Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 15.03.2007, Az.: 4 A 2268/05
Anspruch auf Erteilung eines Bauvorbescheides für die Herstellung einer Stellplatzanlage im Freien und die saisonale Nutzung einer vorhandenen Halle für die Einstellung von Kraftfahrzeugen; Erforderlichkeit einer immissionsschutzrechtlichen (Änderungs-)Genehmigung bzw. einer nachträglichen Anordnung; Bereitstellung von Parkplätzen für Besucher der Inseln Juist und Norderney ohne funktionellen Zusammenhang mit dem Werftbetrieb
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 15.03.2007
- Aktenzeichen
- 4 A 2268/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 56205
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2007:0315.4A2268.05.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OVG Niedersachsen - 22.06.2009 - AZ: 1 LB 52/08
- BVerwG - 03.02.2010 - AZ: BVerwG 4 B 67.09
- BVerwG - 16.09.2010 - AZ: BVerwG 4 C 7.10
- OVG Niedersachsen - 07.07.2011 - AZ: OVG 1 LB 259/10
- BVerwG - 19.04.2012 - AZ: BVerwG 4 C 10.11
Rechtsgrundlagen
- § 16 Abs. 1 BImSchG
- § 17 BImSchG
- § 35 BauGB
- § 74 NBauO
Verfahrensgegenstand
Bauvorbescheid (Stellplatzanlage)
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Oldenburg - 4. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 15. März 2007
durch
...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Bauvorbescheides für die Herstellung einer Stellplatzanlage im Freien und die saisonale Nutzung einer vorhandenen Halle für die Einstellung von Kraftfahrzeugen.
Die Klägerin betreibt im Hafen von N. eine Schiffswerft. Das Baugrundstück liegt im nordöstlichen Bereich des Osthafens und grenzt nordöstlich an den Bereich des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer (Flur .., Flurstücke .., .., .., .. und .. der Gemarkung L.). Im südwestlichen Bereich des ca. 1,7 ha großen Grundstücks steht eine etwa 3000 m2 große Bootshalle, an die sich nach Südosten die neu errichtete Schlosserei und Lackiererei anschließen. Ein mit Pflastersteinen versehener Stichweg führt im Nordwesten des Baugrundstücks bis an den in diesem Bereich von Nordwest nach Südost verlaufenden östlichen Hafenschutzdamm heran. Im Übrigen ist das Grundstück hinter den Hallen unbefestigt. Für die Bootshalle ist die Klägerin im Besitz einer immissionsschutzrechtliche Genehmigung, zu der der Klägerin unter dem 29. Oktober 1998 eine Änderungsgenehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz erteilt wurde. Diese Änderungsgenehmigung hat die Klägerin teilweise umgesetzt und an die vorhandene Bootshalle in südöstlicher Richtung einen Anbau u.a. für den Verkauf, die erwähnte Schlosserei und Lackiererei und zwei Betriebsleiterwohnungen gesetzt. Ein weiterer Hallenanbau nach Nordosten als Erweiterung der vorhandenen Schiffslagerhalle ist noch nicht verwirklicht worden. Mit Antrag vom 8. Januar 2007 hat die Klägerin die nochmalige - dritte - Verlängerung der bis zum 29. Oktober 2007 gültigen Änderungsgenehmigung bei der Beklagten beantragt. Diese hat den Verlängerungsantrag zuständigkeitshalber an das Zentrale Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Oldenburg weitergeleitet. Das Grundstück ist durch das Gesetz über Gebietsänderungen der Städte Borkum, Cuxhaven, Norden, Wilhelmshaven und Wittmund sowie der Gemeinde Wangerland vom 22. April 2005 (Nds. GVBl. 2005, S. 121 f.) in den Bereich der Stadt N. eingegliedert worden. Für das Baugrundstück existiert weder ein Bebauungsplan noch ein Flächennutzungsplan.
Mit Datum vom 20. Januar 2005 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Baugenehmigung für die beschriebene Baumaßnahme. Die Klägerin plant demnach die Herstellung von ca. 700 Kfz-Stellplätzen im Freien hinter der Bootshalle und die saisonale Nutzung der vorhandenen Bootshalle für die Einstellung von Kraftfahrzeugen (ca. 200 Stellplätze).
Am 2. Juni 2005 hat die Klägerin Untätigkeitsklage erhoben.
Zur Begründung ihrer Klage macht sie u.a. geltend: Die Klage sei als Untätigkeitsklage zulässig, weil über ihren Bauantrag ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden sei. Die Errichtung von Parkplätzen mit Schotterunterbau sowie die Nutzung dieser Parkplätze und der bestehenden Bootshalle als Kfz- Einstellflächen entspreche den bauplanungsrechtlichen Vorschriften. Das Vorhaben solle im unbeplanten Innenbereich verwirklicht werden. Ein Bebauungszusammenhang i.S. des § 34 BauGB sei gegeben. Der gesamte Hafenbereich sei als zusammenhängende Bebauung zu qualifizieren. Die einzelnen im Hafen liegenden Grundstücke seien durch eine zusammenhängende gepflasterte Fläche miteinander verbunden. Eine deutliche Zäsur der Bebauung, die zur Unterbrechung des Bebauungszusammenhangs führe, könne erst in der südlich vorbeiführenden Tunnelstraße und im Norden und Osten in der angrenzenden Deichanlage des Hafenschutzdammes gesehen werden. Die den Hafen umgebenden Deichanlagen würden das Baugrundstück einbetten und umfrieden und den Eindruck der Zusammengehörigkeit und Geschlossenheit in ganz besonderem Maße bewirken. Das Baugrundstück nehme auch an dem bestehenden Bebauungszusammenhang teil. Der Bebauungszusammenhang erstrecke sich auf das gesamte Baugrundstück. Dies gelte zum einen für die bereits bestehenden Hallen. Insoweit handele es sich bei dem Bauantrag um eine reine Nutzungsänderung ohne jegliche Änderung der baulichen Substanz. Dies gelte zum anderen aber auch für den noch mit Schotter aufzuschüttenden Bereich des Baugrundstücks. Dieses werde in drei Richtungen von bereits bestehenden baulichen Anlagen umgrenzt. Eine gesonderte Qualifizierung der noch unbebauten Grundstücksfläche als Außenbereich würde sich demgegenüber als willkürlich darstellen und dem optischen Eindruck der örtlichen Gegebenheiten nicht gerecht werden. Bei dem Hafengebiet handele es sich auch um einen Ortsteil i.S. des § 34 BauGB. Aufgrund der Anzahl der Gebäude und sonstigen baulichen Anlagen in Form von Hafenanlagen bestehe unproblematisch das entsprechende Gewicht. Der Hafen sei Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur, zumal die Anforderungen diesbezüglich nicht zu hoch anzusetzen seien. Der Hafen weise eine deutliche, durch die Hafenbewirtschaftung bedingte Einheitlichkeit in der Art der baulichen Nutzung auf und sei durch die inneren Funktionszusammenhänge und die den Bereich durchziehenden Straßen und Wege entsprechend strukturiert. Die Ortsteilqualität spiegele sich schließlich in der gesonderten Ortsteilbezeichnung "N.-Mole" wider. Der Charakter des Ortsteils entspreche dem eines Gewerbegebiets i.S. von § 8 BauNVO. Danach seien Gewerbebetriebe aller Art allgemein zulässig. Hierzu zählten auch die gewerbliche Bereitstellung von Kfz-Stellflächen gegen Entgelt.
Im Übrigen sei das Vorhaben - sollte der Bereich als Außenbereich zu qualifizieren sein - auch nach § 35 BauGB zulässig. Bei dem Vorhaben handele es sich um ein einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dienendes Vorhaben, das gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB privilegiert sei. Aufgrund des Erfordernisses der direkten Angrenzung an die Wasserfläche sei der Hafen und der dort betriebene Personenumschlag als ortsgebundener Betrieb zu qualifizieren. Diesem Betrieb diene das Bauvorhaben. Der Betrieb von Kfz- Stellflächen sei dem Hafen entsprechend zu- und untergeordnet. Das Vorhaben stehe mit dem Hafenbetrieb in einem engen Funktionszusammenhang, so dass der Tatbestand des Dienens erfüllt sei. Auch hinsichtlich des noch aufzuschotternden Bereiches sei ein derartiger funktionaler Zusammenhang gegeben, so dass das Vorhaben auch unter Berücksichtigung der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs von einem vernünftigen Unternehmer realisiert werden würde. Schließlich stünden dem Vorhaben öffentliche Belange nicht entgegen. Dies ergebe sich bereits daraus, dass für das gleiche Baugrundstück eine aktuelle Genehmigung für die Erweiterung der Gewerbehallen nach dem Bundes- Immissionsschutzgesetz bestehe.
Die Klägerin beantragt nunmehr,
die Beklagte zu verpflichten, ihr einen Bauvorbescheid nach Maßgabe ihres Antrages vom 20. Januar 2005 unter Ausschluss der Frage der UVP-Pflichtigkeit zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Baugrundstück liege im Geltungsbereich des sich in der Aufstellung befindlichen Bebauungsplanes Nr. 92. Dieser Plan habe jedoch keine Planreife, so dass auf seiner Grundlage planungsrechtlich eine Genehmigung nicht erteilt werden könne. Das Vorhaben richte sich nach § 35 Abs. 2 BauGB. Eine Zulassung lasse befürchten, dass später für emittierende Anlagen in diesem industriell genutzten Hafenbereich Einschränkungen gefordert werden würden. Eine eventuelle Einschränkung des Hafenbereichs mit seinen typischen beeinträchtigenden, aber zulässigen Begleiterscheinungen (Lärm, Geruch, Stäube) sei städtebaulich an dieser Stelle des Hafens nicht gewollt und daher gemäß § 35 Abs. 3 BauGB unzulässig. In absehbarer Zeit sei mit der Fertigstellung der sich im Bau befindlichen Umgebungsstraße B 72 zu rechnen. Die Nutzungsänderung der Halle und die Nutzung der Außenflächen nach Errichtung von zusätzlichen Parkflächen stehe in Widerspruch zu den genehmigten und geplanten Nutzungen. Am Ende der Umgebungsstraße vor Beginn des eigentlichen Osthafens sei die Errichtung eines Parkhauses mit den entsprechenden Parkflächen zur Beruhigung des Verkehrs im Hafenbereich geplant.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten (2 Bände) verwiesen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung, in dessen Verlauf die Kammer die Örtlichkeit in Augenschein genommen hat.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung des von ihr begehrten Bauvorbescheids, weil ihrem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen (§ 74 NBauO i.V.m. § 35 BauGB).
Für das Vorhaben der Klägerin dürften - zumindest zunächst - die Vorschriften des Bundes- Immissionsschutzgesetzes zur Anwendung kommen. Aber selbst wenn die zuständige Immissionsschutzbehörde - das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Oldenburg - die Erforderlichkeit einer immissionsschutzrechtlichen (Änderungs-)Genehmigung gemäß §§ 16 Abs. 1, 17 BImSchG verneinen sollte, könnte der Klägerin der begehrte Bauvorbescheid nicht erteilt werden, weil das nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilende Vorhaben öffentliche Belange beeinträchtigt.
Die Änderung der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs einer genehmigungsbedürftigen Anlage bzw. die Einstellung des Betriebes sind der zuständigen Immissionsschutzbehörde nach § 15 Abs. 1 bzw. Abs. 3 BImSchG anzuzeigen. Im Falle der (erneuten) Änderung des Betriebes der Klägerin hat die zuständige Immissionsschutzbehörde unverzüglich, spätestens innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige und der nach § 15 Abs. 1 S. 2 BImSchG erforderlichen Unterlagen zu prüfen, ob die Änderung einer Genehmigung bedarf (§ 15 Abs. 2 S. 1 BImSchG). Die Änderung der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs einer genehmigungsbedürftigen Anlage bedarf gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 BImSchG allerdings nur dann der Genehmigung, wenn durch die Änderung nachteilige Auswirkungen hervorgerufen werden können und diese für die Prüfung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erheblich sein können (wesentliche Änderung). Ob das gemäß § 15 Abs. 1 bzw. § 15 Abs. 3 BImSchG anzeigepflichtige "Vorhaben" der Klägerin einer immissionsschutzrechtliche Genehmigung bzw. nachträglicher Anordnungen nach § 17 Abs. 1 BImSchG bedarf, mit der Folge, dass ein Bauvorbescheid nicht erteilt werden könnte, müsste, wenn nicht die Klägerin von sich aus die Erteilung einer (Änderungs-) Genehmigung beantragt, gemäß § 15 Abs. 2 S. 1 BImSchG zunächst die zuständige Immissionsschutzbehörde prüfen. Würde diese die Erforderlichkeit einer Verfügung nach dem BImSchG verneinen, bliebe es bei der Erforderlichkeit eines Bauvorbescheids und damit bei der Zuständigkeit der Beklagten. Die Gerichte können die gemäß § 15 Abs. 2 BImSchG der Immissionsschutzbehörde zugewiesene Prüfung durch eigene Tatsachenfeststellungen allerdings nicht ersetzen. Wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von der Erforderlichkeit einer Genehmigung gemäß § 16 Abs. 1 BImSchG abhängt, wird es deshalb in der Regel einer sachgerechten Ausübung des gerichtlichen Ermessens entsprechen, das Verfahren gemäß § 94 VwGO auszusetzen, um der Klägerin Gelegenheit zu geben, ihr Vorhaben der zuständigen Immissionsschutzbehörde anzuzeigen und dieser die Prüfung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbedürftigkeit bzw. der Prüfung von nachträglichen Anordnungen zu ermöglichen (vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 2004 - 4 C 3/04 -, BVerwGE 122, 117 ff = NVwZ 2005, 208 (209)).
Das vorliegende Verfahrens kann jedoch nicht ausgesetzt werden. Die Erforderlichkeit einer immissionsschutzrechtlichen (Änderungs-)Genehmigung bzw. einer nachträglichen Anordnung ist nicht entscheidungserheblich. Auch nach den baurechtlichen Vorschriften kann der Klägerin der begehrte Bauvorbescheid nicht erteilt werden.
Das Vorhaben der Klägerin ist bauplanungsrechtlich nicht genehmigungsfähig. Nach dem Ergebnis der von der Kammer durchgeführten Inaugenscheinnahme im Termin zur mündlichen Verhandlung soll das nach Antrag einheitlich zu beurteilende Vorhaben zum weitaus überwiegenden Teil und damit schwerpunktmäßig im Außenbereich verwirklicht werden und ist als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilen. Als nicht privilegiertes Vorhaben beeinträchtigt es den öffentlichen Belang der Entstehung einer Splittersiedlung nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB.
Das Baugrundstück liegt entgegen der Auffassung der Klägerin zu einer Größe von ca. 10.000 m2 nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils nach § 34 BauGB.
Als Bebauungszusammenhang hat das Bundesverwaltungsgericht eine aufeinanderfolgende Bebauung gekennzeichnet, die trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt. Wo der Zusammenhang endet bzw. ob eine Unterbrechung des Zusammenhangs vorliegt oder nicht, lässt sich dabei nicht unter Anwendung geographisch-mathematischer Maßstäbe allein bestimmen. Dies bedarf vielmehr einer Beurteilung aufgrund einer echten Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhalts. Grundsätzlich aber endet der im Zusammenhang bebaute Ortsteil mit dem letzten Baukörper; die sich dann anschließenden selbstständigen Flächen gehören zum Außenbereich. Die Kammer verkennt nicht, dass örtliche Besonderheiten es rechtfertigen können, dem Bebauungszusammenhang noch bis zu einem Geländehindernis, einer Erhebung oder einem Einschnitt (Damm, Böschung, Fluss, Waldrand o. Ä.) ein oder mehrere Grundstücke zuzuordnen, die unbebaut sind oder trotz des Vorhandenseins von Baulichkeiten sonst nicht zur Prägung der Siedlungsstruktur beitragen. Ob dies im Einzelfall so ist, kann stets nur das Ergebnis einer Bewertung des konkreten Einzelfalles sein (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Januar 2005 - 4 B 3/05 -, zitiert nach [...] m.w.N.; Rieger, in: Schrödter, Kommentar zum BauGB, 7. Aufl. 2006, § 34 Rdnr. 15 m.w.N.).
Nach dem von der Kammer im Termin gewonnenen Eindruck endet der Bebauungszusammenhang an der Rück(Nord-Ost)-Seite der Bootshalle auf dem Flurstück 69/64 und erstreckt sich - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht bis zum von Nordwest nach Südost verlaufenden östlichen Hafenschutzdamm. Die Freifläche zwischen der Halle, die selbst noch am Bebauungszusammenhang teilnimmt (vgl. insoweit das den Beteiligten bekannte Urteil der Kammer vom 15. März 2007 - 4 A 711/06), und dem östlichen Hafenschutzdamm gehört vielmehr bereits dem nach § 35 BauGB zu beurteilenden Außenbereich an.
Dem östlichen Hafenschutzdamm kommt nach Auffassung der Kammer trotz Anstiegs und erhöhter Lage gegenüber Fläche des Baugrundstücks keine topografische Bedeutung in dem Sinne zu, dass der im Zusammenhang bebaute Ortsteil bis an den östlichen Hafendamm heranreichen würde. Im Gegensatz zu dem von Südwest nach Nordost verlaufenden Hauptdeich mit der Tunnelstraße erreicht der östliche Hafenschutzdamm bei weitem nicht dessen Höhe und topografisch trennende Bedeutung. In dem den Beteiligten bekannten Parallelverfahren (4 A 711/06) hat die Kammer dem Hauptdeich mit der Tunnelstraße eine trennende Wirkung beigemessen. Der Deich stelle eine natürliche Grenze dar und verhindere wegen seiner topografischen Besonderheit, dass der Bebauungszusammenhang binnendeichs - südöstlich der Tunnelstraße - über den Deich "hinwegspringend" sich im Hafenbereich fortsetzen könne (S. 6/7 des Urteils). Eine derartig trennende bzw. für den Geltungsbereich des im Zusammenhang bebauten Ortsteils begrenzende Wirkung kann dem östlichen Hafenschutzdamm bereits aufgrund seiner geringen Höhe nicht beigemessen werden. Zwar grenzt der Hafenschutzdamm das Baugrundstück zum Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer ab. Entgegen der Auffassung der Klägerin stellt es sich aber keineswegs als willkürlich dar, wenn der sich nordöstlich an die Bootshalle anschließende freie Grundstücksbereich, der bis zum Hafenschutzdamm immerhin eine Tiefe von ca. 110 m aufweist, als zum Außenbereich gehörend angesehen wird und nicht erst dem Hafenschutzdamm eine trennende und damit topografisch bedeutsame Bedeutung beigemessen wird. In diesem Zusammenhang kommen dem mit Pflastersteinen versehenen und bis zum Hafenschutzdamm heranreichenden Stichweg und dem nordwestlich des Baugrundstücks gelegenen Spülfeld keine Bedeutung zu. Denn nicht jede bauliche Anlage i.S. von § 29 S. 1 BauGB erfüllt die Voraussetzungen einer Bebauung i.S. von § 34 Abs. 1 BauGB. Vielmehr wird in § 34 Abs. 1 BauGB eine Bebauung vorausgesetzt, die für die angemessene Fortentwicklung der vorhandenen Bebauung maßstabsbildend ist. Dies erfordert, dass die bauliche Anlage optisch wahrnehmbar ist und ein gewisses Gewicht hat, so dass sie ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten Charakter prägen kann. Daran fehlt es nach Auffassung der Kammer sowohl bei dem Stichweg als auch bei dem Spülfeld (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 1993 - 4 C 17/91 -, NVwZ 1994, 294 ff, verneinend für einen befestigten Stellplatz). Auch durch die südöstlich des Baugrundstücks gelegene Halle auf dem Flurstück ... wird die Bebauung nicht - für das Bauvorhaben der Klägerin quasi vorbereitend - in die zweite Reihe hineingetragen.
Nach der Errichtung des Anbaus südöstlich an die vorhandene Bootshalle (neue Schlosserei und Lackiererei) wird das Flurstück ... maßgeblich durch die "Straße" am Hauptdeich erschlossen und stellt hier eine Bebauung "in erster Reihe" dar. Insoweit verläuft die Bebauung hier in einem Bogen von Nordwesten - beginnend mit der Bootshalle - nach Nordosten - endend mit der Halle auf dem Flurstück ....
Nach alledem liegt das einheitlich zu beurteilende Vorhaben der Klägerin maßgeblich im Außenbereich.
Das Vorhaben ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB privilegiert. Denn die saisonale Nutzung der Bootshalle für die Einstellung von Kraftfahrzeugen und die Errichtung von Stellplätzen auf der nordöstlich gelegenen Freifläche dient nicht dem gewerblichen Betrieb der Schiffswerft. Zwar mag die Schiffswerft der Klägerin als ortsgebundener gewerblicher Betrieb anzusehen sein, der der Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB unterfällt. Das Vorhaben der Klägerin dient aber nicht dem Werftbetrieb, sondern stellt einen anders gearteten Gewerbebetrieb und allem Anschein nach ein neues "Standbein" der Klägerin dar. Der Nutzungswunsch der Klägerin ist in wirtschaftlicher Hinsicht nur allzu verständlich, da die Stellfläche in der Bootshalle in den Sommermonaten nicht genutzt wird. Die Nutzung der Halle und der Freifläche als Stellplatzanlage scheitert jedoch daran, dass diese Nutzung dem Betrieb der Schiffswerft nicht "dient". Auch als "mitgezogene" Nutzung kann das Vorhaben der Klägerin nicht genehmigt werden. Denn in diesem Fall müsste das Vorhaben der Klägerin im räumlichen und funktionellen Zusammenhang mit dem Betrieb der "Schiffswerft" stehen. Das mag für die Nutzung der Halle als Winterlager für Schiffe noch bejaht werden können. Die Bereitstellung von Parkplätzen für Besucher der Inseln Juist und Norderney hat aber nichts mehr mit dem Werftbetrieb zu tun und steht nicht mehr in einem funktionellen Zusammenhang mit dem Werftbetrieb.
Das Vorhaben der Klägerin stellt sich auch nicht als begünstigt i.S. von § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 6 BauGB dar. Dies scheitert bereits daran, dass die Erweiterung eines im Innenbereich gelegenen Gewerbebetriebs in den Außenbereich hinein durch die genannte Norm nicht erleichtert wird (BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1993 - 4 C 33/90 -, NVwZ 1994, 293 f). Darüber hinaus ist nur die bauliche Erweiterung des vorhandenen, zulässigerweise errichteten Betriebs und nicht - wie hier - eine Nutzungsänderung begünstigt (vgl. hierzu: Rieger, a.a.O., § 35 Rdnr. 155 a.E. m.w.N.).
Als sonstiges Vorhaben i.S. von § 35 Abs. 2 BauGB ist das Vorhaben der Klägerin nicht genehmigungsfähig, weil ihr Vorhaben die Entstehung einer Splittersiedlung befürchten lässt.
Splittersiedlungen sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zwar nicht schon um ihrer selbst Willen zu missbilligen. "Zu befürchten" i.S. von § 35 Abs. 3 Nr. 7 BauGB ist die Entstehung einer Splittersiedlung nur dann, wenn das Vorhaben zu einer "unerwünschten Splittersiedlung" führt. Unerwünscht i.d.S. ist eine Splittersiedlung, wenn mit ihr ein Vorgang der Zersiedlung eingeleitet oder gar vollzogen wird. Das anzunehmen, rechtfertigt sich in der Regel. Als Grund für eine Missbilligung kommt u.a. in Betracht, dass das Vorhaben eine weitreichende oder doch nicht genau übersehbare Vorbildwirkung besitzt und daher seine unabweisbare Konsequenz sein könnte, dass in nicht verlässlich eingrenzbarer Weise noch weitere Bauten hinzutreten werden. Hierfür reicht es aus, dass bei einer Zulassung des Vorhabens weitere ähnliche Vorhaben in der Splittersiedlung nicht verhindert werden könnten und dadurch der Außenbereich zersiedelt werden würde. "Weitreichend" ist die Vorbildwirkung deshalb immer dann, wenn sich das Vorhaben und die weiteren Vorhaben, die nicht verhindert werden könnten, zusammen die Entstehung einer Splittersiedlung befürchten lassen und dadurch eine (weitergehende) Zersiedlung des Außenbereichs bewirken würden (BVerwG, Beschluss vom 24. Juni 2004 - 4 B 23/04 -, BauR 2005 73 f). So liegt es hier.
Sollte das Vorhaben der Klägerin zugelassen werden, könnte eine Folgebebauung bzw. Nutzung als Stellplatzanlage nordwestlich des Grundstücks der Klägerin auf den Flurstücken 69/75 und 69/88 (Spülfeld) und auf dem südwestlich des Baugrundstücks gelegenen Lagerplatz (Niedersachsen-Port, Flurstück 69/40) kaum mehr verhindert werden. Die Außenbereichsflächen würden dann in erheblichem Umfange zusätzlich genutzt. Hinzu kommt, dass in einer räumlich verhältnismäßig beschränkten, nach ihrer Landschaftsstruktur von der Umgebung klar abgehobenen Außenbereichsfläche - wie hier - dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung einer Zersiedlung der für die Bebauung nicht vorgesehenen Flächen ein besonderes Gewicht beigemessen wird (BVerwG, Beschl. v. 24. Juni 2004 - 4 B 23/04 -, a.a.O.., m.w.N.).
Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob sich die Nutzung der Außenbereichsfläche als "sinnvoll" darstellt, zumal der Klägerin darin widersprochen werden muss, dass es durch die Baumaßnahme - Aufschotterung von immerhin ca. 10.000 m2 Freifläche - nur zu einer marginalen Beeinträchtigung des Außenbereiches kommen würde. Schließlich kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass es im Falle der Genehmigung des Vorhabens der Klägerin und evtl. weiterer Vorhaben auf den genannten Nachbargrundstücken zu einem erheblichen Ziel- und Quellverkehr kommen würde.
Abschließend weist die Kammer darauf hin, dass der Klägerin der von ihr begehrte Bauvorbescheid selbst dann nicht erteilt werden könnte, wenn man annähme, dass auch die Freifläche hinter der Bootshalle aufgrund der Randlage zum im Zusammenhang bebauten Ortsteil gehörte. Denn das Vorhaben der Klägerin würde sich nach der Art der baulichen Nutzung und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, nicht in die nähere Umgebung einfügen. In der maßgeblichen näheren Umgebung findet keine gewerbliche Vermietung von Stellplätzen statt. Zwar sind im Osthafen zahlreiche Parkplätze vorhanden, für die - nach Angaben der Beteiligten - in den Sommermonaten Gebühren erhoben werden. Dies stellt aber keine gewerbliche Vermietung von Stellplätzen auf privatem Grund dar, die die Klägerin insbesondere den Besuchern der Inseln Juist und Norderney zur Verfügung stellen will. Auch im Hinblick auf die Grundstücksfläche, die "aufgeschottert" werden soll, wird der vorgefundene Rahmen der näheren Umgebung gesprengt. Hiernach werden durch das von der Klägerin geplante Vorhaben, insbesondere aufgrund der betroffenen Fläche und des erwartenden Ziel- und Quellverkehrs bodenrechtliche Spannungen ausgelöst, die dazu führen, dass sich das Vorhaben nicht einfügt. Zwar kann nach § 34 Abs. 3a BauGB 2007 im Einzelfall vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Abs. 1 Satz 1 der genannten Vorschrift abgewichen werden. Eine dahin gehende Ermessensentscheidung durch die Beklagte kommt jedoch nicht in Betracht, da bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm nicht erfüllt sind. Denn das Vorhaben der Klägerin würde einem zulässigerweise errichteten Gewerbebetrieb nicht dienen (§ 34 Abs. 3a Satz 1 Nr. 1 BauGB 2007). Ein geplantes Vorhaben "dient" dem Betrieb nur dann, wenn es unter Beachtung der konkreten örtlichen Gegebenheiten in die bereits vorhandene betriebliche Nutzung der vorhandenen baulichen oder sonstigen Anlagen einbezogen wird. Es muss demnach ein räumlicher und funktionaler Zusammenhang zum vorhandenen Betrieb bestehen, und dieser muss als konkrete Betriebszuordnung äußerlich erkennbar sein. Unter § 34 Abs. 3a Satz 1 BauGB 2007 fällt demnach nicht jedes beliebige Änderungs- bzw. Erweiterungsinteresse eines vorhandenen Gewerbe- oder Handwerkbetriebs. Einschränkungen ergeben sich vielmehr daraus, dass das Vorhaben den Anforderungen genügen muss, die sich aus dem Tatbestandsmerkmal des "Dienens" ergeben (vgl. Krautzberger in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB Kommentar, 9. Auflage 2005, § 34 Rdn.56; s. auch BVerwG, Beschluss vom 7. Mai 1991 - 4 B 52/91 -, NVwZ 1991, 1075 (1076, zur damaligen Regelung des § 34 Abs. 3 Nr. 2 BauGB ).
Zur Erleichterung von betrieblichen Neugründungen ist die Vorschrift demnach nicht bestimmt. Zwar muss die betriebliche Erweiterung nicht im strikten Sinne "erforderlich" sein, wohl aber im Sinne sinnvoller betrieblicher Integration "vernünftigerweise geboten". Das ist vorliegend nicht der Fall. Die Vermietung von Stellplätzen kann äußerlich erkennbar nicht dem Betrieb einer Schiffswerft zugeordnet werden. Insoweit beabsichtigt die Klägerin nicht, die gewerbliche Vermietung von Stellplätzen in ihren bestehenden Betrieb einer Schiffswerft zu integrieren, sondern sie bemüht sich - wie bereits oben zu § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB (S. 8 f) ausgeführt - um die Schaffung eines weiteren wirtschaftlichen Standbeines. Dieses Begehren wird von § 34 Abs. 3a BauGB 2007 nicht erfasst.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil ist die Berufung nur eröffnet, wenn sie von dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg zugelassen worden ist.
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