Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 15.01.2018, Az.: L 8 SO 249/17 B ER

Anspruch auf Übernahme von Kosten für den Besuch einer Tagesbildungsstätte als sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe nach dem SGB XII; Abgrenzung zur Kinder- und Jugendhilfe; Vorrangigkeit von Leistungen nach §§ 53ff SGB XII bei Mehrfachbehinderungen; Beurteilung seelischer und geistiger Behinderungen aufgrund einer Fetalen Alkoholspektrumstörung; Leistungsansprüche im Kernbereich der pädagogischen Aufgaben der Schule; Anforderungen an den Mehrkostenvorbehalt nach § 9 Abs. 2 S. 3 SGB XII

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
15.01.2018
Aktenzeichen
L 8 SO 249/17 B ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 17154
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG Aurich - 29.06.2017 - AZ: S 13 SO 50/17 ER

Fundstelle

  • FEVS 2019, 79-84

Amtlicher Leitsatz

1. Im Fall bestehender Mehrfachbehinderungen ist nicht auf den Schwerpunkt der Behinderungen, sondern auf die Art der miteinander konkurrierenden Leistungen abzustellen. Leistungen nach §§ 53ff SGB XII sind auch dann vorrangig, wenn die Leistungen zumindest auch auf den Hilfebedarf wegen geistiger/körperlicher Behinderung eingehen.

2. Für die Beurteilung, ob aufgrund einer Fetalen Alkoholspektrumstörung (FAS) neben einer seelischen auch eine wesentliche geistige Behinderung im Sinne des § 3 Eingliederungshilfe-Verordnung vorliegt, kann das Erreichen eines bestimmten IQ-Werts (von 70 bzw. 75) lediglich als Indiz für eine geistige Behinderung herangezogen werden, deren Wesentlichkeit maßgeblich danach zu bestimmen ist, inwieweit sie zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben der Gesellschaft führt.

3. Eingliederungshilfeleistungen der Sozialhilfeträger sind im Rahmen des sozialhilferechtlich zu bestimmenden Kernbereichs der pädagogischen Aufgaben der Schule nicht zu erbringen. Ein Anspruch auf Übernahme von entsprechenden Kosten kommt aber aufgrund von bestehenden Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII in Betracht. Diese binden den beteiligten Dienst bzw. die Einrichtung insoweit in gleicher Weise wie den Träger der Sozialhilfe.

4. Der Träger der Sozialhilfe kann sich auf den Mehrkostenvorbehalt nach § 9 Abs. 2 S. 3 SGB XII grundsätzlich nur dann mit Erfolg berufen, wenn der Hilfebedürftige entweder von den unverhältnismäßigen Mehrkosten Kenntnis hatte oder aber - in der Regel vom Träger der Sozialhilfe - (rechtzeitig) über gleich geeignete Alternativen aufgeklärt worden ist.

Redaktioneller Leitsatz

1. Die in § 14 Abs. 1 und 2 SGB IX geregelte Zuständigkeit erstreckt sich im Außenverhältnis zwischen behindertem Menschen und Rehabilitationsträger auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation für Rehabilitationsträger vorgesehen sind.

2. Diese Regelungen gelten sinngemäß, wenn der Rehabilitationsträger Leistungen von Amts wegen erbringt, wobei an die Stelle des Tages der Antragstellung der Tag der Kenntnis des voraussichtlichen Rehabilitationsbedarfs tritt (SGB IX § 14 Abs. 3 - ab 01.01.2018: Abs. 4).

3. Auch in diesen Fällen gilt für den aus seiner Sicht unzuständigen Träger eine Weiterleitungsobliegenheit nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX mit der Möglichkeit einer formalen bzw. aufgedrängten Zuständigkeit nach § 14 Abs. 1 und 2 SGB IX.

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Aurich vom 29. Juni 2017 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat auch die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes um die Übernahme von Kosten für den Besuch einer Tagesbildungsstätte als sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe.

Der 2005 geborene Antragsteller lebt im Haushalt seiner Pflegeeltern in der im Kreisgebiet des erstinstanzlich beigeladenen Landkreises gelegenen Gemeinde D ... Bis zur Aufnahme in seine Pflegefamilie Mitte 2007 lebte er im Kreisgebiet des Antragsgegners. Bei dem Antragsteller besteht eine - teilweise medikamentös behandelte - fetale Alkoholspektrumstörung (FAS) mit Intelligenzminderung, einer auditiven Wahrnehmungsstörung, extremer Unruhe und teilweise Distanzlosigkeit. Er ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 80 und den Merkzeichen G, B und H anerkannt. Die Leistungen der jugendhilferechtlichen Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) gewährt der Beigeladene.

Der Antragsteller wurde im August 2012 mit einem Förderbedarf in den Bereichen "Lernen" und "Emotionale und soziale Entwicklung" sowie ergänzendem Förderbedarf im Bereich "Körperliche und motorische Entwicklung" in die staatlich anerkannte Ersatzschule "E.", F., eingeschult. Das für den Schulbesuch zu entrichtende Schulgeld (im Schuljahr 2012/2013 in monatlicher Höhe von 826,63 EUR) und die Kosten für einen Schulbegleiter wurden vom Antragsgegner bis zum Ende des Schuljahrs 2015/2016 aus Sozialhilfemitteln übernommen (Bescheid vom 7. Januar 2013). Nachdem die zuständige Schulbehörde zusätzlich einen sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf in dem Förderschwerpunkt "Geistige Entwicklung" festgestellt hatte (Bescheid der Niedersächsischen Landesschulbehörde - Außenstelle Aurich - vom 14. Juni 2016), wechselte der Antragsteller am 20. Juni 2016 für das Schuljahr 2016/2017 zur Tagesbildungsstätte der Lebenshilfe F. e.V. (im Weiteren Einrichtung). Bei der Einrichtung handelt es sich um eine gemäß § 164 Niedersächsisches Schulgesetz (NSchG) anerkannte Tagesbildungsstätte. Zwischen dem Einrichtungsträger und dem Land Niedersachsen als überörtlicher Träger der Sozialhilfe sind eine Leistungs- und Prüfungsvereinbarung vom 21. Dezember 2015 und eine für das Jahr 2017 geltende Vergütungsvereinbarung vom 11. November 2016 nach § 75 Abs. 3 SGB XII abgeschlossen worden.

Am 21. Juni 2016 wandte sich der Einrichtungsträger wegen der Kosten des Besuchs der Einrichtung von - entsprechend der o.g. Vereinbarungen - monatlich etwa 2.700,00 EUR telefonisch und per E-Mail zunächst an den Antragsgegner, der den Einrichtungsträger per E-Mail vom 22. Juni 2016 auf die Zuständigkeit des Beigeladenen hinwies und diesen hierüber mit Schreiben vom 28. Juni 2016 unterrichtete. Auf die Korrespondenz mit dem Antragsgegner übersandte der Einrichtungsträger den von den Pflegeeltern des Antragstellers ausgefüllten (Form-) Antrag nach dem SGB XII vom 20. Juni 2016 an den Beigeladenen, der dort am 27. Juni 2016 einging und von diesem am 4. Juli 2016 unter Hinweis auf § 14 SGB IX an den Antragsgegner weitergeleitet wurde (Eingang beim Antragsgegner am 6. Juli 2016). Zwischen Antragsgegner und Beigeladenen erfolgte wegen der Zuständigkeitsfrage weiterer Schriftverkehr, ohne dass über den Antrag entschieden wurde. Auch die bis Mitte 2017 auf über 25.000,00 EUR angewachsenen Kosten für den Einrichtungsbesuch wurden nicht beglichen.

Auf den am 13. Juni 2017 beim Sozialgericht (SG) Aurich für den Antragsteller gestellten Eilantrag hat das SG den Antragsgegner durch Beschluss vom 29. Juni 2017 im Wege der einstweiligen Anordnung antragsgemäß verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig Leistungen in Form der Übernahme der Kosten für den Besuch der Tagesbildungsstätte der Lebenshilfe F. e.V. für die Zeit vom 3. August bis zum 2. November 2017 zu bewilligen.

Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, dass der Antragsteller (auch) eine leichte geistige Behinderung aufweise und damit dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB XII sei. Nach den Feststellungen der Schulbehörde bedürfe er einer besonderen Beschulung mit dem Förderschwerpunkt "Geistige Entwicklung", die durch die Einrichtung gemäß § 162 NSchG gewährleistet werde. Gleichwohl dienten die Leistungen der Einrichtung nach der Leistungs- und Prüfungsvereinbarung vom 21. Dezember 2015 in erster Linie der Eingliederung und seien nicht dem sog. Kernbereich der Schule zuzuordnen. Die einhergehenden Kosten stellten insoweit auch kein "Schulgeld" dar. Der Antragsteller könne entgegen der Auffassung des Antragsgegners wegen der Mehrkosten auch nicht auf den Besuch der ebenfalls in F. befindlichen G., Förderschule für geistige Entwicklung, verwiesen werden.

Hiergegen spreche grundlegend das - hier uneingeschränkte - schulrechtliche Wahl- und Bestimmungsrecht; außerdem sei der Wunsch des Antragstellers nach den Stellungnahmen der Pflegeeltern und des Einrichtungsträgers - auch mit Rücksicht auf die Kosten - angemessen. Für die Übernahme der Kosten des Einrichtungsbesuchs aus Sozialhilfemitteln sei gemäß § 14 SGB IX der Antragsgegner zuständig. Ein Vorrang der Jugendhilfeleistungen nach § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII bestehe nach der im Eilverfahren gebotenen Prüfung nicht.

Hiergegen richtet sich die innerhalb eines Monats eingelegte Beschwerde des Antragsgegners vom 3. August 2017. In verfahrensrechtlicher Hinsicht macht er geltend, dass er im Verhältnis zum Antragsteller nicht gemäß § 14 SGB IX zur Entscheidung über den Leistungsantrag vom 20. Juni 2016 zuständig geworden sei. Zum einen sei der Antrag vor der Weiterleitung an ihn beim Beigeladenen intern vom Sozialamt zum Jugendamt "weitergeleitet" worden. Zum anderen betreffe er keine Teilhabeleistung, sondern ausschließlich Kosten, die der Beschulung geistig behinderter Förderschüler dienten und damit dem Kernbereich der Schule bzw. der Schulverwaltung zuzuschreiben seien. In der Sache bestehe insoweit kein Leistungsanspruch nach dem SGB XII, zumal allein eine wesentliche seelische Behinderung des Antragstellers nachgewiesen sei, nicht aber eine zumindest leichte geistige Behinderung mit einem Intelligenzquotienten von unter 70. Außerdem sei der Antragsteller wegen des Mehrkostenvorbehalts aus § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB XII auf den Besuch der G. in F., einer öffentlichen Förderschule, zu verweisen. Wegen dieser Beschulungsalternative drohten dem Antragsteller ohne gerichtliche Anordnung auch keine wesentlichen Nachteile; die Sache sei mithin nicht eilbedürftig, auch wenn der Besuch der Einrichtung wegen der Zahlungsrückstände beendet werden müsse. Ebendies - eine Abmeldung des Antragstellers zum Ende des Schuljahres 2017/2018 - hat der Einrichtungsträger während des Beschwerdeverfahrens angekündigt (Schreiben vom 20. Dezember 2017).

Der Antragsteller und der Beigeladene halten den Beschluss des SG für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Prozessakte des vom Antragsgegner und dem Beigeladenen vor dem SG wegen einer Kostenerstattung nach §§ 102 ff. SGB X geführten Verfahrens (- S 13 SO 36/17 -) und der dort beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners (1 Band) und des Beigeladenen (5 Bände) verwiesen.

II.

Die form- und fristgerecht (§ 173 SGG) eingelegte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Das SG hat den Antragsgegner zu Recht im Wege der einstweilgien Anordnung verpflichtet, die Kosten für den Besuch der Einrichtung vorläufig zu übernehmen.

Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsanspruch) und der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund). Sowohl die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs als auch die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Nach diesen Maßgaben hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch die besondere Eilbedürftigkeit der Sache (Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht.

Rechtsgrundlage des Anspruchs auf Übernahme der für den Besuch der Einrichtung geltend gemachten Kosten ist § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 Eingliederungshilfe-VO (dazu im Einzelnen gleich).

Der Antragsteller ist für die Entscheidung über den bislang noch nicht beschiedenen Leistungsantrag vom 20. Juni 2016 gemäß § 14 SGB IX zuständig, ohne dass in diesem Zusammenhang die örtliche oder sachliche Zuständigkeit nach sozialhilferechtlichen Maßgaben (§§ 97, 98 Abs. 2 SGB XII) zu prüfen sind (vgl. hierzu LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11. August 2015 - L 20 SO 316/12 - juris Rn. 38 f.).

Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX (hier und im Folgenden in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung) stellt der sog. erstangegangene Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrags auf Leistungen zur Teilhabe bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist. Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der - erstangegangene - Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest (§ 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Die in § 14 Abs. 1 und 2 SGB IX geregelte Zuständigkeit erstreckt sich im Außenverhältnis zwischen behindertem Menschen und Rehabilitationsträger auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation für Rehabilitationsträger vorgesehen sind (so jüngst BSG, Urteil vom 24. Februar 2016 - B 8 SO 18/14 R - juris Rn. 15; vgl. auch BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 - B 7 AL 16/04 R - juris Rn. 14-16). Diese Regelungen gelten sinngemäß, wenn der Rehabilitationsträger Leistungen von Amts wegen erbringt, wobei an die Stelle des Tages der Antragstellung der Tag der Kenntnis des voraussichtlichen Rehabilitationsbedarfs tritt, § 14 Abs. 3 (ab 1. Januar 2018: Abs. 4) SGB IX. Auch in diesen Fällen gilt für den aus seiner Sicht unzuständigen Träger eine Weiterleitungsobliegenheit nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX (vgl. auch § 18 Abs. 2 Satz 1 SGB XII) mit der Möglichkeit einer formalen bzw. aufgedrängten Zuständigkeit nach § 14 Abs. 1 und 2 SGB IX.

§ 14 SGB IX findet vorliegend Anwendung, weil der vom Antragsteller geltend gemachte Leistungsanspruch auch Leistungen der Teilhabe i.S. der §§ 4, 5 SGB IX betrifft. Nach den zutreffenden Ausführungen des SG ergibt sich dies bereits aus der für die Einrichtung geltenden Leistungs- und Prüfungsvereinbarung vom 21. November 2015, nach der den Kindern und Jugendlichen in der Einrichtung neben der schulischen Förderung, Bildung und Betreuung auch begleitende Angebote und Therapien unterbreitet werden. Diese dienen u.a. der Entwicklung der Gesamtpersönlichkeit und sind integraler Bestandteil des Konzeptes der Einrichtung bzw. ein ganzheitliches Angebot (vgl. etwa Ziff. 3.1 und 3.3.0 der Vereinbarung). Da die Einrichtung der Erfüllung der Schulpflicht von Kindern und Jugendlichen dient, die auf sonderpädagogische Unterstützung im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung angewiesen sind (vgl. § 162 NSchG), liegt es zudem auf der Hand, dass die angebotenen Leistungen - neben dem Kernbereich pädagogischer Tätigkeit (vgl. dazu etwa BSG, Urteil vom 22. März 2012 - B 8 SO 30/10 R - juris Rn. 21 ff. und BSG, Urteil vom 9. Dezember 2016 - B 8 SO 8/15 R - juris Rn. 23 ff.) - auch der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung i.S. des §§ 53, 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII dienen, etwa wenn - wie im Falle des Antragstellers beim Besuch der E. bis zum Schuljahr 2015/2016 - eine die eigentliche pädagogische Arbeit der Lehrkraft nur absichernde oder flankierende Hilfe erforderlich ist (z.B. Schulbegleitung, vgl. hierzu BSG, Urteil vom 9. Dezember 2016 - B 8 SO 8/15 R - juris Rn. 25; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11. August 2015 - L 20 SO 316/12 - juris Rn. 47 ff., aufgehoben durch BSG, Urteil vom 21. September 2017 - B 8 SO 24/15 R - noch unveröffentlicht).

Nach den zu § 14 SGB IX dargelegten Maßgaben bestehen an der Zuständigkeit des Antragsgegners zur Entscheidung über den vom Antragsteller geltend gemachten Leistungsanspruch keine durchgreifenden Zweifel.

In diesem Zusammenhang kann dahingestellt bleiben, ob sich dessen Zuständigkeit nicht bereits aus dem Grundsatz der Leistungskontinuität ergibt, nach dem die durch die Bewilligung einer Teilhabeleistung dem Grunde nach anerkannte Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers auch für die Entscheidung über Folgeanträge bestehen bleiben kann (vgl. dazu Luik in jurisPK-SGB IX, 2. Aufl. 2015, § 14 Rn. 65 m.w.N.). Immerhin hat der Antragsgegner dem Antragsteller bereits mit Bescheid vom 7. Januar 2013 Leistungen für den Besuch der E. in F. (auf unbestimmte Dauer) bewilligt, und der Besuch der Einrichtung ab dem Schuljahr 2016/2017 dient im Falle des Antragstellers in gleicher Weise der Erfüllung der Schulpflicht (§ 63 ff. NSchG i.V.m. § 162 NSchG). Dahingestellt bleiben kann auch, ob die Zuständigkeit des Antragsgegners ohnehin bereits vor der Weiterleitung des Formantrags vom 20. Juni 2016 (dazu gleich) gegeben war. Der Einrichtungsträger hatte sich wegen der begehrten Kostenübernahme am 21. Juni 2016 telefonisch und per E-Mail an den Antragsgegner gewandt (vgl. Bl. 113 d. VA).

Ob hierin eine hinreichende Kenntnisvermittlung über die Bedarfslage des Antragstellers i.S. des § 14 Abs. 3 SGB IX i.V.m. § 18 SGB XII zu sehen ist, kann offen bleiben. Jedenfalls stellt das Schreiben des Antragsgegners vom 28. Juni 2016 (Bl. 111 d. VA d. Antragsgegners bzw. Bl. 279 Bd. IV d. VA d. Beigeladenen) keine "Weiterleitung" i.S. des § 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 (ab 1. Januar 2018: Abs. 4) SGB IX an den Beigeladenen dar (zu den Anforderungen im Falle des § 14 Abs. 3 SGB IX vgl. etwa Luik, a.a.O., § 14 Rn. 117 m.w.N.), weil der Antragsgegner eine solche zuständigkeitsbegründende Weiterleitung ersichtlich nicht gewollt und in dem Schreiben abschließend auf die bevorstehende Kontaktaufnahme des Einrichtungsträgers beim Antragsgegner hingewiesen hat. Unter diesen Umständen spricht Überwiegendes dafür, dass die vorangegangene Korrespondenz des Einrichtungsträgers mit dem Antragsgegner (allein) der Zuständigkeitsklärung gedient hat und weder der Antragsgegner noch der Beigeladene aufgrund dieser Informationen wegen der Übernahme der womöglich anfallenden Kosten von Amts wegen ein Verwaltungsverfahren zu betreiben hatten.

Entscheidend für die Frage der Zuständigkeit nach § 14 SGB IX ist damit der (Form-) Antrag des Antragstellers vom 20. Juni 2016, der vom Einrichtungsträger an den Beigeladenen - zu Händen des Mitarbeiters des Jugendamts Herrn H. - geschickt worden und dort am 27. Juni 2016 eingegangen ist. Herr H. hat diesen Antrag mit Schreiben vom 4. Juli 2016 - also innerhalb von zwei Wochen - an den Antragsgegner weitergeleitet, ohne dass es zuvor eine interne Weiterleitung des Antrags vom Sozialamt an das Jugendamt des Beigeladenen gegeben hat. Nach der Rechtsprechung des Senats wäre eine solche interne Weiterleitung im Rahmen der Zuständigkeitsklärung nach § 14 SGB IX ohnehin unbeachtlich (Senatsurteil vom 29. Oktober 2015 - L 8 SO 122/12 - juris Rn. 28, Revision beim BSG anhängig - B 8 SO 18/16 R -).

Der Antragsteller ist dem Grunde nach leistungsberechtigt nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Danach erhalten Personen, die durch eine Behinderung i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe als Pflichtleistung, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Die Voraussetzungen für eine Behinderung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung (inhaltlich im Wesentlichen seit dem 1. Januar 2018 unverändert) sind erfüllt, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.

Diese Voraussetzungen liegen bei dem schwerbehinderten Antragsteller vor. Nach den insoweit übereinstimmenden medizinischen Unterlagen besteht bei ihm ein komplexes Beschwerdebild mit Abweichungen sowohl in körperlicher und geistiger als auch in seelischer Hinsicht (vgl. die Stellungnahme der Heilpädagogin I. des Gesundheitsamts des Antragsgegners vom 21. August 2015, Bl. 73 d. VA d. Antragsgegners, und die Stellungnahmen der Amtsärztin Dr. J. des Gesundheitsamts des Beigeladenen vom 31. Juli 2015 und 17. März sowie 25. August 2016, Bl. 102, 112, 223 d. VA d. Beigeladenen, Bd. III u. IV). Ohne Zweifel liegt bei ihm mit den Folgen der FAS, die auf eine vorgeburtliche hirnorganische Schädigung zurückzuführen ist, eine nach Maßgabe des § 3 Nr. 2 Eingliederungshilfe-VO wesentliche seelische Behinderung vor.

Nach der im einstweiligen Rechtsschutz gebotenen Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Antragsteller glaubhaft gemacht, dass bei ihm zusätzlich eine wesentliche geistige Behinderung i.S. des § 2 Eingliederungshilfe-VO vorliegt und damit der geltend gemachte Leistungsanspruch nicht nach den Regelungen des SGB VIII, sondern nach denjenigen des SGB XII zu beurteilen ist.

Das Verhältnis des Jugendhilferechts zum Sozialhilferecht wird in § 10 Abs. 4 SGB VIII bestimmt. Danach gehen Leistungen nach dem SGB VIII Leistungen nach dem SGB XII vor (Satz 1), es sei denn, es besteht (zugleich) ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII für junge Menschen, die (auch) körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind (vgl. Satz 2; dazu etwa Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2013 - L 8 SO 241/13 B ER -). Dabei stellt § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII für die Abgrenzung zwischen Jugendhilfe und Sozialhilfe allein auf die Art der miteinander konkurrierenden Leistungen bzw. die hieraus folgende Leistungspflicht ab (st. Rspr., vgl. etwa BSG, Urteil vom 25. September 2014 - B 8 SO 7/13 R - BSGE 117, 53 - juris Rn. 26; s. auch BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 2011 - 5 C 6/11 - juris Rn. 18). Im Fall bestehender Mehrfachbehinderungen ist damit nicht auf den Schwerpunkt der Behinderungen, sondern auf die Art der miteinander konkurrierenden Leistungen abzustellen. Leistungen nach §§ 53 ff. SGB XII sind auch dann vorrangig, wenn die Leistungen zumindest auch auf den Hilfebedarf wegen geistiger/körperlicher Behinderung eingehen (Senatsurteil vom 29. Oktober 2015 - L 8 SO 122/12 - juris Rn. 43 m.w.N.).

Die Frage, ob sich Ansprüche auf Eingliederungshilfe von Kindern mit diagnostizierter FAS nach dem SGB VIII oder dem SGB XII beurteilen, ist im Einzelfall wegen der Vielfältigkeit des Störungsbildes schwer zu beantworten (vgl. etwa die Broschüre der Drogenbeauftragten der Bundesregierung "Die Fetale Alkoholspektrumstörung, Die wichtigsten Fragen der sozialrechtlichen Praxis", Stand: März 2017, S. 8 f., abrufbar unter www.bundesregierung.de) und davon abhängig, ob neben einer seelischen Störung auch eine geistige Behinderung vorliegt. Dies wird in formaler Hinsicht nach der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) bei einem IQ-Wert von maximal 69 (vgl. Luthe in jurisPK-SGB VIII, 1. Aufl. 2014, § 10 Rn. 91 m.w.N.) bzw. nach dem amerikanischen Klassifikationssystem psychiatrischer Erkrankungen von maximal 74 (vgl. etwa die Orientierungshilfe der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe - BAGüS - "Der Behinderungsbegriff nach SGB IX und SGB XII und die Umsetzung in der Sozialhilfe" vom 24. November 2009, S. 13 f., abrufbar unter www.lwl.org) angenommen, wobei das Erreichen eines bestimmten IQ-Werts lediglich als Indiz für eine geistige Behinderung herangezogen werden kann, deren Wesentlichkeit maßgeblich danach zu bestimmen ist, inwieweit sie zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben der Gesellschaft führt (vgl. zusammenfassend das Gutachten des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. - DIJuF - vom 23. November 2015, JAmt 2016, S. 26-29).

Nach diesen Maßgaben geht der Senat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in Übereinstimmung mit der erstinstanzlichen Entscheidung aufgrund der bisherigen medizinischen Beurteilungen von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit aus, dass bei dem Antragsteller eine leichte geistige Behinderung mit einem IQ-Wert von unter 70 vorliegt und der mit der begehrten Leistung zu deckende Hilfebedarf auch auf diese geistige Behinderung zurückzuführen ist.

Die Bestimmung des IQ-Wertes hat sich bei dem Antragsteller in der zurückliegenden Zeit als schwierig dargestellt, weil es aufgrund seiner Beeinträchtigungen in der Konzentration und Wahrnehmung wiederholt zu einem Testabbruch gekommen ist, so etwa bei der Durchführung von Hamburg-Wechsler-Intelligenztests für Kinder (HAWIK-IV) durch den Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie Prof. Dr. K. im Oktober 2013 (vgl. Bericht vom 7. November 2013 Bl. 50 ff. d. VA d. Antragsgegners) und während eines Aufenthalts im KMG Rehabilitationszentrum L. im Frühjahr 2015 (vgl. Bericht vom 22. April 2015, Bl. 58 ff. d. VA d. Antragsgegners). Die lediglich in Einzelbereichen erhobenen IQ-Werte lagen danach in den Bereichen Sprachverständnis (SV), wahrnehmungsgebundenes logisches Denken (WLD) und Arbeitsgedächtnis (AGD) 2013 und 2015 bei 88 bzw. 77 (SV), 68 bzw. 80 (AGD) und 61 (WLD). Nach einem im Januar 2016 von der Förderschullehrerin M. der G., F., durchgeführten Grundintelligenztest (CFT-20) soll der Alters-IQ-Wert des Antragstellers 77 und der IQ-Wert unter Berücksichtigung der Klassennorm 81 betragen, wobei eine Irrtumsspanne von 6,6 Punkten nach oben und unten besteht (insgesamt 13,2 Punkte) und in erster Linie der Alters-IQ-Wert heranzuziehen sein soll. Im September 2016 ist durch die Amtsärztin Dr. J. des Gesundheitsamts der Beigeladenen im Rahmen eines Tests nach HAWIK-IV der in den Jahren 2013 und 2015 nicht ermittelte Index-Wert für den Bereich Verarbeitungsgeschwindigkeit mit 56 gemessen worden, einem weit unterdurchschnittlichen Wert mit einem nach den Ausführungen der Dr. J. (Gesamt-) IQ-Wert von 62 (vgl. den Bericht vom 25. August 2016, Bl. 223 ff., 228 d. VA des Beigeladenen). Der Senat berücksichtigt weiter, dass mit der FAS ein vielschichtiges Störungsbild einhergeht, das die Unterscheidung zwischen (allein) seelischer Störung und (nicht wesentlicher) geistiger Behinderung nur in einem begrenzten Rahmen zulässt. Im Falle des Antragstellers spricht nicht zuletzt die - allerdings zurückhaltend formulierte - Empfehlung der Förderschullehrerin M. im Gutachten zur Feststellung veränderten sonderpädagogischen Unterstützungsbedarfs vom 26. Februar 2016, schulrechtlich den Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung anzuerkennen, dafür, dass bei ihm auch eine wesentliche geistige Behinderung anzunehmen ist, die die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in besonderem Maße berührt. Der Besuch der Einrichtung, mit dem der Antragsteller allein wegen der Feststellung dieses Förderbedarfs durch die Landesschulbehörde (Bescheid vom 14. Juni 2016) die Schulpflicht erfüllt (vgl. § 162 NSchG), dient auch der Deckung des auf die geistige Behinderung zurückzuführenden Hilfebedarfs.

Der Kläger hat gemäß §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 Nr. 1 Eingliederungshilfe-VO einen Anspruch auf die geltend gemachten Kosten als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung.

Nach der bereits zitierten Rechtsprechung des BSG sind Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung i.S. des § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII, zu denen insbesondere Leistungen im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu gehören, nur die Schulbildung begleitende Maßnahmen. Die Schulbildung selbst, also der Kernbereich der pädagogischen Arbeit, der sich nach der Gesetzessystematik nicht unter Auslegung der schulrechtlichen Bestimmungen, sondern der sozialhilferechtlichen Regelungen bestimmt, obliegt hingegen allein den Schulträgern (BSG, Urteil vom 22. März 2012 - B 8 SO 30/10 R - juris Rn. 21 ff., Urteil vom 9. Dezember 2016 - B 8 SO 8/15 R - juris Rn. 23 ff.). Die Übernahme von Schulgeld, das die von der Schule selbst zu erbringende Leistung, also den Unterricht, finanziert, mithin den schulischen Bildungsauftrag erfüllt (Kernbereich der pädagogischen Arbeit) und keine bloß unterstützende Leistung im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung darstellt, ist nicht Gegenstand der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe (BSG, Urteil vom 15. November 2012 - B 8 SO 10/11 R - juris Rn. 16 f. m.w.N.). In einer noch unveröffentlichten Entscheidung vom 21. September 2017 (- B 8 SO 24/15 R -) hat das BSG insbesondere zu den Kosten einer in Niedersachsen befindlichen Tagesbildungsstätte entschieden, dass ggf. der Anteil der Kosten, die dem Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule zuzuordnen sind, geschätzt und vom sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfeanspruch abgezogen werden müsse (vgl. Terminbericht des BSG 43/17 vom 21. September 2017 zu - B 8 SO 24/15 R -).

Nach diesen Maßgaben steht dem Antragsteller, der jedenfalls für den von der erstinstanzlichen Entscheidung betroffenen Zeitraum (3. August bis 22. November 2017) nicht auf den Besuch der öffentlichen Förderschule G., F., verwiesen werden kann (dazu gleich), dem Grunde nach ein Anspruch auf Übernahme der Einrichtungskosten zu.

Welche Leistungen der Einrichtung - der Höhe nach - dem Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule bzw. der begleitenden sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe zuzuordnen sind, lässt sich gegenwärtig nicht beantworten. Die insoweit womöglich einschlägige Entscheidung des BSG vom 21. September 2017 (- B 8 SO 24/15 R -) ist noch nicht als Volltext veröffentlicht und die zwischen der Einrichtung und dem Land Niedersachsen abgeschlossene Leistungsvereinbarung lässt eine Aufschlüsselung der ganzheitlichen Leistung der Einrichtung nicht ohne weiteres zu. Schließlich ist das den Leistungsantrag des Antragstellers vom 20. Juni 2016 betreffende Verwaltungsverfahren wegen des Streits des Antragsgegners und des Beigeladenen über die Zuständigkeit bis heute - also seit einem Zeitraum von über anderthalb Jahren - nicht betrieben worden.

Nach Auffassung des Senats kann die Frage der anteiligen Kostenverteilung auf den Schulträger und den Träger der Sozialhilfe für die vorliegende Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz aber dahinstehen. Im Ergebnis ergibt sich die Höhe der Einrichtungskosten aus den zwischen der Einrichtung und dem Land Niedersachsen geschlossenen Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII, also für das Jahr 2017 nach der Vergütungsvereinbarung vom 11. November 2016 (Bl. 324 f. d. VA des Beigeladenen, Bd. IV) i.H.v. 2.739,43 EUR je Monat. Ob diese zum Zeitpunkt der Einigung von dem hierfür unzuständigen überörtlichen Träger der Sozialhilfe, dem Land Niedersachsen (vgl. zur Zuständigkeit für den Abschluss der Vereinbarungen nach §§ 75 Abs. 3 SGB XIIBSG, Urteile vom 13. Juli 2017 - B 8 SO 21/15 R und B 8 SO 22/15 R -, jeweils juris Rn. 11 ff.), geschlossene Vereinbarung wirksam (geworden) ist, weil § 6 des Nds. Gesetzes zur Ausführung des SGB XII vom 16. Dezember 2004 (Nds. GVBl. 2004, 644) rückwirkend zum 1. Januar 2005 durch die Regelung der sachlichen Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe in Abs. 7 geändert worden ist (Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes vom 21. September 2017, Nds. GVBl. 2017, S. 308 f.), kann dahinstehen. In diesem Fall wären die Vereinbarungen für den Antragsgegner bindend (§ 77 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz SGB XII). Sollten die Vereinbarungen wegen einer fehlenden Zuständigkeit des Landes Niedersachsen nichtig sein, wäre die zu zahlende Vergütung für einen nicht vereinbarungsgebundenen Leistungserbringer unter Orientierung an § 75 Abs. 4 SGB XII zu bestimmen und damit gemäß § 75 Abs. 4 Satz 3 SGB XII auf diejenige Vergütung zu beschränken, die der Sozialhilfeträger für vergleichbare Leistungen vereinbarungsgebundener Leistungserbringer am Ort der Hilfeleistung oder in seiner näheren Umgebung zu übernehmen hat (BSG, Urteil vom 8. März 2017 - B 8 SO 20/15 R - juris Rn. 22). Da die Übernahme der Kosten für den Besuch einer Tagesbildungsstätte in Niedersachsen dem Grunde und der Höhe nach der (bisherigen) Praxis der Träger der Sozialhilfe entspricht, ist zur Bestimmung der Vergütung auch im Falle des § 75 Abs. 4 SGB XII auf die Vergütungsvereinbarung vom 11. November 2016 zurückzugreifen. Im Ergebnis binden die Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII den beteiligten Dienst bzw. die Einrichtung insoweit in gleicher Weise wie den Träger der Sozialhilfe (vgl. zu dieser Bindungswirkung auch Senatsentscheidungen vom 28. April 2017 - L 8 SO 249/16 B ER - und 30. November 2017 - L 8 SO 231/17 B ER -). Soweit sich aufgrund der Entscheidung des BSG vom 21. September 2017 (- B 8 SO 24/15 R -) nach deren Veröffentlichung in rechtlicher Hinsicht etwas anderes ergeben sollte, kann diesem Umstand im Hauptsacheverfahren nachgegangen werden.

Unter Berücksichtigung des Zuständigkeitsstreits der beteiligten Träger der Sozialhilfe und des bis heute nicht beschiedenen Leistungsantrags vom 20. Juni 2016 steht der Übernahme der (vollständigen) Einrichtungskosten auch nicht der Mehrkostenvorbehalt aus § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB XII entgegen. Danach soll der Träger der Sozialhilfe in der Regel Wünschen nicht entsprechen, deren Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wäre. Nach der Rechtsprechung des Senats kann sich der Träger der Sozialhilfe auf diesen Mehrkostenvorbehalt grundsätzlich nur dann mit Erfolg berufen, wenn der Hilfebedürftige entweder von den unverhältnismäßigen Mehrkosten Kenntnis hatte oder aber - in der Regel vom Träger der Sozialhilfe - (rechtzeitig) über gleich geeignete Alternativen aufgeklärt worden ist (vgl. zu diesem Erfordernis der Zumutbarkeit einer alternativen Bedarfsdeckung etwa Senatsentscheidungen vom 24. Mai 2007 - L 8 SO 136/06 - juris Rn. 60, 23. Juli 2015 - L 8 SO 197/12 - und 20. August 2015 - L 8 SO 327/13 -).

Nach diesen Maßgaben hätten die den Antragsteller vertretenden Pflegeeltern unmittelbar nach dessen Anmeldung bei der Einrichtung am 20. Juni 2016 auf die möglicherweise unverhältnismäßigen Mehrkosten des Besuch der Einrichtung hingewiesen werden müssen (zu den aus Sicht des Senats nachvollziehbaren Erwägungen des SG, dass der Mehrkostenvorbehalt hier auch in der Sache nicht einschlägig sein könnte, vgl. S. 8, 9 des Beschlusses vom 29. Juni 2017). Eine mögliche Kostenübernahme in diesen Fällen hat - bis September 2017 - die sozialgerichtliche Rechtsprechung zumindest teilweise angenommen (vgl. insb. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11. August 2015 - L 20 SO 316/12 - juris Rn. 47 ff., aufgehoben durch BSG, Urteil vom 21. September 2017 - B 8 SO 24/15 R - noch unveröffentlicht). Sie ist auch nach der einschlägigen Leistungs- und Vergütungsvereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII aus Sozialhilfemitteln vorgesehen (s.o.). Unter diesen Umständen ist hier maßgeblich darauf abzustellen, dass aus Sicht der Pflegeltern der Besuch sowohl der öffentlichen Förderschule G., F., als auch der Einrichtung nicht mit zusätzlichen Kosten verbunden ist, die der Antragsteller tragen müsste. Soweit ersichtlich hat der Antragsgegner die nach seiner Ansicht wegen des Mehrkostenvorbehalts nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB XII vorrangige Beschulung in der öffentlichen Förderschule gegenüber dem Antragsteller auch erstmals im vorliegenden Eilverfahren geltend gemacht (Schriftsatz vom 19. Juni 2017, S. 2).

Einkommen und Vermögen des mittellosen Antragstellers bzw. seiner Pflegeeltern sind bei der Leistungsgewährung nach Maßgabe des § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB XII nicht zu berücksichtigen.

Der Antragsteller hat auch die besondere Eilbedürftigkeit der Sache (Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht. Der Senat folgt den Ausführungen des SG, nach denen dem Antragsteller angesichts der monatlichen Kosten von etwa 2.700,00 EUR keine weitere Unsicherheit über die Kostentragung zuzumuten ist. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung des Umstands, dass über seinen Leistungsantrag vom 20. Juni 2016 bislang noch keine Verwaltungsentscheidung ergangen ist. Auch eine nur summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage im gerichtlichen Eilverfahren bietet ihm eine Grundlage für die Entscheidung über den weiteren Verbleib in der Einrichtung oder den Wechsel in die Förderschule G., F ...

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.