Landgericht Lüneburg
Urt. v. 30.07.2020, Az.: 7 O 15/19

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
30.07.2020
Aktenzeichen
7 O 15/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 72517
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Rechtsstreit
...
hat die 7. Zivilkammer (1. Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Lüneburg auf die mündliche Verhandlung vom 25. Juni 2020 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht S.
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.)

    Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 139.345,86 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. November 2018 zu zahlen.

  2. 2.)

    Auf die Widerklage hin wird die Klägerin zu verurteilt, dem Beklagten

    1. a.

      eine Abschrift des steuerlichen Jahresabschlusses der Firma S. V.UG ... und Co.KG für das Geschäftsjahr 2016 bestehend aus der Steuerbilanz zum 31. Dezember 2016 und der steuerlichen Gewinn- und Verlustrechnung für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2016 auszuhändigen;

    2. b.

      eine Abschrift des steuerlichen Jahresabschlusses der Firma S. V. UG ... und Co.KG für das Geschäftsjahr 2017 bestehend aus der Steuerbilanz zum 31. Dezember 2017 und der steuerlichen Gewinn- und Verlustrechnung für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2017 auszuhändigen;

    3. c.

      eine Abschrift des steuerlichen Jahresabschlusses der Firma S. V. UG ... und Co.KG für das Geschäftsjahr 2018 bestehend aus der Steuerbilanz zum 31. Dezember 2018 und der steuerlichen Gewinn-& Verlustrechnung für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2018 auszuhändigen;

    4. d.

      Einsicht in die Geschäftsunterlagen der der Firma S. V. UG ... und Co.KG ab dem 23. Mai 2016 bis 31. Dezember 2018 am Sitz der Gesellschaft zu gewähren.

    Die weitergehende Widerklage wird abgewiesen.

  3. 3.

    Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 93 % dem Beklagten und zu 7 % der Klägerin aufgelegt.

  4. 4.

    Das Urteils ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist eine Grundstücksverwaltungsgesellschaft in der Form einer KG. Geschäftsführende Komplementärin ist die S. V. UG (im folgenden komplementär-UG). Hauptsächliche Geschäftsgegenstand war die Grundstücksverwaltung. Neben einer Immobilie hielt die Klägerin weitere Unternehmensbeteiligungen, unter anderem an einer Speditionsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH (im Folgenden: Transportgesellschaft). Bis Ende Mai 2017 war der jetzige Geschäftsführer der Komplementär-UG H. deren Geschäftsführer, bevor die Geschäftsführung auf den Beklagten übertragen wurde. Der Gesellschaftsvertrag der Klägerin, auf dessen Ablichtung wegen der Einzelheiten (Bl. 38-47 d.A.) Bezug genommen wird, sah unter § 7 zum Thema "Geschäftsführung" in Abs. 3 vor, dass Geschäfte mit besonderer Bedeutung nur mit Zustimmung der Gesellschafterversammlung zulässig sein sollten, hierzu gehörte gemäß Nr. 2 des vorgenannten Vertragsteils auch die Zusage und Gewährung von Krediten von mehr als 10.000 €, ebenso wie das Eingehen von Bürgschaften und Erfüllungsversprechen oder -Garantien in dieser Höhe.

Im Jahre 2017 leistete der Beklagte ohne Vorliegen eines ausdrücklichen Gesellschafterbeschlusses die Transportgesellschaft befreiende Zahlungen an Dritte, die sich laut der Buchungsunterlagen des Steuerberatungsbüros F. und P., auf deren Ablichtung (Bl. 31-35 d.A.) Bezug genommen wird, auf insgesamt 139.345,86 € beliefen, wobei Einzelheiten hierzu zwischen den Parteien streitig sind. Über das Vermögen der Transportgesellschaft wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Celle vom 1. Oktober 2018 zu 34 IN 76/18 das Insolvenzverfahren eröffnet. Rückzahlungen der Transportgesellschaft erfolgten nicht.

Die Klägerin nimmt den Beklagten aus Geschäftsführerhaftung auf Rückzahlung der von diesem zugunsten der Transportgesellschaft geleisteten Zahlungen in Anspruch. Hierzu behauptet sie, die einzelnen Zahlungen würden sich auf den geltend gemachten Betrag von insgesamt 139.345,86 € belaufen. Insoweit seien die von ihr vorgelegten Aufstellungen zutreffend. Unstreitig habe nur der Beklagte für die Konten der Klägerin einen online-Zugriff über das HBCI-Verfahren verfügt. Nur solche Vorgänge seien hier geltend gemacht.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 139.345,86 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. November 2018 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Widerklage beantragt der Beklagte,

die Klägerin zu verurteilen, ihm

  1. a.

    eine Abschrift des steuerlichen Jahresabschlusses der S. V. UG ... und Co. KG für das Geschäftsjahr 2016 bestehend aus der Steuerbilanz zum 31.

    Dezember 2016 und der steuerlichen Gewinn- und Verlustrechnung für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2016 auszuhändigen;

  2. b.

    eine Abschrift des steuerlichen Jahresabschlusses der Firma S. V. UG ... und Co.KG für das Geschäftsjahr 2017 bestehend aus der Steuerbilanz zum 31. Dezember 2017 und der steuerlichen Gewinn- und Verlustrechnung für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2017 auszuhändigen;

  3. c.

    eine Abschrift des steuerlichen Jahresabschlusses der Firma S. V. UG ... und Co.KG für das Geschäftsjahr 2018 bestehend aus der Steuerbilanz zum 31. Dezember 2018 und der steuerlichen Gewinn- & Verlustrechnung für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2018 auszuhändigen;

  4. d.

    Einsicht in die Geschäftsunterlagen der der Firma S. V. UG ... und Co.KG ab dem 23. Mai 2016 bis 23. Mai 2019, hilfsweise bis 31. Dezember 2018, am Sitz der Gesellschaft zu gewähren.

Die Klägerin beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Der Beklagte bestreitet zunächst die vollständige Richtigkeit der durch die Klägerin vorgelegten Zahlen. Unabhängig davon behauptet er, die jeweiligen Zahlungen seien auch nicht pflichtwidrig durch ihn veranlasst worden. Sämtliche Zahlungen seien auf Geheiß des jetzigen Geschäftsführers der Klägerin H. ausgeführt worden. Dieser habe als damaliger Geschäftsführer und Gesellschafter der Transportgesellschaft ein eigenes Interesse an der Durchführung der hier streitigen Zahlungen gehabt. Die Anweisungen seien jeweils per Fax und per E-Mail an den Beklagten übermittelt worden. Darüber hinaus behauptet der Beklagte, die einzelnen Zahlungen seien in Kenntnis und im Einverständnis der Gesellschafter ausgeführt worden, sodass sich diese nun nicht mehr auf ein pflichtwidriges Verhalten des Beklagten berufen könnten.

Zudem vertritt der Beklagte die Auffassung, eine Pflichtwidrigkeit sei bereits deshalb zu verneinen, weil die Klägerin und die Transportgesellschaft eine organschaftliche Verbindung gehabt hätten, mit der Folge, dass die Zahlungen der Klägerin letztlich der Erfüllung eigener Verpflichtungen gedient hätten.

Hinsichtlich der Widerklage macht der Beklagte ihm nach seiner Auffassung zustehende Rechte aus § 166 HGB geltend. Er meint, sein zwischenzeitlich erfolgter Ausschluss stehe dem nicht entgegen, insbesondere müsse es ihm ermöglicht werden, die ihm nach dem Gesellschaftsvertrag zustehenden Abfindungsansprüche zu prüfen und geltend zu machen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-, und Streitstandes wird auf die zwischen Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist begründet aus § 43 Abs. 2 GmbH-Gesetz.

1. Dem Beklagten ist eine Obliegenheitsverletzung in Form eines Verstoßes gegen § 7 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages vorzuwerfen. Gemäß § 37 Abs. 1 GmbHG sind die Geschäftsführer der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, diejenigen Beschränkungen einzuhalten, die für den Umfang ihrer Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, durch den Gesellschaftsvertrag festgesetzt sind. Der Gesellschaftsvertrag sah vor, dass der Beklagte als Geschäftsführer keine Zusage und Gewährung von Krediten von mehr als

10.000 € vornehmen durfte, ohne dass ein entsprechender Gesellschafterbeschluss zugrunde lag. Zwar bleibt eine größere Zahl der hier streitigen Überweisungen unterhalb dieses Betrages. Nach Auffassung des Gerichts ist jedoch in einem Fall wie hier, dass die Kreditgewährung jeweils an dieselbe Schuldnerin erfolgte, auf die Summe und nicht auf die einzelnen Überweisungen abzustellen. Würde man dies anders sehen, könnte das Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses leicht umgangen werden.

Mit der Kreditgewährung verstieß der Beklagte auch gegen seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung. Zwar ist bei schlicht unternehmerischen Fehlentscheidungen das Vorliegen einer Pflichtverletzung zu verneinen, wenn auf der Grundlage angemessener Information vernünftigerweise angenommen werden durfte, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, wie es die sogenannte business judgement rule des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG ausdrückt. Diese Regel findet auch im GmbH-Recht Anwendung (vgl. Etwa Ziemons-Pöschke, in: BeckOK GmbHG, 44. Edition, 1. Mai 2020, § 43 Rn. 105). Der einem Geschäftsführer zuzubilligende weite Handlungsspielraum, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit kaum denkbar ist, umfasst im Ansatz auch das Eingehen geschäftlicher Risiken, einschließlich der Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen. Dieser Spielraum ist jedoch dann überschritten, wenn aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters das hohe Risiko eines Schadens unabweisbar ist und keine vernünftigen wirtschaftlichen Gründe dafür sprechen, es dennoch einzugehen (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2005 - II ZR 54/03, Rn. 6, zit. nach juris). Der Beklagte handelte jedoch nicht im Rahmen des ihm zuzubilligenden weiten Handlungsspielraumes. Denn nach Auffassung des Gerichts hätte ihm klar sein müssen, dass die dauernde erforderliche Unterstützung der Transportgesellschaft ein "Fass ohne Boden" sein würde. Der Beklagte hat auch keinerlei Gründe vorgetragen, aus denen sich ableiten ließe, dass er überhaupt eine unternehmerische Entscheidung gefällt hatte. Denn der Beklagte verteidigt sich nahezu ausschließlich damit, dass er Anweisungen des Mitgeschäftsführers H. ausgeführt hat. Das bedeutet, dass er allenfalls unternehmerische Entscheidungen eines anderen ausführte, ohne diese jeweils selbst zu prüfen. Dass die Transportgesellschaft überhaupt eine wirtschaftliche Perspektive gehabt hätte, trägt der Beklagte nicht vor.

2. Soweit der Beklagte sich damit verteidigt, die hier streitigen Beträge seien jeweils auf Anweisung des Herrn H. durch ihn an die Transportgesellschaft überwiesen worden, ist dies unerheblich. Selbst für den Fall, dass der Vortrag des Beklagten zuträfe, würde ihn dies von der Haftung gemäß § 43 Abs. 2 GmbH-Gesetz nicht entlasten. Denn der Beklagte war als gemäß § 6 GmbHG mit der Außenvertretung der Gesellschaft betrauter Geschäftsführer verpflichtet, die Geschäfte der Gesellschaft ordnungsgemäß zu führen. Dazu gehörte, dass er das ihm anvertraute Gesellschaftsvermögen verantwortlich verwaltet. Seine Stellung verbot es, blind einzelnen Anweisungen von Gesellschaftern oder Mitgeschäftsführern zu folgen, jedenfalls dann, wenn das Gesellschaftsvermögen dadurch gefährdet wurde. Die Gefährdung des Gesellschaftsvermögens war auch aus einer anzustellenden ex-ante-Sicht für den Beklagten offensichtlich, hätte dies zumindest sein müssen. Denn ihm musste schnell klarwerden, das Rückforderungsansprüche gegen die Transportgesellschaft nicht erfolgreich geltend gemacht werden könnten. Daran ändern auch etwaige Anweisungen Herrn H. nichts. Denn bereits Weisungen einzelner Gesellschafter reichen nicht aus, um ein pflichtwidriges Verhalten des Geschäftsführers auszuschließen. Entsprechende Weisungen müssen auf einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung beruhen (vgl. nur Henssler/Strohn-Oetker, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2019, Rn; 30). Die Befolgung von Anweisungen eines anderen Geschäftsführers führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn noch weniger als die Anweisung durch einen Gesellschafter, sei es auch der Mehrheitsgesellschafter, kann die Anweisung eines weiteren Geschäftsführers die Haftung ausschließen. Denn es gilt bei wie hier nicht durch Satzung oder Geschäftsordnung erfolgte Aufteilung zwischen den Geschäftsführern das Prinzip der Gesamtverantwortung (vgl. BGH, DStR 2019, 455 [456] [BGH 06.11.2018 - II ZR 11/17], Rn. 15). Selbst bei einer erfolgten Aufgabenverteilung sind danach strenge Maßstäbe an die wechselseitigen Kontroll- und Überwachungspflichten zu stellen. Vor diesem Hintergrund bleibt es dabei, dass etwaige Anweisungen des Herrn H. die Haftung des Beklagten nicht ausschließen konnten. Dass gegebenenfalls Herr H. ebenfalls haftet, führt zu keinem anderen Ergebnis. Dass die Klägerin ihre Ansprüche nur gegen den Beklagten geltend macht, steht seiner Haftung nicht entgegen. Sind nämlich mehrere Geschäftsführer für den Schaden verantwortlich, haften Sie als Gesamtschuldner gemäß § § 421 ff. BGB. Der Gesellschaft steht es frei, gegen welchen Gesamtschuldner sie ihren Anspruch richtet, jeder mithaftende Geschäftsführer kann somit von der Gesellschaft in Höhe des vollen Schadens in Anspruch genommen werden (vgl. Ziemons, in: Michalski, Heidinger, Leible, J. Schmidt, GmbH-Gesetz, 3. Aufl. 2017, § 43 Rn. 375).

3. Soweit der Beklagte sein Handeln damit rechtfertigt, dass sämtliche Gesellschafter über die hier streitigen Transaktionen informiert und mit diesen einverstanden gewesen seien, hat er den ihm obliegenden Beweis nicht geführt. Zwar soll dann, wenn der Geschäftsführer mit, auch stillschweigendem, Einverständnis aller Gesellschafter handelt, dies die gleichen Wirkungen haben wie ein förmlicher Weisungsbeschluss (vgl. etwa BGH, NZG 2013, 1021 [1024] [BGH 18.06.2013 - II ZR 86/11], Rn. 33). Dabei muss allerdings die stillschweigende Billigung die Qualität eines konkludenten Gesellschafterbeschlusses haben, das Handeln des Geschäftsführers der darf nicht lediglich bloß unverbindlich zur Kenntnis genommen worden sein (vgl. Ziemons-Pöschke, a.a.O., § 43 Rdnr. 278). Der Beklagte hat jedoch nicht bewiesen, dass ein der Qualität eines konkludenten Gesellschafterbeschlusses gleichstehendes Einverständnis der Gesellschafter hinsichtlich der hier streitigen Transaktionen vorgelegen hätte. Insbesondere folgt dies nicht aus der Aussage des Zeugen G. Der Zeuge gab nachvollziehbar an, dass er Anfang des Jahres 2017 auf Bitten entweder des Beklagten oder des Herrn H. Überweisungen für die Transportgesellschaft vorgenommen habe. Er machte aber gleichzeitig deutlich, dass er darauf hingewiesen habe, dass dies die Ausnahme bleiben müsse. Anschaulich sagte er im weiteren Verlauf seiner Vernehmung aus, er habe im Mai 2017 die massive Verwendung von Geldern der KG zur Begleichung von Verbindlichkeiten der Transportgesellschaft festgestellt und den Beklagten unverzüglich darauf hingewiesen, dass dieses Verhalten zu rügen sei. Er habe ihm auch bereits deutlich gemacht, dass er sich Gedanken darüber machen solle, wie er diese Gelder zurückführen wolle. Gemessen am Gesellschaftszweck der KG, nämlich einzig dem Halten eines Grundstücks, wird diese Aussage des Zeugen G. auch plausibel. Denn die aus dem Geschäftsvermögen der Beklagten abgeflossenen Gelder waren in keiner Weise geeignet, den Geschäftszweck der Klägerin zu fördern. Denn der Zeuge sagte glaubhaft aus, dass die Gelder auf den Konten der KG dafür benutzt werden sollten, um Verbindlichkeiten hinsichtlich des gehaltenen Grundstücks zu tilgen und vor allen Dingen auch Sondertilgungen gegenüber der Bank leisten zu können. Die Aussage wird auch nachvollziehbar vor dem Hintergrund, dass der Zeuge selbst als Schuldner der Forderungen beteiligt war. Für das Gericht bieten sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge nicht glaubwürdig wäre. Selbst wenn man aber die Aussage des Zeugen als unbrauchbar werten sollte, so würde dies nicht dazu führen, dass der Beklagte seine Behauptung, die hier streitigen Zahlungen seien im Einverständnis aller Gesellschafter erfolgt, bewiesen hätte.

4. Soweit der Beklagte die Auffassung vertritt, die Klägerin sei mit Blick darauf, dass nach seiner Behauptung jedenfalls bereits mit dem Jahresabschluss 2017 bilanziell die hier streitigen Forderungen gegen die Transportgesellschaft ausgebucht und nicht durch einen Schadensersatzanspruch gegen ihn ersetzt worden sein sollten, ausgeschlossen, folgt das Gericht dem nicht. Denn es geht vorliegend nicht um das Verhältnis zwischen Gesellschaftern, sondern um einen Anspruch gemäß § 43 Abs. 2 GmbH-Gesetz, auf dessen Grundlage der Beklagte nicht als Gesellschafter, sondern als ehemaliger Geschäftsführer in Anspruch genommen wird.

5. Schließlich folgt das Gericht dem Beklagten auch nicht darin, dass die hier streitigen Zahlungen dadurch gedeckt worden wären, dass die Klägerin und die Transportgesellschaft im Verhältnis einer Organschaft zueinander gestanden hätten. Ein Ergebnisabführungsvertrag zwischen der Klägerin und der Transportgesellschaft lag unstreitig nicht vor, sodass hier ausschließlich von einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft die Rede sein könnte. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG kann eine solche Organschaft dann angenommen werden, wenn eine finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung der Tochter- in die Muttergesellschaft vorliegt. Ein solches Verhältnis sieht das Gericht zwischen der Klägerin und der Transportgesellschaft nicht. Ob eine finanzielle und in Ansätzen organisatorische Eingliederung vorhanden war, mag dahinstehen. Mindestens aber fehlt es an einer wirtschaftlichen Eingliederung. Denn zwischen der Klägerin und der Transportgesellschaft bestanden keinerlei wirtschaftliche Gemeinsamkeiten. Während Geschäftszweck der Klägerin ausschließlich das Halten des Grundstücks war, befasste sich die Transportgesellschaft, wie der Name bereits sagt, mit der Durchführung von Transportleistungen. Hier ist nicht ersichtlich, dass irgendwelche wirtschaftlichen Austauschverhältnisse zwischen beiden Gesellschaften denkbar wären.

Die einzige Beziehung war der Geldfluss von der Klägerin hin zur Transportgesellschaft.

Für die Bejahung einer Organschaft müssen allerdings alle drei oben genannten Merkmale, wenngleich in unterschiedlicher Intensität, vorliegen (vgl. BFH, DStR 2008, 453 [BFH 05.12.2007 - V R 26/06]). Von der Bejahung der einen Eingliederung kann nicht auch auf das Vorliegen einer anderen Eingliederung geschlossen werden (ebenda).

Vor diesem Hintergrund war der Beklagte antragsgemäß zu verurteilen. Die Klägerin hat die einzelnen Zahlungen substantiiert vorgetragen, der Beklagte ist dem nicht erheblich entgegengetreten.

6. Der Anspruch hinsichtlich der Zinsen ist begründet aus §§288 Abs. 1,291 BGB, 696 Abs. 3 ZPO.

II.

Die Widerklage ist begründet aus § 810 BGB. Ein Informationsrecht des Beklagten aus § 166 Abs. 1 HGB besteht nicht. Denn nach dieser Vorschrift kann lediglich der Kommanditist die entsprechenden Unterlagen verlangen. Der Beklagte jedoch wurde aus der KG wirksam ausgeschlossen. Mit der Beendigung der Gesellschafterstellung endete damit auch sein Informationsrecht auf der Grundlage § 166 HGB. Es entspricht jedoch allgemeiner Auffassung, dass abweichend vom Wortlaut des § 810 BGB der ehemalige Kommanditist ein Informationsrecht hinsichtlich der Zeiträume, zu denen er noch an der Gesellschaft beteiligt war, hat, weil diese jedenfalls auch angefertigt wurden, um seine rechtlichen Beziehungen zur Gesellschaft zu klären. Letztlich lässt sich feststellen, dass ein Anspruch auf Vorlage der entsprechenden Urkunden derjenige hat, der ein vernünftiges Einsichtsinteresse geltend machen kann. Hier steht insbesondere im Räume, dass der Beklagte noch Ansprüche gegen die KG auf Auszahlung seines Abfindungsguthabens hat mit der Folge, dass es ihm auch ermöglicht werden muss, dessen Höhe entsprechend zu kontrollieren (vgl. etwa MüKo HGB-Grunewald, 4. Aufl. 2019, § 166 Rn. 41).

Dem Widerklageantrag zu d. war lediglich hinsichtlich des Hilfsantrages zu entsprechen. Denn spätestens nach dem 31. Dezember 2018 war der. Beklagte nicht mehr Kommanditist mit der Folge, dass er ab diesem Zeitpunkt auch keine Informationsrechte mehr hat, auch nicht aus § 810 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO auf der Grundlage der jeweiligen Streitwertanteile der Klage und der Widerklage am Gesamtstreitwert. Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

IV.

Der Streitwert wird gemäß §45 Abs. 1 Satz eins GKG auf 149.345,86 € festgesetzt, wobei 139.345,86 € auf die Klage und 10.000 € auf die Widerklage entfallen.