Sozialgericht Lüneburg
Urt. v. 08.03.2016, Az.: S 37 AS 1131/13

Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse unter dem Aspekt der Hilfebedürftigkeit bei der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
08.03.2016
Aktenzeichen
S 37 AS 1131/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 14342
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGLUENE:2016:0308.S37AS1131.13.0A

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte dem Kläger Leistungen ohne Vermögensanrechnung zu gewähren hat.

Der im Jahr 1976 geborene Kläger ist gelernter Einzelhandelskaufmann und hat zusätzlich eine Ausbildung zum Finanzmanager absolviert.

Am 25.05.2007 hatte er bei dem Beklagten zum ersten Mal die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (= SGB II) beantragt. Dabei hatte er auch angegeben, mehrere Versicherungen abgeschlossen zu haben, u. a. bei der H., bei der I. und bei der J. Versicherung. Seinerzeit wurde eine Leistungsgewährung für die Monate Mai und Juli 2007 aufgrund der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers abgelehnt (Bescheid vom 02.08.2007 - Bl. 67 der Akte des Beklagten (= VA)). Die Gewährung für die Monate September und Oktober 2007 wurde nachträglich aufgrund der Einkommensverhältnisse aufgehoben und für die Zeit danach abgelehnt (Bescheide vom 06.11.2007 und vom 14 11.2007, Bl. 102 und 113 VA).

Unter dem 15.03.2009 schlossen der Kläger und sein Bruder, der Zeuge K., folgende Vereinbarung:

Zinsloses Privatdarlehen

Vertragsgeber: L. M.

und

Vertragsnehmer: N. O. P.

Darlehenssumme: Euro 10.000.-

Hiermit wird zwischen den Vertragsparteien folgendes zinsloses Privatdarlehen geschlossen. Die o. g. Darlehenssumme wird dem Vertragsnehmer zur Verfügung gestellt. Die Rückzahlung kann der Vertragsnehmer monatlich oder als Einmalzahlung vornehmen. Zur Absicherung des privaten Darlehens werden nachfolgende Versicherungen verwendet:

Versicherungsgesellschaft: Versicherungsart: Versicherungsnummer: Q. aufgeschobene RV R. J. fondgebundene RV S. T. Rentenversicherung U.

Die Versicherungsscheine bleiben bis zur Endrückzahlung im Besitz des Vertragsnehmers.

Am 04.03.2013 beantragte der Kläger beim Beklagten erneut die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Der Antrag wurde mit dem Bescheid vom 14.03.2013 abgelehnt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Leistungsbewilligung nicht möglich sei, weil sich aus den vorliegenden Unterlagen ein Gesamtvermögen i. H. v. 18.477,10 EUR ergeben habe. Abzüglich der gesetzlichen Freibeträge i. H. v. 6.150,00 EUR würde ein anzurechnendes Vermögen von 12.327,10 EUR verbleiben (Bl. 173 VA). Hierbei hatte der Beklagte u. a. die Rückkaufswerte der vom Kläger abgeschlossenen Versicherungen berücksichtigt. Auf die Vermögensübersicht auf Bl. 132 VA wird vollinhaltlich Bezug genommen.

Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger zunächst höhere Freigrenzen für die Altersvorsorge geltend und wies darauf hin, dass die Versicherungen im Wesentlichen für seine Altersvorsorge abgeschlossen worden seien und erst in den Jahren 2028, 2034 und 2041 fällig würden. Daraufhin bat der Beklagte den Kläger darum, Bestätigungen der Versicherungsunternehmen hinsichtlich der aktuellen Rückkaufwerte und eines Verwertungsausschlusses nach § 168 Abs. 3 des Versicherungsvertragsgesetzes (= VVG) zu übersenden. Im weiteren Verlauf des Widerspruchsverfahrens wies der Kläger den Beklagten auch auf den mit seinem Bruder geschlossenen, o. g. Darlehensvertrag hin. Da seinem Bruder zur Absicherung die drei wichtigsten Rentenversicherungen übergeben worden seien, müsste das anzurechnende Vermögen neu berechnet werden. Das Darlehen sei für die Etablierung seiner selbständigen Tätigkeit als Finanzmanager und für private Ausgaben gewährt worden. Die Darlehenssumme habe er in bar erhalten. Der Widerspruch wurde mit dem ausführlich begründeten Widerspruchsbescheid vom 18.07.2013 zurückgewiesen. Darin wurde zunächst dargestellt, dass der Kläger am 04.03.2013 über folgende Vermögenswerte verfügt habe:

- Girokonto: 393,91 EUR - Sparkonto: 5,51 EUR - Sparkonto: 5,96 EUR - Sparkonto Tagesgeld: 606,40 EUR - Sparkonto 3379138898 2.926,09 EUR - J. Vers.: 4.615,15 EUR (fondgebundene RV) - V.: 6.793,89 EUR (private RV) - Sparbriefe 748,83 EUR - 16.095.74 EUR -

Zugunsten des Klägers seien die Rentenversicherungen bei der W. (Rückkaufwert 3.024,00 EUR) nicht berücksichtigt worden, da nach Auskunft des Versicherungsunternehmens zumindest ein großer Teil der Summe erst nach einem Jahr verfügbar sei. Im Übrigen würde das Vermögen des Klägers keinen Verfügungsbeschränkungen unterliegen und sei daher verwertbar. Es sei insbesondere kein Verwertungsverbot nach § 168 Abs. 3 VVG vereinbart worden. Der Einwand, dass er die Versicherungsverträge zur Absicherung des im Jahr 2009 gewährten Privatdarlehens an seinen Bruder übertragen habe, würde nicht durchgreifen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (= BSG) sei bei Verträgen unter Verwandten an die Ernsthaftigkeit der vertraglichen Verpflichtungen strenge Anforderungen zu stellen. Unter dieser Prämisse sei der Darlehensvertrag vom 15.03.2009 unwirksam, da er keine eindeutige Pflicht zur Rückzahlung enthalten würde. Vielmehr sei nur ausgeführt worden, dass die Rückzahlung vorgenommen werden könne. Es würde auch kein Beleg existieren, dass der Darlehensbetrag ausgezahlt worden sei. Aus dem Schriftstück würde auch nicht hervorgehen, zu welchem Zweck das Darlehen gewährt worden sei und wie sich die konkreten Rückzahlungsmodalitäten gestalten würden. Im Übrigen seien die Bezeichnungen "Vertragsgeber bzw. Vertragsnehmer" für einen Darlehensvertrag völlig untypisch. Zweifel an der Wirksamkeit des Vertrags würden sich auch aus den Umständen ergeben, weil der Kläger die Vereinbarung mit seinem Bruder dem Beklagten gegenüber zunächst nicht angegeben habe. Erst auf die Anfrage zu den Rückkaufswerten der Versicherungen habe er auf das Darlehen und die angebliche Absicherung durch die Verträge hingewiesen. Es sei absolut lebensfremd, dass er den Beklagten nicht sofort auf eine für den Ausgang des Verfahrens derart wichtige Tatsache hingewiesen habe. Insgesamt würde daher ein glaubhafter Nachweis einer Darlehensabrede fehlen. Im Übrigen sei auch die Sicherungsabrede unwirksam. So sei im Schriftstück vom 15.03.2013 lediglich der Hinweis enthalten, dass die Versicherungen zur Absicherung dienen sollen. Für eine solche Absicherung hätten jedoch die jeweiligen Versicherungsunternehmen davon in Kenntnis gesetzt werden müssen. Der Darlehensnehmer hätte auch veranlassen müssen, dass der Darlehensgeber berechtigt sei, die Auszahlung zu fordern. Ansonsten sei die Abrede wertlos, da die Versicherer nur gegenüber dem Versicherungsnehmer leisten dürften. Da keine Hinweise existieren würden, dass der Kläger derartige Vorkehrungen getroffen habe, sei eine ernsthafte Übertragung der Vermögenswerte nicht erfolgt. Die Vermögenswerte seien schließlich auch kein Schonvermögen nach § 12 Abs. 3 SGB II. Die Verwertung sei auch nicht unwirtschaftlich, da der Verkehrswert in keinem deutlichen Missverhältnis zum Substanzwert stehen würde.

Hiergegen hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers am 30.07.2013 beim Sozialgericht (= SG) Lüneburg Klage erhoben und geltend gemacht, dass der Darlehensvertrag gültig sei. Der Kläger und sein Bruder seien rechtliche Laien. Aus der Formulierung des Vertrags werde jedoch deutlich, dass dem Kläger ein Betrag von 10.000.- EUR darlehensweise zur Verfügung gestellt worden sei. Der Kläger habe im Übrigen das Geld wieder zurückgezahlt. Aus dem Kontoauszug vom 06.01.2014 sei ersichtlich, dass er am 06.01.2014 10.000.- EUR abgehoben habe. Diesen Betrag habe er an seinen Bruder zurückgezahlt.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger erklärt, dass das Projekt mit der Selbstständigkeit als Finanzberater fehlgeschlagen sei. Um das streitgegenständliche Darlehen zu bedienen, habe er zwei seiner Versicherungen auflösen müssen. Mit den Schreiben vom 21.11. 2013 habe er die Versicherungen bei der X. und der J. Versicherung gekündigt. Auf seinen Bausparvertrag würde er schon lange nichts mehr einzahlen. Bei der Versicherung bei der H. Nr. Y. habe es sich um die frühere Versicherung bei der I. gehandelt, die später von der H. übernommen worden sei. Diese Versicherung sei zum 01.05.2013 abgerechnet worden. Dabei habe er 263,19 EUR erhalten. Die Versicherung bei der H. Nr. Z. sei eine Berufsunfähigkeits-Versicherung und sei zum 27.12.2012 ausgezahlt worden. Hierfür habe er einen Betrag in Höhe von 2.729,95 EUR erhalten. Die Konten bei der AA. und bei der AB. hätten keine Vermögenswerte enthalten. Die Versicherung bei der J. Versicherung mit der Nummer AC. sei identisch mit der dortigen Versicherung mit der Nummer S ... Die Versicherungsscheinnummer sei geändert worden, weil die erste Versicherungsnummer ein unzutreffendes Geburtsdatum enthalten habe. Er könne derzeit nicht mehr angeben, wann dies geändert worden sei.

Das Verhältnis zu seinem Bruder sei gut. Es sei das erste Mal gewesen, dass er sich in diesem Umfang Geld von seinem Bruder geliehen habe. Er selbst habe seinem Bruder noch kein Geld geliehen. Falls es erforderlich gewesen wäre und er entsprechende Mittel gehabt hätte, wäre dies aber kein Problem gewesen. Der Darlehensvertrag sei geschlossen worden, weil er sich habe selbstständig machen wollen. Er habe bereits eine entsprechende Firma gegründet. Sein Bruder sei an diesem Unternehmen nicht beteiligt gewesen. Das Geld habe er im Rahmen seines Geburtstages im Jahr 2009 in einem Betrag erhalten. Belege habe er dafür keine. Mit seinem Bruder würden keine weiteren schriftlichen Vereinbarungen im Rahmen dieses Darlehens existieren. Es seien insbesondere keine weiteren schriftlichen Vereinbarungen zu der Abtretung der Versicherungspolicen getroffen worden. Er habe seinem Bruder die Versicherungspolicen übergeben, was ihm für eine Abtretung ausreichend erschien. Er habe die Abtretung gegenüber dem Versicherungsunternehmen nicht angezeigt. Der Zeuge Heyn hat ausgesagt, dass er das Verhältnis zu seinem Bruder als relativ geordnet ansehen würde. Es sei das erste Mal gewesen, dass er diesem in dieser Größenordnung Geld geliehen habe. Der Grund für das Darlehen sei gewesen, dass sich sein Bruder habe selbstständig machen wollen. Er selbst habe sich zu diesem Zeitpunkt etwas zurückgelegt gehabt. Sein Bruder sei auf die Idee gekommen, zur Sicherheit auch die Versicherungspolicen einzusetzen, quasi als Pfand. Das Geld habe er seinem Bruder aus Anlass seines 33. Geburtstags in einem Betrag übergeben. Eine Quittung habe er dafür nicht. Sie hätten jedoch am 15.03.2009 einen entsprechenden schriftlichen Vertrag geschlossen. Dies sei ihm als Quittung ausreichend erschienen.

Im Jahr 2013 habe er aufgrund seines Hauses und seines Kindes Geld benötigt. Er habe daher seinen Bruder um Rückzahlung des Darlehens gebeten. Dies habe nur durch die Verwertung der Versicherungspolicen erfolgen können. Er habe seinem Bruder die ihm übergebenen Versicherungspolicen zurückgegeben, worauf dieser die Versicherung gekündigt habe. Das Geld habe er dann in einem Betrag im Januar 2014 zurück erhalten. Er könne bestätigen, dass der Darlehensvertrag vom 15.03.2009 auch an diesem Tag abgeschlossen worden sei.

Die Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt,

  1. 1.)

    den Bescheid des Beklagten vom 14.03.2013 und den Widerspruchsbescheid vom 18.07.2013 aufzuheben,

  2. 2.)

    den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger ab dem 01.03.2013 Leistungen nach dem SGB II ohne Vermögensanrechnung zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakte und die den Kläger betreffende Leistungsakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtene Entscheidung des Beklagten erweist sich als rechtmäßig, da der Beklagte zu Recht die Gewährung von SGB II-Leistungen abgelehnt hat.

Ein Leistungsanspruch war nicht gegeben, da der Kläger nicht hilfebedürftig war. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt den mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht

1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen

sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen (§ 11 Abs. 1 SGB II). Vom Vermögen sind nach § 12 Abs. 2 SGB II abzusetzen

1. ein Grundfreibetrag in Höhe von 150,00 EUR je vollendetem Lebensjahr für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende volljährige Person und deren Partnerin oder Partner, mindestens aber jeweils 3.100 EUR; der Grundfreibetrag darf für jede volljährige Person und deren Partnerin oder Partner den jeweils nach S. 2 maßgebenden Höchstbetrag nicht übersteigen,

1a. ein Grundfreibetrag in Höhe von 3.100 EUR für jedes leistungsberechtigte minderjährige Kind,

2. Altersvorsorge in Höhe des nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge geförderten Vermögens einschließlich seiner Erträge und der geförderten laufenden Altersvorsorgebeiträge, soweit die Inhaberin oder der Inhaber das Altersvorsorgevermögens nicht vorzeitig verwendet,

3. geldwerte Ansprüche die der Altersvorsorge dienen, soweit die Inhaberin oder der Inhaber sie vor dem Eintritt in den Ruhestand aufgrund einer unwiderruflichen vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann und der Wert der geldwerten Ansprüche 750,00 EUR je vollendetem Lebensjahr des erwerbsfähigen leistungs- berechtigten Person und deren Partnerin oder Partners, höchstens jedoch den nach S. 2 maßgebenden Höchstbetrag nicht übersteigt,

4. ein Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750,00 EUR für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Leistungsberechtigten.

Das Vermögen ist dabei mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen. Für die Bewertung ist der Zeitpunkt maßgebend in dem der Antrag auf Bewilligung oder erneute Bewilligung der Leistung der Grundsicherung für Arbeit suchende gestellt wird, bei späteren Erwerb von Vermögen der Zeitpunkt des Erwerbs (§ 12 Abs. 4 SGB II).

Unter Anwendung dieser Vorschriften hat der Beklagte das Vermögen des Klägers am 04.03. 2013 zutreffend mit einem Betrag von 16.095,74 EUR angesetzt. Dieses Vermögen unterliegt keinen Verfügungsbeschränkungen und ist daher verwertbar. Dass der Kläger die Versicherungen subjektiv für seine Altersvorsorge abgeschlossen hat, kann zu keiner für ihn günstigeren Beurteilung bzw. zu höheren Freigrenzen führen, da er mit den Versicherungsunternehmen jeweils keine unwiderrufliche, vertragliche Vereinbarung hinsichtlich eines Verwertungsausschlusses getroffen hat (vgl. § 168 Abs. 3 S. 1 VVG).

Der Beklagte hat auch zu Recht die Rückkaufswerte der vom Kläger abgeschlossenen Versicherungen als verwertbares Vermögen in Ansatz gebracht. Demgegenüber kann sich der Kläger nicht darauf berufen, dass die Versicherungen unverwertbar gewesen seien, weil sie als Absicherung für den mit seinem Bruder geschlossenen Darlehensvertrag gedient hätten. In diesem Zusammenhang ist zunächst zu beachten, dass an den Nachweis von grundsicherungsrechtlich relevanten Vereinbarungen unter Verwandten, insbesondere aber an den Abschluss einer Darlehensgewährung, strenge Anforderungen zu stellen sind, um diese eindeutig von einer Schenkung oder Unterhaltsleistung abgrenzen zu können (vgl. BSG Urt. v. 17.06.2010 - B 14 AS 46/09 R, Rz. 21). Zum Beleg der Ernsthaftigkeit einer solchen Vereinbarung ist es daher i. d. R. erforderlich, dass der Vertrag zwischen den Beteiligten so formuliert und gelebt wird, wie es auch sonst bei Geschäften dieser Art im Geschäftsleben üblich ist (Stichwort: Fremdvergleich). Dabei kann es nach Auffassung der Kammer dahinstehen, ob die zwischen dem Kläger und seinem Bruder geschlossene Darlehensvereinbarung tatsächlich vollzogen worden ist oder ob die vom BSG für die Wirksamkeit einer Darlehensabrede als erforderlich angesehenen Kriterien erfüllt waren. Entscheidend ist hier vielmehr, dass die Absicherung dieses Darlehens durch die Versicherungspolicen nicht derartig verfestigt war, als dass dem Kläger deren Verwertbarkeit nicht mehr möglich gewesen wäre. Zwischen dem Kläger und seinem Bruder ist insbesondere kein wirksamer Abtretungsvertrag geschlossen worden. Gem. § 398 Bürgerliches Gesetzbuch (= BGB) kann eine Forderung von dem Gläubiger durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden, wobei mit dem Abschluss des Vertrags der neue Gläubiger an Stelle des bisherigen Gläubigers tritt. Letzteres ist hier jedoch nicht der Fall gewesen, da der Bruder des Klägers die Versicherungspolicen selbst nicht verwerten konnte. Anders als bei sog. Inhaberpapieren, bei den bereits der Besitz einen gewissen Rechtsstatus verleiht (vgl. § 793 ff. BGB), sind Versicherungspolicen stets personenbezogen. Der Zeuge K. wurde jedoch vom Kläger weder als Begünstigter eingesetzt noch in die Position versetzt, dass er ohne Mitwirkung des Klägers die Versicherungen in eigenem Namen hätte kündigen und direkte Forderungen aus den Verträgen gegen die Versicherungsunternehmen hätte geltend machen können. Der Kläger hatte im Übrigen die Versicherungsunternehmen noch nicht einmal von dem Darlehensvertrag bzw. der Absicherung mit seinem Bruder informiert. Die Kammer stimmt daher dem Beklagten zu, dass eine solche Sicherungsabrede rechtlich letztlich völlig wertlos war und damit auch nicht einer im Geschäftsleben üblichen Absicherung entsprochen hat. Weiterhin ist auch ein rechtlich wirksames Pfandrecht nicht entstanden, da es für die wirksame Verpfändung einer Forderung erforderlich ist, dass der Gläubiger (d. h. hier der Kläger) dem Schuldner (d. h. hier dem jeweiligen Versicherungsunternehmen) die Verpfändung anzeigt (§ 1280 BGB). Auch dies ist nach dem Vorbringen des Klägers nicht der Fall gewesen.

Weiterhin stand nach Auffassung der Kammer auch der zeitweilige Besitz des Zeugen K. an den Versicherungspolicen einer Verwertung der Versicherungen durch den Kläger nicht zwangsläufig entgegen. Dabei kann dahinstehen, ob für den Kläger die Möglichkeit bestanden hat, sich bei den Versicherungsunternehmen ggf. Ersatzpapiere beschaffen zu können. Die Kammer schätzt vielmehr das Verhältnis zwischen dem Kläger und seinem Bruder heute wie damals als so stabil und gut ein, dass der Kläger die Versicherungsscheine im Fall einer tatsächlichen Notlage auch zurückerhalten hätte und - da ein konkreter Rückzahlungszeitpunkt nicht vereinbart war - das Darlehen auch noch zu einem deutlich späteren Zeitpunkt hätte zurückgezahlt werden können.

Auch dem Umstand, dass der Kläger zwischenzeitlich einige seiner Versicherungen aufgelöst hat, kann zu keiner für ihn günstigeren Beurteilung führen. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass die Verwertung von Versicherungen zur Deckung eines aktuellen Bedarfs grundsicherungsrechtlich einer Schuldentilgung vorgeht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Leistungen nach dem SGB II der Überbrückung einer akuten Notlage dienen. Die Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft werden in besonderer Weise in eine solidarische Pflicht genommen, bevor staatliche Hilfe in Anspruch genommen werden kann. Dies rechtfertigt auch die Erwartung, dass die Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft vorhandenes Einkommen bzw. Vermögen zunächst zur Deckung ihres eigenen Bedarfs sowie des Bedarfs der Mitglieder ihrer Bedarfsgemeinschaft einsetzen, bevor sie bestehende Verpflichtungen erfüllen. Das gilt auch, soweit ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft sich subjektiv berechtigt in besonderer Weise zur Schuldentilgung verpflichtet fühlt (vgl. BSG, Urt. v. 19.09.2008 - B 14/7b AS 10/07 R, Rz. 26).

Im Übrigen handelt es sich bei den Versicherungen auch nicht um Schonvermögen i. S. des § 12 Abs. 3 SGB II. Deren Verwertung ist insbesondere nicht unwirtschaftlich i. S. des § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II. Insoweit schließt sich die Kammer vollinhaltlich den Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 18.07.2013 an (§ 136 Abs. 3 SGG).

Schließlich sind Hinweise darauf, dass der Kläger in der Zeit nach der Auflösung eines Teils seiner Versicherungen hilfebedürftig war bzw. ist, nicht ersichtlich. Er hat auch keine Folgeanträge beim Beklagten gestellt. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.