Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 28.07.2010, Az.: 11 A 2779/09
Kosovo; Flüchtlingsanerkennung; doppelte Staatsangehörigkeit; Abschiebungshindernis nach § 60 VII AufenthG; doppelte Staatsangehörigkeit
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 28.07.2010
- Aktenzeichen
- 11 A 2779/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 41269
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2010:0728.11A2779.09.0A
Rechtsgrundlagen
- AufenthG 60 I
- AufenthG 60 VII
Amtlicher Leitsatz
- 1..
Wenn ein Ausländer sowohl die serbische als auch die kosovarische Staatsangehörigkeit besitzt, ihm in Serbien keine Gefahren drohen und ihm die Niederlassung dort aufgrund des Umstandes, dass er gültige serbische Ausweispapiere besitzt, auch faktisch möglich ist, so scheidet ein Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG von vornherein aus (im Anschluss an BVerwGE 129, 155 ff. [BVerwG 02.08.2007 - BVerwG 10 C 13.07; 1 C 17.06]).
- 2..
Über die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich des Kosovo muss aber dennoch entschieden werden, wenn das Bundesamt dem Ausländer die Abschiebung dorthin angedroht hat (Abgrenzung zu BVerwGE 129, 155 ff. [BVerwG 02.08.2007 - BVerwG 10 C 13.07; 1 C 17.06]).
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 6. Oktober 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter, da er nach eigenem Vortrag auf dem Landweg und damit notwendigerweise über einen sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik eingereist ist (vgl. Art. 16 a Abs. 2 GG, § 26 a Abs. 1 AsylVfG).
Auch ein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG steht dem Kläger nicht zu.
In Bezug auf den Heimatstaat Serbien hat der Kläger keinerlei Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG konkret vorgetragen. In seiner Anhörung gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat er nur von angeblichen Verfolgungsmaßnahmen nationalistischer Albaner im Kosovo berichtet, die sich darauf bezogen, dass er als serbischsprachiger Roma den Kosovo verlassen solle. Soweit er im gerichtlichen Verfahren zusätzlich behauptete, auch in Serbien bestünden für ihn Gefahren, hat er dies weder konkretisiert noch ist für das Gericht ersichtlich, woraus sich eine solche Verfolgungsgefahr ergeben soll. Eine Gruppenverfolgung der Roma findet in Serbien nicht statt (vgl. VG Oldenburg, Beschluss vom 21. Oktober 2009 - 11 B 2766/09 -; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das BAFL vom 11. April 2003).
Bei dieser Sachlage scheidet aber auch ein Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich des Kosovo, dessen Staatsangehörigkeit der Kläger ebenfalls besitzt, aus. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts schließt die Möglichkeit, Schutz im Staat der zweiten Staatsangehörigkeit zu finden, bei einer Person, die mehrere Staatsangehörigkeiten besitzt, einen Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG aus (Urteil vom 2. August 2007 - 10 C 13/07 -, BVerwGE 129, 155 [juris Rdnr. 9]).
Der Kläger könnte hier - wie bereits ausgeführt - in Serbien Zuflucht finden, ohne dass ihm dort politische Verfolgung droht. Da der Kläger über einen gültigen serbischen Personalausweis verfügt, wäre es ihm auch praktisch möglich, sich in Serbien niederzulassen (vgl. BAMF, Serbien - Allgemeine Lage und Situation der Roma und Albaner, Juni 2010, Seite 8 f.). Auch die Lebensbedingungen und die soziale Situation der Roma in Serbien sind nicht so, dass ein Überleben dort für den Kläger unmöglich wäre (ständige Rechtsprechung der Kammer, vgl. Urteil vom 26. April 2010 - 11 A 585/10 -).
Die Feststellungen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG kommt hier offensichtlich nicht in Betracht.
Auch ein Anspruch auf Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG steht dem Kläger nicht zu.
Individuelle gefahrbegründende Umstände sind bezüglich Serbien weder vom Kläger konkret vorgetragen noch für das Gericht aus anderen Gründen ersichtlich. Die allgemeine Situation der Roma in Serbien begründet nach ständiger Rechtsprechung der Kammer kein Abschiebungshindernis im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, da Roma bei einer Rückkehr in dieses Land nicht sehenden Auges dem Tode oder schwersten Verletzungen ausgeliefert werden (vgl. VG Oldenburg, Urteil vom 26. April 2010 - 11 A 585/10 -).
Auch hinsichtlich des Kosovo ist kein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen. Zwar kann der Kläger hier anders als im Rahmen des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht darauf verwiesen werden, dass er im Land seiner zweiten Staatsangehörigkeit - hier: Serbien - Zuflucht finden könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. August 2007 - 10 C 13/07 - BVerwGE 129, 155 [juris Rdnr. 10]). Anders als in dem vom Bundesverwaltungsgericht im vorgenannten Urteil entschiedenen Fall, fehlt dem Kläger hier auch nicht wegen der Möglichkeit der Ausreise in den Staat seiner zweiten Staatsangehörigkeit ein Rechtsschutzinteresse an der Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich des Staates der ersten Staatsangehörigkeit. Denn der vorliegende Fall unterscheidet sich von der Fallgestaltung, über die das Bundesverwaltungsgericht zu entscheiden hatte, dadurch, dass dem Kläger hier die Abschiebung in den Staat seiner ersten Staatsangehörigkeit - den Kosovo - konkret vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angedroht wurde und auch nicht aus anderen Gründen faktisch ausgeschlossen erscheint, während im Fall des Bundesverwaltungsgerichts dem Kläger die Abschiebung nach Nordkorea von vornherein nicht angedroht worden war, da sie offensichtlich schon rein faktisch nicht in Betracht kam.
Dem Kläger drohen jedoch im Kosovo keine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.