich, dass er auch im Hinblick auf die Anfeindungen, die ihm daraus erwachsen sind, nicht mit der Fortführung seines religiösen Handelns aufhören konnte und in Zukunft kann. Es ist nach alledem davon auszugehen, dass auch und gerade das öffentliche Leben seines Glaubens für ihn ein zentrales Element seines Glaubens ist. Von ihm kann bei einer Rückkehr nach Pakistan nicht verlangt werden, sich lediglich auf die Religionsausübung im Geheimen bzw. innerhalb seiner Gemeinde zu beschränken, da für ihn gerade die Ausübung seiner Religion in der Öffentlichkeit und der Versuch, anderen Leuten seinen Glauben zu vermitteln, zentraler Bestandteil seines Glaubens sind und hieran die in Pakistan drohenden Verfolgungshandlungen anknüpfen.

Eine interne Schutzalternative ist für den Kläger im vorliegenden Fall nicht gegeben. Soweit in der Rechtsprechung als interne Fluchtalternative für Ahmadis, für die die öffentliche Religionsausübung ein wesensbestimmender Teil ihrer Persönlichkeit ist, die Stadt Rabwah ansehen, weil dort mehr als 95 % der Bevölkerung Ahmadis sind und sich die Ahmadi-Bevölkerung aufgrund ihrer zahlenmäßigen Dominanz in Rabwah relativ sicher fühlen kann, findet dies im vorliegenden Fall keine Anwendung. Den die Stadt Rabwah stellt nach der aktuellen Auskunftslage für all jene Ahmadis keine inländische Fluchtalternative dar, die eine überregionale Bekanntheit erlangt haben (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan vom 30. Mai 2016, S. 22).

Nach der glaubhaften Schilderung des Klägers hat dieser eine überregionale Bekanntheit erfahren. So war er als homöopathischer Arzt in seiner Heimat tätig, hat sich dort einen großen Kundenstamm erarbeitet und war über die Grenzen seiner Heimatstadt bekannt. Er schilderte zudem glaubhaft, dass auch in der Moschee über den Umzug seiner Praxis berichtet worden sei. Das ist deshalb für das Gericht nachvollziehbar,  weil der Kläger glaubhaft versichert hat, dass auch namhafte Amtsträger seiner Religionsgemeinschaft zu seinen Patienten gehörten. Aufgrund der körperlichen Übergriffe und Beleidigungen musste er daraufhin mehrmals die Stadt wechseln. Auch nachdem er mit seiner Praxis umgezogen war und sogar nachdem er seine selbstständige Tätigkeit aufgegeben hatte, stand der weiterhin im Fokus der Mullahs und musste weitere Anfeindungen und Übergriffe erfahren, ehe er diese zum Anlass genommen habe, auszureisen.

Gegen die Annahme einer inländischen Fluchtalternative in Rabwah spricht zudem, dass der Kläger dem Gericht gegenüber glaubhaft schilderte, dass seine in Rabwah wohnende Familie auch dort bedroht worden sei. Seine Ehefrau habe dort Drohbriefe erhalten und es sei ihr in ihrer Wohnung aufgelauert worden. Auch mit diesem Vorbringen stellt sich der Kläger nicht im Widerspruch zu seinen Angaben im Rahmen der informatorischen Anhörung vor dem Bundesamt. Soweit er dort noch behauptet habe, dass seit dem Umzug nach Rabwah „nichts weiter passiert sei“, löst er den Widerspruch für das Gericht nachvollziehbar auf, indem er erläutert, dass sich die Drohungen erst im Jahr 2016 zugetragen hätten, damit zeitlich nach seiner Anhörung vor dem Bundesamt stattgefunden haben.

Nachdem dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist, war der noch streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts im Übrigen aufzuheben, soweit er dem entgegensteht. Diese Aufhebung umfasst auch die in Ziffer 5. des Bescheids gemäß §§ 34, 38 AsylVfG erlassene Abschiebungsandrohung, deren Grundlage entfallen ist. Über den hilfsweise gestellten Antrag auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG und die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG war nicht mehr zu entscheiden, da die Klage bereits im Hauptantrag erfolgreich war. Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen, ist mit dieser Entscheidung gegenstandslos (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.0.2002 - 1 C 17.01 -, juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83 b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.