Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.05.2020, Az.: 1 K 382/16
Ansatz von Aufwendungen im Zusammenhang mit Fahrten mit dem PKW zwischen Wohnung und Arbeit mit der Entfernungspauschale oder nach Dienstreisegrundsätzen als Werbungskosten
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 28.05.2020
- Aktenzeichen
- 1 K 382/16
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2020, 70474
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - AZ: VI R 32/20
Rechtsgrundlage
- § 9 Abs. 4 EStG
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger seine Aufwendungen im Zusammenhang mit seinen Fahrten mit dem PKW zwischen seiner Wohnung und seiner Arbeit im Streitjahr 2014 nur mit der Entfernungspauschale oder nach Dienstreisegrundsätzen als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit abziehen kann.
Die Kläger sind im Streitjahr 2014 zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Ehegatten. Die Klägerin war als Arbeitnehmerin tätig. Der Kläger befand sich in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zu dem Zeitarbeitsunternehmen A, Arbeitsvertrag vom 23. Januar 2012, Vertragsbeginn 1. Februar 2012. Nach diesem Arbeitsvertrag sollte der Kläger als überbetrieblicher Mitarbeiter bei Kunden von A eingesetzt werden, ohne dass dadurch ein Vertragsverhältnis zu dem jeweiligen Kunden begründet werden sollte.
Im Zusammenhang mit dem Arbeitsvertrag schloss der Kläger weitere Zusatzvereinbarungen zum Arbeitsvertrag mit A. In einer "Ergänzung zum Arbeitsvertrag", einer "Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag" und einer "Zusatzvereinbarung Einsatzbezogene Aufwendungen", sämtlich vom 24. Januar 2012, waren u.a. Zuschläge, Zulagen und Prämien sowie der Ersatz einsatzbezogener Aufwendungen für den Einsatz des Klägers bei B vereinbart. Für die Dauer des Einsatzes des Klägers bei B stand dem Kläger eine einsatzbezogene Vergütung von 16,47 €/Stunde zu, anstelle der im Arbeitsvertrag mit A vereinbarten Vergütung in Höhe von 11,92 €/Stunde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die schriftlichen Vereinbarungen, die in Kopie zur Gerichtsakte gelangt sind, Bezug genommen.
Eingesetzt war der Kläger dann vereinbarungsgemäß ab Vertragsbeginn im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses zu A ausschließlich und durchgängig als CNC-Fräser bei B. Das Leiharbeitsverhältnis des Klägers war nach den zwischen B (Entleiher) und A (Verleiher) geschlossenen Vereinbarungen befristet. Der weitere Einsatz des Klägers bei B war also davon abhängig, dass B nach Ablauf der jeweiligen Frist mit A ein weiteres (befristetes) Leiharbeitsverhältnis begründete. Dies ist bis über das Streitjahr hinaus stets geschehen. Im Streitjahr selbst war der Kläger zunächst für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. September und danach vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember im Rahmen eines befristeten Leiharbeitsverhältnisses zwischen A und B tätig.
Der Kläger fuhr arbeitstäglich mit seinem privaten PKW von seiner Wohnung zu B, dies war im Streitjahr an 239 Tagen, die einfache Entfernung betrug 36 km. Hierfür bekam er im Streitjahr einen steuerfreien Fahrtkostenersatz in Höhe von 462 €.
Die Kläger gaben ihre gemeinsame Einkommensteuererklärung für das Streitjahr im Folgejahr 2015 ab. Darin machte der Kläger für seine Fahrten von der Wohnung zu seinem Einsatzort bei B Werbungskosten in Höhe von 5.162,40 € geltend. Der Kläger hatte diesen Betrag für seine Fahrtkosten nach Dienstreisegrundsätzen wie folgt errechnet:
478 Fahrten (239 Arbeitstage je 2 Fahrten) x 36 km x 0,30 €/km = 5.162,40 €
Der Beklagte folgte der Einkommensteuererklärung insoweit nicht, als er die Fahrten des Klägers zu seiner Arbeit als solche zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte ansah, für die ein Werbungskostenabzug nur in Höhe der Entfernungspauschale von 0,30 €/Entfernungskilometer (E-km) in Betracht komme. Im Einkommensteuerbescheid vom 4. November 2015 berücksichtigte der Beklagte dementsprechend hierfür nur Werbungskosten in Höhe von 2.581,20 € (239 Arbeitstage x 36 E-km x 0,30 €/E-km).
Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die Klage. Die Kläger sind weiterhin der Auffassung, für die Fahrtkosten des Klägers sei ein Werbungskostenabzug in Höhe von 0,30 €/km anzusetzen. Der Einsatzort des Klägers im Streitjahr, die Firma B, sei nicht als erste Tätigkeitsstätte des Klägers anzusehen. Der Kläger habe als Arbeitnehmer einer Zeitarbeitsfirma vielmehr keine erste Tätigkeitsstätte. Denn er werde nur jeweils befristet entliehen. Die Firma B habe den Kläger zwar bereits seit dem Jahr 2012 entliehen, aber stets nur befristet. Auch im Streitjahr habe es wieder zwei Befristungen gegeben. Deshalb sei eine dauerhafte Zuordnung des Klägers zu betrieblichen Einrichtungen von B nicht gegeben. Für Fälle einer sog. Kettenabordnung bestätige das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BdF) vom 24. Oktober 2014 in den Rz. 17 und 18 die Auffassung, dass in solchen Fällen nicht von einer dauerhaften Zuordnung auszugehen sei.
Das Klageverfahren ruhte durch Beschluss vom 7. März 2017 bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Verfahren mit dem Aktenzeichen VI R 6/17, diese Entscheidung fiel durch BFH-Urteil vom 10. April 2019.
Die Kläger beantragen,
unter Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 4. November 2015 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 24. November 2016 die Einkommensteuer unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von 2.581,20 € herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner Auffassung fest, dem Kläger stehe kein höherer Werbungskostenabzug zu. Die Fahrten des Klägers seien mit der Entfernungspauschale anzusetzen. Denn der Kläger habe bei B seine erste Tätigkeitsstätte gehabt. Er sei der Entleiherfirma B dauerhaft zugeordnet gewesen. Ein Werbungskostenabzug sei deshalb nur in Höhe der Entfernungspauschale und nicht nach Dienstreisegrundsätzen möglich. Nach dem BFH-Urteil vom 10. April 2019 VI R 6/17 (BStBl II 2019, 539) seien die Voraussetzungen für die Annahme einer ersten Tätigkeitsstätte durch dauerhafte Zuordnung dann erfüllt, wenn ein Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte eingesetzt sei. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt, denn der Kläger sei während der gesamten Zeit seines Arbeitsverhältnisses zu A ausschließlich bei B eingesetzt gewesen, er sei damit den ortsfesten betrieblichen Einrichtungen von B zugeordnet gewesen. Auf die jeweilige Befristung des Einsatzes des Klägers bei B komme es ebenso wenig an wie auf die (theoretische) Möglichkeit, den Kläger bei einem anderen Kunden von A einzusetzen. Denn tatsächlich habe der Kläger über Jahre hinweg denselben Einsatzort gehabt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-).
Ein höherer als der bisher vom Beklagten berücksichtigte Werbungskostenabzug kommt nicht in Betracht. Zu Recht hat der Beklagte die Fahrten des Klägers mit seinem privaten PKW von seiner Wohnung zu seinem Einsatzort bei B nur mit der Entfernungspauschale berücksichtigt.
Beruflich veranlasste Fahrtkosten sind Erwerbsaufwendungen. Handelt es sich bei den Aufwendungen des Arbeitnehmers um solche für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG), ist zu deren Abgeltung für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht, grundsätzlich eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von 0,30 € anzusetzen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sätze 1 und 2 EStG).
Erste Tätigkeitsstätte ist nach der Legaldefinition in § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Der durch das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20. Februar 2013 (BGBl I 2013, 285) neu eingeführte und in § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG definierte Begriff der "ersten Tätigkeitsstätte" tritt an die Stelle des bisherigen unbestimmten Rechtsbegriffs der "regelmäßigen Arbeitsstätte".
Ortsfeste betriebliche Einrichtungen sind räumlich zusammengefasste Sachmittel, die der Tätigkeit des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten dienen und mit dem Erdboden verbunden oder dazu bestimmt sind, überwiegend standortgebunden genutzt zu werden. Eine (großräumige) erste Tätigkeitsstätte liegt auch vor, wenn eine Vielzahl solcher Mittel, die für sich betrachtet selbständige betriebliche Einrichtungen darstellen können (z.B. Werkstätten und Werkshallen, Bürogebäude und -etagen sowie Verkaufs- und andere Wirtschaftsbauten), räumlich abgrenzbar in einem organisatorischen, technischen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten stehen (BFH-Urteil vom 10. April 2019 VI R 6/17, BStBl II 2019, 539). Demgemäß kommt als eine solche erste Tätigkeitsstätte auch ein großflächiges und entsprechend infrastrukturell erschlossenes Gebiet (z.B. Werksanlage, Betriebsgelände, Bahnhof oder Flughafen) in Betracht (s. hierzu auch BFH-Urteile vom 11. April 2019 - VI R 40/16, BStBl II 2019, 546 und VI R 12/17, BStBl II 2019, 551).
Die Zuordnung zu einer solchen Einrichtung wird gemäß 9 Abs. 4 Satz 2 EStG durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt.
Nach der gesetzlichen Konzeption --und der die Neuordnung des steuerlichen Reisekostenrechts prägenden Grundentscheidung-- wird die erste Tätigkeitsstätte vorrangig anhand der arbeits(vertrag)- oder dienstrechtlichen Zuordnung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber bestimmt, hilfsweise mittels quantitativer Kriterien (BTDrucks 17/10774, S. 15; ebenso BMF-Schreiben vom 24. Oktober 2014 - IV C 5 S 2353/14/10002, BStBl I 2014, 1412, Rz 2, BFH-Urteil vom 10. April 2019 VI R 6/17, BStBl II 2019, 539 m.w.N.).
Zu den arbeits- oder dienstrechtlichen Weisungen und Verfügungen (im weiteren Verlauf: arbeitsrechtliche) zählen alle schriftlichen, aber auch mündlichen Absprachen oder Weisungen (BTDrucks 17/10774, S. 15). Die Zuordnung kann also insbesondere im Arbeitsvertrag oder durch Ausübung des Direktionsrechts (bspw. im Beamtenverhältnis durch dienstliche Anordnung) kraft der Organisationsgewalt des Arbeitgebers oder Dienstherrn (im weiteren Verlauf: Arbeitgeber) vorgenommen werden. Die Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte muss dabei nicht ausdrücklich erfolgen. Sie setzt auch nicht voraus, dass sich der Arbeitgeber der steuerrechtlichen Folgen dieser Entscheidung bewusst ist. Wird der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber einer betrieblichen Einrichtung zugeordnet, weil er dort seine Arbeitsleistung erbringen soll, ist diese Zuordnung aufgrund der steuerrechtlichen Anknüpfung an das Dienst- oder Arbeitsrecht vielmehr auch steuerrechtlich maßgebend. Deshalb bedarf es neben der arbeitsrechtlichen Zuordnung zu einer betrieblichen Einrichtung keiner gesonderten Zuweisung zu einer ersten Tätigkeitsstätte für einkommensteuerrechtliche Zwecke. Denn der Gesetzgeber wollte mit der Neuregelung des steuerlichen Reisekostenrechts auch das Auseinanderfallen der arbeitsrechtlichen von der steuerrechtlichen Einordnung bestimmter Zahlungen als Reisekosten verringern (BTDrucks 17/10774, S. 15). Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer aus der Sicht ex ante nach den arbeitsrechtlichen Festlegungen an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten tätig werden sollte.
Die arbeitsrechtliche Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers als solche muss für ihre steuerliche Wirksamkeit nicht dokumentiert werden (a.A. BMF-Schreiben in BStBl I 2014, 1412, Rz 10). Eine Dokumentationspflicht ist § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht zu entnehmen. Die Feststellung einer entsprechenden Zuordnung ist vielmehr durch alle nach der FGO zugelassenen Beweismittel möglich und durch das FG im Rahmen einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu treffen. So entspricht es regelmäßig der Lebenswirklichkeit, dass der Arbeitnehmer der betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers zugeordnet ist, in der er tatsächlich tätig ist oder werden soll.
Ist der Arbeitnehmer einer bestimmten Tätigkeitsstätte arbeitsrechtlich zugeordnet, kommt es aufgrund des Direktionsrechts des Arbeitgebers für das Auffinden der ersten Tätigkeitsstätte auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit, die der Arbeitnehmer dort ausübt oder ausüben soll, entgegen der bis 2013 geltenden Rechtslage nicht mehr an (BTDrucks 17/10774, S. 15; BMF-Schreiben in BStBl I 2014, 1412, Rz 8; BFH-Urteil vom 10. April 2019 VI R 6/17, BStBl II 2019, 539).
Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören. Nur dann kann die "erste Tätigkeitsstätte" als Anknüpfungspunkt für den Ansatz von Wegekosten nach Maßgabe der Entfernungspauschale und als Abgrenzungsmerkmal gegenüber einer auswärtigen beruflichen Tätigkeit dienen. Dies folgt nach Auffassung des erkennenden Senats insbesondere aus § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG, der zumindest für den Regelfall davon ausgeht, dass der Arbeitnehmer an diesem Ort auch tätig werden soll. Darüber hinaus ist das Erfordernis einer arbeitsvertrag- oder dienstrechtlich geschuldeten Betätigung an diesem Ort nicht zuletzt dem Wortsinn des Tatbestandsmerkmals "erste Tätigkeitsstätte" geschuldet. Denn ein Ort, an dem der Steuerpflichtige nicht tätig wird (oder für den Regelfall nicht tätig werden soll), kann nicht als Tätigkeitsstätte angesehen werden. Schließlich zwingt auch das objektive Nettoprinzip, den Begriff der ersten Tätigkeitsstätte dahingehend auszulegen. Denn anderenfalls bestimmt sich die Steuerlast nicht - gleichheitsrechtlich geboten - nach der individuellen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen, sondern nach dem Belieben seines Arbeitgebers.
Von einer dauerhaften Zuordnung ist ausweislich der in § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG aufgeführten Regelbeispiele insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll. Fehlt eine solche dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung auf eine Tätigkeitsstätte oder ist sie nicht eindeutig, ist erste Tätigkeitsstätte entsprechend § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG die betriebliche Einrichtung, an der der Arbeitnehmer dauerhaft
1. typischerweise arbeitstäglich tätig werden soll oder
2. je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll.
Eine Zuordnung ist unbefristet i.S. des § 9 Abs. 4 Satz 3 1. Alternative EStG, wenn die Dauer der Zuordnung zu einer Tätigkeitsstätte aus der maßgeblichen Sicht ex ante nicht kalendermäßig bestimmt ist und sich auch nicht aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung ergibt.
Ist das Arbeitsverhältnis seinerseits befristet, kommt eine unbefristete Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses nicht in Betracht. Denn es ist in einem solchen Fall ausgeschlossen, dass "der Arbeitnehmer unbefristet ... an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll", wie es § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG nach seinem insoweit eindeutigen Wortlaut voraussetzt.
Die Zuordnung erfolgt gemäß § 9 Abs. 4 Satz 3 2. Alternative EStG für die Dauer des Arbeits- oder Dienstverhältnisses, wenn sie aus der maßgeblichen Sicht ex ante für die gesamte Dauer des Arbeits- oder Dienstverhältnisses Bestand haben soll.
War der Arbeitnehmer im Rahmen eines befristeten Arbeits- oder Dienstverhältnisses bereits einer ersten Tätigkeitsstätte zugeordnet und wird er im weiteren Verlauf einer anderen Tätigkeitsstätte zugeordnet, erfolgt diese zweite Zuordnung nicht mehr für die Dauer des Arbeits- oder Dienstverhältnisses. Denn in Bezug auf die zweite Zuordnung steht (aus der auch insoweit maßgeblichen Sicht ex ante) fest, dass sie nicht gemäß § 9 Abs. 4 Satz 3 2. Alternative EStG für die (gesamte) Dauer des Dienstverhältnisses gilt, sondern lediglich für die Dauer des verbleibenden Arbeits- oder Dienstverhältnisses.
Zu beachten ist zudem, dass die Befristung eines Leiharbeitsverhältnisses die Annahme einer dauerhaften Zuordnung nicht ausschließt. Insbesondere steht der dem Direktionsrecht des Arbeitgebers geschuldete allgemeine Vorbehalt der jederzeitigen Umsetzung oder Versetzung im Arbeitsvertrag einer dauerhaften Zuordnung an sich nicht entgegen (BFH-Urteil vom 10. April 2019 VI R 6/17, BStBl II 2019, 539)
Nach diesen Grundsätzen hatte der Kläger im Streitjahr an seinem Einsatzort bei B seine erste Tätigkeitsstätte. Denn er war diesem Einsatzort dauerhaft zugeordnet.
Entgegen der Auffassung der Kläger handelte es sich bei dem Einsatz des Klägers bei B nicht um einen Fall der Kettenabordnung. Denn aus dem hier maßgeblichen Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und A war der Kläger für einen Einsatz bei B eingestellt und ausschließlich dort eingesetzt worden. So datieren sowohl der Arbeitsvertrag des Klägers mit A als auch wesentliche den Einsatz des Klägers bei B betreffende Regelungen vom 23./24. Januar 2012 und waren damit noch vor dem Beginn des Arbeitsverhältnisses des Klägers zu A am 1. Februar 2012 wie auch vor dem ersten Einsatz des Klägers bei B geschlossen.
Dieser Einsatz war nach Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls sowohl für den Kläger als Arbeitnehmer als auch für A als Arbeitgeber ex ante, also von vornherein, so gestaltet, dass der Kläger bis auf Weiteres, also nicht befristet bei B eingesetzt werden sollte. Dies ergibt sich eindeutig aus den zwischen dem Kläger mit A getroffenen Vereinbarungen zu Beginn des Arbeitsverhältnisses. Denn es gab keinerlei besondere Regelungen zu etwaigen anderen Kunden von A oder anderen Einsatzorten des Klägers. Der Kläger konnte sich also, wie andere Arbeitnehmer, die nicht in Zeitarbeitsunternehmen beschäftigt sind, auf seine Beschäftigungssituation einstellen.
Im Streitfall sieht es der erkennende Senat deshalb als gerechtfertigt an, dem Kläger nur die Entfernungspauschale zuzubilligen.
Das zwischen A und B bestehende Leiharbeitsverhältnis war zwar befristet. Darauf kommt es aber, zumindest im Streitfall, nicht an. So hatte der BFH in seinem Urteil vom 10. April 2019 VI R 6/17 (BStBl II 2019,539) ausgeführt, dass das Vorliegen eines befristeten Leiharbeitsverhältnisses die Annahme einer dauerhaften Zuordnung nicht ausschließe. Insbesondere stehe der dem Direktionsrecht des Arbeitsgebers geschuldete allgemeine Vorbehalt der jederzeitigen Umsetzung oder Versetzung im Arbeitsvertrag einer dauerhaften Zuordnung an sich nicht entgegen. Nach dem diesem BFH-Urteil zugrundeliegenden Sachverhalt kam es darauf allerdings deshalb nicht an, weil dort, anders als im hiesigen Streitfall, das zu beurteilende Arbeitsverhältnis bereits befristet war. Die Ausführungen des BFH waren dort also nicht für die Entscheidung tragend, sog. obiter dictum. Dennoch wendet der erkennende Senat diese Grundsätze auf den hiesigen Streitfall an.
Im Ergebnis hing der Einsatz des Klägers bei B zwar davon ab, dass B das Leiharbeitsverhältnis nach Ablauf der jeweils mit A vereinbarten Frist fortsetzte. Damit ging es dem Kläger aber nicht anders als einer Vielzahl von Arbeitnehmern, deren Einsatz z.B. von der Auftragslage des Arbeitgebers abhängt. Wie dargestellt ist es für die Annahme einer dauerhaften Zuordnung des Klägers zur ersten Tätigkeitsstätte bei B auch unerheblich, dass nach dem Arbeitsvertrag des Klägers mit A ein Einsatz bei anderen Kunden von A (theoretisch) möglich war. Auch hier unterscheidet sich das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht wesentlich von denjenigen Arbeitsverhältnissen, bei denen Arbeitgeber nicht ein Zeitarbeitsunternehmen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision wird zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).