Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 22.02.2006, Az.: 2 A 46/05
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 22.02.2006
- Aktenzeichen
- 2 A 46/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 44232
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:2006:0222.2A46.05.0A
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Verfahrenskosten; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des gegen ihn festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Ausstellung eines Tauglichkeitszeugnisses als Voraussetzung für eine Pilotenlizenz.
Der Kläger war von 1992 bis 1997 Inhaber einer Berufspilotenlizenz (CPL) und einer Verkehrsflugzeugführerlizenz (ATPL). Diese luftverkehrsrechtlichen Erlaubnisse setzten die Erteilung eines Tauglichkeitszeugnisses der Klasse 1 voraus. Nach einer im Jahre 1997 vorgenommenen Wiederholungsuntersuchung wurde das Tauglichkeitszeugnis der Klasse 1 nicht verlängert, weil die Fliegerärztliche Untersuchungsstelle nach den damals geltenden Tauglichkeitsrichtlinien 1996 eine Überschreitung der Grenzwerte für die Korrektur von Sehfehlern festgestellt hatte. Daraufhin lehnte die Beklagte die Verlängerung der CPL und der ATPL ab und erteilte dem Kläger lediglich eine Privatpilotenlizenz (PPL). Eine Sondergenehmigung nach Ziff. 2.12.1 der Tauglichkeitsrichtlinien wurde dem Kläger nicht erteilt.
Am 15.01.2002 unterzog sich der Kläger einer Augenoperation. Es handelte sich um einen refraktiv-chirurgischen Eingriff zur Korrektur seines Sehfehlers nach der sogen. LASIK-Methode. LASIK steht für Laser in situ Keratomileusis (vgl. zu den medizinischen Einzelheiten Anlage 1 zur Klagebegründung - Bl. 79).
Nachdem der Kläger von dem FliegerarztB. mit negativem Ergebnis zu Tauglichkeitsklasse 1 untersucht worden war, beantragte er mit Schreiben vom 28.08.2003 - eingegangen bei der Beklagten am selben Tag - die Überprüfung seiner Fliegertauglichkeit Klasse 1 und die Erteilung einer Sondergenehmigung zur Wiedererlangung seiner Fliegertauglichkeit der Klasse 1 gemäß JAR-FCL 3.220 (b), (h), Abs. 1 sowie Abs. 6, Anhang 13 zu den Abschnitten B und C.
Die Beklagte beauftragte im Einverständnis mit dem Kläger Frau C. vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. in Köln (Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin mit der Begutachtung der Fliegertauglichkeit des Klägers. In dem Gutachten zur Überprüfung der Fliegertauglichkeit Klasse 1 vom 08.01.2004 gelangte Frau D. zu dem Ergebnis, aufgrund der präoperativen Refraktion, die minus 5,0 Dioptrien im stärksten brechenden Meridian überschritten habe, sei die Empfehlung einer Sondergenehmigung Klasse 1 nicht möglich. Dabei addierte die Gutachterin die Dioptrienwerte für Myopie und Astigmatismus, so dass sich für das linke Auge präoperativ ein Wert von -5,5 Dioptrien ergab. Aufgrund der guten Sehschärfe in der Ferne und des stabilen Befundes empfahl sie die Erteilung der Sondergenehmigung Klasse 2, zusätzlich eine jährliche augenärztliche Untersuchung und das Erlöschen der Sondergenehmigung bei einer Überschreitung des Dioptrienwertes im stärksten brechenden Meridian von mehr als minus 2,5 Myopie. Wegen der möglichen Druckerhöhung konnte sie eine Kunstflugtauglichkeit nicht empfehlen.
Unter Verweis auf die gutachterliche Empfehlung durch Frau D. lehnte die Beklagte - Fachbereich Flugmedizin - die Erteilung eines Tauglichkeitszeugnisses der Klasse 1 ab. Sie stellte jedoch fest, dass der Kläger fliegertauglich nach Klasse 2 sei. Dieses, im Rahmen der beantragten Überprüfung der Tauglichkeit in besonderen Fällen nach § 24 c LuftVZO AR 3.220 (b), (h) festgestellte Ergebnis teilte sie dem Kläger nebst einem Tauglichkeitszeugnis mit Schreiben vom 22.04.2004 mit. Die Stellungnahme des Fachbereichs Flugmedizin sowie das Tauglichkeitszeugnis enthalten Auflagen entsprechend dem Gutachten von Frau D..
Am 25.05.2004 legte der Kläger Widerspruch gegen einen "Bescheid vom 22. April 2004 und die darin mitgeteilte Entscheidung über seinen Antrag auf Überprüfung der Fliegertauglichkeit gemäß § 24 c LuftVZO vom 18. August 2003" ein, soweit darin die Erteilung der Fliegertauglichkeit Klasse 1 abgelehnt werde und Auflagen zur erteilten Fliegertauglichkeit Klasse 2 angeordnet würden (etc.).
Nach Begründung des Widerspruches mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 08.12.2004 wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27.01.2005 als unzulässig zurück. Zur Begründung führte sie an, bei der Entscheidung über die Tauglichkeit in besonderen Fällen gemäß § 24 c der LuftVZO handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt i. S. des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Die Entscheidung über die Tauglichkeit bzw. die hierzu erteilten Auflagen dienten lediglich der Vorbereitung eines Verwaltungsaktes, d. h. der Erteilung bzw. Verweigerung einer Lizenz für Luftfahrzeugführer. Erst diese Entscheidung sei im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens anfechtbar. Im Übrigen sei materiell-rechtlich die Fliegertauglichkeit des Klägers aufgrund der hohen präoperativen Refraktionswerte nicht festgestellt. Aus medizinischer Sicht hätte daher keine andere Entscheidung über die Tauglichkeit getroffen werden können.
Der Kläger hat am 28.02.2005 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er u. a. vor, die Klage sei zulässig. Die Verweigerung des Tauglichkeitszeugnisses der Klasse 1 sei ein Verwaltungsakt. Nach der im Mai 2003 eingetretenen Rechtsänderung sei die Entscheidung über die Flugtauglichkeit nicht mehr allein der die Lizenz erteilenden Behörde zur Vorbereitung ihrer Entscheidung zuzuleiten. Vielmehr werde dem Lizenzinhaber das Tauglichkeitszeugnis ausgehändigt. Er habe es zusammen mit dem Luftfahrerschein und dem Personalausweis oder Reisepass bei Ausübung der erlaubnispflichtigen Tätigkeit als Luftfahrer mitzuführen (§ 26 Abs. 2 Satz 3 LuftVZO). Dasselbe ergebe sich auch aus § 24 d Abs. 5 LuftVZO, wonach das Tauglichkeitszeugnis der für die Tätigkeit vorgeschriebenen Klasse beim Betrieb des Luftfahrzeugs mitzuführen sei. Die Beklagte treffe daher eine Regelung über die Flugtauglichkeit gegenüber dem Piloten. Die Entscheidung habe mithin Außenwirkung. Bereits der Tauglichkeitsentscheidung komme eine unmittelbare Rechtswirkung zu, die in die Rechte des Piloten als Bewerber um eine Flugzeugführerlizenz eingreife. Liege die Tauglichkeit nicht vor, so sei die Beklagte bei der Lizenzerteilung nach § 26 Abs. 1 LuftVZO daran gebunden.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 22.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 27.01.2005 aufzuheben,
die Beklagte zu verpflichten, ihm das beantragte Tauglichkeitszeugnis Klasse 1 ohne Einschränkung zu erteilen,
hilfsweise,
die Erteilung eines Tauglichkeitszeugnisses Klasse 1 nach altem Recht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, die Klage sei unzulässig. Die Entscheidung über die Tauglichkeit bzw. die hierzu erteilten Auflagen diene lediglich der Vorbereitung eines Verwaltungsaktes, d. h. der Erteilung bzw. Verweigerung einer Lizenz für Luftfahrzeugführer. Es handele sich nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Das gelte auch für die Entscheidung über die Tauglichkeit in besonderen Fällen gemäß § 24 c LuftVZO. Durch die zum 01.05.2003 in Kraft getretenen Rechtsänderungen habe sich an der Rechtsqualität eines Tauglichkeitszeugnisses nichts geändert, so dass die Klage mit dem Haupt- und dem Hilfsantrag abzuweisen sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die dem Gericht bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist mit dem Hauptantrag und mit dem Hilfsantrag unzulässig.
Denn die Ausstellung bzw. Verweigerung eines Tauglichkeitszeugnisses ist auch nach den zum 01.05.2003 in Kraft getretenen geänderten luftverkehrsrechtlichen Vorschriften kein Verwaltungsakt i. S. des § 35 Satz 1 VwVfG. Der Kläger kann sich gegen die fliegerärztliche Entscheidung der Beklagten vom 22.04.2004 nur im Rahmen einer Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Berufs- oder Verkehrsflugzeugführerlizenz wenden. Im Rahmen eines solchen Verfahrens ist seine Tauglichkeit als Flugzeugführer nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 LuftVG i. V. m. §§ 24 Abs. 1 Nr. 2, 26 Abs. 1 Satz 1 LuftVZO zu prüfen. Die von dem Kläger erhobene Verpflichtungsklage auf Erteilung eines Tauglichkeitszeugnisses Klasse 1 nach JAR-FCL 3 (n. R.) bzw. nach ICAO-Standard (a. R.) ist daher unzulässig.
Das Tauglichkeitszeugnis vom 12.05.2004 (Bl. 26 BA A) ist ebenso wenig ein Verwaltungsakt i.S.d. § 35 Satz 1 VwVfG wie das Schreiben der Beklagten vom 22.04.2005 (Bl. 35 BA A) und die Stellungnahme des Fachbereichs Flugmedizin zu der Überprüfung nach § 24c LuftVZO (Bl. 33 BA A). Für die Beurteilung, ob ein Verwaltungsakt vorliegt, kommt es auf den objektiven Erklärungswert der behördlichen Maßnahme, der nach dem Empfängerhorizont zu bestimmen ist, an. Es ist zu fragen, wie der Bürger unter Berücksichtigung der äußeren Form, Abfassung, Begründung, Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung und aller sonstigen ihm bekannten oder erkennbaren Umstände nach Treu und Glauben bei objektiver Auslegung nach §§ 157, 133 BGB die Erklärung oder das Verhalten der Behörde verstehen durfte bzw. musste (Kopp, VwVfG, Komm., 9. Aufl., § 35 Rn. 18). Danach durfte der Kläger die genannten behördlichen Erklärungen nicht als eine ihm gegenüber erfolgte Regelung seiner Tauglichkeit durch Verwaltungsakt verstehen. Die Dokumente waren nicht als Bescheide bezeichnet, sie enthielten keine Rechtsbehelfsbelehrungen. Die Stellungnahme des Fachbereichs Flugmedizin im Rahmen der Überprüfung der Tauglichkeit nach § 24 c LuftVZO (Bl. 33 BA A) enthält zwar die Aussage, es werde die Entscheidung getroffen, der Kläger sei fliegeruntauglich Klasse 1 bei Fliegertauglichkeit Klasse 2. Damit wird aber nur die medizinische Entscheidung des Luftfahrt-Bundesamtes (LBA), Fachbereich Flugmedizin, über die Tauglichkeit im Verwaltungsverfahren wiedergegeben. Die "Entscheidung" ist nicht an den Kläger gerichtet. Dieser Inhalt, d. h. die Außenwirkung einer solchen Regelung, kann der Stellungnahme des Fachbereich Flugmedizin nicht entnommen werden. Folgerichtig spricht das Schreiben der Beklagten vom 22.04.2004 (Bl. 35 BA A) auch nur von einer Stellungnahme des Fachbereichs Flugmedizin und der Feststellung der Fliegertauglichkeit Klasse 2 mit Auflagen. Auch dieses Schreiben durfte im Zusammenhang mit dem übersandten Tauglichkeitszeugnis und der Stellungnahme nicht als Regelung gegenüber dem Kläger als Piloten verstanden werden.
Zu einer anderen Auffassung konnte der Kläger auch nicht nach der zum Mai 2003 geänderten Rechtslage gelangen. Das Tauglichkeitszeugnis war nach übereinstimmender Auffassung nach dem bis zum Mai 2003 geltenden Recht kein Verwaltungsakt (Hofmann/Grabherr, LuftVG, Komm., § 4 Rn. 21, Kommentierung mit Stand Dez. 2002; Giemulla/Schmid, LuftVG, Komm., § 24 a Rn. 8, Kommentierung mit Stand Sep. 1995). Daran hat sich nach dem neuen Recht nichts geändert. Die der Lizenzerteilung und der Ausstellung des Tauglichkeitszeugnisses zugrunde liegenden Vorschriften haben sich nicht so geändert, dass nunmehr von einem Verwaltungsakt und nicht mehr von einer behördeninternen Entscheidung, die einem Bewerber um eine Lizenz lediglich mitgeteilt wird, ausgegangen werden müsste (vgl. auch Handbuch des Luftverkehrsrechts, Schwenk/Giemulla, 3. Aufl., 2005, S. 442). Tauglichkeitszeugnisse der Klasse 1 werden durch das Luftfahrt-Bundesamt, Flugmedizinische Zentren oder Flugmedizinische Sachverständige ausgestellt (vgl. im Einzelnen § 24 d Abs. 1 LuftVZO). § 24 d LuftVZO und in den weiteren Vorschriften ist insoweit nicht zu entnehmen, dass eine Entscheidung mit unmittelbarer Rechtswirkung im Hinblick auf die Tauglichkeit gegenüber dem Bewerber um eine Lizenz (oder Inhaber) oder dem Lizenzinhaber gegenüber erfolgt. Dass ein Tauglichkeitszeugnis nach § 24 d Abs. 5 LuftVZO bei dem Betrieb des Luftfahrzeuges mitzuführen ist, besagt insoweit nichts (vgl. ebenso § 26 Abs. 2 Satz 3 LuftVZO). Entscheidend ist nach wie vor die Erteilung der Lizenz durch die zuständige Stelle - hier das Luftfahrt-Bundesamt - nach § 26 Abs. 1 und § 26 a Abs. 1 LuftVZO. Bei dieser Entscheidung müssen die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 LuftVZO erfüllt sein bzw. das Tauglichkeitszeugnis vorgelegt werden. Dazu gehört gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 2 LuftVZO die Tauglichkeit des Bewerbers bzw. Lizenzinhabers, die durch ein nach § 24 d LuftVZO erteiltes Tauglichkeitszeugnis nachgewiesen wird (vgl. auch § 4 Abs. 1 Nr. 2 LuftVG). Diese Vorschriften haben sich durch die rechtsverbindliche Einführung der JAR-FCL 3 deutsch (vgl. §§ 26 Abs. 1 Satz 1, 26 a Abs. 1 LuftVZO i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 2 LuftVZO, vgl. auch § 24 a Abs. 1 Satz 2 LuftVZO) nicht geändert. Schon nach altem Recht war die Tauglichkeit des Bewerbers bzw. Lizenzinhabers nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 LuftVZO (i.d.F. d. B. v. 27.03.1999, BGBl. I S. 610) Voraussetzung für die Erteilung und Verlängerung bzw. Erneuerung einer Erlaubnis (vgl. §§ 26 Abs. 1 Satz 1, 26 a Abs. 1 Satz 1 LuftVZO a.F.). Auch § 24 c LuftVZO (n. F.) regelt keine Verwaltungsentscheidung gegenüber dem Bewerber oder Lizenzinhaber. Dort werden nur Verwaltungsabläufe bei der Überprüfung der Zuverlässigkeit und Tauglichkeit in besonderen Fällen geregelt. Sofern von einem Widerspruch des Lizenzinhabers die Rede ist - § 24 c Abs. 1 Satz 2 LuftVZO - wird deutlich, dass nicht ein Widerspruch i. S. des § 69 VwGO gemeint ist. Der Lizenzinhaber beantragt damit die Entscheidung des Luftfahrt-Bundesamtes u. a. über die Erteilung einer Lizenz unter Hinzuziehung von flugmedizinischen Sachverständigen (entspr.: Antrag des Erstbewerbers nach § 24 c Abs. 1 Satz 3 u. 4 LuftVZO).
Deutlich wird der Wille des Verordnungsgebers auch aus dem Muster für die Mitteilung über die Verweigerung der Ausstellung eines Tauglichkeitszeugnisses nach Anlage 12 zu § 4 Abs. 6 d) 1. DV LuftVZO. Der Mitteilung ist danach folgende Bemerkung hinzuzufügen:
"Sie können Widerspruch gegen die aus dieser Entscheidung resultierende Verwaltungsentscheidung bei der für die Erteilung ihrer Lizenz zuständigen Stelle einlegen. Sie sollten sich schriftlich an die für die Erteilung ihrer Lizenz zuständige Stelle wenden, an die der Antrag gerichtet war. In Ihrem Falle ist dies:..."
Ein Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt "Verweigerung der Ausstellung eines Tauglichkeitszeugnisses" gibt es demnach nicht, nur gegen eine daraus "resultierende" Verwaltungsentscheidung, z. B. die Lizenzverweigerung. Der Dokumentenvordruck nach Anl. 12 ist im übrigen bei der Verweigerung des Tauglichkeitszeugnisses der Klasse 1 durch den flugmedizinischen Sachverständigen E. am 28.6.2003 verwandt worden, so dass der Kläger unmittelbar vor der eigenen Antragstellung am 28.8.2003 über die - unveränderte - Rechtslage in Kenntnis gesetzt wurde. Schließlich hat der Kläger durch den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 27.01.2005 von der Rechtslage erfahren (vgl. zur Einbeziehung des Widerspruchsbescheides in die Auslegung des objektiven Erklärungswertes einer behördlichen Maßnahme Kopp, VwVfG, aaO, § 35 Rn. 18).
Den weiteren Regelungen der 1. DV LuftVZO zum Tauglichkeitszeugnis und den JAR-FCL 3 deutsch, die für den Umfang der flugmedizinischen Untersuchung und die Beurteilungsmaßstäbe maßgeblich sind (§ 24 a Abs. 1 Satz 2 LuftVZO), kann ein anderes Ergebnis ebenfalls nicht entnommen werden. Nach § 4 Abs. 6 d) Satz 3 1. DV LuftVZO hat der flugmedizinische Sachverständige die Verweigerung der Ausstellung eines flugmedizinischen Tauglichkeitszeugnisses der für die Erteilung der Lizenz zuständigen Stelle und dem flugmedizinischen Bereich des LBA gem. Anh. 12 (s.o.) innerhalb von 5 Arbeitstagen schriftlich mitzuteilen. In dieser Vorschrift und den weiteren Bestimmungen dieses Absatzes ist von einer Regelung der Tauglichkeit durch den flugmedizinischen Sachverständigen als Beliehenen oder das Luftfahrtbundesamt gegenüber dem Bewerber nicht die Rede. Zu dem hier einschlägigen § 24c LuftVZO enthält Buchstabe c) des genannten Absatzes eine Bestimmung, wonach in den Fällen einer sog. Sonderprüfung die für die Lizenz zuständige Stelle das Tauglichkeitszeugnis ausstellt, was aber keine abweichende Regelung für die Binnen- oder Außenwirkung der Entscheidung über das Tauglichkeitszeugnis bedeutet.
Der Hilfsantrag war ebenfalls als unzulässig abzulehnen. Auf die fehlende Rechtsqualität eines Verwaltungsaktes auch des Tauglichkeitszeugnisses nach altem Recht ist schon verwiesen worden. Ein Tauglichkeitszeugnis nach ICAO-Standard kann zudem mangels einer Übergangsvorschrift für die Anwendung des alten Rechts nicht erteilt werden. Eine Übergangsvorschrift für die Fortgeltung bzw. Erneuerung von Lufttauglichkeitszeugnissen alten Rechts enthält weder das Luftverkehrsgesetz (vgl. §§ 71, 72 LuftVG) noch die Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung, die in § 110 Abs. 3 LuftVZO lediglich die Gültigkeit der bis zum 31.12.2004 ausgestellten Tauglichkeitszeugnisse für bestimmte Privatluftfahrzeugführer besonders regelt. Im Übrigen hat der Kläger den Antrag auf Erteilung einer Sondergenehmigung zur Ausstellung eines Tauglichkeitszeugnisses erst nach Inkrafttreten der Neuregelungen am 28.08.2003 gestellt und diesen Antrag ausdrücklich auf die Vorschriften der JAR-FCL 3.220 (b), (h), Abs. 1 u. Abs. 6, Anhang 13 zu den Abschnitten B und C gestützt.
Über die Tauglichkeit des Klägers nach Klasse 1 ist nach dem Vorgenannten nicht zu entscheiden. Hinsichtlich der Anforderungen des Anhangs 13 zu den Abschnitten B und C Abs. 6 (a) zur JAR-FCL 3 deutsch ist an dieser Stelle nur auszuführen, dass die erkennende Kammer nach dem wechselseitigen Vorbringen der Beteiligten zur Notwendigkeit einer Addition der Dioptrienwerte für Myopie und Astigmatismus voraussichtlich ein Sachverständigengutachten eingeholt hätte, um zu klären, ob die Addition im Hinblick auf die Formulierungen in dem JAR-FCL 3.220 (b) Sätze 1 und 2 zur Feststellung der Flugtauglichkeit medizinisch tatsächlich geboten ist. Die Klärung dieser Frage muss einem evtl. Gerichtsverfahren über die Wiedererlangung der Lizenzen des Klägers vorbehalten bleiben.