Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 23.03.2009, Az.: 6 A 1969/06

Gewährung und Rücknahme von Rindersonderprämie; Ordnungsgemäß geführtes Bestandsverzeichnis als formale Voraussetzung für die Gewährung von Rindersonderprämie; Bedeutung des Bestandsverzeichnisses für den Nachweis des Alters der Rinder als materiell-rechtliche Prämienvoraussetzung; Kompensation von Mängeln des Bestandsverzeichnisses durch andere Nachweise über die Haltung und das Alter der Tiere im Zeitpunkt der Schlachtung oder Vermarktung; Änderung der Bewilligungspraxis aus sachlichen Gründen; Verfolgungsverjährung und Vertrauensschutz bei der Rücknahme gewährter Rindersonderprämie

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
23.03.2009
Aktenzeichen
6 A 1969/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 11826
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2009:0323.6A1969.06.0A

Verfahrensgegenstand

Streitgegenstand: Rinderprämie 1995

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Stade - 6. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 2009
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Gärtner,
die Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Drews,
die Richterin Struhs sowie
die ehrenamtlichen Richter D. und E.
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 27. Juli 2006 wird aufgehoben, soweit darin ein Betrag von 1.346,91 EUR zurückgefordert worden ist und die Bescheide des Amtes für Agrarstruktur M vom 15. Dezember 1995 und vom 08. Juli 1996 insoweit aufgehoben worden sind.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten, ihm für das Jahr 1995 eine weitere Rindersonderprämie für Tiere der 2. Altersklasse zu gewähren. Außerdem wendet er sich gegen die Rückforderung der Rindersonderprämie 1995 i.H. von 1.346,91 EUR sowie gegen die Rücknahme der dieser Zahlung zugrunde liegenden Bescheide.

2

Der Kläger, der einen landwirtschaftlichen Betrieb in N bewirtschaftet, reichte am 25. Januar 1995 bei der Landwirtschaftskammer Hannover die Beteiligungserklärung im Rahmen der Gewährung der Rindersonderprämie 1995 ein und legte zugleich eine Kopie seines aktuellen Bestandsregisters vor. Im Folgenden beantragte er mit drei Anträgen die Gewährung von Rindersonderprämie 1995 für insgesamt 48 männliche Rinder, davon für insgesamt 24 Tiere die Prämie für die 2. Altersklasse (AK). Mit Antrag vom 25. Januar 1995 begehrte er die Sonderprämie für 14 Tiere der 1. Altersklasse (AK) und 11 Tiere der 1. und 2. AK zusammen. Am 28. August 1995 beantragte der Kläger die Sonderprämie für 9 Tiere der 1. AK, 4 Tiere der 1. und 2. AK zusammen sowie 1 Tier der 2. AK. Am 08. November 1995 schließlich stellte der Kläger einen Sonderprämienantrag für 1 Tier der 1. AK sowie für 8 Tiere der 1. und 2. AK zusammen. Bei sämtlichen Antragstieren des Jahres 1995 handelte es sich um Bullen. Der Kläger fügte den drei Prämienanträgen Belege über die Vermarktung von Bullen (Kauf- bzw. Schlachtbescheinigungen) bei.

3

Bereits am 21. Juni 1995 hatte das Amt für Agrarstruktur (AfA) M im klägerischen Betrieb eine Vor-Ort-Kontrolle durchgeführt. Ausweislich des entsprechenden Prüfberichts (Bl. 65 bis 67 der Beiakte A) sind Mängel bei der Führung des Bestandsregisters nicht festgestellt worden.

4

Mit Vorschussbescheid vom 15. Dezember 1995 gewährte das AfA M dem Kläger eine Vorschusszahlung auf die Sonderprämie für Rindfleischerzeuger 1995 in Höhe von insgesamt 8.136,00 DM für die Rinder aus den Anträgen vom 25. Januar 1995 und vom 28. August 1995.

5

Mit "Bescheid über die Abschlusszahlung der Sonderprämie für Rindfleischerzeuger" vom 08. Juli 1996 bewilligte das AfA M einen weiteren Auszahlungsbetrag i.H. von 6.893,30 DM. Aus der Anlage 1 zu diesem Bescheid ergibt sich, dass die Prämie für die 1. AK vollumfänglich gewährt, die Prämie für die 2. AK hingegen mit Kürzungen versehen wurde. So ist die Prämie der 2. AK für alle 11 Antragstiere des Antrags vom 25. Januar 1995 versagt worden (= Kürzung um 100% mit den Kürzungsgründen K 12 - fehlender Altersnachweis - und K 18 - Folgesanktion -). Auf den Antrag vom 28. August 1995 hat das AfA für 1 Tier der 2. AK die Prämie versagt (K 12) und hinsichtlich der übrigen 4 Antragstiere der 2. AK die Prämie um 20% gekürzt (K 18). Hinsichtlich der am 08. November 1995 beantragten Tiere der 2. AK wurde die Prämie für 1 Tier versagt (K 12) und für die übrigen 7 um 12,5% gekürzt (K 18).

6

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger unter dem 24. Juli 1996 Widerspruch.

7

Mit Schreiben vom 25. April 1997 forderte das AfA M den Kläger auf, seinen Widerspruch zu begründen, insbesondere die Anlage zu diesem Schreiben, welche die beanstandeten Tiere enthalte, auszufüllen. Die Sonderprämie für die 2. AK sei teilweise nicht gewährt worden, weil ein eindeutiger Altersnachweis fehle (Kürzungsgrund K 12). Welche Belege für das Führen eines Altersnachweises anerkannt würden, könne der Kläger ebenfalls der Anlage entnehmen. Er werde gebeten, die entsprechenden Unterlagen zu übersenden. Ferner forderte das AfA den Kläger zur Mitteilung darüber auf, ob er die Musterverfahren abwarten wolle, wenn seinem Widerspruch nicht vollständig stattgegeben werden könne.

8

Der Kläger reichte daraufhin am 11. Juni 1997 die von ihm ausgefüllte Anlage des Schreibens vom 25. April 1997 sowie Belege über den Zukauf von Bullenkälbern zum Verwaltungsvorgang. Ferner machte er geltend, bei Antragstellung alle seinerzeit geltenden Voraussetzungen erfüllt zu haben. Er habe seine Anträge gemäß den Vorgaben in den entsprechenden Merkblättern des Landes Niedersachsen gestellt. In den Jahren 1992 bis 1994 seien Geburtsbescheinigungen der Kälbererzeuger nicht verlangt worden, weshalb er derartige Belege nicht mehr beibringen könne. Er habe sein Bestandsregister ordnungsgemäß geführt und bei jeder Antragstellung vorgelegt. Im Übrigen habe die Vor-Ort-Kontrolle im Juni 1995 im Hinblick auf die Bestandsregisterführung keinerlei Beanstandungen ergeben. Falls die vorliegenden Belege nicht ausreichen sollten, um seinem Widerspruch zum Erfolg zu verhelfen, bitte er, mit der Entscheidung bis zum Abschluss der Musterverfahren abzuwarten.

9

Mit "Anhörung Rindersonderprämie 1995" betiteltem Schreiben vom 03. Juli 2006 teilte die Beklagte - diese war mit Wirkung vom 01. Januar 2006 an die Stelle der Landwirtschaftskammer Hannover, der Nachfolgerin des AfA, getreten - dem Kläger mit, dass nunmehr eine endgültige Bearbeitung der Rindersonderprämie 1995 erfolgen könne, nachdem mehrere grundsätzliche gerichtliche Entscheidungen ergangen seien. Danach müsse ein ordnungsgemäß geführtes Bestandsregister die im "Merkblatt" niedergelegten Angaben enthalten. Das Gesamtregister müsse vom Gesamteindruck her schlüssig und die Antragstiere müssten in diesem enthalten sein. Außerdem müssten Eintragungen kontinuierlich erfolgt, d.h. männliche Rinder entsprechend dem Ereignis (Geburt/Zukauf) eingetragen worden sein. Falls diese Anforderungen nicht erfüllt seien, gelte das Register als fehlerhaft. Die Prämienvoraussetzungen lägen nicht vor; jede weitere Prüfung ergänzender Unterlagen unterbleibe. Nach Durchsicht des vom Kläger im Jahre 1995 mit der Beteiligungserklärung eingereichten Bestandsregisters könne der Altersnachweis für die Tiere der 2. AK nicht geführt werden, weshalb die Auszahlung weiterer Prämien nicht in Betracht komme. Das Bestandsregister sei nicht chronologisch geführt worden. Der Kläger habe diverse Zukaufstiere (lfd. Nrn. 23, 24, 26 bis 28, 44 bis 54, 104 bis 108, 128, 129, 170 bis 186, 194 bis 199, 201, 202, 256 bis 258) nicht unverzüglich eingetragen. Ferner seien Tiere aus eigener Nachzucht (Nrn. 21, 22, 25, 29 bis 43, 55, 56) nicht innerhalb der 30-Tage-Frist und 4 Tiere aus dem Antrag vom 25. Januar 1995 gar nicht im Bestandsregister aufgeführt. Für diese Tiere könne keine Prämie gewährt werden, da nicht nachgewiesen sei, dass sie sich im Bestand des Klägers befunden hätten. Dies wiederum führe zu Sanktionen in der 1. AK bei den übrigen Antragstieren der betroffenen Anträge. Nach derzeitiger Aktenlage werde eine Rückforderung i.H. von 3.111,04 EUR (6.084,67 DM) erfolgen.

10

Hierauf nahm der Kläger mit Schreiben 12. Juli 2006 wie folgt Stellung: Die Beklagte überspanne die Anforderungen bezüglich der Chronologie des Bestandsregisters. Dass die Eintragungen strikt in der zeitlichen Reihenfolge der Geburten bzw. Zugänge zu erfolgen habe, sei ihm seinerzeit nicht mitgeteilt worden. Auch habe die antragsannehmende Stelle die Nichteinhaltung der Chronologie nicht beanstandet. Dasselbe gelte für die Prüfer der Vor-Ort-Kontrolle vom 21. Juni 1995. Aus der Sache selbst ergebe sich nicht zwingend, dass ein Bestandsregister chronologisch geführt werden müsse. Bei der ersten Bestandsaufnahme für die Antragstellung 1993 sei es nicht unüblich gewesen, den Bestand in der Aufstallungsreihenfolge - und nicht in der Altersreihenfolge - aufzunehmen. So sei auch der Kläger verfahren, wie aus den lfd. Nrn. 1 bis 66 des Bestandsregisters 1993 hervorgehe. Danach seien die weiteren Zugänge jedoch ganz überwiegend in chronologischer Reihenfolge aufgelistet. Sämtliche Antragstiere seien im klägerischen Bestandsverzeichnis aufgeführt. Es diene als Beleg für das Alter der Tiere. In Zusammenschau mit den vom Kläger eingereichten weiteren Belegen sei für alle Antragstiere das für die Prämie der 2. AK erforderliche Mindestalter nachgewiesen. Die angekündigte Rückforderung würde sich als Verböserung im Widerspruchsverfahren darstellen, welche nach der Verjährungsvorschrift des Art. 3 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 unzulässig sei. Im Übrigen verkenne die Beklagte die jüngere Rechtsprechung des Nds. OVG, wie sie in dessen Urteilen vom 28. Oktober 2004 (10 LC 153/03 ), vom 14. Dezember 2004 (10 LC 67/02) und vom 22. Februar 2005 (10 LC 157/03) zum Ausdruck komme. Danach könnten Fehler im Bestandsverzeichnis nur dann zur Versagung des Prämienanspruchs führen, wenn sie bei mindestens zwei Kontrollen innerhalb eines Zeitraums von 24 Monaten festgestellt worden seien. Dies ergebe sich aus der - rückwirkend anzuwendenden - Vorschrift des Art. 10c Abs. 2 VO (EG) Nr. 2801/1999.

11

Mit Schreiben vom 20. Juli 2006 reichte der Kläger die Kopie einer weiteren Seite seines Bestandsverzeichnisses (lfd. Nrn. 68 bis 93) zum Verwaltungsvorgang.

12

Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2006 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Abschlusszahlungsbescheid des AfA M vom 08. Juli 1996 zurück. Gleichzeitig verfügte sie, dass der Abschlusszahlungsbescheid vom 08. Juli 1996 insoweit abgeändert werde, als er in Höhe von 1.346,91 EUR (2.634,33 DM) zurückgenommen und ein entsprechender Betrag zuzüglich Zinsen zurückgefordert werde. Aus der Anlage 1 dieses Bescheides geht hervor, dass für alle 24 Antragstiere der 2. AK die Prämie mit der Begründung abgelehnt wurde, der Altersnachweis sei nicht erbracht worden (K 12). Zur Begründung des Widerspruchsbescheides wiederholte die Beklagte ihre Ausführungen aus dem Anhörungsschreiben und ergänzte diese wie folgt:

13

Das Bestandsregister des Klägers aus den Jahren 1991 bis 1995 sei nicht chronologisch und vollständig geführt worden und könne daher als Altersnachweis für die beantragten Tiere nicht herangezogen werden. Einige Zukaufstiere seien auch nach dem Stichtag des 21. Januar 1994, dem Zeitpunkt der Abgabe der Beteiligungserklärung 1994, nicht unverzüglich eingetragen worden. Eine Aufzählung der einzelnen fehlerhaften Eintragungen lasse sich dem Anhörungsschreiben vom 03. Juli 2006 entnehmen. Dabei würden diejenigen Tiere, die vor dem 21. Januar 1994 unchronologisch eingetragen worden seien, dem Kläger nicht entgegengehalten, weil die Pflicht zur chronologischen Eintragung vom Kläger erst ab diesem Zeitpunkt verlangt werden könne. Auch werde an dem Vorhalt, dass Antragstiere im Bestandsregister nicht enthalten seien, nicht mehr festgehalten, so dass es weder zu einer Ablehnung der 1. AK für diese Tiere noch zu Folgesanktionen komme. Es verblieben letztlich 24 Antragstiere der 2. AK, die nicht im Sinne der Prämienvoraussetzungen identifiziert seien. Für diese sei daher die Prämie für die 2. AK zu versagen.

14

Weil die Voraussetzungen für die Gewährung der Rindersonderprämie der 2. AK nicht vorlägen, sei mit der Abschlusszahlung vom 08. Juli 1996 eine Prämie i.H. von 1.346,91 EUR (2.634,33 DM) zu Unrecht bewilligt und ausgezahlt worden. Rechtsgrundlage für die Teil-Rücknahme sei § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG. Die teilweise Rückforderung beruhe auf Art. 14 VO (EWG) Nr. 3887/92. Der Kläger könne dem Rückforderungsverlangen Vertrauensschutzgesichtspunkte nicht entgegenhalten. Die Vorschrift des § 48 VwVfG greife aufgrund des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts im Geltungsbereich des Art. 14 VO (EWG) Nr. 3887/92 nicht ein. Eine Ausnahme von der Rückzahlungspflicht nach Art. 14 Abs. 4 VO (EGW) Nr. 3887/92 bestehe nicht, denn diese gelte nach Abs. 5 dieser Vorschrift nicht für Vorschüsse. Hinsichtlich der mit Abschlussbescheid vom 08. Juli 1996 bewilligten Prämien der 2. AK greife Art. 14 Abs. 4 VO (EWG) Nr. 3887/92 nicht ein. Danach sei nur derjenige Begünstigte schutzwürdig, der seinerseits in jeder Hinsicht ordnungsgemäß gehandelt habe und den der Behörde unterlaufenen Fehler billigerweise nicht habe erkennen können. Ein ordnungsgemäßes Handeln des Klägers liege hier jedoch nicht vor, da er seiner Verpflichtung zur Führung eines ordnungsgemäßen Bestandsregisters nicht nachgekommen sei.

15

Am 04. August 2006 hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er Folgendes geltend macht:

16

Die Rechtsauffassung der Beklagten, die Prämie für die 2. AK allein wegen des vorgeblich fehlerhaften Bestandsregisters zu versagen, sei unzutreffend. Nach der Rechtsprechung des Nds. OVG könnten Fehler im Bestandsverzeichnis gemäß Art. 10c Abs. 2 VO (EWG) Nr. 3887/92 nur dann zu Prämienkürzungen führen, wenn die beanstandeten Versäumnisse hinsichtlich der Bestandsregisterführung bei mindestens zwei Kontrollen innerhalb von 24 Monaten festgestellt worden seien. Die Entscheidung des Nds. OVG vom 23. Juni 2004 (10 LB 33/03), auf welche sich die Beklagte berufe, sei aufgrund der jüngeren Rechtsprechung als überholt anzusehen. Soweit die Beklagte meine, die Vorschrift des Art. 10c Abs. 2 VO (EG) Nr. 3887/92 in der Fassung der VO (EG) Nr. 2801/1999 gelte nur für den Fall der Vor-Ort-Kontrolle, überzeuge dies aus systematischen Gründen nicht. In der vorangehenden Vorschrift des Art. 10b VO (EWG) Nr. 3887/92 werde gleichermaßen die Verwaltungs- und die Vor-Ort-Kontrolle behandelt, jedoch nur bezogen auf Antragstiere. Demgegenüber handle Art. 10c der genannten Verordnung nur von "anderen als den unter Art. 10b fallenden Rindern". Dass dort die Verwaltungskontrolle nicht erwähnt sei, lasse entweder den Schluss zu, dass im Falle der Feststellung von Fehlern bei Nicht-Antragstieren im Rahmen einer Verwaltungskontrolle überhaupt keine Sanktionen möglich seien, oder aber, dass die Einschränkung der Sanktionierung bei Verwaltungskontrollen in gleicher Weise angewendet werden müsse. Aus Art. 39 der VO (EG) Nr. 2419/2001 ergebe sich nichts anderes. Die Sichtweise der Beklagten, die vorgeblichen Fehler im Bestandsverzeichnis führten zu einer Ablehnung aller beantragten Tiere der 2. AK, werde auch dem abgestuften Sanktionssystem in der VO (EWG) Nr. 3887/92 sowie der VO (EG) Nr. 2419/2001 nicht gerecht. Die Sanktionen setzten immer voraus, dass die Anzahl der (vermeintlich) fehlerhaft - oder überhaupt nicht - eingetragenen Rinder zunächst in ein Verhältnis zu denjenigen Tieren gesetzt würden, die ordnungsgemäß eingetragen seien. Es laufe diesen Grundsätzen zuwider, wenn bereits ein einziger Fehler bei der Führung des Bestandsregisters ausreiche, um den gesamten Prämienanspruch für die Tiere der 2. AK zu Fall zu bringen.

17

Jedenfalls aber wäre die im Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2006 verfügte weitergehende Ablehnung der Gewährung von Rindersonderprämien für Tiere der 2. AK - mit der Folge einer zusätzlichen Rückforderung von bereits ausgezahlter Prämie - wegen Verjährung unzulässig. Der Kläger habe die Einrede der Verjährung in seiner Stellungnahme vom 12. Juli 2006 ausdrücklich erhoben. Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 4 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 regele eine Verjährungsfrist von höchstens 8 Jahren für die Verfolgung von Unregelmäßigkeiten. Diese Vorschrift beziehe sich nicht nur auf Sanktionen, sondern erfasse auch die hier erfolgte Rückforderung. Aus Art. 49 Abs. 5 VO (EG) Nr. 2419/2001, der eine Frist von 10 Jahren für Rückforderungen vorsehe, könne die Beklagte zur Stützung ihrer Rechtsauffassung nichts herleiten. Vielmehr ergebe sich daraus, dass jedenfalls die Vorschusszahlung nach mehr als 10 Jahren nicht mehr zurückgefordert werden könne. Soweit Art. 49 Abs. 7 VO (EG) Nr. 2419/2001 anordne, Abs. 5 dieser Vorschrift gelte nicht für Vorschüsse, habe dies hier keine Auswirkungen mehr, da durch den Abschlusszahlungsbescheid die ursprüngliche Vorschusszahlung ihren Charakter als Vorschusszahlung verloren habe. Zudem gelte nach Art. 49 Abs. 5 Unterabs. 2 VO (EG) Nr. 2419/2001 eine verkürzte Verjährungsfrist von 4 Jahren, wenn der Begünstigte in gutem Glauben gehandelt habe. Dies sei hier der Fall. Die Einlegung des Widerspruchs führe auch nicht zu einer Hemmung oder Unterbrechung der Verjährungsfrist, weil Art. 3 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 diese Tatbestände abschließend regle. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe der Kläger auch nicht auf die Einrede der Verjährung verzichtet. Die Musterverfahrensabrede habe lediglich die Frage betroffen, welche Altersnachweise anzuerkennen seien. Vorliegend gehe es jedoch um eine ganz andere Fragestellung. Die Beklagte habe erstmalig nach Ablauf von rund 10 Jahren eine Verböserung im Widerspruchsverfahren vorgenommen, welche sie auf vermeintliche Fehler bei der Bestandsregisterführung gestützt habe. Mit der Musterverfahrensabrede habe die Beklagte keineswegs in die Lage versetzt werden sollen, die seinerzeitige Ablehnung der Prämiengewährung für Tiere der 2. AK nach Durchführung der Musterklagen noch auf vollkommen neue rechtliche Gesichtspunkte zu stützen. Bei Einlegung des Widerspruchs habe in keiner Weise zur Debatte gestanden, dass die Bewilligungsbehörde noch eine Verböserung ihrer Entscheidung, nämlich eine weitergehende Rückforderung, aussprechen könnte.

18

Der Kläger habe einen Anspruch auf Gewährung der Rindersonderprämie für die 2. AK i.H. von 1.325,26 EUR. Zusammen mit den schon im Widerspruchsverfahren eingereichten Altersnachweisen und dem entgegen der Auffassung der Beklagten nicht fehlerhaften Bestandsverzeichnis sei der Altersnachweis für alle hier streitigen Tiere erbracht.

19

Der Kläger beantragt,

den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 27. Juli 2006 aufzuheben, den Abschlusszahlungsbescheid des Amtes für Agrarstruktur M vom 08. Juli 1996 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger weitere Rindersonderprämie und Extensivierungsprämie in Höhe von 1.325,26 EUR nebst Zinsen auf den Betrag von 1.300,00 EUR in Höhe von 0,5% für jeden vollen Monat seit Klagerhebung zu bewilligen.

20

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

21

Sie erwidert: Der Bescheid vom 08. Juli 1996 habe dem Kläger aufgrund teilweise fehlender Altersnachweise zu Recht bestimmte der beantragten Prämien nicht gewährt. In dem vom Kläger vorgelegten Bestandsregister seien auch nach Abgabe der Beteiligungserklärung 1994 eine Vielzahl von Tieren nicht zeitnah nach dem Zugang eingetragen worden. Da das Bestandsregister nicht korrekt sei, beständen Zweifel am Alter der Antragstiere. Mit den vom Kläger vorgelegten Bescheinigungen könnten diese nicht ausgeräumt werden. Nach der Rechtsprechung des Nds. OVG (Urteil vom 23. Juni 2004 - 10 LB 33/03 -) könnten Mängel bei der Führung des Bestandsregisters nicht mit vorgelegten Zukaufsbelegen kompensiert werden. Nur in Fällen, in denen ein Bestandsregister alle erforderlichen Eintragungen aufweise und chronologisch geführt sei und gleichwohl an dessen Inhalt und zeitnaher Erstellung Zweifel beständen, sei es u.U. möglich, andere Informationsquellen heranzuziehen. Hier sei bereits das Bestandsregister fehlerhaft, so dass die Prüfung weiterer Belege ausscheide. Die vom Kläger in Bezug genommene Rechtsprechung des Nds. OVG betreffe eine andere Fallgestaltung.

22

Auch die im Widerspruchsbescheid verfügte Rücknahme sowie die Rückforderung seien rechtmäßig. Insbesondere könne sich der Kläger nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die Tatsache, dass sein Bestandsregister im Rahmen der Verwaltungskontrolle nicht beanstandet worden sei, begründe keinerlei Vertrauensschutz. Im Rahmen der Vor-Ort-Kontrollen würden die Bestandsregister nur stichprobenartig überprüft. Dabei erstrecke sich die Stichprobe ausschließlich auf die vorhandenen und die in den 12 Monaten vor der Vor-Ort-Kontrolle beantragten Tiere. Keinesfalls erfolge eine vollständige Überprüfung aller Eintragungen im Bestandsregister. Ob die konkreten Eintragungen richtig seien und insbesondere den Maßgaben der Rinder- und Schafprämien-Verordnung entsprächen, werde nicht überprüft. Die Vor-Ort-Kontrolle diene nicht dazu, verbindliche Aussagen über die Frage zu treffen, ob Prämien gewährt würden.

23

Entgegen der Auffassung des Klägers unterliege die Rückforderung nicht der Verjährung. Bei Art. 14 VO (EWG) Nr. 3887/92 handle es sich um eine Norm, die den Trägern der öffentlichen Gewalt das Recht gebe, öffentlich-rechtlich in die Rechtsstellung des Bürgers einzugreifen. Solche öffentlich-rechtlichen Eingriffsbefugnisse seien indes keine Ansprüche und unterlägen daher nicht der Verjährung. Im Übrigen lasse die abschließende Regelung des Art. 14 VO (EWG) Nr. 3887/92 keinen Raum für die Anwendung weiterer Verjährungsvorschriften. Unbeschadet dessen sei der Anwendungsbereich des Art. 3 VO (EWG) Nr. 2988/95 nicht eröffnet, denn bei der bloßen Rückforderung zu Unrecht gezahlter Beihilfen handle es sich nicht um eine - der Verjährung unterliegenden - Sanktion. In Art. 49 Abs. 5 VO (EG) Nr. 2419/2001 sei geregelt, dass die Verpflichtung zur Rückzahlung gemäß Abs. 1 der Vorschrift nicht gelte, wenn zwischen dem Tag der Zahlung der Beihilfe und dem Tag, an dem der Begünstigte von der zuständigen Behörde erfahren habe, dass die Beihilfe zu Unrecht gewährt worden sei, mehr als 10 Jahre vergangen seien. Diese 10-Jahres-Frist habe die Beklagte, da die Auszahlung nach dem 08. Juli 1996 erfolgt sei und der Kläger bereits mit Schreiben vom 03. Juli 2006 zu der beabsichtigten Rückforderung angehört worden sei, gewahrt. Selbst wenn hier eine Verjährungsnorm einschlägig wäre und deren Voraussetzungen vorlägen, wäre eine Hemmung der Verjährung dadurch eingetreten, dass der Kläger Widerspruch erhoben habe. Jedenfalls aber wäre die Erhebung der Verjährungseinrede treuwidrig, weil der Kläger sich ausdrücklich mit einer Entscheidung des Widerspruchs nach Abschluss der Musterverfahren einverstanden erklärt habe.

24

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten nebst der hierzu beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie auf die Akten des Parallelverfahrens 6 A 547/07 nebst Beiakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

25

Die Klage hat teilweise Erfolg.

26

Zwar kann der Kläger die begehrte Gewährung einer weiteren Rindersonderprämie für die 2. AK in Höhe von 1.325,26 EUR nicht verlangen (dazu unter I.). Die im Widerspruchsbescheid verfügte Rückforderung i.H. von 1.346,91 EUR sowie die entsprechende Rücknahme der dieser Zahlung zugrunde liegenden Bescheide ist jedoch zu Unrecht erfolgt und war daher aufzuheben (dazu unter II.).

27

I.

Die Ablehnung einer weiteren Rindersonderprämie der 2. AK für das Jahr 1995 in dem Bescheid des AfA vom 08. Juli 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -). Dem Kläger steht ein Anspruch auf Gewährung der Rindersonderprämie für die beantragten Tiere der 2. AK insgesamt nicht zu, so dass eine Bewilligung weiterer Prämien ausscheidet und die Klage insoweit abzuweisen war.

28

1.

Rechtsgrundlage für die Bewilligung von Rindersonderprämie ist vorliegend Art. 4b VO (EWG) Nr. 805/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch (ABl. L 148, 24) - in der Fassung der VO (EWG) Nr. 2066/92 des Rates vom 30. Juni 1992 (ABl. L 215, 49) sowie der VO (EG) Nr. 1884/94 des Rates vom 27. Juli 1994 (ABl. L 197, 27) und der VO (EG) Nr. 2417/95 der Kommission vom 13. Oktober 1995 (ABl. L 248, 39) - . Danach können Erzeuger, die in ihrem Betrieb männliche Rinder halten, auf Antrag eine Sonderprämie für höchstens 90 Tiere der in Absatz 2 genannten Altersklassen erhalten (Art. 4b Abs. 1 VO [EWG] Nr. 805/68). Die Prämie wird höchstens zweimal im Leben jedes männlichen Rindes gezahlt, und zwar zum ersten Mal nach Erreichen eines Alters von 10 Monaten und zum zweiten Mal nach Erreichen eines Alters von 22 Monaten (Art. 4b Abs. 2 Satz 1 VO [EWG] Nr. 805/68). Nach Art. 8 VO (EWG) Nr. 3886/92 der Kommission vom 23. Dezember 1992 (ABl. L 391, 20) in der Fassung der VO (EWG) Nr. 538/93 der Kommission vom 09. März 1993 (ABl. L 57, 19) können die Mitgliedstaaten die Sonderprämie bei der Schlachtung oder bei der ersten Vermarktung der Tiere im Hinblick auf ihre Schlachtung entweder für die 1. oder 2. AK und für beide Altersklassen zusammen (Möglichkeit A) oder für lediglich die 2. AK (Möglichkeit B) gewähren. Der nationale Verordnungsgeber hat sich in § 12 der Rinder- und Schafprämien-Verordnung vom 05. Februar 1993 (BGBl. I, S. 200) in der hier maßgeblichen Änderungsfassung vom 17. Dezember 1994 (BGBl. I, S. 3846) für die Gewährung als Schlachtprämie und die Möglichkeit A entschieden. Damit wird die Sonderprämie für männliche Rinder als Schlachtprämie für die 1. oder 2. AK und für die 1. und 2. AK zusammen gewährt.

29

Dabei ist die Gewährung der Sonderprämie an formelle und materielle Voraussetzungen geknüpft.

30

Nach Art. 5 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3887/92 muss der Beihilfeantrag "Tiere" unbeschadet der in den Verordnungen für die einzelnen Sektoren enthaltenen Vorschriften alle erforderlichen Informationen enthalten, insbesondere die in dieser Vorschrift ausdrücklich genannten Informationen, etwa die Identifizierungsnummer des Betriebsinhabers sowie die Zahl und Art der Tiere, für die eine Beihilfe beantragt wird. Nach Art. 2 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3886/92 enthält jeder Beihilfeantrag für Tiere neben den Angaben, die im Rahmen des integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems vorgesehen sind, zum einen eine Aufschlüsselung der Tiere nach Altersklassen und zum anderen die Verweise auf die amtlichen Begleitdokumente der Tiere, die Gegenstand des Antrags sind.

31

Art. 3 Abs. 1 Satz 1 VO (EWG) Nr. 3886/92 ermächtigt die Mitgliedstaaten, die notwendigen Vorschriften zu erlassen, um sicherzustellen, dass für jedes Tier spätestens von der ersten Prämienbeantragung an ein amtliches Dokument ausgestellt wird. Mit diesem Dokument muss v.a. sichergestellt werden, dass je Tier und je Altersklasse nur eine Prämie gewährt wird (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 VO [EWG] Nr. 3886/92). Nach Art. 3 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 3886/92 ist es den Mitgliedstaaten überlassen, ob sie das Begleitdokument für jedes einzelne Tier oder in der Form einer vom Erzeuger geführten Globalliste vorsehen, in der alle für das amtliche Dokument vorgesehenen Angaben enthalten sind. Für die Gewährung der Prämie kommen gemäß Art. 7 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3886/92 nur Tiere in Betracht, für die ein nationales amtliches Dokument ausgestellt wurde und die nach den einschlägigen nationalen und gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften ordnungsgemäß identifiziert sind. Nach Art. 14 VO (EWG) Nr. 3886/92 muss unbeschadet der im Rahmen des integrierten Systems vorgesehenen Bestimmungen jedes im Betrieb gehaltene männliche Rind mit seiner Identifizierungsnummer spätestens am dritten Tag nach seinem Eintreffen im Betrieb in das besondere Register des Erzeugers eingetragen werden. Der nationale Gesetzgeber hat sich für eine vom Erzeuger zu führende Globalliste entschieden, indem er in § 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 der Rinder- und Schafprämien-Verordnung (RSVO) bestimmt, dass der Erzeuger - wenn er die Sonderprämie beantragen will - für diese Prämienart ein getrenntes Bestandsregister für alle männlichen Rinder des Betriebes zu führen hat, welches für jedes Tier mindestens die in § 5 Abs. 2 RSVO vorgegebenen Angaben enthalten muss. Diese sind

  • die Kennzeichnung nach § 4 RSVO (= Kennzeichnungspflicht für alle männlichen Tiere des Bestandes, die älter als 30 Tage sind, nach § 19a Abs. 1 bis 3 und 5 der Viehverkehrsverordnung, d.h. mit einer - bestimmte Anforderungen erfüllenden - Ohrmarke),

  • bei Ersatz von Ohrmarken die neue Kennzeichnung sowie die Zuordnung der neuen zur verlorengegangenen oder unleserlich gewordenen Kennzeichnung,

  • bei Bestandsveränderungen die Kennzeichnung der betroffenen Tiere nach § 4 unter Angabe des jeweiligen Datums und der Person, von der die betroffenen Tiere übernommen oder an die sie abgegeben worden sind,

  • bei männlichen Rindern deren Geburtsdatum und die Angabe, ob sie kastriert sind.

32

Das Bestandsregister ist für das Kalenderjahr zu führen, für das die in § 1 Nr. 1 bis 3 genannten Prämien - hier also die Sonderprämie für männliche Rinder - beantragt werden sollen (vgl. § 5 Abs. 4 RSVO in der Fassung der 4. Änderungsverordnung).

33

Wird im Bestandsverzeichnis oder in sonstigen Nachweisen, Erklärungen oder Unterlagen als Geburtsdatum eines Tieres die Woche angegeben, so gilt das Tier als am letzten Tag der Woche, wird der Geburtsmonat angegeben, so gilt das Tier als am letzten Tag des Monats geboren (§ 6 RSVO 1993).

34

Aus diesen gemeinschaftsrechtlichen und nationalen Vorschriften ergibt sich für Erzeuger, die eine Sonderprämie beantragen wollen, mit hinreichender Deutlichkeit, dass alle über 30 Tage alten männlichen Rinder des Bestandes zu ihrer Identifizierung mit Ohrmarken zu kennzeichnen sind, alle gekennzeichneten männlichen Tiere mit ihrer erstmaligen Kennzeichnung (Ohrmarke) bzw. bei einem Verlust der Ohrmarke mit der neuen Ohrmarke und deren Zuordnung, Veränderungen des Bestandes mit dem Datum sowie dem Empfänger oder Lieferanten des Tieres und das Geburtsdatum (zumindest aber der Geburtsmonat) der männlichen Tiere sowie die Angabe, ob sie kastriert worden sind, in das Bestandsverzeichnis einzutragen sind (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 24. April 2008 - 10 LB 173/07 -). Auf diese für ihre Beteiligung am Verfahren auf Gewährung einer Sonderprämie zur Identifizierung und Registrierung zu erfüllenden Voraussetzungen sind die Antragsteller für das hier streitige Jahr in Niedersachsen mit dem "Merkblatt für die Gewährung der Sonderprämie für männliche Rinder und der Saisonentzerrungsprämie für Ochsen im Jahr 1995" (Stand: 30. November 1994) hingewiesen worden.

35

Formelle Anspruchsvoraussetzungen für die Bewilligung der Sonderprämie ist danach, dass alle im Betrieb gehaltenen männlichen Tiere mit einer fortlaufenden Nummer, ihrer Ohrmarke nach der Viehverkehrsverordnung, dem Tag des Zugangs (Geburt oder Zukauf), ihrer Herkunft (Name und Adresse des Erzeugers), dem Datum der Geburt (zumindest aber der Geburtsmonat) bei Zukauf, dem Tag des Abganges (Name und Adresse des Käufers des Tieres) und der Angabe, ob die Tiere kastriert sind sowie sonstigen Bemerkungen in das Bestandsverzeichnis aufgenommen worden sind (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 24. April 2008 - 10 LB 173/07 -). Ein ordnungsgemäß geführtes Bestandsverzeichnis ist also formelle Voraussetzung für die Gewährung der Rindersonderprämie (vgl. Nds. OVG, Urteile vom 23. Juni 2004 - 10 LB 165/01, 10 LB 33/03 -, vom 28. April 2008 - 10 LB 173/07 -, VG Lüneburg, Urteile vom 20. November 2007 - 4 A 87/06, 4 A 91/06, 4 A 324/06 -, vom 19. Februar 2008 - 4 A 88/06, 4 A 90/06 - und vom 13. August 2008 - 4 A 315/06 -).

36

Neben den zur Identifizierung und Registrierung der männlichen Rinder für die Beantragung und Gewährung der Sonderprämie formalen Voraussetzungen bestimmt u.a. Art. 15 lit. c) VO (EWG) Nr. 3886/92 in materieller Hinsicht, dass der Haltungszeitraum für Tiere, für die ein Antrag für die 1. AK gestellt wird, zwei Monate vor der Schlachtung oder der ersten Vermarktung der Tiere und für Tiere, für die ein Antrag für beide Altersklassen gestellt wird, vier Monate ab dem ersten Tag des 20. Lebensmonats der Tiere beträgt. Daraus folgt, dass ein Anspruch auf die Gewährung einer Sonderprämie für Tiere der 1. und 2. AK zusammen nur besteht, wenn sie im Zeitpunkt der Vermarktung mindestens 23 Monate alt gewesen sind. Diese Prämienvoraussetzung hat der Antragsteller nach § 11 des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen (MOG) nachzuweisen. Wie der Nachweis im Einzelnen zu führen ist, regeln das Gemeinschaftsrecht und das nationale Recht zwar nicht ausdrücklich. Nach Art. 59 lit. b) VO (EWG) Nr. 3886/92 können die zuständigen Behörden das vom Erzeuger angegebene Alter zugrunde legen, wenn sich das Alter des Tieren anhand von Papieren nicht feststellen lässt. Sie sind jedoch verpflichtet, im Zweifelsfall auch auf andere Informationsquellen zurückzugreifen, insbesondere wenn Anträge auf die Sonderprämie für die 2. AK nicht kastrierter Rinder gestellt werden.

37

Danach wird entsprechend diesen gemeinschaftsrechtlichen Regelungen der Altersnachweis regelmäßig durch die Altersangabe in einem ordnungsgemäßen, den gemeinschaftsrechtlichen und den nationalen Vorschriften entsprechenden Bestandsverzeichnis geführt, wenn sich das Alter anhand von Papieren (z.B. Zuchtbuch) nicht feststellen lässt (Nds. OVG, Urteil vom 24. April 2008 - 10 LB 173/07 -). Entspricht das von dem jeweiligen Antragsteller vorgelegte Bestandsregister nicht den maßgeblichen Anforderungen, so ist der Altersnachweis nicht geführt. Dieser Mangel kann auch nicht mit anderen Nachweisen über die Haltung und das Alter der Tiere im Zeitpunkt der Schlachtung oder Vermarktung kompensiert werden (Nds. OVG, Urteile vom 24. April 2008 - 10 LB 173/07 - und vom 23. Juni 2004 - 10 LB 33/03 -). Nur in einem Zweifelsfall - d.h. wenn das Bestandsregister zwar alle erforderlichen Eintragungen aufweist und chronologisch geführt worden ist, gleichwohl aber an dessen Inhalt und zeitnaher Erstellung Zweifel bestehen - sind die zuständigen Behörden verpflichtet, auch auf andere Informationsquellen zurückzugreifen (Nds. OVG, Urteile vom 24. April 2008 - 10 LB 173/07 - und vom 23. Juni 2004 - 10 LB 33/03 -). Als solche kommen z.B. im Falle des Zukaufs entsprechende Erklärungen der Kälbererzeuger in Betracht, die wegen des späteren Verlangens der zuständigen Behörde regelmäßig nicht zeitnah zur Geburt der Tiere ausgestellt sein können (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 28. April 2004 - 10 LB 3968/01 -).

38

Nach alledem bleibt festzuhalten, dass dem nach den genannten Vorgaben zu führenden Bestandsverzeichnis für die Gewährung der Sonderprämie und die Überprüfung der Antragsvoraussetzungen sowohl nach dem Gemeinschaftsrecht als auch nach dem nationalen Recht eine zentrale Bedeutung zukommt (vgl. Nds. OVG, Urteile vom 28. April 2004 - 10 LB 3968/01 -, vom 23. Juni 2004 - 10 LB 165/01 - und vom 24. April 2008 - 10 LB 173/07 -). Ein ordnungsgemäß geführtes Bestandsregister ist formelle Voraussetzung für die Gewährung der Rindersonderprämie und zugleich maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Überprüfung des Altersnachweises als materiell-rechtliche Prämienvoraussetzung.

39

2.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe sind im Falle des Klägers weder die formellen noch die materiellen Prämienvoraussetzungen erfüllt, so dass ihm ein Anspruch auf Zuerkennung der Rindersonderprämie 1995 für die 2. AK insgesamt nicht zusteht.

40

Der Kläger hat ein ordnungsgemäß geführtes - d.h. ein den gemeinschaftsrechtlichen und den nationalen Anforderungen entsprechendes - Bestandsverzeichnis nicht vorgelegt.

41

Das Bestandsregister des Klägers ist zum einen insoweit fehlerhaft, als es an einzelnen der vorstehend aufgeführten notwendigen Angaben fehlt. So weist das Bestandsverzeichnis hinsichtlich des Antragstieres der 2. AK aus dem Antrag vom 25. Januar 1995 mit der lfd. Nr. 58 (Ohrmarkennr. 3500 3067) weder den Tag des Abgangs des Tieres noch dessen Käufer aus (Bl. 101 der Beiakte A), wie es nach § 5 Abs. 2 RSVO erforderlich wäre. Dem Kläger ist die Vornahme dieser Eintragungen auch möglich gewesen. Ausweislich der Schlachtbescheinigung der Schlachthof GmbH O ist das Tier mit der o.g. Ohrmarkennr. am 25. Oktober 1994 geschlachtet worden (Bl. 43 der Beiakte A). Der Kläger hat die Kopie seines Bestandsregisters jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich gemeinsam mit der Beteiligungserklärung 1995 am 25. Januar 1995, zu den Akten gereicht. Auch hinsichtlich der Antragstiere aus dem Antrag vom 25. Januar 1995 mit den lfd. Nrn. 63 (Ohrmarkennr. 3500 3074) und 67 (Ohrmarkennr. 3554 5051) ist das Bestandsverzeichnis nicht vollständig. Obwohl beide Tiere am 16. Dezember 1994 geschlachtet worden sind (Bl. 51 der Beiakte A) - also zu einem Zeitpunkt vor Einreichung des Bestandsregisters -, enthält das Register bei beiden Tieren weder ein Abgangsdatum noch ist der Käufer eingetragen worden (Bl. 101 der Beiakte A).

42

Darüber hinaus ist das Bestandsregister auch insoweit fehlerhaft, als der Kläger die Verpflichtung des Art. 14 VO (EWG) Nr. 3886/92 nicht eingehalten hat. Dies folgt daraus, dass die Eintragung der Tiere nicht durchgehend chronologisch erfolgt ist. So sind die Zukaufstiere mit den lfd. Nrn. 104 und 105 (Antragstier des Antrags vom 28. August 1995) - zugegangen am 27. August 1993 - nach 4 Tieren eingetragen, welche zwischen dem 06. und dem 18. September 1993 geboren wurden (Tiere mit den lfd. Nrn. 99 bis 103). Bei chronologischer Eintragung hätten die Tiere mit den lfd. Nrn. 104 und 105 vor die lfd. Nr. 99 gehört (s. Bl. 100 der Beiakte A). Auch die Zukaufstiere mit den lfd. Nrn. 106 bis 108 - zugegangen am 04. bzw. 10. September 1993 - sind hinter Tieren eingetragen, die später zugegangen sind (z.B. hinter dem am 18. September 1993 geborenen Tier mit der lfd. Nr. 103, vgl. Bl. 100 der Beiakte A). Die Zukaufstiere mit den lfd. Nrn. 128 und 129 - zugegangen am 19. November 1993 - sind später eingetragen worden als die Tiere mit den lfd. Nrn. 126 und 127, die am 11. bzw. 15. Dezember 1993 geboren worden sind (vgl. Bl. 98 der Beiakte A). Die Pflicht aus Art. 14 VO (EWG) 3886/92 zur Eintragung jedes männlichen Rindes spätestens am dritten Tag nach seinem Eintreffen im Betrieb bestand gemäß Art. 61 Unterabs. 2 VO (EWG) 3886/92 seit dem 01. Januar 1993.

43

Die fehlende Chronologie im Bestandsverzeichnis beschränkt sich indes nicht auf im Jahr 1993 zugegangene Tiere, sondern betrifft auch Eintragungen von Tieren, die in den Folgejahren zugegangen sind. Der Kläger hat nach dem 21. Januar 1994 - dem Zeitpunkt der Abgabe der Beteiligungserklärung 1994 (Bl. 2 der Beiakte A) - Eintragungen wiederholt nicht entsprechend dem Zugang zeitlich geordnet vorgenommen. So sind 17 am 17. Januar 1995 zugegangene Zukaufstiere (lfd. Nrn. 170 bis 186) zeitlich nach 2 Tieren eingetragen, welche später - nämlich am 19. und am 22. Januar 1995 - per Geburt in den klägerischen Betrieb gelangt sind (Tiere mit den lfd. Nrn. 168 und 169, vgl. Bl. 91 der Beiakte A). Ferner sind die Zukaufstiere mit den lfd. Nrn. 194 bis 199 - zugegangen am 13. März 1995 - nach den (zeitlich später zugegangen) Tieren mit den lfd. Nrn. 192 und 193 (Zugang durch Zukauf am 21. März 1995) aufgelistet (Bl. 92 der Beiakte A). Auch die am 21. März 1995 zugegangenen Zukaufstiere mit den lfd. Nrn. 201 und 202 sind nach einem zeitlich später zugekauften Tier (lfd. Nr. 200, Zugang am 27. März 1995) eingetragen (Bl. 92 der Beiakte A). Das Zukaufstier mit der lfd. Nr. 256 (Zugang am 15. September 1995) ist nach drei am 27. Dezember 1995 zugegangenen Zukaufstieren (lfd. Nrn. 253 bis 255) eingetragen (Bl. 65 der Beiakte A zu 6 A 547/07). Die Eintragung ist demnach über 3 Monate zu spät erfolgt. Auch die Zukaufstiere mit den lfd. Nrn. 257 (Zugang am 02. Dezember 1995) und 258 (Zugang am 15. Dezember 1995) sind zeitlich nach den - später zugekauften - Tieren mit den Nrn. 253 bis 255 eingetragen worden (Bl. 94 der Beiakte A).

44

Nach alledem weist das Bestandsregister eine Vielzahl von Fehlern auf, so dass es insgesamt nicht ordnungsgemäß geführt worden ist. Damit liegen die formellen Voraussetzungen für die Gewährung der streitgegenständlichen Prämie nicht vor. Gleichzeitig hat der Kläger auch die jeweils erforderlichen Altersnachweise nicht erbracht. Soweit er sich auf vorgelegte Zukaufsbelege etc. beruft, vermag er hiermit den Altersnachweis nicht zu führen. Mängel bei der Führung des Bestandsverzeichnisses können nicht mit anderen Nachweisen über die Haltung und das Alter der Tiere im Zeitpunkt der Schlachtung oder Vermarktung kompensiert werden (Nds. OVG, Urteile vom 24. April 2008 - 10 LB 173/07 - und vom 23. Juni 2004 - 10 LB 33/03 -).

45

3.

Der Kläger kann sich unter Hinweis auf die von ihm zitierte Rechtsprechung des Nds. OVG auch mit Rücksicht auf das Günstigkeitsprinzip (Art. 2 Abs. 2 VO [EG, EURATOM] Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995) nicht mit Erfolg auf Art. 10c Abs. 2 VO (EWG) Nr. 3887/92 in der Fassung der VO (EG) Nr. 2801/1999 der Kommission von 21. Dezember 1999 berufen, wonach bei Fehlern oder Versäumnissen betreffend die Eintragungen in das Register eine Kürzung gemäß Abs. 1 der Vorschrift nur vorgenommen wird, wenn derartige Tatbestände bei mindestens zwei Kontrollen innerhalb eines Zeitraums von 24 Monaten festgestellt worden sind.

46

Diese Regelung betrifft eine andere Fallgestaltung als die hier vorliegende. Art. 10c Abs. 2 VO (EWG) Nr. 3887/92 in der Fassung der VO (EG) Nr. 2801/1999 nimmt Bezug auf Art. 10c lit. b) VO (EWG) Nr. 3887/92 in der Fassung der VO (EG) Nr. 2801/1999. Danach wird bei anderen als den unter Art. 10b fallenden Rindern - d.h. bei Nichtantragstieren -, sofern im Rahmen einer Vor-Ort-Kontrolle festgestellt wird, dass die Anzahl der im Betrieb anwesenden Tiere, die für eine Gemeinschaftsbeihilfe in Betracht kommen oder von Bedeutung sind, nicht der Anzahl der im Register des Betriebsinhabers gemäß Art. 7 VO (EG) Nr. 820/97 geführten Tiere entspricht, der Gesamtbetrag der Beihilfe, die dem Antragsteller im Rahmen der betreffenden Beihilferegelung innerhalb der zwölf Monate vor der Vor-Ort-Kontrolle, bei der dieser Tatbestand festgestellt wurde, gewährt wurde, außer im Fall höherer Gewalt entsprechend gekürzt. Im Streitfall geht es aber nicht um eine fehlende Übereinstimmung der Anzahl der im Betrieb vorhandenen Tiere mit der Anzahl der im Bestandsregister eingetragenen Tiere. Gleiches gilt für die Vorschrift des Art. 39 Abs. 1 i.V. mit Art. 36 Abs. 4 lit. b) VO (EG) Nr. 2419/2001 der Kommission vom 11. Dezember 2001, die sich ebenfalls nur auf Nichtantragstiere bezieht.

47

Im Übrigen knüpft diese Sanktionsvorschrift - ebenso wie Art. 10c Abs. 2 VO (EWG) Nr. 3887/92 in der Fassung der VO (EG) Nr. 2801/1999 - an die Eintragung für das jeweilige Tier an und hat nicht das Register als Ganzes im Auge (VG Lüneburg, Urteile vom 20. November 2007 - 4 A 87/06 und 91/06 -, vom 19. Februar 2008 - 4 A 88/06 und 90/06 -; vgl. auch Nds. OVG, Urteil vom 28. Oktober 2004 - 10 LC 153/03 -). Die hier in Frage stehende ordnungsgemäße Führung des Bestandsregisters ist - als formelle Voraussetzung des Prämienanspruchs - der sich im Einzelfall ggf. anschließenden Frage einer Sanktion aufgrund von Unregelmäßigkeiten bei der Eintragung von einzelnen Tieren vorgelagert (VG Lüneburg, a.a.O.).

48

4.

Der Kläger kann auch aus der früheren Bewilligungspraxis der Bewilligungsbehörden - Rindersonderprämie 1993 und 1994 - keinen Anspruch auf die Gewährung einer Sonderprämie für die 2. AK für das Jahr 1995 herleiten. Sein Vortrag, die Beklagte habe die Anforderungen an die Bewilligung der Rinderprämie verschärft, an die Bestandsregister sei zum damaligen Zeitpunkt die Anforderung der Eintragung in der zeitlichen Reihenfolge der Geburten bzw. Zugänge im Betrieb nicht gestellt worden, greift nicht durch. Die Pflicht zur Eintragung in das Bestandsregister spätestens am dritten Tag nach Zugang des Rindes aus Art. 14 VO (EWG) Nr. 3886/92 bestand - wie dargelegt - bereits seit dem 01. Januar 1993. Die Verpflichtung der ordnungsgemäßen Führung eines Bestandsregisters aufgrund der Regelung in § 5 RSVO in der Fassung vom 05. Februar 1993 (BGBl. I, S. 200) galt seit Februar 1993. Auf beide Verpflichtungen wurde in den in der fraglichen Zeit vorhandenen Merkblättern hingewiesen. So heißt es in dem "Merkblatt für die Gewährung der Sonderprämie für männliche Rinder und der Saisonentzerrungsprämie für Ochsen im Jahr 1995", Stand: 30. November 1994, unter dem Punkt "5. Bestandsverzeichnis":

"Sie müssen ein Bestandsverzeichnis führen, in das alle im Betrieb gehaltenen männlichen Rinder, die älter als 30 Tage sind, einzutragen sind. Die Eintragung muss spätestens am dritten Tag nach dem Zugang erfolgt sein. Das Bestandsverzeichnis hat mindestens folgende Angaben zu enthalten:
- Tag des Zugangs (Zukauf oder Geburt)
- Vorbesitzer des Tieres
- Geburtsdatum
- Ohrmarkennummer
- bei Ohrmarkenersatz (Nachkennzeichnung) die neue Ohrmarkennummer
- Tag des Abgangs
- Abnehmer des Tieres
- Angabe, ob Bulle oder Ochse.

Das Bestandsverzeichnis hat im Rahmen der Gewährung der Schlachtprämie eine besondere Bedeutung für die (örtliche) Kontrolle:

Deshalb ist es unbedingt erforderlich, dass das Bestandsverzeichnis stets einen aktuellen Stand aller oben angegebenen Tiere aufweist."

49

Unabhängig davon kann eine Bewilligungspraxis aus willkürfreien, d.h. sachlichen Gründen geändert werden. Nach der Beanstandung der Verwaltungspraxis der deutschen Bewilligungsbehörden durch die Europäische Kommission bestand für diese Anlass, die bisherige Bewilligungspraxis zu überprüfen (vgl. Nds. OVG, Urteile vom 23. Juni 2004 - 10 LB 33/03 und 165/01 -). Eine unzulässige, rückwirkende Verschärfung der Anspruchsvoraussetzungen ist damit nicht verbunden. Die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Führung eines Bestandsregister nach Maßgabe der genannten Vorgaben bestand - wie bereits ausgeführt - seit Januar bzw. Februar 1993. Vom Kläger werden mithin nicht nachträglich Angaben verlangt, zu denen er nicht schon vorher verpflichtet war (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 24. April 2008 - 10 LB 173/07 -). Aus diesem Grunde kann sich der Kläger auch nicht auf das Ergebnis der Vor-Ort-Kontrolle vom 21. Juni 1995 berufen, denn dieser lag offenbar noch die bisherige Überprüfungspraxis zugrunde. Dessen ungeachtet ist im Rahmen dieser Kontrolle das Bestandsregister im Hinblick auf die Tiere des Antrags vom 25. Januar 1995 überprüft worden, nicht jedoch die Ordnungsgemäßheit des Bestandsregisters als Ganzes.

50

II.

Der Kläger dringt mit seinem Klagebegehren insoweit durch, als er sich gegen die im Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 27. Juli 2006 erstmals verfügte Rückforderung bereits ausgezahlter Rindersonderprämie 1995 für die 2. AK wendet. Soweit der Widerspruchsbescheid ein Rückforderungsverlangen in Höhe von 1.346,91 EUR (2.634,33 DM) enthält und die zugrundeliegenden Bescheide in dieser Höhe zurücknimmt, ist er rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Klage war daher im tenorierten Umfange stattzugeben (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1, § 79 Abs. 2 Satz 1 VwGO).

51

Zunächst ist festzuhalten, dass der Widerspruchsbescheid nicht nur - wie im Widerspruchstenor ausdrücklich benannt - eine teilweise Rücknahme des Abschlusszahlungsbescheides des AfA M vom 08. Juli 1995 enthält, sondern auch eine entsprechende Teilrücknahme des Bescheides des AfA M über die Vorschusszahlung vom 15. Dezember 1995. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass die Beklagte auf Seite 4 des Widerspruchsbescheides mit der Vorschrift des Art. 14 Abs. 5 VO (EWG) Nr. 3887/92 argumentiert, welche Einschränkungen des Vertrauensschutzes im Hinblick auf die Rückforderung von Vorschüssen zum Gegenstand hat.

52

Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Bescheide, soweit darin Zahlungen für die Rindersonderprämie der 2. AK gewährt worden sind, ist § 10 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen und Direktzahlungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Juni 2005 (BGBl. I, S. 1847), die die Änderungen des Gesetzes seit der Bekanntmachung vom 20. September 1995 bis zum 01. September 2004 berücksichtigt - MOG -. Da das EG-Recht für den (indirekten) Vollzug des Gemeinschaftsrechts durch nationale Behörden keine allgemeinen Regelungen zur Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten kennt, ist - sofern keine speziellen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts bestehen - grundsätzlich nationales Recht anwendbar. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG sind rechtswidrige begünstigende Bescheide in den Fällen der §§ 6 und 8 MOG, auch nachdem sie unanfechtbar geworden sind, zurückzunehmen; §§ 48 Abs. 2 bis 4 und § 49a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) sind anzuwenden. Die Rückforderung einer zu Unrecht gewährten Beihilfe findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 14 Abs. 1 VO (EG) Nr. 3887/92 i.V. mit § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG, § 49a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwVfG.

53

Zwar liegen die Voraussetzungen für eine Teil-Rücknahme sowie ein entsprechendes Rückzahlungsverlangen vor (dazu unter 1.). Der Kläger kann sich insoweit jedoch auf Verjährung berufen (dazu unter 2.).

54

1.

Die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Vorschuss- und des Abschlusszahlungsbescheides in Höhe der für die 2. AK bewilligten Prämie (1.346,91 EUR) liegen vor. Bei den genannten Bescheiden handelt es sich um begünstigende Verwaltungsakte, die einen Fall im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 MOG betreffen. Diese sind auch rechtswidrig, weil dem Kläger - wie vorstehend unter I. ausgeführt - für das Antragsjahr 1995 die Bewilligung der Rindersonderprämie für die 2. AK insgesamt nicht zustand.

55

Der Kläger kann sich gegenüber der Rücknahme der genannten Bescheide auch nicht auf Vertrauensschutz berufen.

56

Ein - ggf. den nationalen Bestimmungen vorgehender - Vertrauensschutz auf der Grundlage gemeinschaftsrechtlicher Regelungen steht dem Kläger nicht zur Seite. Die hier in Betracht kommende Vorschrift des Art. 14 Abs. 4 VO (EWG) Nr. 3887/92 in der Fassung der VO (EG) Nr. 1678/98 der Kommission vom 29. Juli 1998 (ABl. L 212, 23) vermittelt dem Kläger keinen Vertrauensschutz. Diese im Jahr 1998 in Kraft getretene Vorschrift ist vorliegend nicht anwendbar. Die Anwendung kommt allein nach Art. 2 Abs. 2 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 312, 1) in Betracht. Nach dieser Vorschrift gelten bei späterer Änderung der in einer Gemeinschaftsregelung enthaltenen Bestimmungen über verwaltungsrechtliche Sanktionen die weniger strengen Bestimmungen rückwirkend (sog. Günstigkeitsprinzip). Hier geht es jedoch nicht um eine verwaltungsrechtliche Sanktion im Sinne von Art. 5 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95, sondern um die Rückerstattung des aufgrund einer Unregelmäßigkeit rechtswidrig erlangten Geldbetrages und damit um eine verwaltungsrechtliche Maßnahme im Sinne des Art. 4 Abs. 1 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95. Die in Art. 4 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 vorgesehenen Maßnahmen stellen nach Abs. 5 der Vorschrift keine Sanktionen dar. Art. 14 VO (EG) Nr. 3887/92 enthält deshalb keine Vorschriften über Sanktionen, soweit er Verfahrensregelungen zur bloßen Rückführung zu Unrecht gezahlter Zuwendungen bestimmt.

57

Im Übrigen liegen die Voraussetzungen des Art. 14 VO (EG) Nr. 3887/92 auch nicht vor. Der Umstand, dass der Vorschussbescheid sowie der Auszahlungsbescheid rechtswidrig sind (s.o.), führt dazu, dass der Kläger i.S. von Art. 14 Abs. 1 VO (EG) Nr. 3887/92 "zu Unrecht gezahlte Beträge" erhalten hat. Insoweit trifft ihn nach dieser Vorschrift die Pflicht, diese Beträge zurückzuzahlen. Die Verpflichtung zur Rückzahlung zu Unrecht gezahlter Beträge gilt nach Art. 14 Abs. 4 Unterabs. 1 VO (EWG) Nr. 3887/92 nicht, wenn die Zahlung auf einen Irrtum der zuständigen Behörde oder einer anderen Behörde zurückzuführen ist, der vom Betriebsinhaber, der seinerseits in gutem Glauben gehandelt und alle Bestimmungen der geltenden Verordnung eingehalten hat, billigerweise nicht erkannt werden konnte. Auf Vertrauensschutz nach dieser Vorschrift kann der Kläger sich bezüglich der auf der Grundlage des Vorschussbescheides vom 15. Dezember 1995 geleisteten Vorschusszahlung nicht berufen, weil die Vorschrift hinsichtlich der Rückforderung zu Unrecht gezahlter Vorschüsse gemäß Art. 14 Abs. 5 VO (EWG) Nr. 3887/92 keine Anwendung findet. Im Hinblick auf die auf der Grundlage des Abschlusszahlungsbescheides vom 08. Juli 1996 gezahlten Prämien für die 2. AK liegen die Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 4 Unterabs. 1 VO (EWG) Nr. 3887/92 nicht vor. Da der Kläger die Bestimmung des Art. 14 VO (EWG) Nr. 3886/92, jedes im Betrieb gehaltene männliche Rind mit seiner Identifizierungsnummer spätestens am dritten Tag nach seinem Eintreffen im Betrieb in das besondere Register des Erzeugers einzutragen, sowie die Voraussetzungen nach § 5 RSVO nicht befolgt hat, hat er nicht alle maßgeblichen Bestimmungen eingehalten, so dass ihm ein Vertrauensschutz aus Art. 14 Abs. 4 Unterabs. 1 VO (EWG) Nr. 3887/92 nicht zur Seite steht.

58

Gemäß Art. 14 Abs. 1 VO (EG) Nr. 3887/92 i.V.m. §§ 10 Abs. 1 Satz 1 MOG, 49 a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwVfG ist der Begünstigte bei zu Unrecht gezahlten Beträgen zu deren Rückzahlung verpflichtet. Gegenüber der Rückforderung kann sich der Kläger nicht auf Vertrauensschutz gemäß Art. 14 Abs. 4 VO (EWG) Nr. 3887/92 berufen; insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen.

59

2.

Der Kläger kann sich gegenüber dem Rückforderungsverlangen der Beklagten sowie den entsprechenden Teilrücknahmen der der Zahlung zugrundeliegenden Bescheide jedoch auf Verfolgungsverjährung gemäß Art. 3 Abs. 1 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 berufen.

60

Nach Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 beträgt die Verjährungsfrist für die Verfolgung vier Jahre ab Begehung der Unregelmäßigkeit nach Artikel 1 Abs. 1 dieser Vorschrift. Bei andauernden oder wiederholten Unregelmäßigkeiten beginnt die Verjährungsfrist an dem Tag, an dem die Unregelmäßigkeit beendet wird (Unterabs. 2). Die Verfolgungsverjährung wird durch jede der betreffenden Person zur Kenntnis gebrachte Ermittlungs- oder Verfolgungshandlung der zuständigen Behörde unterbrochen (Unterabs. 3). Die Verjährung tritt jedoch spätestens zu dem Zeitpunkt ein, zu dem eine Frist, die doppelt so lang ist wie die Verjährungsfrist, abläuft, ohne dass die zuständige Behörde eine Sanktion verhängt hat; ausgenommen sind Fälle, in denen das Verwaltungsverfahren gemäß Artikel 6 Absatz 1 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 ausgesetzt worden ist (Unterabs. 4).

61

Art. 3 Abs. 1 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 gilt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sowohl für solche Unregelmäßigkeiten, die zur Verhängung einer Sanktion im Sinne von Art. 5 der Verordnung führen, als auch für diejenigen, die Gegen-stand einer verwaltungsrechtlichen Maßnahme im Sinne von Art. 4 sind, die den Entzug des rechtswidrig erlangten Vorteils bewirken soll, aber nicht den Charakter einer Sanktion hat (EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 - C-278/07 u.a. -). Dies ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 UnterAbs. 1 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95, der für die Verfolgung eine Verjährungsfrist festsetzt, die ab Begehung der Unregelmäßigkeit läuft, wobei der Tatbestand der Unregelmäßigkeit gemäß Art. 1 Abs. 2 der Verordnung "bei jedem Verstoß gegen eine Gemeinschaftsbestimmung als Folge einer Handlung oder Unterlassung eines Wirtschaftsteilnehmers gegeben [ist], die einen Schaden für den Gesamthaushaltsplan der Gemeinschaften ... bewirkt hat bzw. bewirkt haben würde ..." (EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 - C-278/07 u.a. - ). Für den Tatbestand der Unregelmäßigkeit und damit für die Anwendbarkeit der in Art. 3 Abs. 1 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 geregelten Verjährungsfrist kommt es mithin nicht darauf an, ob die Unregelmäßigkeit eine Sanktion oder - wie hier - eine verwaltungsrechtliche Maßnahme im Sinne der Rückforderung des rechtswidrig erlangten Vorteils zur Folge hat. Das dem Kläger zur Last gelegte nicht ordnungsgemäße Führen des Bestandsregisters und der Umstand, dass er einen Antrag für Rinder gestellt hat, für die er das erforderliche Alter nicht nachgewiesen hat, stellt eine Unregelmäßigkeit im Sinne von Art. 1 Abs. 2 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 dar (EuGH, Urteil vom 01. Juli 2004 - C-295/02 - ; Nds. OVG, Urteil vom 28. Oktober 2004 - 10 LC 153/03 - ), auf die die Verjährungsvorschrift des Art. 3 der Verordnung Anwendung findet. Dafür ist es unerheblich, dass gemäß deren Art. 11 Abs. 1 die VO Nr. 2988/95 erst am 26. Dezember 1995 - dem dritten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - in Kraft getreten ist. Denn die in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 2988/95 geregelte Verjährungsfrist ist auf Unregelmäßigkeiten, die vor Inkrafttreten dieser Verordnung begangen worden sind, ebenso anwendbar und beginnt in einem solchen Fall ab dem Zeitpunkt der Begehung der fraglichen Unregelmäßigkeit zu laufen (EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 - C-278/07 u.a. - ).

62

Die Kammer kann offenlassen, ob die Verjährung i.S. von Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 3 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 durch Ermittlungs- und Verfolgungshandlungen des Funktionsvorgängers der Beklagten oder durch die Zustimmung des Klägers, über seinen Widerspruch erst nach Abschluss der sog. Musterverfahren zu entscheiden, unterbrochen worden ist. Denn die Verjährung tritt spätestens ein, nachdem eine Frist, die doppelt so lang ist wie die vierjährige Verjährungsfrist, abgelaufen ist, ohne dass die Behörde eine Sanktion verhängt hat (Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 4 VO [EG, EURATOM] Nr. 2988/95). Diese Frist ist hier verstrichen. Sieht man die nicht ordnungsgemäße Führung des Bestandsregisters durch den Kläger als wiederholte Unregelmäßigkeit an, so wurde diese Unregelmäßigkeit mit der letzten Antragstellung zur Rindersonderprämie 1996 am 30. Dezember 1996 beendet. Seit dem Jahr 1997 ist die Führung des Bestandsregisters nicht mehr beanstandet worden. Die 8-jährige Frist lief demnach am 30. Dezember 2004 ab und war bei Erlass des Widerspruchsbescheides am 27. Juli 2006 bereits verjährt.

63

Die Beklagte kann sich nicht auf die 10-Jahres-Frist des Art. 49 Abs. 5 Unterabs. 1 VO (EG) Nr. 2419/2001 berufen. Letztere tritt hier angesichts der höherrangigen Regelung des Art. 3 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 zurück.

64

Die Vorschrift des Art. 3 Abs. 3 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95, nach der die Mitgliedstaaten die Möglichkeit behalten, eine längere als die in Absatz 1 bzw. Absatz 2 vorgesehene Frist anzuwenden, steht dem Eintritt der Verjährung nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift können die Mitgliedstaaten zum einen längere Verjährungsfristen, die zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Verordnung bestanden, weiter anwenden, und zum anderen nach diesem Zeitpunkt neue Verjährungsregelungen mit längeren Fristen einführen (EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 - C-278/07 u.a. - ). Auch sind die Mitgliedstaaten im Rahmen dieser Bestimmung nicht verpflichtet, die betreffenden längeren Verjährungsfri-sten in spezifischen und/oder sektorbezogenen Regelungen vorzusehen, vielmehr können sich die längeren Verjährungsfristen auch aus Auffangregelungen ergeben (EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 - C-278/07 u.a. - ). Die Vorlagefrage zu der vorstehend in Bezug genommenen Vorabentscheidung betraf die Anwendung der regelmäßigen Verjährungsfrist des BGB (vgl. BFH, Beschluss vom 27. März 2007 - VII R 24/06 - ).

65

Auch bei Zugrundelegung der regelmäßigen Verjährungsfrist, die nach § 195 BGB in der bis zum Ende des Jahres 2001 geltenden Fassung dreißig Jahre betrug, ist nunmehr Verjährung eingetreten. Nach § 195 BGB in der seit dem 01. Januar 2002 geltenden Fassung (BGBl. I, S. 42) wurde die regelmäßige Verjährungsfrist auf drei Jahre verkürzt. Nach der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB finden die Vorschriften des BGB in ihrer neuen Fassung auf die an diesem Tag bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche Anwendung. Nach Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB wird die in der Neufassung des BGB geregelte Verjährungsfrist, sofern diese kürzer ist als die Verjährungsfrist nach der alten Rechtslage, vom 01. Januar 2002 an berechnet. Selbst bei Anwendung dieser Vorschriften trat demnach mit Ablauf des Jahres 2004 Verjährung ein.

66

Eine Unterbrechung der Verjährung ist nicht erfolgt. Zu einer solchen kann es gemäß Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 4 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 nur kommen, wenn die Behörde vor Ablauf der Verjährungsfrist eine Sanktion verhängt hat oder das Verwaltungsverfahren nach Art. 6 Abs. 1 - Einleitung eines Strafverfahrens gegen die betreffende Person - ausgesetzt worden ist. Beides ist hier nicht der Fall.

67

Vorschriften des nationalen Rechts zur Hemmung oder zum Neubeginn der Verjährung sind neben Art. 3 Abs. 1 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 nicht anwendbar. Nach Art. 3 Abs. 3 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 behalten die Mitgliedstaaten neben der in dieser Verordnung getroffenen Rahmenregelung lediglich die Möglichkeit, eine längere als die in Absatz 1 bzw. Absatz 2 vorgesehene Frist für die Verjährung anzuwenden. Die Möglichkeit, zusätzliche Tatbestände der Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung vorzusehen, wird den Mitgliedstaaten im Rahmen der in Art. 3 Abs. 1 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 geregelten Verfolgungsverjährung nicht eingeräumt. Dies ergibt sich auch aus Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95, der für die Verjährung in Bezug auf die Vollstreckung vorsieht, dass die Fälle der Unterbrechung und der Aussetzung durch die einschlägigen Bestimmungen des einzelstaatlichen Rechts geregelt werden. An einer entsprechenden Ermächtigung für die Verfolgungsverjährung fehlt es.

68

Der Kläger kann sich auf den Eintritt der Verfolgungsverjährung berufen. Die Einrede der Verjährung stellt keine unzulässige Rechtsausübung dar. Das AfA war durch die Abrede, den Ausgang der "Musterverfahren" abzuwarten, nicht daran gehindert, eine weitergehende (Teil-)Rücknahme und -Rückforderung der Bewilligungsbescheide innerhalb der 8-jährigen Verjährungsfrist vorzunehmen.

69

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird gemäß §§ 52 Abs. 3, 39 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) auf

2.672,17 EUR

festgesetzt (Nachforderung i.H. von 1.325,26 EUR + Rückforderung i.H. von 1.346,91 EUR).

Gärtner
Dr. Drews
Struhs