Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.05.1995, Az.: 18 L 7343/94
Auflösung eines Arbeitsverhältnisses im Anschluss an eine Berufsausbildung zum Feinmechaniker; Schutz von Jugendvertretern vor Benachteiligungen; Forderung auf die Schaffung einer zusätzlichen Stelle ; Beachtung des Begünstigungsverbotes beim Weiterbeschäftigungsverlangen eines Jugendvertreters
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 17.05.1995
- Aktenzeichen
- 18 L 7343/94
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1995, 19121
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1995:0517.18L7343.94.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 13.10.1994 - AZ: 5 A 179/94
- VG Hannover - 13.10.1994 - AZ: 5 A 180/94
Rechtsgrundlagen
- § 107 BPersVG
- § 9 BPersVG
- § 58 Abs. 2 NdsPersVG
- § 78a BetrVG
- § 132 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 NHG
Verfahrensgegenstand
Auflösung von Arbeitsverhältnissen.
In dem Rechtsstreit
hat der 18. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts - Fachsenat für Landespersonalvertretungssachen -
auf die mündliche Anhörung vom 17. Mai 1995
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Schwermer und Dr. Uffhausen
sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Bartels und Kükelhahn
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerden der Beteiligten gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Hannover - Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen in Hildesheim - vom 13. Oktober 1994 werden zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
In den vom Senat zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Sachen wenden sich die Beteiligten zu 1) und 2) sowie der Personalrat der Universität ... und die Jugendvertretung der Universität ... die Beteiligten zu 3) und 4), mit ihren Beschwerden dagegen, daß das Verwaltungsgericht auf Antrag der Universität, der Antragstellerin, mit den angefochtenen Beschlüssen die zwischen dem Land Niedersachsen und den Beteiligten zu 1) und 2) im Anschluß an die Berufsausbildung zum Feinmechaniker gemäß §§ 107, 9 Abs. 2 BPersVG begründeten Arbeitsverhältnisse aufgelöst hat.
Die Beteiligten zu 1) und 2) beendeten am 22. Januar 1994 mit der Ablegung der Gesellenprüfung erfolgreich ihre bei der Antragstellerin im August 1990 begonnenen Berufsausbildungen. Seit Juni 1991 gehörten sie als gewählte Mitglieder der beteiligten Jugendvertretung an. Mit Schreiben vom 1. Dezember 1993 (Beteiligter zu 1) bzw. 25. Oktober/11. November 1993 (Beteiligte zu 2) hatten sie bei der Antragstellerin die Übernahme in unbefristete Arbeitsverhältnisse beantragt.
Am 26. Januar 1994 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht um die Auflösung der durch die Weiterbeschäftigungsverlangen begründeten Arbeitsverhältnisse nachgesucht; sie hat sich darauf berufen, eine Weiterbeschäftigung könne ihr nicht zugemutet werden, weil ihr eine freie Stelle für Feinmechaniker, die für die oder einen der Beteiligten in Betracht komme, nicht zur Verfügung stehe.
Mit den angefochtenen Beschlüssen vom 13. Oktober 1994, auf die für die Darstellung der weiteren Einzelheiten des Tatbestandes gemäß § 85 Abs. 2 Nds. PersVG a.F. = § 83 Abs. 2 Nds. PersVG n.F. i.V.m. §§ 91 Abs. 2 ArbGG, 543 ZPO verwiesen und wegen der Begründung Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht den Anträgen der Antragstellerin entsprochen.
Gegen die ihnen am 1./2. November 1994 zugestellten Entscheidungen haben die Beteiligten am 28./30. November 1994 Beschwerden eingelegt, die sie am 20. Dezember 1994 begründet haben.
Sie beantragen in der Sache,
die angefochtenen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Auflösungsanträge der Antragstellerin abzulehnen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerden zurückzuweisen.
Wegen der Begründung der Anträge und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die zulässigen Beschwerden der Beteiligten haben keinen Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat - insoweit in Übereinstimmung mit der Ansicht aller Verfahrensbeteiligten - zutreffend dargelegt, daß zwischen dem Land Niedersachsen und den Beteiligten zu 1) und 2) aufgrund ihrer fristgerecht gestellten Weiterbeschäftigungsverlangen gemäß den hier noch anzuwendenden Vorschriften der §§ 107 Satz 2, 9 Abs. 2 BPersVG (vgl. inhaltsgleich jetzt § 58 Abs. 2 des Nds. PersVG vom 2.3.1994, GVBl. S. 95) im Anschluß an die am 22. Januar 1994 abgeschlossenen Ausbildungsverhältnisse Arbeitsverhältnisse auf unbestimmte Zeit begründet worden sind. Diese Arbeitsverhältnisse hat es ferner - entgegen der Ansicht der Beteiligten - nach Maßgabe des § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BPersVG auf Antrag der Antragstellerin rechtsfehlerfrei mit der Begründung aufgelöst, der Antragstellerin könne - bezogen auf die maßgeblichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Begründung der Arbeitsverhältnisse - eine Weiterbeschäftigung der Beteiligten zu 1) und 2) nicht zugemutet werden, weil nach ihren glaubhaften Angaben damals keine freie Stelle, die als adäquate Stelle für eine unbefristete Weiterbeschäftigung der Beteiligten zu 1) und 2) in Betracht gekommen sei, zur Verfügung gestanden habe. Der Senat macht sich die überzeugende Begründung der angefochtenen Beschlüsse, die die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf die hier gegebene Fallkonstellation rechtsfehlerfrei anwenden, in vollem Umfang zu eigen. Das Vorbringen der Beschwerden rechtfertigt keine andere Beurteilung:
a)
Den Beschwerden ist einzuräumen, daß der Schutzzweck des Weiterbeschäftigungsanspruchs von Jugendvertretern in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 78 a BetrVG, dem die Vorschrift des § 9 BPersVG angelehnt ist (vgl. zur Entstehungsgeschichte BVerwG, Urteil vom 31.5.1990 - BVerwG 6 P 16.88 - PersR 1990, 256, 258), und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 9 BPersVG nicht einheitlich definiert wird. Während das Bundesarbeitsgericht als vorrangigen Schutzzweck die Kontinuität der Arbeit der Jugendvertretung, d.h. den Schutz des Amtes hervorhebt (vgl. Urteil vom 16.1.1979 - 6 AZR 153/77 - AP Nr. 5 zu § 78 BetrVG 1972). stellt das Bundesverwaltungsgericht als Zweck den Schutz des Jugendvertreters vor etwaigen Benachteiligungen in den Vordergrund; die Kontinuität der Zusammensetzung der Personalvertretung sei lediglich eine mittelbare Folge des mit § 9 BPersVG insgesamt bezweckten Schutzes (vgl. Beschluß vom 28.2.1990 - BVerwG 6 P 21.87 - PersR 1990, 133, 134 m.w.N.). Für die Entscheidung der vorliegenden Fälle sind diese unterschiedlichen Akzentuierungen indessen nicht von Bedeutung. Denn auch das Bundesverwaltungsgericht stellt mit seiner von den Beteiligten besonders angegriffenen Aussage, § 9 BPersVG dürfe nicht so ausgelegt werden, daß der angestrebte Schutz von Jugendvertretern vor Benachteiligungen in eine Begünstigung umschlage (a.a.O.), deren gewisse Bevorzugung gegenüber anderen Auszubildenden nicht in Abrede, die insbesondere darin liegt, daß der Arbeitgeber ihnen bei Vorhandensein einer geeigneten Stelle im Falle eines Weiterbeschäftigungsverlangens bei gleicher Eignung gegenüber den übrigen Auszubildenden den Vorzug geben muß (vgl. dazu noch unten c). Eine weitergehende Besserstellung verlangt auch das Bundesarbeitsgericht im Rahmen des § 78 a BetrVG nicht.
b)
Dem Verwaltungsgericht ist weiterhin darin zuzustimmen, daß die Antragstellerin ihrer Pflicht, im einzelnen die Gründe, die für die Ablehnung einer Weiterbeschäftigung der Beteiligten zu 1) und 2) maßgebend waren (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 31.5.1990, a.a.O., S. 258 m.w.N.), ordnungsgemäß nachgekommen ist. Sie hat bereits in erster Instanz substantiiert und widerspruchsfrei die für ihre Entscheidung ausschlaggebende Stellenlage im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der Beendigung der Ausbildungsverhältnisse (23. Januar 1994) dargestellt. Die Beteiligten hatten im Beschwerdeverfahren Gelegenheit, sich über diesen Sachverhalt durch Einsicht in die von der Antragstellerin geführten Stellenbesetzungskartei zu vergewissern, wovon sie - allerdings erst einen Tag vor dem Anhörungstermin - auch Gebrauch gemacht haben.
c)
Eine neue Sachlage in bezug auf Stellenvakanzen, die eine Weiterbeschäftigungspflicht der Antragstellerin begründen könnte, hat sich im Beschwerdeverfahren nicht herausgestellt. Im Anhörungstermin haben die Beteiligten auch im Anschluß an die Einsicht in die Stellenbesetzungskartei im wesentlichen lediglich ihre bereits im ersten Rechtszug vorgebrachten Einwände wiederholt, die das Verwaltungsgericht zu Recht als nicht durchgreifend erachtet hat.
Bezüglich des erneut angesprochenen, im maßgeblichen Zeitpunkt nicht besetzten Arbeitsplatzes im Institut für Werkstoffkunde war die Antragstellerin nicht gehindert, bei der Stellenvergabe dem Mitbewerber Appel den Vorzug zu geben. Denn die Übernahme eines Jugendvertreters ist dem Arbeitgeber u.a. dann nicht zuzumuten, wenn er bei Stellenbesetzungen im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums zu dem Ergebnis kommt, daß andere Bewerber objektiv wesentlich geeigneter sind (BVerwG, Urteil vom 31.5.1990, a.a.O., S. 258 f.). So lag es hier. Denn als Qualifikationsanforderung für den in Rede stehenden Arbeitsplatz ist schon in dem Schreiben des Institutsleiters Prof. Dr. Ing. H. vom 20. Dezember 1993 plausibel u.a. die Notwendigkeit einer dreijährigen Berufserfahrung hervorgehoben worden, über die die Beteiligten zu 1) und 2) als Berufsanfänger zwangsläufig nicht verfügten, wohl aber - jedenfalls nahezu - der zuvor befristet beschäftigte Mitbewerber ... Mangels sonstiger Einwände ist aus diesem Grunde gegen die vergleichende Eignungsbeurteilung der Antragstellerin nichts zu erinnern.
Das Verwaltungsgericht hat weiterhin zutreffend dargelegt, daß für eine Weiterbeschäftigung ebenfalls nicht der früher vom Handwerker ... innegehabte Arbeitsplatz in Betracht zu ziehen war, und zwar schon deshalb, weil diese Stelle im Zeitpunkt der Beendigung der Ausbildungsverhältnisse der Beteiligten zu 1) und 2) nur befristet besetzbar war.
Ebensowenig kann der weiteren Ansicht der Beschwerden zugestimmt werden, eine Weiterbeschäftigung sei der Antragstellerin deswegen zumutbar gewesen, weil sie gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 NHG befugt gewesen sei, nicht in Anspruch genommene Ausgaben aus nicht gesperrten Planstellen und Stellen für die Beschäftigung zusätzlichen Personals zu verwenden; so sei etwa im maßgeblichen Zeitpunkt die Stelle eines Gärtnergehilfen im Institut für Zierpflanzenbau nicht besetzt gewesen. Dieser Argumentation steht zum einen entgegen, daß die diesbezügliche Forderung auf die Schaffung einer zusätzlichen Stelle hinausläuft, zu der der Arbeitgeber bei einem Weiterbeschäftigungsverlangen von Jugendvertretern wegen des Begünstigungsverbots des § 9 BPersVG gerade nicht verpflichtet ist. Hinzu kommt, daß eine Mittelverwendung gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 NHG nur nach Maßgabe des Haushaltsplans zulässig ist. Eine entsprechende Ermächtigung enthielt indessen das Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans für das Haushaltsjahr 1994 vom 20. Dezember 1993 (Nieders. GVBl. S. 711) nicht
Da schließlich auch dem sonstigen Beschwerdevortrag keine tragfähigen Anhaltspunkte für eine Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung der Beteiligten zu 1) und 2) zu entnehmen sind, sind die Beschwerden zurückzuweisen.
Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben.
Schwermer,
Dr. Uffhausen,
Die ehrenamtlichen Richter Dr. Bartels und Kükelhahn sind aus ihrem Amt ausgeschieden und deshalb gehindert zu unterschreiben, Dr. Dembowski