Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 15.09.2017, Az.: 2 A 115/16

Baumschutzsatzung; Bestimmtheitsgebot; Ersatzpflanzanordnung; Unbestimmtheit

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
15.09.2017
Aktenzeichen
2 A 115/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 54166
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die in § 7 Abs. 2 Satz 2 und § 9 Abs. 1 der Baumschutzsatzung der Beklagten enthaltenen Regelungen zu Ersatzpflanzanordnungen sind nichtig, weil sie nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die hinreichende Bestimmtheit von Normen genügen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrte ursprünglich die Erteilung einer (weiteren) Ausnahme nach der Baumschutzsatzung zur Fällung von Bäumen und wendet sich gleichzeitig gegen die von der Beklagten angeordnete Ersatzbepflanzung.

Der Kläger und seine Lebensgefährtin möchten auf dem Grundstück C. D. E. 1 in F. (Flurstück 8/156 der Flur 8) ein Einfamilienhaus mit Doppelgarage und Geräteraum errichten. Im Rahmen des dafür eingeleiteten Baugenehmigungsverfahren beantragte der Kläger bei der Beklagten mit Schreiben vom 5. Februar 2016 die Erteilung einer „Ausnahme und Befreiung gemäß §§ 6 und 8 der Satzung über den Schutz des Baum- und Heckenbestandes in der Gemeinde B.“ für die Fällung von neun auf dem Grundstück befindlichen Eichen. Dem Antrag fügte er einen Lageplan sowie ein Kurzgutachten eines Forstsachverständigen vom 22. Januar 2016, auf die jeweils Bezug genommen wird, bei. In dem Lageplan waren die neun ursprünglich auf dem Grundstück vorhandenen Eichen eingezeichnet und jeweils durchnummeriert. In der Begründung des Antrages führte er aus, dass die Eichen Nrn. 1, 2 und 3 im unmittelbaren Bereich des geplanten Baukörpers stünden. Für die Eichen Nrn. 4 bis 9 werde der Antrag nach § 6 Abs. 1b und 1c der Baumschutzsatzung gestellt. Er plane auf dem Neubau eine Solar- bzw. Fotovoltaikanlage zu errichten. Um eine höchstmögliche Ausnutzung der geplanten Anlagen zu erreichen, sei die Fällung der Eichen Nrn. 4 bis 9 erforderlich. Weitere Ausführungen seien dem Kurzgutachten des Forstsachverständigen zu entnehmen.

Mit E-Mail vom 18. März 2016 bat der Kläger die Beklagte um eine zeitnahe Entscheidung über seinen Antrag, um die Fällung vor der Brut- und Setzzeit vornehmen zu können. In einer an den Kläger gerichteten E-Mail vom 22 März 2016 führte ein Mitarbeiter der Beklagten Folgendes aus:

„Für Ihr Bauvorhaben C. D. E. in F. erteile ich Ihnen die Erlaubnis, die Bäume südlich des geplanten Wohnhauses bereits vor der endgültigen Erlaubnis zu fällen. Die Baumgruppe im Südwesten des Grundstücks und der Einzelbaum an der Nordgrenze im Bereich Doppelgarage/Geräteraum müssen stehen bleiben, bis sie einen endgültigen Bescheid über ihren Antrag erhalten haben.“

In der Folgezeit ließ der Kläger die im Lageplan mit den Nrn. 2,3, 4 und 5 bezifferten Bäume fällen. In einer E-Mail des Klägers an die Beklagte vom 8. April 2016 führte er aus, dass er von den Baumfällern darauf hingewiesen worden sei, dass zwei Eichen aus der Eichengruppe Auffälligkeiten am Stamm hätten. Daraufhin habe er Herrn G. - ein Mitarbeiter der Beklagten - kontaktiert und diesen gebeten, sich die Eichengruppe kurzfristig anzusehen. Am Dienstag, den 5. April 2016, sei Herr G. vor Ort gewesen. Dieser habe geäußert, dass die Bäume nicht hätten gefällt werden dürfen. Ein weiteres Gespräch, insbesondere über die Auslegung der E-Mail vom 22. März 2016, sei nicht möglich gewesen. Er bitte daher darum, bis zum 14. April 2016 die Genehmigung zur Entfernung der Eichen zu erteilen, da die Gefahr bestünde, dass die Bäume bei Sturm umfallen könnten. Für das Entfernen der Baumgruppe sei es auch ein wesentlicher Aspekt, dass auf dem Dach des Hauses eine Solar- und Fotovoltaikanlage errichtet werden solle.

Mit Bescheid vom 15. April 2016 traf die Beklagte insgesamt fünf Regelungen. Zunächst erteilte sie „entsprechend der Vorabgenehmigung vom 22. März 2016 per E-Mail“ eine Ausnahmegenehmigung zur Fällung der beiden südlich des geplanten Wohnhauses gelegenen, zwischenzeitlich bereits entfernen und im Lageplan mit den Nrn. 2 und 3 bezifferten Eichen (1.). Den Antrag, die Baumgruppe südwestlich des geplanten Wohnhauses (Eichen Nrn. 4 bis 8) zu fällen, lehnte sie ab (2.). Als Ersatz für die nicht genehmigt gefällten Eichen Nrn. 4 und 5 ordnete sie die fachgerechte Ersatzpflanzung von zwei Stieleichen „Solitär 4xv mit Drahtballierung Ges. St. U 30-40 cm“ an gleicher Stelle oder weiter in Richtung Grundstücksgrenze innerhalb von zwei Jahren an (3.). Jeweils als Ersatz für einen genehmigt gefällten Baum ordnete sie die Ersatzpflanzung einer Stieleiche „Hochstamm 4xv mit Drahtballierung St. U 14-16 cm“ innerhalb von zwei Jahren auf dem Grundstück an (4.). Schließlich verfügte sie, dass über die Fällung des Baumes Nr. 1 nach Eingang der Bauanzeige für die Garage entschieden werde (5.). Zur Begründung führte sie aus, dass die Bäume Nrn. 4 bis 8 die geplanten Baumaßnahmen nicht beeinträchtigten. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Bäume in ihrer Standfestigkeit so beeinträchtigt seien, dass eine Gefahr bestünde. Die in dem Kurzgutachten angeführten Mängel hätten in den letzten Jahrzehnten auch keine Gefahr entstehen lassen. Mangelfreie Eichen seien heutzutage kaum noch zu finden, sodass es darauf ankomme, ob sie tatsächlich eine Gefahr darstellten.

Mit weiterem Bescheid vom 21. April 2016 genehmigte die Beklagte dem Kläger auf Grundlage von § 6 Abs. 1 b) der Baumschutzsatzung, die im Lageplan mit der Nr. 1 bezeichnete Eiche zu fällen. Eine Anordnung der Ersatzpflanzung sieht der Bescheid nicht vor.

Unter dem 11. Mai 2016 hat der Kläger Klage gegen die im Bescheid vom 15. April 2016 getroffenen belastenden Regelungen (Verfügungen Nrn. 2 bis 5) erhoben, die er wie folgt begründet: Die Anordnungen der Ersatzpflanzungen seien aufzuheben, da die Beklagte nicht ermächtigt sei, per Verwaltungsakt Ersatzpflanzungen anzuordnen. Dies habe das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in einer Entscheidung vom 26. Januar 1998 (3 L 5739/97) ausgeführt. Dessen ungeachtet seien die in §§ 7 Abs. 2 und 9 Abs. 1 der Baumschutzsatzung der Beklagten enthaltenen Regelungen wegen Unbestimmtheit als nichtig zu beurteilen. Sie enthielten keine Kriterien dafür, wann die Ersatzpflanzung nicht aufgegeben werden solle und entbehrten auch jegliche Hinweise zur Abhängigkeit des Ersatzpflanzgebotes von Quantität und Qualität des beseitigten Baumes. Kriterien für die Anzahl und Größe der Ersatzpflanzen fehlten ebenfalls. Selbst wenn man die Satzungsbestimmungen als wirksam ansähe, seien die angeordneten Maßnahmen als unverhältnismäßig und damit rechtswidrig zu beurteilen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte mit E-Mail vom 20. März 2016 die Erlaubnis erteilt habe, die Bäume südlich des geplanten Wohnhauses zu fällen. Dies hätte er (nur) dahingehend verstehen können, dass damit auch die Bäume Nrn. 4 und 5 gemeint gewesen seien. Etwaige Unklarheiten, die daraus resultierten, dass die Beklagte in der E-Mail die zu fällenden Bäume nicht entsprechend dem vorgelegten Lageplan nach Nummern benannt habe, gingen zu ihren Lasten. Die Beklagte hätte zudem berücksichtigen müssen, dass der Baum Nr. 5 derart geschädigt gewesen sei, dass er ohnehin hätte gefällt werden müssen. Die Bäume Nrn. 2 und 3 hätten beseitigt werden müssen, weil ansonsten das Wohnhaus nicht hätte errichtet werden können. Für diese Bäume dürfte daher keine Ersatzpflanzung gefordert werden. Außerdem sei zu berücksichtigen gewesen, dass die Fällung der Eichen zur vollen Ausnutzung der geplanten Solar- bzw. Fotovoltaikanlage erforderlich sei.

Die Ablehnung der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zur Fällung der Eichen Nrn. 4 bis 8 könne ebenfalls keinen Bestand haben, da die für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung in der Baumschutzsatzung enthaltenen Voraussetzungen vorlägen. Nach dem vorgelegten Kurzgutachten des Forstsachverständigen seien die Bäume krank.

Mit gerichtlicher Hinweisverfügung vom 4. August 2017 hat die Einzelrichterin die Beklagte auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordreih-Westfalen hingewiesen, wonach in einem vergleichbaren Fall an die hinreichende Wahrscheinlichkeit des von einem Baum ausgehenden Schadens nur geringe Anforderungen zu stellen sind (OVG NRW, Urt. v. 08.10.1993 - 7 A 2021/92 -, zit. n. Juris) und zugleich angeregt, zu den in dem vom Kläger vorgelegten Kurzgutachten angesprochenen Punkten, insbesondere zur Standfestigkeit der Bäume, weiter vorzutragen. Daraufhin hat die Beklagte ein Gutachten des Sachverständigen B. vom 1. September 2017 vorgelegt, welches zu dem Ergebnis kommt, dass an der Stand- und Bruchsicherheit der Bäume Nrn. 6 bis 9 keine Zweifel bestehen. Im Hinblick auf die Ergebnisse dieses Gutachtens hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung seinen mit Schriftsatz vom 9. August 2016 angekündigten Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für die Fällung und Beseitigung der Eichen Nrn. 6 bis 9 zurückgenommen.

Der in der mündlichen Verhandlung geschlossene Widerrufsvergleich wurde vom Kläger fristgerecht widerrufen. Für den Fall des Widerrufs haben die Beteiligten auf erneute mündliche Verhandlung verzichtet.

Der Kläger beantragt nunmehr,

Die Anordnungen zur Herstellung von Ersatzpflanzungen im Bescheid vom 15. April 2016 (Verfügungen Nrn. 3 und 4) aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Voraussetzungen für eine Ausnahme oder Befreiung nach der Baumschutzsatzung lägen nicht vor. Von den Bäumen ginge weder eine Gefahr für Personen oder Sachen aus, noch seien sie krank. Dies bestätige nunmehr auch das Gutachten des Sachverständigen B. vom 1. September 2017. Das vom Kläger vorgelegte Kurzgutachten sei demgegenüber ersichtlich ein Gefälligkeitsgutachten, welches nicht belege, dass die Standsicherheit der betroffenen Eichen konkret gefährdet wäre. Auch der Gesichtspunkt, die Funktion der Fotovoltaikanlage sei durch die Bäume eingeschränkt, führe zu keiner anderen Beurteilung. Zunächst stünden die Bäume abseits des Gebäudes. Im Übrigen seinen gewisse Einschränkung der wirtschaftlichen Ausnutzbarkeit des Grundstücks durch etwaigen Astwuchs und Verschattung hinzunehmen.

Die Anordnungen der Ersatzbepflanzungen seien rechtmäßig. Der vom Kläger zitierten Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichtes zur fehlenden Befugnis von Gemeinden, Ersatzpflanzungen anzuordnen, sei nicht zu folgen. Aus § 28 Abs. 2 Satz 1 NNatG ergebe sich ihre Zuständigkeit auch für den Vollzug der Baumschutzsatzung. Im Übrigen führe die Ansicht des Oberverwaltungsgerichtes zu einer unnatürlichen Aufspaltung der sachlich zusammengehörenden Zuständigkeiten. Die Anordnungen seien auch hinsichtlich ihres Inhalts nicht zu beanstanden. Die E-Mail vom 20. März 2016 hätte nicht missverstanden werden können und die Behauptung, der Baum Nr. 5 sei derart geschädigt gewesen, dass er ohnehin hätte gefällt werden müssen, werde bestritten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Soweit der Kläger seine Klage (gerichtet auf die Erteilung einer Fällgenehmigung für die Eichen Nrn. 6 bis 9) zurückgenommen hat, ist das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 VwGO). Die hinsichtlich der Anordnungen der Ersatzpflanzanordnungen aufrecht erhaltene Anfechtungsklage, über die die Einzelrichterin im Einverständnis mit den Beteiligten ohne erneute mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 VwGO), hat Erfolg.

Die angefochtenen Ersatzpflanzanordnungen - Anordnungen Nrn. 3 und 4 in dem Bescheid vom 15. April 2016 - sind rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die auf § 7 Abs. 2 Sätze 2 und 3 der Satzung über den Schutz des Baum- und Heckenbestandes in der Gemeinde B. (v. 30.05.2005, in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 22.09.2009 - Baumschutzsatzung - im Folgenden: BSS) gestützte Anordnung Nr. 4 sowie die auf § 9 Abs. 1 BSS gestützte Anordnung Nr. 3 sind aufgrund der Nichtigkeit der zitierten Satzungsbestimmungen aufzuheben.

Die Baumschutzsatzung der Beklagten wurde auf der Grundlage des § 28 des Nds. Naturschutzgesetzes (NNatG) vom 20. März 1981 (Nds. GVBl. S. 31) erlassen und gilt gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 des Nds. Ausführungsgesetzes zum BNatSchG (NAGB-NatSchG) vom 19.02.2010 (Nds. GVBl. S. 104) bis heute fort. Nach § 3 Abs. 1a BSS sind durch die Satzung u.a. Bäume mit einem Stammumfang von 90 cm und mehr, gemessen in der Höhe von 100 cm über dem Erdboden, geschützt. Nach § 4 Abs. 1 BSS ist es verboten, geschützte Bäume zu entfernen, zu zerstören, zu schädigen oder ihre Gestalt wesentlich zu verändern. Von den Verboten des § 4 BSS ist nach § 6 Abs. 1 u.a. dann eine Ausnahme zu erteilen, wenn von einem Baum Gefahren für Personen oder Sachen ausgehen und die Gefahren nicht auf andere Weise und mit zumutbarem Aufwand zu beheben sind (§ 6 Abs. 1c BSS) oder ein Baum krank ist und die Erhaltung auch unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses daran mit zumutbarem Aufwand nicht möglich ist (§ 6 Abs. 1d BSS). Zudem kann von den Verboten im Einzelfall eine Befreiung erteilt werden (§ 6 Abs. 2 BSS).

Derartige Regelungen, die die Nutzung von Grundstücken aus Gründen des Natur- und Landschaftsschutzes beschränken, sind grundsätzlich als zulässige Bestimmungen von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG anzusehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.02.1990 - 4 C 47.89 -; BGH, Urt. v. 26.01.1984 - III ZR 216/82 -, Nds. OVG, Urt. v. 27.02.1986 - 3 OVG C 1/85 -, OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 02.11.1994 - 1 L 21/94 -, jeweils zit. n. Juris). Insbesondere wird durch die Möglichkeit, von den in der Satzung enthaltenen Verboten Ausnahmen und Befreiungen zulassen zu können, dem Eigentümerinteressen hinreichend Rechnung getragen (Nds. OVG, Urt. v. 27.02.1986 - 3 OVG C 1/85 -, a.a.O.).

Vorliegend ist der Anwendungsbereich der zitierten Baumschutzsatzung eröffnet, weil es sich bei den auf dem Grundstück des Klägers befindlichen Eichen um Bäume mit einem Stammumfang von 90 cm i. S. d. § 3 Abs. 1a BSS handelt. Gleichwohl können die streitgegenständlichen Ersatzpflanzanordnungen keinen Bestand haben, weil die ihnen zugrunde liegenden Satzungsbestimmungen nichtig sind.

Die in § 7 Abs. 2 Satz 3 BSS enthaltene und vorliegend von der Beklagten - wenn auch ohne ausdrückliche Erwähnung - für die streitgegenständliche Anordnung Nr. 4 herangezogene Regelung, wonach demjenigen, der einen Antrag auf Erteilung einer Ausnahme nach § 6 BSS stellt, insbesondere auferlegt werden soll, „Bäume bestimmter Art und Größe als Ersatz für entfernte Bäume auf seine Kosten zu pflanzen und zu erhalten“, genügt nicht dem verfassungsrechtlich im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerten Bestimmtheitsgebot.

Das Rechtsstaatsprinzip verlangt, dass Ermächtigungen zum Erlass belastender Verwaltungsakte nach Inhalt, Gegenstand und Ausmaß hinreichend bestimmt sind, so dass die Eingriffe messbar und für den Bürger hinreichend voraussehbar und berechenbar sind (st. Rspr., vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 20.05.1988 - 1 BvR 278/88 -, zit. n. Juris). Zwar schließt dies nicht die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe aus; die Auslegungsbedürftigkeit nimmt einer Vorschrift noch nicht die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.05.1988 - 1 BvR 278/88 -, a.a.O.). Ein Verstoß gegen das Erfordernis hinreichender Bestimmtheit einer Norm liegt aber dann vor, wenn es nicht mehr möglich ist, objektive Kriterien zu gewinnen, die eine willkürliche Handhabung durch die Behörden verhindern. Es muss daher ausgeschlossen sein, dass die Entscheidung über den Umfang der von einem Bürger obliegenden Verpflichtung letztlich in die Hand der Behörde gelegt ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.04.2000 - 11 B 61/99 -, zit. n. Juris). Vielmehr muss sich aus dem Inhalt der Rechtsvorschrift mit ausreichender Bestimmtheit ermitteln lassen, was von der pflichtigen Person verlangt wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.04.2000 - 11 B 61/99 -, a.a.O.; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 26.01.2006 - 11 B 12.05 -, zit. n. Juris).

Vorliegend ist darüber hinaus Folgendes zu berücksichtigen: Bei den Regelungen der Baumschutzsatzung handelt es sich, wie ausgeführt, um Bestimmungen von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Die im Rahmen der Schaffung derartiger Inhalts- und Schrankenbestimmungen aus verfassungsrechtlichen Gründen gebotene Herstellung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen privatem und sozialem Nutzen des Eigentumsgebrauchs hat zur Folge, dass die Ausgestaltung der Regelungen einer Baumschutzsatzung bestimmten Anforderungen genügen muss. Wird - wie vorliegend in §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 BSS - darauf verzichtet, schon bei der (normativen) Festlegung des Schutzes aller Bäume in einem bestimmten Bereich, die einen bestimmten Stammumfang überschreiten, die Folgen dieses Schutzes für den jeweils betroffenen Eigentümer, insbesondere die ihn treffenden wirtschaftlichen Lasten und Einschränkungen der Nutzbarkeit seines Grundeigentums, in den Blick zu nehmen und abzuwägen, muss gewährleistet sein, dass diese den privaten Eigentümer belastenden Aspekte jedenfalls bei der Erteilung einer Ausnahme oder Befreiung hinreichend berücksichtigt werden. Spätestens dann, wenn es um Ausnahmen und Befreiungen von der Satzung sowie um Ersatzpflanzungen geht, muss gewährleistet sein, dass die bewirkten Eigentumsbindungen nicht - gemessen am sozialen Bezug, an der sozialen Bedeutung des Eigentumsobjektes und am verfolgten Regelungszweck - zu einer übermäßigen und unzumutbaren Belastung für den Eigentümer führen (vgl. OVG NRW, Urt. v. 08.10.1993 - 7 A 2021/92 - und Beschl. v. 16.01.1998 - 10 A 666/96 -, jeweils zit. n. Juris). Jedenfalls in Regelungen über Ersatzpflanzungen sind deshalb im Rahmen der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit die betroffenen Eigentümerinteressen zu berücksichtigen (VG Frankfurt, Urt. v. 09.06.2009 - 8 K 920/09.F -; vgl. auch OVG NRW, Urt. v. 15.06.1998 - 7 A 759/96 -, jeweils zit. n. Juris).

Für diese Sichtweise spricht auch § 28 Abs. 3 Satz 2 NNatG, wonach die Baumschutzsatzung Eigentümer auch zu Ersatzpflanzungen verpflichten „kann“, also gerade nicht in jedem Fall dazu verpflichten muss. Damit kennt auch die § 7 Abs. 2 Satz 2 BBS zugrundeliegende Ermächtigungsgrundlage gerade keinen Automatismus der Ersatzpflanzung. Denn den betroffenen Eigentümerinteressen ist umso eher und umso mehr Rechnung zu tragen, je geringer im konkreten Fall die Schutzzwecke der Satzung durch den Verlust eines einzelnen Baumes, etwa im Hinblick auf dessen Alter, Zustand, Standort usw., berührt werden (vgl. OVG NRW, Urt. v. 08.10.1993 - 7 A 2021/92 -, zit. n. Juris). Entfaltet ein Baum etwa aufgrund seines Alters, Zustandes oder Standortes die typischen Wohlfahrtswirkungen, die seine Unterschutzstellung im öffentlichen Interesse angezeigt erscheinen lassen, nicht mehr oder nur noch in verringerten Maße, so kann dies zur Folge haben, dass sich die mit der Unterschutzstellung und Verpflichtung zur Ersatzpflanzung verbundenen Belastungen und Beschränkungen für den Eigentümer, weil nicht mehr durch einen mindestens gleichgewichtigen öffentlichen Zweck gerechtfertigt, als unverhältnismäßig und unzumutbar erweisen (VG Frankfurt, Urt. v. 09.06.2009 - 8 K 920/09.F -; vgl. auch OVG NRW, Urt. v. 15.06.1998 - 7 A 759/96 -, jeweils a. a. O.).

Gemessen an diesen Maßstäben erscheint es bereits problematisch, dass § 7 Abs. 1 Satz 3 BSS hinsichtlich der Ermessensausübung keine „Kann-“, sondern eine „Soll- Regelung“ enthält. Dies bedeutet, dass die Behörde bei ihrer Ermessensausübung über das „Ob“ der Anordnung der Ersatzpflanzung bereits dahingehend gebunden ist, dass sie nur in atypischen, besonders zu begründenden Fällen von der Anordnung einer Ersatzpflanzung absehen darf (sog. intendiertes Ermessen, vgl. W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 21. Aufl. 2015, § 114 Rn. 21 ff.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 16. Aufl. 2015, § 40 Rn. 64). Vor dem dargestellten Hintergrund, dass auch und gerade bei der Anordnung von Ersatzpflanzungen bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen eine (offene) Abwägungsentscheidung zu treffen ist, bestehen daher bereits unter diesem Gesichtspunkt begründete Zweifel daran, dass die in § 7 Abs. 1 Satz 3 BSS enthaltene „Soll-Regelung“ den dargestellten verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht.

Ungeachtet der bisherigen Ausführungen ist § 7 Abs. 1 Satz 3 BSS jedenfalls deshalb verfassungswidrig und damit nichtig, weil jegliche Kriterien zum Umfang der Ersatzpflanzung (also dem „Wie“) fehlen. In § 7 Abs. 1 Satz 3 BSS heißt es schlicht, dass dem Antragsteller auferlegt werden soll, „Bäume bestimmter Art und Größe als Ersatz für entfernte Bäume auf seine Kosten zu pflanzen und zu erhalten.“ Kriterien dafür, wie die Anzahl, Art und Größe sowie die Pflanzfristen der Ersatzbäume zu bestimmten sind, fehlen vollständig. Zudem entbehrt die Vorschrift jeglicher Hinweise zu der Abhängigkeit des Ersatzpflanzgebots von Quantität und Qualität des beseitigten Baums sowie zu dem die Ausnahme oder Befreiung nach § 6 BSS rechtfertigenden Grund. Schließlich fehlen auch jegliche Kriterien, die für die Ausübung des (intendierten, s.o.) Ermessens herangezogen werden können, also in welchen (atypischen) Fällen ggf. von der Anordnung einer Ersatzpflanzanordnung abgesehen werden kann. Damit fehlt es insgesamt an objektiven Kriterien, die es einerseits ausschließen, dass die Entscheidung über den Umfang der vom Antragsteller geforderten Verpflichtung in die Hand der Behörde gelegt ist und die es andererseits dem Normbetroffene ermöglichen, die von ihm ggf. verlangte Verpflichtung hinreichend deutlich vorhersehen zu können (vgl. VG Frankfurt, Urt. v. 09.06.2009 - 8 K 920/09.F -; VG Berlin, Urt. v. 11. 02.2004 - 1 A 230.01 -, jeweils a.a.O.).

Dass das Fehlen dieser objektiven Kriterien auch in der Praxis zu widersprüchlichen, für den Normbetroffenen nicht vorhersehbaren - und für die Gerichte nicht nachvollziehbaren - behördlichen Entscheidungen führt, zeigt nicht zuletzt der hier vorliegende Fall. Denn die Beklagte hat - wenn auch in zwei gesonderten Bescheiden - insgesamt für drei Eichen (Verfügung Nr. 1 im Bescheid vom 15.04.2016 für die Eichen Nrn. 2 und 3 sowie im - vorliegend nicht streitgegenständlichen - Bescheid vom 21.04.2016 für die Eiche Nr. 1) Ausnahmegenehmigungen erteilt. Alle Ausnahmegenehmigungen sind offensichtlich darauf gestützt, dass das Bauvorhaben des Klägers sonst nicht oder nur unter wesentlichen Beschränkungen hätte verwirklicht werden können (§ 6 Abs. 1b BSS). Wenn aber alle Ausnahmegenehmigungen auf einen identischen Ausnahmetatbestand gestützt sind und weitere Gesichtspunkte, die eine unterschiedliche Behandlung hätten rechtfertigen können, weder vorgetragen noch ersichtlich sind, ist es nicht nachvollziehbar, warum für die Eichen Nrn. 2 und 3 eine Ersatzpflanzung angeordnet wurde und für die Eiche Nr. 1 nicht.

Die aufgezeigten verfassungsrechtlichen Bedenken gelten entsprechend für die in Nr. 3 des Bescheides vom 15. April 2016 enthaltene Anordnung, für die nicht genehmigt gefällten Eichen Nrn. 4 und 5 zwei Stieleichen „Solitär 4xv mit Drahtballierung Ges. St. U 30-40 cm“ an gleicher Stelle oder weiter in Richtung Grundstücksgrenze innerhalb von zwei Jahren anpflanzen zu müssen. Als Rechtsgrundlage für diese Anordnung kommt nur - der im Bescheid vom 15. April 2016 nicht explizit erwähnte - § 9 Abs. 1 BSS in Betracht. Danach ist derjenige, der entgegen § 4 BSS ohne Erlaubnis geschützte Bäume entfernt, zerstört, schädigt oder ihre Gestalt wesentlich verändert, verpflichtet, auf eigene Kosten die entfernten oder zerstörten Bäume in angemessenem Umfang an gleicher Stelle durch Neuanpflanzungen zu ersetzen oder ersetzen zu lassen oder durch die sonstigen Folgen der verbotenen Handlung zu beseitigen.

Auch diese Regelung wird den oben dargelegten verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit und die Verhältnismäßigkeit nicht gerecht. Dabei ist zunächst problematisch, dass § 9 Abs. 1 BSS für jede nach § 4 Abs. 1 BSS verbotene Maßnahme zwingend eine Ersatzanpflanzung vorsieht. Durch diesen Automatismus ist das „Ob“ der Ersatzpflanzung zwingend festgelegt und jeglicher - verfassungsrechtlich gebotener, dem Verhältnismäßigkeitsprinzip gerecht werdender - einzelfallbezogenen Abwägungsentscheidung entzogen (vgl. jeweils zu § 29 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG Appel, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 2. Aufl. 2016, § 29 Rn. 25; Möller, Umweltrecht und Landnutzungsrecht, Kommentar, 6. Aufl. 2016, Bd. IV, Ziff. 51.7.7). Zugleich stellt sich auch hier die Frage, ob § 9 Abs. 1 BSS damit noch von der Rechtsgrundlage des § 28 Abs. 3 Satz 2 NNatG gedeckt ist, die lediglich eine „Kann-Regelung“ enthält; die oben dargestellten Zweifel an der Recht- und Verfassungsgemäßheit des § 7 Abs. 1 Satz 3 BSS sind insofern auch auf § 9 Abs. 1 BSS übertragbar. Darüber hinaus ist auch in Bezug auf § 9 Abs. 1 BSS problematisch, dass sich auch das „Wie“ der Ersatzbepflanzung dieser Vorschrift nicht hinreichend deutlich entnehmen lässt. Jegliche Kriterien, die zur Bestimmung des „angemessenen Umfangs“ herangezogen werden können (etwa Alter, Zustand, Standort und Standsicherheit des geschützten Baumes, s.o.), fehlen völlig. Insofern ist auch in Bezug auf § 9 Abs. 1 BSS für den Normbetroffenen nicht hinreichend deutlich vorhersehbar, was ggf. von ihm verlangt wird.

Da die streitgegenständlichen Ersatzpflanzanordnungen daher aufgrund der Nichtigkeit der zugrundeliegenden Satzungsregelungen keinen Bestand haben können, kommt es auf die zwischen den Beteiligten ebenfalls streitige Frage, ob die angeordneten Ersatzpflanzungen (zusätzlich) auch deshalb rechtswidrig sind, weil der Beklagten die Ermächtigung fehlt, das Ersatzpflanzgebot durch Verwaltungsakt durchzusetzen (so Nds. OVG, Beschl. v. 26.01.1998 - 3 L 5739/97 -, zit. n. Juris), nicht mehr entscheidungserheblich an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 4 VwGO, wobei eine einheitliche Kostenentscheidung zu treffen war, die auch die teilweise Klagerücknahme hinsichtlich der Fällgenehmigung mitumfasst (vgl. VG des Saarlandes, Urt. v. 07.06.2017 - 6 K 801/15 -, zit. n. Juris).

Die tenorierte hälftige Kostentragung basiert darauf, dass der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, soweit er seine Klage zurückgenommen hat (§ 155 Abs. 2 VwGO). Da die Einzelrichterin den ursprünglich auf Erteilung der Fällgenehmigung für die fünf Eichen gerichteten Klageantrag im Verhältnis zu dem Antrag auf Aufhebung der Ersatzpflanzanordnungen für vier Eichen etwa hälftig gewichtet, ergibt sich ausgehend von den ursprünglichen Klageanträgen ein hälftiges Obsiegen des Klägers. Soweit von dem hälftigen Kostenerstattungsanspruch der Beklagten diejenigen Kosten, die durch Einholung des Gutachtens des Herrn B. vom 1. September 2017 entstanden sind, ausgenommen sind, beruht dies auf § 155 Abs. 4 VwGO. Denn aus den in der gerichtlichen Hinweisverfügung vom 4. August 2017 ausgeführten Gründen bestand vorliegend Anlass für die Beklagte, ihre Entscheidung bereits im Verwaltungsverfahren auf eine fachlich fundiertere Grundlage zu stützen. Entgegen der in der mündlichen Verhandlung vom Kläger vertretenen Ansicht sind demgegenüber aber nicht sämtliche Kosten hinsichtlich des zurückgenommen Teils nach § 155 Abs. 4 VwGO der Beklagten aufzuerlegen. Denn der Kläger hatte seinen Antrag auf Erteilung einer Fällgenehmigung ursprünglich nicht ausschließlich auf die fehlende Standsicherheit der Eichen (§ 6 Abs. 1c BSS), sondern auch - wenn nicht sogar primär - darauf gestützt, dass die Fällung für den Betrieb der geplanten Fotovoltaikanlage (§ 6 Abs. 1b BSS) erforderlich sei. Letztgenannter Aspekt ist aber von dem nunmehr vorgelegten Gutachten unberührt und wäre - auch wenn es darauf jetzt nicht mehr entscheidungserheblich ankommt - im Übrigen auch nicht geeignet gewesen, seinen Antrag zu begründen (vgl. vgl. Möller, a.a.O., Ziff. 51.7.6.; VG Regensburg, Urt. v. 19.02.2008 - RN 4 K 07.455 -, zit. n. Juris). Insofern kann sich der Kläger jetzt auch nicht nachträglich mit Erfolg darauf berufen, dass er die Klage von vornherein auf die Anfechtung der Ersatzpflanzanordnungen beschränkt hätte, wenn die Beklagte das Gutachten schon im Rahmen des Verwaltungsverfahrens eingeholt und vorgelegt hätte.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.