Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 05.07.2010, Az.: 11 A 875/09

Aufenthaltserlaubnis für Palästinenser aus dem Libanon; Palästinenser Libanon; Ausreise freiwillig Zusicherung

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
05.07.2010
Aktenzeichen
11 A 875/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 41256
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2010:0705.11A875.09.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 21.01.2011 - AZ: 11 LC 312/10

Amtlicher Leitsatz

Palästinensern aus dem Libanon, die zwar nicht die libanesische Staatsangehörigkeit besitzen, aber dort registriert sind, können zur freiwlligen Ausreise ein Laissez Passer der libanesichen Auslandsvertretung erhalten; der Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland oder eine entsprechende Zusicherung ist hierfür nicht erforderlich. Sie haben daher grds. keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 AufenthG (gegen VGH Mannheim InfAuslR 2009, 109)

Tatbestand:

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Aus dem Entscheidungstext

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Tatbestand

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Der im Jahre 1984 geborene Kläger stammt aus dem Libanon und ist palästinensischer Volkszugehöriger.

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Er reiste am 18. Mai 2003 in die Bundesrepublik Deutschland ein und wird seither von dem Beklagten geduldet.

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Am 18. April 2008 beantragte er bei dem Beklagten die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Es bestehe ein Anspruch nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Es liege ein tatsächliches Ausreisehindernis vor, weil er nicht die libanesische Staatsangehörigkeit besitze. Mit der Ausreise habe er das Recht auf Wiedereinreise verloren. Ein Reiseausweis werde nur ausgestellt, wenn die Ausländerbehörde zusichere, dass eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werde. Seinen Unterhalt könne er durch eigene Erwerbstätigkeit sichern, da er im Betrieb seines Bruders arbeite.

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Mit Bescheid vom 4. Februar 2009, zugestellt am 6. Februar 2009, lehnte der Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden: Der Kläger sei nicht ohne Verschulden an der Rückkehr in den Libanon gehindert. Nach Mitteilung der Zentralen Aufnahme- und Ausländerbehörde Niedersachsen könne er mit einem Familienregisterauszug ein Laissez-Passer zur Ausreise mit einer Gültigkeitsdauer von drei Monaten erhalten. Dafür sei eine Bescheinigung der Ausländerbehörde nicht notwendig. Seine Brüder besäßen dementsprechend auch Laissez-Passer und Registerauszüge.

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Am 6. März 2009 hat der Kläger Klage erhoben.

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Er trägt im Wesentlichen vor: Eine Abschiebung in den Libanon sei, wie auch der Beklagte annehme, nicht möglich, weil die dortigen Behörden nicht zur Rücknahme von Palästinensern bereit sei. Unzutreffend sei die Annahme des Beklagten, dass eine freiwillige Ausreise nach Abgabe einer entsprechenden Erklärung gegenüber der libanesischen Auslandsvertretung möglich sei. Er sei nicht libanesischer Staatsangehöriger und werde als Palästinenser im Libanon praktisch nur geduldet. Selbst wenn er vortragen würde, freiwillig ausreisen zu wollen, würde man ihn nicht wieder aufnehmen. Dass Familienangehörige ein Laissez-Passer erhalten hätten, könne in seinem Fall keine andere Beurteilung rechtfertigen. Er habe nunmehr von seiner Familie eine Identitätskarte für palästinensische Flüchtlinge vom 26. März 2008 erhalten. Er sei in der zweiten Maihälfte 2010 mit der inzwischen ausgestellten ausländerbehördlichen Bescheinigung vom 26. März 2010 bei der libanesischen Botschaft gewesen. Man habe ihm dort erklärt, dass in etwa drei Monaten mit einer Entscheidung über das Laissez-Passer zum Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland zu rechnen sei.

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Der Kläger beantragt,

  1. den Bescheid des Beklagten vom 4. Februar 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen zu erteilen.

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Der Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

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Er erwidert im Wesentlichen: Nach der Mitteilung der Zentralen Aufnahme- und Ausländerbehörde Niedersachsen vom 5. Juni 2009 sei es möglich, mit einer Identitätskarte für palästinensische Flüchtlinge ein Heimreisedokument zu erhalten. Er müsse sich von der Familie das Original schicken lassen. Aus einem Schreiben der Zentralen Aufnahme- und Ausländerbehörde Niedersachsen vom 25. Juni 2010 ergebe sich, dass ein Laissez-Passer für eine freiwillige Ausreise auch ohne Bescheinigung der Ausländerbehörde erteilt werden könne.

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Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Gründe

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Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass ihm eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen erteilt wird.

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Nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kann einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall des Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Der Ausländer darf allerdings nicht verschuldet an der Ausreise gehindert sein. Ein solches Verschulden liegt insbesondere vor, wenn der Ausländer zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des Ausreisehindernisses nicht erfüllt (§ 25 Abs. 5 Sätze 3 und 4 AufenthG).

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In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass die Vorschrift voraussetzt, dass sowohl die zwangsweise Abschiebung als auch die freiwillige Ausreise in das Heimatland ausscheiden muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. November 2009 - 1 C 19.08 - <juris, Rn. 12>; Urteil vom 27. Juni 2006 - 1 C 14.05 - InfAuslR 2007, 4 <5f.>) .Zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des Abschiebungshindernisses verlangen je nach den Umständen des Einzelfalles, dass der Ausländer alles in seiner Kraft Stehende und ihm Zumutbare dazu beitragen muss, Ausreisehindernisse zu überwinden. Von vornherein erkennbar aussichtslose Handlungen dürfen ihm allerdings nicht abverlangt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2009 - 1 B 4.09 - <juris, Rn. 6>; Urteil vom 24. November 1998 - 1 C 8.98 - InfAuslR 1999, 106 <109>) . Der Betroffene muss danach insbesondere an der Ausstellung von Passersatzpapieren, die eine Rückreise in das Heimatland ermöglichen, mitwirken. Ihm obliegt es, sich auf die Ausreise einzustellen, hierzu bereit zu sein, einen entsprechenden Willen zu bilden und diesen auch zu bekunden (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. November 2009, a.a.O., Rn. 12 ff.).

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Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim (Urteil vom 3. Dezember 2008 - 13 S 2483/07 - InfAuslR 2009, 109) werden palästinensischen Volkszugehörigen aus dem Libanon von der libanesischen Auslandsvertretung in Deutschland in der Regel ohne Vorlage von Aufenthaltszusagen der Ausländerbehörden keine für die Rückreise ausreichenden Papiere ausgestellt (ebenso OVG Brandenburg, Urteil vom 1. Juli 2004 - 4 A 747/03 - <juris>; VG Freiburg, Urteil vom 24. April 2008 - 4 K 280/06 - <juris>; VG Berlin, Urteil vom 24. Juli 2007 - 27 A 180.06 - <juris>).

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Dieser Auffassung, die zudem nicht durch hinreichend eindeutige Auskünfte gegründet ist, vermag sich das Gericht nach den ihm vorliegenden Erkenntnissen nicht anzuschließen.

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Zwar ist - wie die Beteiligten zu Recht übereinstimmend annehmen - eine Abschiebung von palästinensischen Volkszugehörigen in den Libanon praktisch nicht möglich (vgl. auch die in den Ausländerakten befindlichen Vermerke vom 25. Juni 2010, 5. Juni und 7. Mai 2009). Der Kläger könnte aber freiwillig ausreisen.

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Nach einem Schreiben der für die Ausstellung von Passersatzpapieren aus dem Libanon stammender Personen zuständigen Zentralen Aufnahme- und Ausländerbehörde Niedersachsen an den Beklagten vom 25. Juni 2010 erhalten Personen, die - wie in der Regel die Palästinenser - keine libanesische Staatsangehörigen sind, jedoch dort eine Aufenthaltserlaubnis hatten, ein Laissez-Passer für ein Jahr, wenn sie sich rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Darüber hinaus können sie aber auch ein Laissez-Passer zur freiwilligen Rückkehr erhalten. Dieses ist nur für den Zweck der einmaligen Einreise in den Libanon bestimmt. Eine Aufenthaltserlaubnis oder eine entsprechende Zusicherung der deutschen Ausländerbehörden ist hierfür nicht notwendig (vgl. ebenso Vermerke vom 25. Juni 2010 und 5. Juni 2009). Anhaltspunkte dafür, dass diese Auskunft unzutreffend ist, hat das Gericht nicht; auch der Kläger vermochte diese in der mündlichen Verhandlung nicht zu entkräften.

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Der Kläger ist im Libanon auch nicht bloß geduldet worden, sondern nach der von ihm vorgelegten Bescheinigung vom 26. März 2008 gehört er zu den bei der Generaldirektion für das Zivilstandswesen registrierten Palästinensern. Diese erhalten eine Identitätskarte und zu Reisezwecken ein sog. Dokument de Voyage (vgl. Bericht der Deutschen Botschaft in Beirut vom Oktober 2007, S. 5).

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Der Kläger müsse daher bei der Botschaft des Libanons mit seiner Identitätskarte für palästinensische Flüchtlinge vorsprechen und erklären, mit einem laissez passer freiwillig ausreisen zu wollen. Er muss mithin eine Art Freiwilligkeitserklärung abgeben, die von einem ausreisepflichtigen Ausländer zumutbarer Weise verlangt werden darf (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. November 2009 a.a.O., Rn. 14).

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Das mit der ausländerbehördlichen Bescheinigung vom 26. März 2010 im Mai 2010 beantragte Laissez-Passer ist nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung lediglich eines, welches den Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland ermöglicht. Seine Bemühungen um eine freiwillige Rückkehr sind daher noch nicht als ausreichend zu bewerten.

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Schließlich ist - trotz der nicht vollständig widerspruchsfreien Haltung der Ausländerbehörde - in dem Schreiben des Beklagten vom 26. März 2010 eine Zusicherung zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne der §§ 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG, 1 Abs. 1 NVwVfG nicht zu erkennen. Diese setzt nämlich voraus, dass die Behörde gegenüber dem Adressaten unzweifelhaft den Willen zum Ausdruck bringt, einen bestimmten Verwaltungsakt zu erlassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. September 1996 - 2 C 39.95 - BVerwGE 102, 81 <84>) . Das angeführte Schreiben ist jedoch lediglich eine "Bescheinigung" zur Vorlage bei einer Auslandsvertretung. Es wird inhaltlich auch nur die gesetzliche Regel (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG) bestätigt, dass für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG die Vorlage eines Laissez-Passer notwendig ist. Es wird gerade nicht bescheinigt, dass die sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels vorliegen.