Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 26.03.2009, Az.: 6 A 547/07

Antrag auf Rindersonderprämie durch den Erzeuger bei Haltung von männlichen Rindern einer bestimmten Altersklasse; Ermächtigung der Mitgliedstaaten zum Erlass der notwendigen Vorschriften und Ausstellung eines amtlichen Dokuments für jedes Tier bei Beantragung der ersten Prämie; Entscheidung des nationalen Gesetzgebers für eine vom Erzeuger zu führende Globalliste und Führung eines Bestandsregisters mit entsprechenden Angaben bei Beantragung der Sonderprämien; Dauerhafte Kennzeichnung der Rinder durch eine von der zuständigen Behörde erteilten offenen Ohrmarke; Eintragung der im Bestand befindlichen Tiere in das Bestandsregister unter Berücksichtigung der Geburten, Todesfälle sowie sonstige Zu- und Abgänge; Ordnungsgemäß geführtes Bestandsverzeichnis als formelle Voraussetzung für die Gewährung der Rindersonderprämie; Nachweis der Prämienvoraussetzung durch den Antragsteller bei Vorliegen des Alters der Tiere von mindestens 24 Monaten im Zeitpunkt der Vermarktung; Geltung des Günstigkeitsprinzips bei späterer Änderung der in einer Gemeinschaftsregelung enthaltenen Bestimmungen über verwaltungsrechtliche Sanktionen

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
26.03.2009
Aktenzeichen
6 A 547/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 11969
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2009:0326.6A547.07.0A

Verfahrensgegenstand

Streitgegenstand: Rinderprämie 1996

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Stade - 6. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 2009
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Gärtner,
die Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Drews,
die Richterin Struhs sowie
die ehrenamtlichen Richter D. und E.
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 26. März 2007 wird aufgehoben, soweit darin ein Betrag von 6.872,50 EUR zurückgefordert worden ist und die Bescheide des Amtes für Agrarstruktur M vom 04. Dezember 1996 und vom 23. Juni 1997 insoweit aufgehoben worden sind.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 1/6 und die Beklagte zu 5/6.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Kostenbetrages abwenden, sofern nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten, ihm für das Jahr 1996 eine weitere Rindersonderprämie für Tiere der zweiten Altersklasse zu gewähren. Außerdem wendet er sich gegen die Rückforderung der Rindersonderprämie 1996 in Höhe von 6.872,50 EUR sowie gegen die Rücknahme der dieser Zahlung zugrunde liegenden Bescheide.

2

Der Kläger, der einen landwirtschaftlichen Betrieb in N bewirtschaftet, reichte am 05. Januar 1996 bei der Landwirtschaftskammer Hannover die Beteiligungserklärung im Rahmen der Gewährung der Rindersonderprämie 1996 ein und legte zugleich eine Kopie seines aktuellen Bestandsregisters vor. Im Folgenden beantragte er mit 6 Anträgen die Gewährung von Rindersonderprämie 1996 für insgesamt 68 männliche Rinder, davon für insgesamt 66 Tiere die Prämie für die 2. Altersklasse (AK). Mit Antrag vom 08. Mai 1996 begehrte er die Sonderprämie für 1 Bullen der 1. AK und 18 Bullen der 1. und 2. AK zusammen. Am 11. September 1996 beantragte der Kläger die Sonderprämie für 8 Bullen der 1. und 2. AK zusammen. Am 25. Oktober 1996 stelle er einen Sonderprämienantrag für 3 Bullen der 1. und 2. AK zusammen. Am 28. November 1996 beantragte der Kläger die Gewährung der Sonderprämie für 1 Bullen der 1. AK, 20 Bullen der 1. und 2. AK zusammen sowie 3 Ochsen der 2. AK. Mit Antrag vom 19. Dezember 1996 begehrte der Kläger die Sonderprämie für 12 Bullen der 1. und 2. AK zusammen. Mit Sonderprämienantrag vom 30. Dezember 1996 beantragte er die Prämie für 2 Bullen der 1. und 2. AK zusammen. Der Kläger fügte seinen Anträgen Belege über die Vermarktung von männlichen Rindern (Kauf- bzw. Schlachtbescheinigungen) sowie Zukaufsbelege bei.

3

Am 25. November 1996 wurde auf dem klägerischen Betrieb eine Vor-Ort-Kontrolle durchgeführt. Diese ergab, dass von 112 im Betrieb vorhandenen männlichen Rindern ein Tier nicht gekennzeichnet war.

4

Mit Vorschussbescheid vom 04. Dezember 1996 bewilligte das Amt für Agrarstruktur (AfA) M dem Kläger eine Vorschusszahlung auf die Sonderprämie für Rindfleischerzeuger 1996 in Höhe von insgesamt 3.221,26 DM für die Rinder aus dem (ersten) Antrag vom 08. Mai 1996. Hinsichtlich der 18 Antragstiere der 2. AK wurde eine Prämie nicht gewährt (Kürzungsgründe K 12 - fehlender Altersnachweis - und K 18 - Folgesanktio- nen -).

5

Unter dem 23. Dezember 1996 legte der Kläger Widerspruch gegen den Vorschussbescheid ein und machte geltend, den Altersnachweis für alle abgelehnten Tiere der 2. AK erbracht zu haben. Die Landwirtschaftskammer habe den Antrag vom 08. Mai 1996 ohne Beanstandungen entgegengenommen.

6

Mit "Bescheid über die Abschlusszahlung der Sonderprämie für Rindfleischerzeuger 1996" vom 23. Juni 1997 bewilligte das AfA M einen weiteren Auszahlungsbetrag i.H. von 28.422,13 DM. Aus der Anlage 1 zu diesem Bescheid ergibt sich, dass dem Kläger für die Tiere aus dem Antrag vom 08. Mai 1996 die Prämie für die 2. AK weiterhin versagt wurde; hinsichtlich der Tiere der 1. AK nahm das AfA eine Kürzung mit dem Faktor 0,89 (Kürzungsgrund K 16: Kürzung aufgrund von Kennzeichnungsfehlern und/oder Bestandsregisterfehlern) vor. In Bezug auf die Tiere der restlichen 5 Anträge wurde die Rindersonderprämie der 1. und 2. AK bewilligt, allerdings wurden sämtliche Prämien sanktioniert (Kürzungsgrund K 16, Kürzungsfaktor 0,89).

7

Mit Schreiben vom 09. Juli 1997 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Abschlusszahlungsbescheid vom 23. Juni 1997. Die Altersnachweise für alle abgelehnten Tiere der 2. AK lägen vor bzw. würden noch nachgereicht. Weiterhin bat der Kläger um Erläuterung, warum für alle Antragstiere im Kalenderjahr 1996 eine Kürzung im Umfang von 0,89% (Kürzungsgrund K 16) vorgenommen worden sei.

8

Mit Schreiben vom 14. November 1997 teilte das AfA M dem Kläger mit, dass die Kürzung um 0,89% auf dem Ergebnis der Vor-Ort-Kontrolle am 25. November 1996 beruhe. Anlässlich dieser Kontrolle sei festgestellt worden, dass für ein Tier das Abgangsdatum nicht im Bestandsregister angegeben gewesen sei. Die vom Kläger nachträglich eingereichte Bescheinigung sei nicht als Abgangsnachweis anzuerkennen, weil die Ohrmarkennummer handschriftlich nachgetragen worden sei. Somit ergebe sich aufgrund der vor Ort festgestellten Tierzahl von 112 männlichen Rindern und einer Beanstandung von 1 Tier eine prozentuale Kürzung der gesamten Anträge aus dem Jahr 1996 um 0,89 (1 x 100 : 112).

9

Unter dem 05. Februar 1998 erklärte der Kläger gegenüber dem AfA M, dass er den Widerspruch, bezogen auf die die Kürzungen mit dem Faktor 0,89 (Kürzungsgrund K 16), zurücknehme und im Übrigen aufrecht erhalte.

10

Mit Schreiben vom 07. Oktober 1998 teilte das AfA M dem Kläger mit, dass seinen Widersprüchen vom 23. Dezember 1996 und vom 09. Juli 1997 nicht abgeholfen werden könne. Nach derzeitiger Rechtslage seien die eingereichten Belege nicht geeignet, das Alter der beanstandeten Tiere eindeutig nachzuweisen, da die eingereichten Geburtsbescheinigungen nicht datiert seien. Bei der Bearbeitung der Widersprüche habe sich zudem herausgestellt, dass für die Tiere der Anträge vom 11. September, 25. Oktober, 28. November, 19. Dezember und 30. Dezember 1996 nur die Geburtsbescheinigungen in Kopie zur Akte genommen worden seien. Es seien jedoch darüber hinaus zum Altersnachweis die Originalzukaufsbelege erforderlich. Weiterhin forderte das AfA den Kläger auf, mitzuteilen, ob der Ausgang "der in dieser Angelegenheit stattfindenden Musterverfahren abgewartet werden" solle.

11

Am 26. Oktober 1998 erschien der Vater des Klägers bei der Bewilligungsstelle und legte Zukaufsbelege für alle zur 2. AK beantragten Tiere vor. Weiterhin erklärte er im Auftrag seines Sohnes, dass dieser bezüglich der mit K 12 gekürzten Tiere seines Antrags vom 08. Mai 1996 den Ausgang der Musterklageverfahren abwarten wolle.

12

Mit "Anhörung Rindersonderprämie 1996" betiteltem Schreiben vom 10. Oktober 2006 teilte die Beklagte - diese war mit Wirkung vom 01. Januar 2006 an die Stelle der Landwirtschaftskammer Hannover, der Nachfolgerin des AfA, getreten - dem Kläger mit, dass nunmehr eine endgültige Bearbeitung der Rindersonderprämie 1996 vorgenommen werden könne, nachdem mehrere grundsätzliche gerichtliche Entscheidungen ergangen seien. Danach müsse ein ordnungsgemäß geführtes Bestandsregister die im "Merkblatt" niedergelegten Angaben enthalten. Das Register müsse vom Gesamteindruck her schlüssig und die Antragstiere müssten in diesem eingetragen sein. Außerdem müssten Eintragungen kontinuierlich erfolgt, d.h. männliche Rinder entsprechend dem Ereignis (Geburt/Zukauf) eingetragen worden sein. Falls diese Anforderungen nicht erfüllt seien, gelte das Register als fehlerhaft. Die Prämienvoraussetzungen lägen damit nicht vor; jede weitere Prüfung ergänzender Unterlagen unterbleibe.

13

Zur Bearbeitung des Widerspruchs werde das in der Akte vorliegende Bestandsregister der Jahre 1992 bis 1996 herangezogen. Aufgrund dieses Bestandsregisters könne der Altersnachweis für die Tiere der 2. AK insgesamt nicht geführt werden, weshalb die Auszahlung entsprechender weiterer Prämien nicht in Betracht komme. Bereits ausgezahlte Prämien wären zurückzufordern. Das Bestandsregister sei nicht chronologisch geführt worden, wobei die Chronologie ab dem Stichtag des 21. Januar 1994 zu prüfen sei. Hier seien jüngere Tiere vor älteren eingetragen worden. Zukaufstiere seien nicht unverzüglich und Tiere aus eigener Nachzucht nicht innerhalb von 30 Tagen aufgelistet worden. Im Einzelnen werde beanstandet, dass eine zeitnahe Eintragung der Zukaufstiere mit den lfd. Nrn. 170 bis 186, 194 bis 199, 256 sowie 7, 20, 21 (Bestandsregister 1996) nicht erfolgt sei. Ferner seien die Tiere aus eigener Nachzucht mit den lfd. Nrn. 260 sowie 52 (Bestandsregister 1996) nicht innerhalb der 30-Tage-Frist eingetragen worden. Außerdem seien die Anschriften der Erzeuger bzw. Zulieferer nicht vollständig im Bestandsregister aufgeführt. Schließlich fehlten bei den Tieren mit den lfd. Nrn. 259 und 260 sowie 8 bis 13 (Bestandsregister 1996) die Angaben zur Art der Nutzung der Tiere. Ein Gesamtzusammenhang der Aufzeichnungen sei daher nicht gegeben. Das vorgelegte Bestandsregister sei als Nachweis der Prämienfähigkeit der 2. AK für die beantragten Tiere nicht geeignet. Nach derzeitiger Aktenlage werde eine Rückforderung i.H. von voraussichtlich 6.872,50 EUR erfolgen. Im Abschlussbescheid sei für 48 Tiere je eine Rindersonderprämie der 2. AK nebst Extensivierungsprämie i.H. von 282,55 DM bewilligt worden. Diese Prämie sei seinerzeit nach K 16 auf 280,03 DM gekürzt worden. Somit ergebe sich für 48 Tiere eine Rückforderung i.H. von 13.441,44 DM (= 6.872,50 EUR).

14

Hierauf nahm der Kläger mit Schreiben 06. November 2006 wie folgt Stellung: Teile der beanstandeten Eintragungen im Bestandsregister seien bereits im Verfahren auf Gewährung der Rindesonderprämie 1995 beanstandet worden, so etwa die Rügen im Hinblick auf die lfd. Nrn. 170 bis 186, 194 bis 199 und 256. Soweit die Sanktionsvorschriften der VO (EG) Nr. 3887/92 überhaupt Sanktionen im Zusammenhang mit dem Bestandsregister vorsähen, bezögen sie sich immer nur auf ein Jahr. Die geltend gemachten Beanstandungen könnten daher nicht zweifach herangezogen werden. Unbeschadet dessen beträfen die Beanstandungen zu den Tieren mit den lfd. Nrn. 7, 20, 21, 170 bis 186 und den Nrn. 194 bis 199 wenige Tage und seien daher so geringfügig, dass sie nicht ernsthaft als Fehler angesehen werden könnten, welche das Bestandsregister entwerteten. Lediglich bei der lfd. Nr. 256 liege eine Fristüberschreitung von etwa 3 Monaten vor; bei der Nr. 52 betrage die Abweichung 5 Wochen. Dass die Anschriften von Erzeugern und Zulieferern nicht in allen Fällen vollständig eingetragen worden seien, sei nie beanstandet worden. Nicht in Abrede gestellt werden könne indes, dass bei den Tieren mit den lfd. Nrn. 259 und 260 sowie 8 bis 13 (1996) die Angaben zur Art der Nutzung der Tiere fehle. Insgesamt seien die Beanstandungen allerdings so geringfügig, dass damit die Versagung der Prämie und die Rückforderung in erheblichem Umfang nicht begründet werden könne.

15

Die angekündigte Rückforderung würde sich als Verböserung im Widerspruchsverfahren darstellen, welche nach der Verjährungsvorschrift des Art. 3 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 unzulässig sei. Im Übrigen verkenne die Beklagte die jüngere Rechtsprechung des Nds. OVG, wie sie in dessen Urteilen vom 28. Oktober 2004 (10 LC 153/03 ), vom 14. Dezember 2004 (10 LC 67/02) und vom 22. Februar 2005 (10 LC 157/03) zum Ausdruck komme. Danach könnten Fehler im Bestandsverzeichnis nur dann zur Versagung des Prämienanspruchs führen, wenn sie bei mindestens zwei Kontrollen innerhalb eines Zeitraums von 24 Monaten festgestellt worden seien. Dies ergebe sich aus der - rückwirkend anzuwendenden - Vorschrift des Art. 10c Abs. 2 VO (EG) Nr. 2801/1999.

16

Mit Widerspruchsbescheid vom 26. März 2007, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugegangen am 18. April 2007, wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide des AfA M vom 04. Dezember 1996 (Vorschusszahlung) und vom 23. Juni 1997 (Abschlusszahlung) zurück. Gleichzeitig verfügte sie, dass der Abschlusszahlungsbescheid vom 23. Juni 1997 insoweit abgeändert werde, als er in Höhe von 6.872,50 EUR zurückgenommen und ein entsprechender Betrag zuzüglich Zinsen zurückgefordert werde. Zur Begründung wiederholte die Beklagte ihre Ausführungen aus dem Anhörungsschreiben und ergänzte diese wie folgt:

17

Die Chronologie der Eintragungen müsse spätestens ab dem Zeitpunkt der Abgabe der ersten in den Akten vorliegenden Bewilligungserklärung eingehalten worden sein, im Falle des Klägers also ab dem 21. Januar 1994. Die Vollständigkeit müsse zwingend für das gesamte Bestandsregister gegeben sein. Der Kläger habe ab dem hier maßgeblichen Zeitpunkt sein Bestandsregister nicht chronologisch geführt. 33 Tiere seien nicht kontinuierlich eingetragen worden. Bei 8 Tieren fehle die Eintragung der Kategorie. Zusätzlich zu den im Anhörungsschreiben aufgelisteten Beanstandungen seien noch die Zukaufstiere mit den lfd. Nrn. 257 und 258 zu nennen, die 25 bzw. 12 Tage zu spät eingetragen wurden. Bei den Zukaufstieren mit den lfd. Nrn. 247, 248 und 253 fehle zudem das Geburtsdatum. Damit sei das Bestandsregister insgesamt fehlerhaft, so dass sich die Prüfung weiterer Unterlagen erübrige.

18

Das vollständige Bestandsregister werde als Grundlage der Antragsfähigkeit der beantragten Tiere hinzugezogen. Seien einzelne Bestandsregisterseiten oder Bestandstiere bereits Grundlage für Ablehnungen in anderen Jahren, schließe dies deren Heranziehung für eine weitere Ablehnung im Folgejahr nicht aus. Das Bestandsregister werde für jedes Antragsjahr aufs Neue von der Seite an geprüft, auf der das erste Antragstier des entsprechenden Jahres stehe. Da im Falle des Klägers auch weiterhin Fehler im Bestandsregister aufgetreten seien, seien die bereits beanstandeten Tiere ohnehin zu vernachlässigen.

19

Die Möglichkeit, eine erweiterte Rückforderung zu erheben, sei nicht durch den Ablauf der Verjährungsfrist des Art. 3 Abs. 1 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 ausgeschlossen. Unter die Verjährungsfrist fielen nur die in der Verordnung genannten Sanktionen. Art. 10c VO (EG) Nr. 3997/92 sei hier nicht einschlägig.

20

Weil die Voraussetzungen für die Gewährung der Rindersonderprämie der 2. AK nicht vorlägen, sei mit dem Vorschussbescheid vom 04. Dezember 1996 und dem Abschlussbescheid vom 23. Juni 1997 eine Prämie i.H. von 6.872,50 EUR zu Unrecht bewilligt und ausgezahlt worden. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG seien rechtswidrige begünstigende Bescheide, auch nachdem sie unanfechtbar geworden seien, zurückzunehmen, solange kein Vertrauensschutz bestehe. Der Vorschussbescheid vom 04. Dezember 1996 sowie der Abschlusszahlungsbescheid vom 23. Juni 1997 seien teilweise rechtswidrig, weil für mehrere Tiere eine Prämie der 2. AK gewährt worden sei, obwohl die Voraussetzungen eines ordnungsgemäß geführten Bestandsregisters nicht gegeben seien.

21

Vertrauensschutz gemäß Art. 14 VO (EWG) Nr. 3887/92 greife hier nicht ein. Eine Ausnahme von der Rückzahlungspflicht nach Art. 14 Abs. 4 VO (EWG) Nr. 3887/92 bestehe nicht, denn diese gelte nach Abs. 5 dieser Vorschrift nicht für Vorschüsse. Hinsichtlich der mit Abschlusszahlungsbescheid vom 23. Juni 1997 bewilligten Prämien der 2. AK könne sich der Kläger nicht auf Vertrauensschutz gemäß Art. 14 Abs. 4 VO (EWG) Nr. 3887/92 berufen. Danach sei nur derjenige Begünstigte schutzwürdig, der seinerseits in jeder Hinsicht ordnungsgemäß gehandelt habe und den der Behörde unterlaufenen Fehler billigerweise nicht habe erkennen können. Ein ordnungsgemäßes Handeln des Klägers liege hier jedoch nicht vor, da er seiner Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Führung des Bestandsverzeichnisses nicht nachgekommen sei.

22

Am 24. April 2007 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt er seine Ausführungen aus dem Parallelverfahren 6 A 1969/06. Ihm stehe ein Anspruch auf Gewährung der Rindersonderprämie für die 2. AK in Höhe von 1.431,77 EUR zur Seite. Zusammen mit den eingereichten Altersnachweisen und dem entgegen der Auffassung der Beklagten nicht fehlerhaften Bestandsverzeichnis sei der Altersnachweis für alle hier streitgegenständlichen Tiere erbracht.

23

Der Kläger beantragt,

den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 26. März 2007 aufzuheben, den Abschlusszahlungsbescheid des Amtes für Agrarstruktur M vom 23. Juni 1997 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger weitere Rindersonderprämie und Extensivierungsprämie in Höhe von 1.431,77 EUR nebst Zinsen auf den Betrag von 1.400,00 EUR in Höhe von 0,5% für jeden vollen Monat seit Klagerhebung zu bewilligen.

24

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

25

Auch sie wiederholt zur Begründung ihre Ausführungen aus dem Parallelverfahren 6 A 1969/06.

26

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten nebst der hierzu beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie auf die Akten des Parallelverfahrens 6 A 1969/06 nebst Beiakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

27

Die Klage hat teilweise Erfolg.

28

Zwar kann der Kläger die begehrte Bewilligung einer weiteren Rindersonderprämie für die Tiere der 2. AK in Höhe von 1.431,77 EUR nicht verlangen (dazu unter I.). Die im Widerspruchsbescheid verfügte Rückforderung i.H. von 6.872,50 EUR sowie die entsprechende Rücknahme der dieser Zahlung zugrunde liegenden Bescheide ist jedoch zu Unrecht erfolgt und war daher aufzuheben (dazu unter II.).

29

I.

Die Ablehnung einer weiteren Rindersonderprämie der 2. AK für das Jahr 1996 in dem Bescheid des AfA M vom 23. Juni 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. März 2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -). Dem Kläger steht ein Anspruch auf Gewährung der Rindersonderprämie für die beantragten Tiere der 2. AK insgesamt nicht zu, so dass die Zuerkennung weiterer Prämien ausscheidet und die Klage insoweit abzuweisen war.

30

1.

Rechtsgrundlage für die Bewilligung von Rindersonderprämie ist vorliegend Art. 4b VO (EWG) Nr. 805/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch (ABl. L 148, 24) - in der Fassung der VO (EWG) Nr. 2066/92 des Rates vom 30. Juni 1992 (ABl. L 215, 49) sowie der VO (EG) Nr. 1884/94 des Rates vom 27. Juli 1994 (ABl. L 197,27) und der VO (EG) Nr. 2417/95 der Kommission vom 13. Oktober 1995 (ABl. L 248, 39) - . Danach können Erzeuger, die in ihrem Betrieb männliche Rinder halten, auf Antrag eine Sonderprämie für höchstens 90 Tiere der in Absatz 2 genannten Altersklassen erhalten (Art. 4b Abs. 1 VO [EWG] Nr. 805/68). Die Prämie wird höchstens zweimal im Leben jedes männlichen Rindes gezahlt, und zwar zum ersten Mal nach Erreichen eines Alters von 10 Monaten und zum zweiten Mal nach Erreichen eines Alters von 22 Monaten (Art. 4b Abs. 2 Satz 1 VO [EWG] Nr. 805/68). Nach Art. 8 VO (EWG) Nr. 3886/92 der Kommission vom 23. Dezember 1992 (ABl. L 391, 20) in der Fassung der VO (EWG) Nr. 538/93 der Kommission von 09. März 1993 (ABl. L 57, 19) können die Mitgliedstaaten die Sonderprämie bei der Schlachtung oder bei der ersten Vermarktung der Tiere im Hinblick auf ihre Schlachtung entweder für die 1. oder 2. AK und für beide Altersklassen zusammen (Möglichkeit A) oder für lediglich die zweite Altersklasse (Möglichkeit B) gewähren. Der nationale Verordnungsgeber hat sich in § 12 der Rinder- und Schafprämien-Verordnung vom 05. Februar 1993 (BGBl. I, S. 200) in der hier maßgeblichen Neufassung vom 25. März 1996 (BGBl. I, S. 537) für die Gewährung als Schlachtprämie und die Möglichkeit A entschieden. Damit wird die Sonderprämie für männliche Rinder als Schlachtprämie für die 1. oder 2. AK und für die 1. und 2. AK zusammen gewährt.

31

Dabei ist die Gewährung der Sonderprämie an formelle und materielle Voraussetzungen geknüpft.

32

Nach Art. 5 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3887/92 muss der Beihilfeantrag "Tiere" unbeschadet der in den Verordnungen für die einzelnen Sektoren enthaltenen Vorschriften alle erforderlichen Informationen enthalten, insbesondere die in dieser Vorschrift ausdrücklich genannten Informationen, etwa die Identifizierungsnummer des Betriebsinhabers sowie die Zahl und Art der Tiere, für die eine Beihilfe beantragt wird. Nach Art. 2 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3886/92 enthält jeder Beihilfeantrag für Tiere neben den Angaben, die im Rahmen des integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems vorgesehen sind, zum einen eine Aufschlüsselung der Tiere nach Altersklassen und zum anderen die Verweise auf die amtlichen Begleitdokumente der Tiere, die Gegenstand des Antrags sind.

33

Art. 3 Abs. 1 Satz 1 VO (EWG) Nr. 3886/92 ermächtigt die Mitgliedstaaten, die notwendigen Vorschriften zu erlassen, um sicher zu stellen, dass für jedes Tier spätestens von der ersten Prämienbeantragung an ein amtliches Dokument ausgestellt wird. Mit diesem Dokument muss v.a. sichergestellt werden, dass je Tier und je Altersklasse nur eine Prämie gewährt wird (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 VO [EWG] Nr. 3886/92). Nach Art. 3 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 3886/92 ist es den Mitgliedstaaten überlassen, ob sie das Begleitdokument für jedes einzelne Tier oder in der Form einer vom Erzeuger geführten Globalliste vorsehen, in der alle für das amtliche Dokument vorgesehenen Angaben enthalten sind. Für die Gewährung der Prämie kommen gemäß Art. 7 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3886/92 nur Tiere in Betracht, für die ein nationales amtliches Dokument ausgestellt wurde und die nach den einschlägigen nationalen und gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften ordnungsgemäß identifiziert sind. Nach Art. 14 VO (EWG) Nr. 3886/92 muss unbeschadet der im Rahmen des integrierten Systems vorgesehenen Bestimmungen jedes im Betrieb gehaltene männliche Rind mit seiner Identifizierungsnummer spätestens am dritten Tag nach seinem Eintreffen im Betrieb in das besondere Register des Erzeugers eingetragen werden. Der nationale Gesetzgeber hat sich für eine vom Erzeuger zu führende Globalliste entschieden, indem er in § 5 Abs. 1 der Rinder- und Schafprämienverordnung (RSVO) in der für das Jahr 1996 maßgeblichen Neufassung vom 25. März 1996 bestimmt, dass ein Erzeuger, der die Sonderprämie, die Mutterkuhprämie oder die Mutterschafprämie beantragen will, ein Bestandsregister nach § 24c der Viehverkehrsverordnung (VVVO) zu führen hat. Das Bestandsregister für Rinder kann nach Prämienarten getrennt geführt werden. Die Anforderungen an die Führung des Bestandsregisters ergeben sich aus § 5 i.V. mit § 4 RSVO (in der Neufassung vom 25. März 1996). Nach § 4 RSVO (in der genannten Fassung) müssen die Tiere nach § 19b VVVO gekennzeichnet sein, wenn ein Erzeuger die Sonderprämie oder die Mutterkuhprämie beantragen will. Das Bestandsregister muss für die Sonderprämie und die Mutterkuhprämie zusätzlich folgende Angaben enthalten:

  • bei Mutterkühen die Rasse und

  • bei männlichen Rindern die Angabe, ob sie kastriert sind (§ 5 Abs. 2 RSVO in der Neufassung vom 25. März 1996).

34

Gemäß § 19b Abs. 1 VVVO (in der Fassung der Änderungsverordnung vom 19. April 1995, BGBl. I, S. 528) sind Rinder im Ursprungsbestand vom Besitzer oder von einem von ihm Beauftragten vor der Abgabe aus dem Bestand, spätestens jedoch 30 Tage nach der Geburt, nach Maßgabe des Abs. 3 mit einer von der zuständigen Behörde oder einer von der zuständigen Behörde beauftragten Stelle ihm zugeteilten offenen Ohrmarke dauerhaft zu kennzeichnen. Gemäß § 24c Abs. 1 Satz 1 VVVO hat, wer eine Tätigkeit nach § 24b Satz 1 ausübt - dies ist u.a. derjenige, der Rinder zum Zwecke der Zucht oder der tierischen Produktion halten will -, ein Bestandsregister zu führen. In das Bestandsregister sind im Falle einer Rinderhaltung gemäß § 24c Abs. 1 VVVO die im Bestand vorhandenen Tiere unter Berücksichtigung der Geburten und Todesfälle sowie sonstiger Zu- und Abgänge unter Angabe ihres Geburtsdatums und ihrer Ohrmarkennummer einzutragen. Dabei ist a) im Falle einer Kennzeichnung nach § 19b Abs. 4 Satz 1 VVVO oder einer erneuten Kennzeichnung nach § 19 b Abs. 6 VVVO eine Verbindung zwischen der ursprünglichen und der neuen Ohrmarkennummer herzustellen, b) im Falle eines Zugangs Name und Anschrift des bisherigen Besitzers und das Datum des Zugangs anzugeben sowie c) im Falle eines Abgangs Name und Anschrift des Erwerbers und das Datum des Abgangs anzugeben (§ 24c Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 VVVO). Das Bestandsregister ist drei Jahre lang aufzubewahren (§ 24c Abs. 2 Nr. 2 VVVO).

35

Wird im Bestandsverzeichnis oder in sonstigen Nachweisen, Erklärungen oder Unterlagen als Geburtsdatum eines Tieres die Woche angegeben, so gilt as Tier als am letzten Tag der Woche, wird der Geburtsmonat angegeben, so gilt das Tier als am letzten Tag des Monats geboren (§ 6 RSVO in der Fassung vom 05. Februar 1993 und in der Neufassung vom 25. März 1996).

36

Aus diesen gemeinschaftsrechtlichen und nationalen Vorschriften ergibt sich für Erzeuger, die eine Sonderprämie beantragen wollen, mit hinreichender Deutlichkeit, dass alle über 30 Tage alten männlichen Rinder des Bestandes zu ihrer Identifizierung mit Ohrmarken zu kennzeichnen sind, alle gekennzeichneten männlichen Tiere mit ihrer erstmaligen Kennzeichnung (Ohrmarke) bzw. bei einem Verlust der Ohrmarke mit der neuen Ohrmarke und deren Zuordnung, Veränderungen des Bestandes mit dem Datum sowie dem Empfänger oder Lieferanten des Tieres und das Geburtsdatum - zumindest der Geburtsmonat - der männlichen Tiere sowie die Angabe, ob sie kastriert worden sind, in das Bestandsverzeichnis einzutragen sind (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 24. April 2008 - 10 LB 173/07 -). Auf diese für ihre Beteiligung am Verfahren auf Gewährung einer Sonderprämie zur Identifizierung und Registrierung zu erfüllenden Voraussetzungen sind die Antragsteller in Niedersachsen seit 1993 mit den "Merkblättern für die Gewährung der Sonderprämie für männliche Rinder und der Saisonentzerrungsprämie für Ochsen" hingewiesen worden (Merkblatt Stand: 11. Februar 1993, Merkblatt für das Jahr 1994 - Stand: 19. November 1993 -, Merkblatt für das Jahr 1995 - Stand: 30. November 1994 -).

37

Anspruchsvoraussetzung für die Bewilligung der Sonderprämie ist danach, dass alle im Betrieb gehaltenen männlichen Tiere mit einer fortlaufenden Nummer, ihrer Ohrmarke nach der Viehverkehrsverordnung, dem Tag des Zugangs (Geburt oder Zukauf), ihrer Herkunft (Name und Adresse des Erzeugers), dem Datum der Geburt (zumindest dem Geburtsmonat) bei Zukauf, dem Tag des Abganges (Name und Adresse des Käufers des Tieres) und der Angabe, ob die Tiere kastriert sind sowie sonstigen Bemerkungen in das Bestandsverzeichnis aufgenommen worden sind (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 24. April 2008 - 10 LB 173/07 -). Ein ordnungsgemäß geführtes Bestandsverzeichnis ist also formelle Voraussetzung für die Gewährung der Rindersonderprämie (vgl. Nds. OVG, Urteile vom 23. Juni 2004 - 10 LB 165/01, 10 LB 33/03 -, vom 28. April 2008 - 10 LB 173/07 -, VG Lüneburg, Urteile vom 20. November 2007 - 4 A 87/06, 4 A 91/06, 4 A 324/06 -, vom 19. Februar 2008 - 4 A 88/06, 4 A 90/06 - und vom 13. August 2008 - 4 A 315/06 -).

38

Neben den zur Identifizierung und Registrierung der männlichen Rinder für die Beantragung und Gewährung der Sonderprämie formalen Voraussetzungen bestimmt u.a. Art. 15 lit. c) VO (EWG) Nr. 3886/92 in materieller Hinsicht, dass der Haltungszeitraum für Tiere, für die ein Antrag für die 1. AK gestellt wird, zwei Monate vor der Schlachtung oder der ersten Vermarktung der Tiere und für Tiere, für die ein Antrag für beide Altersklassen gestellt wird, vier Monate ab dem ersten Tag des 20. Lebensmonats der Tiere beträgt. Daraus folgt, dass ein Anspruch auf die Gewährung einer Sonderprämie für Tiere der 1. und 2. AK zusammen nur besteht, wenn sie im Zeitpunkt der Vermarktung mindestens 23 Monate alt gewesen sind. Diese Prämienvoraussetzung hat der Antragsteller nach § 11 des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen (MOG) nachzuweisen. Wie der Nachweis im Einzelnen zu führen ist, regeln das Gemeinschaftsrecht und das nationale Recht zwar nicht ausdrücklich. Nach Art. 59 lit. b) VO (EWG) Nr. 3886/92 können die zuständigen Behörden das vom Erzeuger angegebene Alter zugrunde legen, wenn sich das Alter des Tieren anhand von Papieren nicht feststellen lässt. Im Zweifelsfall sind die zuständigen Behörden jedoch verpflichtet, auch auf andere Informationsquellen zurückzugreifen, insbesondere wenn Anträge auf die Sonderprämie für die zweite Altersklasse nicht kastrierter Rinder gestellt werden. Danach wird entsprechend diesen gemeinschaftsrechtlichen Regelungen der Altersnachweis regelmäßig durch die Altersangabe in einem ordnungsgemäßen, den gemeinschaftsrechtlichen und den nationalen Vorschriften entsprechenden Bestandsverzeichnis geführt, wenn sich das Alter anhand von Papieren (z.B. Zuchtbuch) nicht feststellen lässt (Nds. OVG, Urteil vom 24. April 2008 - 10 LB 173/07 -). Entspricht das von dem jeweiligen Antragsteller vorgelegte Bestandsregister nicht den maßgeblichen Anforderungen, so ist der Altersnachweis nicht geführt. Dieser Mangel kann auch nicht mit anderen Nachweisen über die Haltung und das Alter der Tiere im Zeitpunkt der Schlachtung oder Vermarktung kompensiert werden (Nds. OVG, Urteile vom 24. April 2008 - 10 LB 173/07 - und vom 23. Juni 2004 - 10 LB 33/03 -). Nur in einem Zweifelsfall - d.h. wenn das Bestandsregister zwar alle erforderlichen Eintragungen aufweist und chronologisch geführt worden ist, gleichwohl aber an dessen Inhalt und zeitnaher Erstellung Zweifel bestehen -, sind die zuständigen Behörden verpflichtet, auch auf andere Informationsquellen zurückzugreifen (Nds. OVG, Urteile vom 24. April 2008 - 10 LB 173/07 - und vom 23. Juni 2004 - 10 LB 33/03 -). Als solche kommen z.B. im Falle des Zukaufs entsprechende Erklärungen der Kälbererzeuger in Betracht, die wegen des späteren Verlangens der zuständigen Behörde regelmäßig nicht zeitnah zur Geburt der Tiere ausgestellt sein können (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 28. April 2004 - 10 LB 3968/01 -).

39

Nach alledem bleibt festzuhalten, dass dem nach den genannten Vorgaben zu führenden Bestandsregister für die Gewährung der Sonderprämie und die Überprüfung der Antragsvoraussetzungen sowohl nach dem Gemeinschaftsrecht als auch nach dem nationalen Recht eine zentrale Bedeutung zukommt (vgl. Nds. OVG, Urteile vom 28. April 2004 - 10 LB 3968/01 -, vom 23. Juni 2004 - 10 LB 165/01 - und vom 24. April 2008 - 10 LB 173/ 07 -). Ein ordnungsgemäß geführtes Bestandsverzeichnis ist formelle Voraussetzung für die Gewährung der Rindersonderprämie und zugleich maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Überprüfung des Altersnachweises als materiell-rechtliche Prämienvoraussetzung.

40

2.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe sind im Falle des Klägers weder die formellen noch die materiellen Prämienvoraussetzungen erfüllt, so dass ihm ein Anspruch auf Zuerkennung der Rindersonderprämie 1996 für die 2. AK insgesamt nicht zusteht.

41

Der Kläger hat ein ordnungsgemäß geführtes - d.h. ein den gemeinschaftsrechtlichen und den nationalen Anforderungen entsprechendes - Bestandsregister nicht vorgelegt.

42

Das Bestandsverzeichnis des Klägers ist zum einen insoweit fehlerhaft, als es an einzelnen der vorstehend aufgeführten notwendigen Angaben fehlt. So ist bei den Zukaufstieren mit den lfd. Nrn. 247, 248 und 253 das Geburtsdatum nicht eingetragen (Bl. 11 der Beiakte A).

43

Darüber hinaus ist das Bestandsregister auch insoweit fehlerhaft, als der Kläger die Verpflichtung des Art. 14 VO (EWG) Nr. 3886/92 nicht eingehalten hat. Dies folgt daraus, dass die Eintragung der Tiere nicht durchgehend chronologisch erfolgt ist. Das Zukaufstier mit der lfd. Nr. 7 des Bestandsregisters 1996, am 06. Februar 1996 zugegangen, ist nicht zeitnah eingetragen worden, sondern nach einem zu einem späteren Zeitpunkt - dem 10. Februar 1996 - geborenen Tier (lfd. Nr. 6) aufgelistet (Bl. 36 der Beiakte A). Die am 29. April 1996 zugegangenen Zukaufstiere Nrn. 20 und 21 hätten vor die lfd. Nr. 17 - Zugang am 06. Mai 1996 - gehört (Bl. 67 der Beiakte A).

44

Ferner hat der Kläger Tiere aus eigener Nachzucht nicht innerhalb von 30 Tagen eingetragen. Dies betrifft das Tier mit der lfd. Nr. 260, geboren am 25. November 1995 (Bl. 65 der Beiakte A), sowie das Tier mit der lfd. Nr. 52 (Bestandsregister 1996), geboren am 25. September 1996 (Bl. 151 der Beiakte A).

45

Hinsichtlich der weiteren Fehlerhaftigkeit des Bestandsregisters wird auf die Ausführungen im Parallelverfahren 6 A 1969/06 Bezug genommen. Mit seinem Einwand, die Beklagte könne ihm dieselben Mängel bei der Führung des Bestandsverzeichnisses nicht zweifach - also sowohl im Prämienverfahren 1995 als auch im Prämienverfahren 1996 - vorhalten, dringt der Kläger nicht durch. Dass er die im Parallelverfahren benannten Fehler auf Bl. 5 seines Bestandsverzeichnisses - dieses Blatt enthält die lfd. Nrn. 94 bis 117 - auch im Verfahren Rindersonderprämie 1996 gegen sich gelten lassen muss, ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass das in seinem Antrag vom 08. Mai 1996 benannte Tier mit der lfd. Nr. 98 (Ohrmarkennr. 3567 3545) auf dieser Seite aufgeführt ist (Bl. 5 der Beiakte A). Auch auf Bl. 6 des klägerischen Bestandsverzeichnisses - die lfd. Nrn. 118 bis 141 enthaltend - sind sowohl Antragstiere aus dem Jahr 1995 als auch solche aus dem Jahr 1996 aufgelistet (Bl. 6 der Beiakte A).

46

Nach alledem weist das Bestandsregister eine Vielzahl von Fehlern auf, so dass es insgesamt nicht ordnungsgemäß geführt worden ist. Damit liegen die formellen Voraussetzungen für die Gewährung der streitgegenständlichen Prämien nicht vor. Gleichzeitig hat der Kläger auch die jeweils erforderlichen Altersnachweise nicht erbracht. Soweit er sich auf vorgelegte Zukaufsbelege etc. beruft, vermag er hiermit den Altersnachweis nicht zu führen. Mängel bei der Führung des Bestandsregisters können nicht mit anderen Nachweisen über die Haltung und das Alter der Tiere im Zeitpunkt der Schlachtung oder Vermarktung kompensiert werden (Nds. OVG, Urteile vom 24. April 2008 - 10 LB 173/07 - und vom 23. Juni 2004 - 10 LB 33/03 -).

47

3.

Der Kläger kann sich unter Hinweis auf die von ihm zitierte Rechtsprechung des Nds. OVG auch mit Rücksicht auf das Günstigkeitsprinzip (Art. 2 Abs. 2 VO [EG, EURATOM] Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995) nicht mit Erfolg auf Art. 10c Abs. 2 VO (EWG) Nr. 3887/92 in der Fassung der VO (EG) Nr. 2801/1999 der Kommission von 21. Dezember 1999 berufen, wonach bei Fehlern oder Versäumnissen betreffend die Eintragungen in das Register eine Kürzung gemäß Abs. 1 der Vorschrift nur vorgenommen wird, wenn derartige Tatbestände bei mindestens zwei Kontrollen innerhalb eines Zeitraums von 24 Monaten festgestellt worden sind.

48

Diese Regelung betrifft eine andere Fallgestaltung als die hier vorliegende. Art. 10c Abs. 2 VO (EWG) Nr. 3887/92 in der Fassung der VO (EG) Nr. 2801/1999 nimmt Bezug auf Art. 10c lit. b) VO (EWG) Nr. 3887/92 in der Fassung der VO (EG) Nr. 2801/1999. Danach wird bei anderen als den unter Art. 10b fallenden Rindern - d.h. bei Nichtantragstieren -, sofern im Rahmen einer Vor-Ort-Kontrolle festgestellt wird, dass die Anzahl der im Betrieb anwesenden Tiere, die für eine Gemeinschaftsbeihilfe in Betracht kommen oder von Bedeutung sind, nicht der Anzahl der im Register des Betriebsinhabers gemäß Art. 7 VO (EG) Nr. 820/97 geführten Tiere entspricht, der Gesamtbetrag der Beihilfe, die dem Antragsteller im Rahmen der betreffenden Beihilferegelung innerhalb der zwölf Monate vor der Vor-Ort-Kontrolle, bei der dieser Tatbestand festgestellt wurde, gewährt wurde, außer im Fall höherer Gewalt entsprechend gekürzt. Im Streitfall geht es aber nicht um eine fehlende Übereinstimmung der Anzahl der im Betrieb vorhandenen Tiere mit der Anzahl der im Bestandsregister eingetragenen Tiere. Gleiches gilt für die Vorschrift des Art. 39 Abs. 1 i.V. mit Art. 36 Abs. 4 lit. b) VO (EG) Nr. 2419/2001 der Kommission vom 11. Dezember 2001, die sich ebenfalls nur auf Nichtantragstiere bezieht.

49

Im Übrigen knüpft diese Sanktionsvorschrift - ebenso wie Art. 10c Abs. 2 VO (EWG) Nr. 3887/92 in der Fassung der VO (EG) Nr. 2801/1999 - an die Eintragung für das jeweilige Tier an und hat nicht das Register als Ganzes im Auge (VG Lüneburg, Urteile vom 20. November 2007 - 4 A 87/06 und 91/06 -, vom 19. Februar 2008 - 4 A 88/06 und 90/06 -; vgl. auch Nds. OVG, Urteil vom 28. Oktober 2004 - 10 LC 153/03 -). Die hier in Frage stehende ordnungsgemäße Führung des Bestandsregisters ist - als formelle Voraussetzung des Prämienanspruchs - der sich im Einzelfall ggf. anschließenden Frage einer Sanktion aufgrund von Unregelmäßigkeiten bei der Eintragung von einzelnen Tieren vorgelagert (VG Lüneburg, a.a.O.).

50

4.

Der Kläger kann auch aus der früheren Bewilligungspraxis der Bewilligungsbehörden - Sonderprämie 1993 und 1994 - keinen Anspruch auf die Gewährung einer Sonderprämie für die 2. AK für das Jahr 1996 herleiten. Sein Vortrag, die Beklagte habe die Anforderungen an die Bewilligung der Rinderprämie verschärft, an die Bestandsregister sei zum damaligen Zeitpunkt die Anforderung der Eintragung in der zeitlichen Reihenfolge der Geburten bzw. Zugänge im Betrieb nicht gestellt worden, greift nicht durch. Die Pflicht zur Eintragung in das Bestandsregister spätestens am dritten Tag nach Zugang des Rindes aus Art. 14 VO (EWG) Nr. 3886/92 bestand - wie dargelegt - bereits seit dem 01. Januar 1993. Die Verpflichtung der ordnungsgemäßen Führung eines Bestandsregisters aufgrund der Regelung in § 5 RSVO in der Fassung vom 05. Februar 1993 (BGBl. I, S. 200) galt seit Februar 1993. Auf beide Verpflichtungen wurde in den in der fraglichen Zeit vorhandenen Merkblättern hingewiesen. So heißt es in dem "Merkblatt für die Gewährung der Sonderprämie für männliche Rinder und der Saisonentzerrungsprämie für Ochsen im Jahr 1995", Stand: 30. November 1994, unter dem Punkt "5. Bestandsverzeichnis":

"Sie müssen ein Bestandsverzeichnis führen, in das alle im Betrieb gehaltenen männlichen Rinder, die älter als 30 Tage sind, einzutragen sind. Die Eintragung muss spätestens am dritten Tag nach dem Zugang erfolgt sein. Das Bestandsverzeichnis hat mindestens folgende Angaben zu enthalten:

- Tag des Zugangs (Zukauf oder Geburt)
- Vorbesitzer des Tieres
- Geburtsdatum
- Ohrmarkennummer
- bei Ohrmarkenersatz (Nachkennzeichnung) die neue Ohrmarkennummer


- Tag des Abgangs
- Abnehmer des Tieres
- Angabe, ob Bulle oder Ochse.

Das Bestandsverzeichnis hat im Rahmen der Gewährung der Schlachtprämie eine besondere Bedeutung für die (örtliche) Kontrolle:

Deshalb ist es unbedingt erforderlich, dass das Bestandsverzeichnis stets einen aktuellen Stand aller oben angegebenen Tiere aufweist."

51

Unabhängig davon kann eine Bewilligungspraxis aus willkürfreien, d.h. sachlichen Gründen geändert werden. Nach der Beanstandung der Verwaltungspraxis der deutschen Bewilligungsbehörden durch die Europäische Kommission bestand für diese Anlass, die bisherige Bewilligungspraxis zu überprüfen (vgl. Nds. OVG, Urteile vom 23. Juni 2004 - 10 LB 33/03 und 165/01 -). Eine unzulässige, rückwirkende Verschärfung der Anspruchsvoraussetzungen ist damit nicht verbunden. Die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Führung eines Bestandsregister nach Maßgabe der genannten Vorgaben bestand - wie bereits ausgeführt - seit Januar bzw. Februar 1993. Vom Kläger werden mithin nicht nachträglich Angaben verlangt, zu denen er nicht schon vorher verpflichtet war (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 24. April 2008 - 10 LB 173/07 -).

52

II.

Der Kläger dringt mit seinem Klagebegehren jedoch insoweit durch, als er sich gegen die im Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 26. März 2007 erstmals verfügte Rückforderung bereits ausgezahlter Rindersonderprämie 1996 für die 2. AK wendet. Soweit der Widerspruchsbescheid ein Rückforderungsverlangen in Höhe von 6.872,50 EUR enthält und die zugrundeliegenden Bescheide in dieser Höhe zurücknimmt, ist er rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Klage war daher im tenorierten Umfange stattzugeben (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1, § 79 Abs. 2 Satz 1 VwGO).

53

Zunächst ist festzuhalten, dass der Widerspruchsbescheid nicht nur - wie im Widerspruchstenor ausdrücklich benannt - eine teilweise Rücknahme des Abschlusszahlungsbescheides des AfA M vom 23. Juni 1997 enthält, sondern auch eine entsprechende Teilrücknahme des Bescheides des AfA M über die Vorschusszahlung vom 04. Dezember 1995. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass die Beklagte auf Seite 5 des Widerspruchsbescheides mit der Vorschrift des Art. 14 Abs. 5 VO (EWG) Nr. 3887/92 argumentiert, welche Einschränkungen des Vertrauensschutzes im Hinblick auf die Rückforderung von Vorschüssen zum Gegenstand hat.

54

Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Bescheide, soweit darin Zahlungen für die Rindersonderprämie der 2. AK gewährt worden sind, ist § 10 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen und Direktzahlungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Juni 2005 (BGBl. I, 1847), die die Änderungen des Gesetzes seit der Bekanntmachung vom 20. September 1995 bis zum 01. September 2004 berücksichtigt - MOG -. Da das EG-Recht für den (indirekten) Vollzug des Gemeinschaftsrechts durch nationale Behörden keine allgemeinen Regelungen zur Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten kennt, ist - sofern keine speziellen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts bestehen - grundsätzlich nationales Recht anwendbar. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG sind rechtswidrige begünstigende Bescheide in den Fällen der §§ 6 und 8 MOG, auch nachdem sie unanfechtbar geworden sind, zurückzunehmen; §§ 48 Abs. 2 bis 4 und § 49a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) sind anzuwenden. Die Rückforderung einer zu Unrecht gewährten Beihilfe findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 14 Abs. 1 VO (EG) Nr. 3887/92 i.V. mit § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG, § 49a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwVfG.

55

Zwar liegen die Voraussetzungen für eine Teil-Rücknahme sowie ein entsprechendes Rückzahlungsverlangen vor (dazu unter 1.). Der Kläger kann sich insoweit jedoch auf Verjährung berufen (dazu unter 2.).

56

1.

Die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Vorschuss- und des Abschlusszahlungsbescheides in Höhe der für die 2. AK bewilligten Prämie (6.872,50 EUR) liegen vor. Bei den genannten Bescheiden handelt es sich um begünstigende Verwaltungsakte, die einen Fall im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 MOG betreffen. Diese sind auch rechtswidrig, weil dem Kläger - wie vorstehend unter I. ausgeführt - für das Antragsjahr 1996 die Bewilligung der Rindersonderprämie für die 2. AK insgesamt nicht zustand.

57

Der Kläger kann sich gegenüber der Rücknahme der genannten Bescheide nicht auf Vertrauensschutz berufen.

58

Ein - ggf. den nationalen Bestimmungen vorgehender - Vertrauensschutz auf der Grundlage gemeinschaftsrechtlicher Regelungen steht dem Kläger nicht zur Seite. Die hier in Betracht kommende Vorschrift des Art. 14 Abs. 4 VO (EWG) Nr. 3887/92 in der Fassung der VO (EG) Nr. 1678/98 der Kommission vom 29. Juli 1998 (ABl. L 212, 23) vermittelt dem Kläger keinen Vertrauensschutz. Diese im Jahr 1998 in Kraft getretene Vorschrift ist vorliegend nicht anwendbar. Die Anwendung kommt allein nach Art. 2 Abs. 2 VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 312, 1) in Betracht. Nach dieser Vorschrift gelten bei späterer Änderung der in einer Gemeinschaftsregelung enthaltenen Bestimmungen über verwaltungsrechtliche Sanktionen die weniger strengen Bestimmungen rückwirkend (sog. Günstigkeitsprinzip). Hier geht es jedoch nicht um eine verwaltungsrechtliche Sanktion im Sinne von Art. 5 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95, sondern um die Rückerstattung des aufgrund einer Unregelmäßigkeit rechtswidrig erlangten Geldbetrages und damit um eine verwaltungsrechtliche Maßnahme im Sinne des Art. 4 Abs. 1 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95. Die in Art. 4 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 vorgesehenen Maßnahmen stellen nach Abs. 5 der Vorschrift keine Sanktionen dar. Art. 14 VO (EG) Nr. 3887/92 enthält deshalb keine Vorschriften über Sanktionen, soweit er Verfahrensregelungen zur bloßen Rückführung zu Unrecht gezahlter Zuwendungen bestimmt.

59

Im Übrigen liegen die Voraussetzungen des Art. 14 VO (EG) Nr. 3887/92 auch nicht vor. Der Umstand, dass der Vorschussbescheid sowie der Auszahlungsbescheid rechtswidrig sind (s.o.), führt dazu, dass der Kläger i.S. von Art. 14 Abs. 1 VO (EG) Nr. 3887/92 "zu Unrecht gezahlte Beträge" erhalten hat. Insoweit trifft ihn nach dieser Vorschrift die Pflicht, diese Beträge zurückzuzahlen. Die Verpflichtung zur Rückzahlung zu Unrecht gezahlter Beträge gilt nach Art. 14 Abs. 4 Unterabs. 1 VO (EWG) Nr. 3887/92 nicht, wenn die Zahlung auf einen Irrtum der zuständigen Behörde oder einer anderen Behörde zurückzuführen ist, der vom Betriebsinhaber, der seinerseits in gutem Glauben gehandelt und alle Bestimmungen der geltenden Verordnung eingehalten hat, billigerweise nicht erkannt werden konnte. Auf Vertrauensschutz nach dieser Vorschrift kann der Kläger sich bezüglich der auf der Grundlage des Vorschussbescheides vom 04. Dezember 1996 geleisteten Vorschusszahlung nicht berufen, weil die Vorschrift hinsichtlich der Rückforderung zu Unrecht gezahlter Vorschüsse gemäß Art. 14 Abs. 5 VO (EWG) Nr. 3887/92 keine Anwendung findet. Im Hinblick auf die auf der Grundlage des Abschlusszahlungsbescheides vom 23. Juni 1997 gezahlten Prämien für die 2. AK liegen die Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 4 Unterabs. 1 VO (EWG) Nr. 3887/92 nicht vor. Da der Kläger die Bestimmung des Art. 14 VO (EWG) Nr. 3886/92, jedes im Betrieb gehaltene männliche Rind mit seiner Identifizierungsnummer spätestens am dritten Tag nach seinem Eintreffen im Betrieb in das besondere Register des Erzeugers einzutragen, sowie die Regelungen der §§ 4, 5 RSVO, § 24c VVVO nicht befolgt hat, hat er nicht alle maßgeblichen Bestimmungen eingehalten, so dass ihm ein Vertrauensschutz aus Art. 14 Abs. 4 Unterabs. 1 VO (EWG) Nr. 3887/92 nicht zur Seite steht.

60

Die Rückforderung des zu Unrecht gewährten Betrages findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 14 Abs. 1 VO (EG) Nr. 3887/92 i.V.m. §§ 10 Abs. 1 Satz 1 MOG, 49 a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwVfG. Nach diesen Bestimmungen ist der Begünstigte bei zu Unrecht gezahlten Beträgen zu deren Rückzahlung verpflichtet. Gegenüber der Rückforderung kann der Kläger Vertrauensschutz gemäß Art. 14 Abs. 4 VO (EWG) Nr. 3887/92 nicht geltend machen; insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen.

61

2.

Der Kläger kann sich gegenüber dem Rückforderungsverlangen der Beklagten sowie den entsprechenden Teilrücknahmen der der Zahlung zugrunde liegenden Bescheide jedoch auf Verfolgungsverjährung gemäß Art. 3 Abs. 1 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 berufen.

62

Nach Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 beträgt die Verjährungsfrist für die Verfolgung vier Jahre ab Begehung der Unregelmäßigkeit nach Artikel 1 Abs. 1 dieser Vorschrift. Bei andauernden oder wiederholten Unregelmäßigkeiten beginnt die Verjährungsfrist an dem Tag, an dem die Unregelmäßigkeit beendet wird (Unterabs. 2). Die Verfolgungsverjährung wird durch jede der betreffenden Person zur Kenntnis gebrachte Ermittlungs- oder Verfolgungshandlung der zuständigen Behörde unterbrochen (Unterabs. 3). Die Verjährung tritt jedoch spätestens zu dem Zeitpunkt ein, zu dem eine Frist, die doppelt so lang ist wie die Verjährungsfrist, abläuft, ohne dass die zuständige Behörde eine Sanktion verhängt hat; ausgenommen sind Fälle, in denen das Verwaltungsverfahren gemäß Artikel 6 Absatz 1 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 ausgesetzt worden ist (Unterabs. 4).

63

Art. 3 Abs. 1 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 gilt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sowohl für solche Unregelmäßigkeiten, die zur Verhängung einer Sanktion im Sinne von Art. 5 der Verordnung führen, als auch für diejenigen, die Gegen-stand einer verwaltungsrechtlichen Maßnahme im Sinne von Art. 4 sind, die den Entzug des rechtswidrig erlangten Vorteils bewirken soll, aber nicht den Charakter einer Sanktion hat (EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 - C-278/07 u.a. -). Dies ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 UnterAbs. 1 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95, der für die Verfolgung eine Verjährungsfrist festsetzt, die ab Begehung der Unregelmäßigkeit läuft, wobei der Tatbestand der Unregelmäßigkeit gemäß Art. 1 Abs. 2 der Verordnung "bei jedem Verstoß gegen eine Gemeinschaftsbestimmung als Folge einer Handlung oder Unterlassung eines Wirtschaftsteilnehmers gegeben [ist], die einen Schaden für den Gesamthaushaltsplan der Gemeinschaften ... bewirkt hat bzw. bewirkt haben würde ..." (EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 - C-278/07 u.a. - ). Für den Tatbestand der Unregelmäßigkeit und damit für die Anwendbarkeit der in Art. 3 Abs. 1 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 geregelten Verjährungsfrist kommt es mithin nicht darauf an, ob die Unregelmäßigkeit eine Sanktion oder - wie hier - eine verwaltungsrechtliche Maßnahme im Sinne der Rückforderung des rechtswidrig erlangten Vorteils zur Folge hat. Das dem Kläger zur Last gelegte nicht ordnungsgemäße Führen des Bestandsregisters und der Umstand, dass er einen Antrag für Rinder gestellt hat, für die er das erforderliche Alter nicht nachgewiesen hat, stellt eine Unregelmäßigkeit im Sinne von Art. 1 Abs. 2 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 dar (EuGH, Urteil vom 01. Juli 2004 - C-295/02 - ; Nds. OVG, Urteil vom 28. Oktober 2004 - 10 LC 153/03 - ), auf die die Verjährungsvorschrift des Art. 3 der Verordnung Anwendung findet. Dafür ist es unerheblich, dass gemäß deren Art. 11 Abs. 1 die VO Nr. 2988/95 erst am 26. Dezember 1995 - dem dritten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - in Kraft getreten ist. Denn die in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 2988/95 geregelte Verjährungsfrist ist auf Unregelmäßigkeiten, die vor Inkrafttreten dieser Verordnung begangen worden sind, ebenso anwendbar und beginnt in einem solchen Fall ab dem Zeitpunkt der Begehung der fraglichen Unregelmäßigkeit zu laufen (EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 - C-278/07 u.a. - ).

64

Die Kammer kann offenlassen, ob die Verjährung i.S. von Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 3 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 durch Ermittlungs- und Verfolgungshandlungen des Funktionsvorgängers der Beklagten oder durch die Zustimmung des Klägers, über seinen Widerspruch erst nach Abschluss der sog. Musterverfahren zu entscheiden, unterbrochen worden ist. Denn die Verjährung tritt spätestens ein, nachdem eine Frist, die doppelt so lang ist wie die vierjährige Verjährungsfrist, abgelaufen ist, ohne dass die Behörde eine Sanktion verhängt hat (Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 4 VO [EG, EURATOM] Nr. 2988/95). Diese Frist ist hier verstrichen. Sieht man die nicht ordnungsgemäße Führung des Bestandsregisters durch den Kläger als wiederholte Unregelmäßigkeit an, so wurde diese Unregelmäßigkeit mit der letzten Antragstellung zur Rindersonderprämie 1996 am 30. Dezember 1996 beendet. Seit dem Jahr 1997 ist die Führung des Bestandsregisters nicht mehr beanstandet worden. Die 8-jährige Frist lief demnach am 30. Dezember 2004 ab und war bei Erlass des Widerspruchsbescheides am 27. Juli 2006 bereits verjährt.

65

Die Beklagte kann sich nicht auf die 10-Jahres-Frist des Art. 49 Abs. 4 Unterabs. 1 VO (EG) Nr. 2419/2001 berufen. Letztere tritt hier angesichts der höherrangigen Regelung des Art. 3 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 zurück.

66

Die Vorschrift des Art. 3 Abs. 3 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95, nach der die Mitgliedstaaten die Möglichkeit behalten, eine längere als die in Absatz 1 bzw. Absatz 2 vorgesehene Frist anzuwenden, steht dem Eintritt der Verjährung nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift können die Mitgliedstaaten zum einen längere Verjährungsfristen, die zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Verordnung bestanden, weiter anwenden, und zum andern nach diesem Zeitpunkt neue Verjährungsregelungen mit längeren Fristen einführen (EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 - C-278/07 u.a. - ). Auch sind die Mitgliedstaaten im Rahmen dieser Bestimmung nicht verpflichtet, die betreffenden längeren Verjährungsfristen in spezifischen und/oder sektorbezogenen Regelungen vorzusehen, vielmehr können sich die längeren Verjährungsfristen auch aus Auffangregelungen ergeben (EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 - C-278/07 u.a. - ). Die Vorlagefrage zu der vorstehend in Bezug genommenen Vorabentscheidung betraf die Anwendung der regelmäßigen Verjährungsfrist des BGB (vgl. BFH, Beschluss vom 27. März 2007 - VII R 24/06 - ).

67

Auch bei Zugrundelegung der regelmäßigen Verjährungsfrist, die nach § 195 BGB in der bis zum Ende des Jahres 2001 geltenden Fassung dreißig Jahre betrug, ist nunmehr Verjährung eingetreten. Nach § 195 BGB in der seit dem 01. Januar 2002 geltenden Fassung (BGBl. I, 42) wurde die regelmäßige Verjährungsfrist auf drei Jahre verkürzt. Nach der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB finden die Vorschriften des BGB in ihrer neuen Fassung auf die an diesem Tag bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche Anwendung. Nach Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB wird die in der Neufassung des BGB geregelte Verjährungsfrist, sofern diese kürzer ist, als die Verjährungsfrist nach der alten Rechtslage, vom 01. Januar 2002 an berechnet. Selbst bei Anwendung dieser Vorschriften trat demnach mit Ablauf des Jahres 2004 Verjährung ein.

68

Eine Unterbrechung der Verjährung ist nicht erfolgt. Zu einer solchen kann es gemäß Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 4 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 nur kommen, wenn die Behörde vor Ablauf der Verjährungsfrist eine Sanktion verhängt hat oder das Verwaltungsverfahren nach Art. 6 Abs. 1 - Einleitung eines Strafverfahrens gegen die betreffende Person - ausgesetzt worden ist. Beides ist hier nicht der Fall.

69

Vorschriften des nationalen Rechts zur Hemmung oder zum Neubeginn der Verjährung sind neben Art. 3 Abs. 1 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 nicht anwendbar. Nach Art. 3 Abs. 3 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 behalten die Mitgliedstaaten neben der in dieser Verordnung getroffenen Rahmenregelung lediglich die Möglichkeit, eine längere als die in Absatz 1 bzw. Absatz 2 vorgesehene Frist für die Verjährung anzuwenden. Die Möglichkeit, zusätzliche Tatbestände der Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung vorzusehen, wird den Mitgliedstaaten im Rahmen der in Art. 3 Abs. 1 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 geregelten Verfolgungsverjährung nicht eingeräumt. Dies ergibt sich auch aus Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95, der für die Verjährung in Bezug auf die Vollstreckung vorsieht, dass die Fälle der Unterbrechung und der Aussetzung durch die einschlägigen Bestimmungen des einzelstaatlichen Rechts geregelt werden. An einer entsprechenden Ermächtigung für die Verfolgungsverjährung fehlt es.

70

Der Kläger kann sich auf den Eintritt der Verfolgungsverjährung berufen. Die Einrede der Verjährung stellt keine unzulässige Rechtsausübung dar. Das AfA war durch die Abrede, den Ausgang der "Musterverfahren" abzuwarten, nicht daran gehindert, eine weitergehende (Teil-)Rücknahme und -Rückforderung der Bewilligungsbescheide innerhalb der 8-jährigen Verjährungsfrist vorzunehmen.

71

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 , 711 ZPO.Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.

72

Rechtsmittelbelehrung

73

Gegen dieses Urteil ist die Berufung nur zulässig, wenn sie von dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

74

...

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird gemäß §§ 52 Abs. 3, 39 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) auf

8.304,27 EUR

festgesetzt (Nachforderung i.H. von 1.431,77 EUR + Rückforderung i.H. von 6.872,50 EUR).

Rechtsmittelbelehrung

Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro übersteigt.

...

Gärtner
Dr. Drews
Struhs