Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.07.2021, Az.: 13 K 63/20
Berücksichtigen von Fahrtkosten mit der Entfernungspauschale als Werbungskosten i.R.e. Leiharbeitsverhältnisses
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 13.07.2021
- Aktenzeichen
- 13 K 63/20
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2021, 68898
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlage
- § 9 Abs. 4 S. 1, 2, 3 Alt. 1 EStG
Fundstellen
- DStRE 2022, 1228-1233
- StX 2022, 21-22
Tatbestand
Streitig ist, ob Fahrtkosten, die im Rahmen eines Leiharbeitsverhältnisses entstanden sind, mit 0,30 € pro Entfernungskilometer (Entfernungspauschale) oder mit 0,30 € pro gefahrenen Kilometer (Auswärtstätigkeit) als Werbungskosten berücksichtigt werden können.
Die Kläger sind Ehegatten, die in den Streitjahren zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Der Kläger (geboren am 28. Januar 1976) schloss am 12. September 2012 einen Arbeitsvertrag mit der Firma A mit Sitz in H. In dem Vertrag wurde ausgeführt, dass A seinen Kunden Mitarbeiter zur Verfügung stelle. Die dazu erforderliche Erlaubnis nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) sei vorhanden.
Weiter wurde ausgeführt (Nr. 1 Buchst. b und c des Vertrags):
Der Mitarbeiter wird in H (Einstellungsort) als ... eingestellt.
Der Mitarbeiter erklärt sich damit einverstanden, bei verschiedenen Kunden von A im Rahmen von gegebenenfalls auch wechselnden Projekten und Orten eingesetzt zu werden. Der räumliche Einsatzbereich wird wie folgt vereinbart: Gebiet - Norddeutschland.
Das Arbeitsverhältnis begann am 1. Oktober 2012 und war unbefristet (Nr. 3 Buchst. a des Vertrags). Nach Nr. 4 Bucht. a des Arbeitsvertrags war A - auch nach einem mehrmonatigen oder mehrjährigen Einsatz bei demselben Kunden - berechtigt, den Mitarbeiter von einem Einsatzort abzuberufen und ihn an einem anderen Einsatzort einzusetzen.
Außerdem schloss der Kläger am 12. September 2012 eine Zusatzvereinbarung "für einen X1-Einsatz mit Eingruppierung gemäß X1-Tarif ...", der sich auf einen Einsatz des Klägers bei dem Kunden "X1 GmbH" bezog.
Nach den Regelungen in der Zusatzvereinbarung erhöhte sich das in dem Arbeitsvertrag vereinbarte Gesamtgehalt von monatlich brutto 2.372,12 € ab dem Beginn des Einsatzes bei der Firma X1 - der ab dem 1. Oktober 2012 geplant war - auf monatlich brutto 3.690,54 €. Nach einem dreimonatigen ununterbrochenen, funktionsgleichen Einsatz bei der Firma X1 sollte sich das Zielgehalt auf monatlich brutto 3.784,94 € erhöhen. Dies entsprach dem Tarifgehalt des für den Standort B von X1 ausgehandelten Tarifvertrags in der Gehaltsgruppe ... Auch hinsichtlich des Urlaubs- und Weihnachtsgelds, einer Monatszulage und des Urlaubsanspruchs fand eine Angleichung an die bei X1 üblichen Regelungen statt (sog. Equal Pay).
Das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wurde von der Firma A Mitte 2014 gekündigt. Mit Schreiben vom 28. Juli 2014 nahm die Firma A die Kündigung "aufgrund des in der Zwischenzeit erfolgten Neueinsatzes bei unserem Kunden, der X2 GmbH" zurück.
Am 30. Juli 2014 schloss der Kläger mit der Firma A eine Zusatzvereinbarung für einen Einsatz bei der Firma "X2 GmbH" mit der Eingruppierung gemäß dem X2-Tarif ....
Das Arbeitsentgelt sollte sich nach Maßgabe der Zusatzvereinbarung ab dem Beginn des Einsatzes - der ab dem 1. August 2014 geplant war - auf monatlich brutto 3.411,92 € erhöhen. Dies entsprach dem Tarifentgelt des für den Standort B von der Firma X2 GmbH ausgehandelten Tarifvertrags in der Entgeltgruppe .... Für das Urlaubs- und Weihnachtsgeld und den Urlaubsanspruch wurden die bei der Firma X2 GmbH üblichen Regeln vereinbart (sog. Equal Pay).
Mit weiterer Zusatzvereinbarung vom 4. Juni 2015 vereinbarte der Kläger mit der Firma A eine Erhöhung des Zielgehalts ab dem 1. März 2015 auf die X2-Tarifgruppe .... Damit ging eine Erhöhung des Arbeitsentgelts auf monatlich brutto 3.622,03 € einher. Die übrigen Punkte des Arbeitsvertrages sowie der Zusatzvereinbarung blieben gültig.
Am 24. März 2016 stellte die Firma A für den Kläger eine Beschäftigungsbescheinigung aus, nach der dieser seit dem 1. Oktober 2012 in einem unbefristeten und ungekündigten Beschäftigungsverhältnis bei der Firma A stehe. Seit dem 1. August 2014 sei der Kläger bei dem Kunden X2 GmbH in B als ... eingesetzt.
Der Kläger machte in den Einkommensteuererklärungen 2014 bis 2017 bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit die Fahrtkosten zwischen seinem Wohnort in S und dem Einsatzort in B mit 0,30 € pro gefahrenen Kilometer geltend:
2014: | 220 Fahrten x 38 km x 2 x 0,30 € = | 5.016,00 € |
---|---|---|
2015: | 220 Fahrten x 38 km x 2 x 0,30 € = | 5.016,00 € |
2016: | 214 Fahrten x 38 km x 2 x 0,30 € = | 4.880,00 € |
2017: | 210 Fahrten x 38 km x 2 x 0,30 € = | 4.788,00 € |
Der Beklagte erkannte in den Einkommensteuerbescheiden 2014 und 2015, jeweils vom 19. Mai 2016, in dem Einkommensteuerbescheid 2016 vom 13. April 2014 und in dem Einkommensteuerbescheid 2017 vom 20. März 2019 lediglich Fahrtkosten in Höhe der Entfernungspauschale an:
2014: | 220 Fahrten x 38 km x 0,30 € = | 2.508,00 € |
---|---|---|
2015: | 220 Fahrten x 38 km x 0,30 € = | 2.508,00 € |
2016: | 214 Fahrten x 38 km x 0,30 € = | 2.439,60 € |
2017: | 210 Fahrten x 38 km x 0,30 € = | 2.394,00 € |
Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass der Kläger von der Zeitarbeitsfirma unbefristet eingestellt worden sei und dass er bis auf weiteres - also ohne Befristung - an den Kunden - die X2 GmbH - überlassen worden sei. Der Kläger habe dort seine Tätigkeit dauerhaft ausgeübt. Deshalb könne nur die Entfernungspauschale anerkannt werden.
Gegen die Einkommensteuerbescheide legten die Kläger am 10. Juni 2016 (Einkommensteuer 2014 und 2015), am 14. Mai 2018 (Einkommensteuer 2016) und am 29. März 2019 (Einkommensteuer 2017) Einspruch ein. Zur Begründung führten die Kläger aus, dass ein Leiharbeitnehmer beim Entleiher keine erste Tätigkeitsstätte habe. Er übe eine Auswärtstätigkeit aus.
Nach dem Arbeitsvertrag sei der Kläger verpflichtet, seine Arbeitsleistung an wechselnden Einsatzstellen zu erbringen. Seine Arbeitgeberin habe das Recht gehabt, ihn jederzeit von einem Einsatz beim Kunden abzuberufen und anderweitig einzusetzen. Der Kläger habe keinen Einfluss auf die zugewiesenen Einsatzstellen gehabt. Es habe für ihn keine Möglichkeit bestanden, auf die Verträge zwischen seiner Arbeitgeberin und dem Kunden Einfluss zu nehmen. Wenn das Vertragsverhältnis zwischen der Arbeitgeberin und dem Kunden beendet worden wäre, wäre der Einsatz des Klägers bei dem Entleiher ebenfalls beendet gewesen.
Sinn und Zweck der Arbeitnehmerüberlassung sei der Ausgleich von Arbeitsspitzen. Eine dauerhafte Überlassung von Arbeitskräften sei weder vorgesehen noch zulässig. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG bestimme, dass die Arbeitnehmerüberlassung nur vorübergehend erfolge. Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 10. Dezember 2013 (9 AZR 51/13) dürfe die Überlassung von Leiharbeitnehmern nur vorübergehend erfolgen. Das Steuerrecht müsse dem Arbeitsrecht folgen.
Es sei zweifelhaft, ob bei einem Leiharbeitnehmer, der bei ständig wechselnden Kunden eingesetzt werden könne, von einer "dauerhaften Zuordnung" gesprochen werden könne. Dazu seien Klageverfahren anhängig.
Im Jahr 2016 sei der Kläger für längere Zeit zu einem Einsatzort in R (Ausland) abgeordnet worden. Schon allein deshalb könne er in B keine dauerhafte Zuordnung gehabt haben.
Nach dem Ergehen des BFH-Urteils vom 10. April 2019 (VI R 6/17) nahm der Beklagte die Bearbeitung der bis dahin ruhenden Einsprüche wieder auf. Der Beklagte war nunmehr der Auffassung, dass das BFH-Urteil nicht einschlägig sei.
Die Kläger waren der Auffassung, dass die Abordnung an den Einsatzort in B bei den Firmen X1 / X2 niemals unbefristet gewesen sei. Über die Abordnung sei halbjährlich oder jährlich neu entschieden worden. Die Kläger legten hierzu eine Regelungsabrede über den Verlängerungsprozess für Leiharbeitskräfte vor. Zudem führte der Kläger in einem persönlichen Gespräch mit der Sachbearbeiterin des Beklagten am 28. Januar 2020 aus, dass es sich um ein befristetes Leiharbeitsverhältnis gehandelt habe, dass jährlich verlängert worden sei. Eine Versetzung an einen anderen Standort oder eine Beendigung der Entsendung sei immer möglich gewesen. Der Kläger sei ausweislich des Arbeitsvertrags dem Tätigkeitsort H zugeordnet worden.
Der Beklagte war dagegen der Auffassung, dass entscheidend sei, dass der Kläger nie in H, sondern immer nur in B tätig gewesen sei. Deshalb habe sich die Zuweisung über die gesamte Dauer des Dienstverhältnisses nicht geändert. Es hätte in den Streitjahren weiterhin die erstmalige Zuordnung bestanden, sodass kein Reisekostenrecht anzuwenden sei.
Hinzu komme, dass der Kläger über einen Zeitraum von mehr als 48 Monaten in B tätig gewesen sei, sodass auch schon aus diesem Grund von einer ersten Tätigkeitsstätte auszugehen sei (§ 9 Abs. 4 Satz 3 Alternative 3 Einkommensteuergesetz - EStG -).
Mit Einspruchsentscheidung vom 24. März 2020 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Entgegen der Rechtsauffassung der Kläger ergebe sich aus Nr. 1 Buchst. b des Arbeitsvertrags nicht, dass der Kläger in H seine erste Tätigkeitsstätte innegehabt habe. Bei der Firma A handele es sich um einen spezialisierten Personaldienstleister mit Standorten in H, B, A und D. Die Formulierung in dem Arbeitsvertrag sei dahingehend zu verstehen, dass der Kläger lediglich organisatorisch unter dem Standort H geführt worden sei. Aus dem Arbeitsvertrag ergebe sich, dass der Kläger im gesamten norddeutschen Raum hätte eingesetzt werden können. Dies sei durch die Zusatzvereinbarung dahingehend konkretisiert worden, dass eine Tätigkeit bei der X1 GmbH zu leisten gewesen sei.
Es liege ein unbefristetes Leiharbeitsverhältnis vor. Der Kläger sei seit dem 1. August 2014 dauerhaft bei der Firma X2 GmbH am Standort B eingesetzt worden. Aus diesem Sachverhalt ergebe sich eine dauerhafte Zuordnung zum Betrieb des Entleihers, unabhängig davon, ob vertraglich eine jederzeitige Umsetzung- oder Versetzungsmöglichkeit bestanden habe. Eine dauerhafte Zuordnung zu einem Entleiher sei nur dann nicht gegeben, wenn von vornherein Abmachungen existieren würden, dass nach einem bestimmten Zeitraum ein Wechsel in einen anderen Betrieb erfolgen werde.
Mit am 24. April 2020 eingegangener Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.
Entgegen der Auffassung des Beklagten sei der Kläger dem Betrieb in B nicht dauerhaft zugeordnet gewesen. Deshalb handele es sich bei diesem Betrieb nicht um seine erste Tätigkeitsstätte. Es sei zwischen dem Kläger und dessen Arbeitgeberin ausdrücklich arbeitsvertraglich vereinbart gewesen, dass ein Einsatz des Klägers im gesamten norddeutschen Raum im Rahmen von wechselnden Projekten möglich gewesen wäre. Die erste Tätigkeitsstätte sei nach dem Arbeitsvertrag am Einstellungsort H gewesen. Arbeitsvertraglich sei unter Nr. 4 Buchst. a vereinbart worden, dass die Arbeitgeberin jederzeit, auch nach einem mehrmonatigen oder mehrjährigen Einsatz bei demselben Kunden die Möglichkeit gehabt habe, den Kläger von einem Einsatzort abzuberufen und an einen anderen Einsatzort einzusetzen. Es sei für die Arbeitgeberin auch zwingend notwendig gewesen, den Kläger nicht dauerhaft dem Betrieb eines Kunden zuzuordnen. Die Möglichkeit, den Kläger je nach den Notwendigkeiten variabel im gesamten norddeutschen Raum einzusetzen, sei wesentliche Vertragsgrundlage gewesen. Dies sei dem Kläger bei Vertragsunterzeichnung auch bekannt gewesen.
Es treffe nicht zu - wie es der Beklagte vertrete - dass es Voraussetzung für eine erste Tätigkeitsstätte sei, dass der Steuerpflichtige an diesem Ort zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen habe. § 9 Abs. 4 EStG verlange ein Tätigwerden an der ersten Tätigkeitsstätte nur dann, wenn es an einer arbeitsrechtlichen Festlegung der Tätigkeitsstätte fehle oder der Arbeitnehmer einem Dritten dauerhaft zugeordnet sei. Im vorliegenden Fall habe es aber eine konkrete arbeitsvertragliche Festlegung gegeben. Deshalb sei ein Tätigwerden des Klägers am Ort der ersten Tätigkeitsstätte in H nicht notwendig gewesen.
Der Kläger sei auch zu keinem Zeitpunkt einem Dritten (einem Kunden) dauerhaft zugeordnet worden. Dafür spreche der Umstand, dass der Kläger von seinem Arbeitgeber im Jahr 2014 von seinem damaligen Einsatzort abberufen und anschließend in einem anderen Betrieb eingesetzt worden sei. Der Wechsel der Zuordnung belege eindeutig, dass der Kläger eben nicht dauerhaft einem Betrieb zugeordnet worden sei.
Die Kläger beantragen,
unter Änderung der Einkommensteuerbescheide 2014, 2015 vom 19. Mai 2016, 2016 vom 13. April 2018 und 2017 vom 20. März 2019 in Gestalt des Einspruchsbescheids vom 24. März 2020 die jeweilige Einkommensteuer auf die Beträge herabzusetzen, die sich unter Berücksichtigung der Fahrtkosten als Reisekosten ergeben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zwar könne die Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte grundsätzlich in einem Arbeitsvertrag erfolgen. Hierfür sei jedoch erforderlich, dass der Arbeitnehmer an dem Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen habe. Dies ergebe sich aus § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG. Deshalb sei H nicht die erste Tätigkeitsstätte. An diesem Ort sollte der Kläger nie tätig werden.
Die ortsfeste betriebliche Einrichtung der Firma A in H sei nicht maßgeblich, da der Kläger an einen Kunden im Bereich der ... Industrie für einen dortigen Einsatz vermittelt werden sollte. Eine Zuordnung eines Arbeitnehmers zu einer betrieblichen Einrichtung allein aus tarifrechtlichen, mitbestimmungsrechtlichen oder organisatorischen Gründen (zum Beispiel aus Gründen der Personalaktenführung), ohne dass der Arbeitnehmer in dieser Einrichtung tätig werden solle, sei keine Zuordnung im Sinne des § 9 Abs. 4 EStG.
Erforderlich, aber auch ausreichend sei, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen habe, die er arbeitsvertraglich schulde und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören würden (BFH-Urteil vom 4. April 2019 VI R 27/17, BStBl II 2019, 536). Dieser Ort sei im konkreten Fall zunächst der Betrieb der Firma X1 GmbH bzw. seit dem 1. August 2014 der Betrieb der Firma X2 GmbH.
Der BFH habe in seinem Urteil vom 10. April 2019 VI R 6/17 entschieden, dass selbst beim Vorliegen eines befristeten Leiharbeitsverhältnisses die Annahme einer "dauerhaften Zuordnung" nicht ausgeschlossen sei. Die jederzeitige Umsetzungs- oder Versetzungsmöglichkeit in dem Arbeitsvertrag stehe einer "dauerhaften Zuordnung" nicht entgegen.
Der Kläger sei durch die Zusatzvereinbarung vom 12. September 2012 der Firma X1 GmbH am Standort B zugeordnet worden. Mit Zusatzvereinbarung vom 30. Juli 2014 sei der Kläger der Firma X2 GmbH in B zugeordnet worden. Beide Firmen würden über ortsfeste betriebliche Einrichtungen in B verfügen. Die Zuordnung sei unbefristet im Sinne von § 9 Abs. 4 Satz 3 Alternative 1 EStG erfolgt, weil die Dauer der Zuordnung zu der Tätigkeitsstätte aus der maßgeblichen Sicht ex ante nicht kalendermäßig bestimmt gewesen sei und sich auch nicht aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung ergeben habe.
Aufgrund einer Rückfrage des Berichterstatters führten die Kläger aus, dass abweichend von den Angaben in den Steuererklärungen für die Jahre 2014 und 2015 die Anzahl der Fahrten 211 (2014) und 224 (2015) betragen habe. Der Wechsel von dem Entleiher "X1 GmbH" zu dem Entleiher "X2 GmbH" habe an dem Tätigkeitsort nichts geändert. Allerdings sei die Art der Tätigkeit unterschiedlich gewesen. Bei der "X1 GmbH" sei der Kläger als ... (Tätigkeit 1) und bei der "X2 GmbH" als ... (Tätigkeit 2) eingesetzt worden. Im Streitjahr 2016 habe sich der Kläger vom 15. Februar 2016 bis zum 26. Februar 2016 und vom 29. März 2016 bis zum 8. April 2016 zu einem Lieferantenbesuch in R (Ausland) aufgehalten. Deshalb habe er nur 207 Fahrten zur Tätigkeitsstätte in B absolviert.
Mit Schreiben vom 5. Mai 2020 verzichteten die Kläger auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Mit Schreiben vom 30. April 2021 erklärte auch der Beklagte den Verzicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
I. Der Beklagte hat die geltend gemachten Fahrtkosten zu Recht mit der Entfernungspauschale berücksichtigt.
1. Beruflich veranlasste Fahrtkosten sind Erwerbsaufwendungen. Handelt es sich bei den Aufwendungen des Arbeitnehmers um solche für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 4 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung, ist zur Abgeltung dieser Aufwendungen für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufgesucht hat, grundsätzlich eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von 0,30 € anzusetzen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sätze 1 und 2 EStG).
2. Der Arbeitsort des Klägers in B ist die erste Tätigkeitsstätte des Klägers. Deshalb können die Fahrtkosten des Klägers nur in Höhe von 0,30 € pro Entfernungskilometer (sog. Entfernungspauschale) und nicht in Höhe von 0,30 € pro gefahrenen Kilometer (Auswärtstätigkeit) berücksichtigt werden.
"Erste Tätigkeitsstätte" ist nach der Legaldefinition in § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 Aktiengesetz - AktG -) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Der Begriff der "ersten Tätigkeitsstätte" hat mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2014 den bisherigen Begriff der "regelmäßigen Arbeitsstätte" ersetzt (vgl. Art. 1 Nr. 4 und Art. 6 des Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20. Februar 2013, BGBl I 2013, 285). Von Bedeutung ist nunmehr, ob eine "ortsfeste betriebliche Einrichtung" vorliegt, ob der Arbeitnehmer dieser Einrichtung "zugeordnet" ist und ob die Zuordnung "dauerhaft" ist.
a) Das Werksgelände des X-Konzerns in B ist eine "ortsfeste betriebliche Einrichtung" im Sinne von § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG.
aa) "Ortsfeste betriebliche Einrichtungen" sind räumlich zusammengefasste Sachmittel, die der Tätigkeit des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten dienen und mit dem Erdboden verbunden oder dazu bestimmt sind, überwiegend standortgebunden genutzt zu werden. Eine (großräumige) erste Tätigkeitsstätte liegt auch vor, wenn eine Vielzahl solcher Mittel, die für sich betrachtet selbständige betriebliche Einrichtungen darstellen können (z.B. Werkstätten und Werkshallen, Bürogebäude und -etagen sowie Verkaufs- und andere Wirtschaftsbauten), räumlich abgrenzbar in einem organisatorischen, technischen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten stehen. Demgemäß kommt als eine solche erste Tätigkeitsstätte auch ein großflächiges und entsprechend infrastrukturell erschlossenes Gebiet (z.B. Werksanlage, Betriebsgelände, Bahnhof oder Flughafen) in Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 10. April 2019 VI R 17/17, BFH/NV 2019, 904 [BFH 03.04.2019 - VI R 46/17], Rz. 16 bei juris: fliegendes Personal; BFH-Urteil vom 11. April 2019 VI R 36/16, BFHE 264, 240, BStBl II 2019, 543, Rz. 17 bei juris: Gesamthafenarbeiter; BFH-Urteil vom 11. April 2019 VI R 40/16, BFHE 264, 248, BStBl II 2019, 546, Rz. 20 bei juris: Flugzeugführerin; BFH-Urteil vom 11. April 2019 VI R 12/17, BFHE 264, 265, BStBl II 2019, 551, Rz. 15 bei juris: Luftsicherheitskontrollkraft; BFH-Urteil vom 1. Oktober 2020 VI R 36/18, BFH/NV 2021, 309, Rz. 15 bei juris: Werksbahn-Lokomotivführer).
bb) Bei dem Werksgelände des X-Konzerns handelt es sich zwar nicht um Werkstätten und Werkshallen, die von der Arbeitgeberin des Klägers, der Firma A, genutzt wurden. Sie dienten aber einem von der Arbeitgeberin des Klägers "bestimmten Dritten", nämlich der "X1 GmbH" (bis Mitte 2014) und anschließend der "X2 GmbH" (ab Mitte 2014) für deren standortgebundene Produktion in B. Beide genannten "Dritte" sind Gesellschaften innerhalb des X-Konzerns. Die "X1 GmbH" ist die zentrale Gesellschaft des X-Konzerns in Deutschland. Die "X2 GmbH" ist eine Tochtergesellschaft der X SE. Das von diesen Gesellschaften genutzte Werksgelände in B ist - ausweislich von Luftbildern im Internet - räumlich abgegrenzt und stand in einem organisatorischen, technischen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit der genannten Gesellschaften.
b) Der Kläger war in den Streitjahren dieser ortsfesten betrieblichen Einrichtung des von der Arbeitgeberin bestimmten Dritten "zugeordnet".
aa) Die "Zuordnung" zu einer solchen Einrichtung wird gemäß § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt.
bb) Zu arbeitsrechtlichen Weisungen und Verfügungen zählen alle schriftlichen, aber auch mündlichen Absprachen oder Weisungen (BTDrucks 17/10774, S. 15). Die Zuordnung kann also insbesondere im Arbeitsvertrag oder durch Ausübung des Direktionsrechts kraft der Organisationsgewalt des Arbeitgebers vorgenommen werden. Die Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte muss dabei nicht ausdrücklich erfolgen. Sie setzt auch nicht voraus, dass sich der Arbeitgeber der steuerrechtlichen Folgen dieser Entscheidung bewusst ist. Wird der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber einer betrieblichen Einrichtung zugeordnet, weil er dort seine Arbeitsleistung erbringen soll, ist diese Zuordnung aufgrund der steuerrechtlichen Anknüpfung an das Dienst- oder Arbeitsrecht auch steuerrechtlich maßgebend. Deshalb bedarf es neben der arbeitsrechtlichen Zuordnung zu einer betrieblichen Einrichtung keiner gesonderten Zuweisung zu einer ersten Tätigkeitsstätte für einkommensteuerrechtliche Zwecke. Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer aus der Sicht ex ante nach den arbeitsrechtlichen Festlegungen an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten tätig werden sollte (BFH-Urteil vom 4. April 2019 VI R 27/17, BFHE 264, 271, BStBl II 2019, 536, Rz. 16 bei juris: Polizist im Streifendienst; BFH-Urteil vom 10. April 2019 VI R 6/17, BFHE 264, 258, BStBl II 2019, 539, Rz. 20 bei juris: Leiharbeitnehmer; BFH-Urteil vom 11. April 2019 VI R 36/16, BFHE 264, 240, BStBl II 2019, 543, Rz. 20 bei juris: Gesamthafenarbeiter; BFH-Urteil vom 11. April 2019 VI R 40/16, BFHE 264, 248, BStBl II 2019, 546, Rz. 23 bei juris: Flugzeugführerin; BFH-Urteil vom 11. April 2019 VI R 12/17, BFHE 264, 265, BStBl II 2019, 551, Rz. 18 bei juris: Luftsicherheitskontrollkraft).
cc) Die arbeitsrechtliche Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers ist im Wege einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen. Dabei entspricht es regelmäßig der Lebenswirklichkeit, dass der Arbeitnehmer der betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers zugeordnet ist, in der er tatsächlich tätig ist oder werden soll. Die Zuordnungsentscheidung muss für ihre steuerliche Wirksamkeit nicht dokumentiert werden (a.A. BMF-Schreiben in BStBl I 2014, 1412, Rz. 10). Eine Dokumentationspflicht ist § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht zu entnehmen (BFH-Urteil vom 10. April 2019 VI R 17/17, BFH/NV 2019, 904 [BFH 03.04.2019 - VI R 46/17], Rz. 20 bei juris: fliegendes Personal; BFH-Urteil vom 11. April 2019 VI R 36/16, BFHE 264, 240, BStBl II 2019, 543, Rz. 21 bei juris: Gesamthafenarbeiter; BFH-Urteil vom 30. September 2020 VI R 10/19 VI R 10/19, BFHE 270, 465, BStBl II 2021, 306 [BFH 30.09.2020 - VI R 10/19], Rz. 18 bei juris: Postzusteller; BFH-Urteil vom 30. September 2020 VI R 11/19, BFHE 270, 470, BStBl II 2021, 308, Rz. 19 bei juris: Rettungsassistent).
dd) Im vorliegenden Fall ergibt sich aufgrund der umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, dass der Kläger nicht einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung seiner Arbeitgeberin in H zugeordnet war (wie es die Kläger vertreten), sondern dass er dem Werksgelände des X-Konzerns unter der Adresse ... in B zugeordnet war.
aaa) Zwar weisen die Kläger zu Recht darauf hin, dass in dem Arbeitsvertrag vom 12. September 2012 die Formulierung gewählt worden war, dass der Kläger "in H (Einstellungsort) als ... eingestellt" wird. Der Kläger unterschrieb aber am gleichen Tage - den 12. September 2012 - eine Zusatzvereinbarung, die einen Einsatz des Klägers bei der "X1 GmbH" am Standort B zum Inhalt hatte. Die Regelungen in der Zusatzvereinbarung belegen, dass die Vertragspartner von einer längerfristigen Tätigkeit am Standort B ausgingen. Es gibt nämlich mehrere vertragliche Regelungen, die erst nach einem dreimonatigen ununterbrochenen, funktionsgleichen Einsatz bei X in Kraft traten.
bbb) Aus der Gleichzeitigkeit der abgeschlossenen Vereinbarungen schließt der Senat, dass arbeitsrechtlich von Anfang an vorgesehen war, dass der Kläger ausschließlich in B arbeiten sollte. Dafür spricht auch die räumliche Situation. Während der Standort in B für den Kläger von seinem Wohnort in S ohne weiteres arbeitstäglich zu erreichen war, wäre dies bei einem Einsatzort in H nicht der Fall gewesen. Der Senat schließt sich zudem der Auffassung des BFH an, dass es regelmäßig der Lebenswirklichkeit entspricht, dass der Arbeitnehmer derjenigen betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers oder eines Dritten zugeordnet ist, in der er tatsächlich tätig ist oder tätig werden soll. Dabei ist es unerheblich, dass in der Zusatzvereinbarung keine ausdrückliche arbeitsrechtliche Zuordnung zum Standort B formuliert ist. Eine spezifische Dokumentationspflicht gibt es - wie bereits ausgeführt worden ist - nicht. Es reichen sogar mündliche Absprachen aus. Im vorliegenden Fall muss es dem Kläger aus seiner maßgeblichen ex ante Sicht klar gewesen sein, dass er nach den arbeitsrechtlichen Festlegungen - insbesondere nach der Zusatzvereinbarung - an der ortsfesten betrieblichen Einrichtung des X-Konzerns in B tätig werden sollte. Deshalb sprechen alle Umstände dafür, dass der Kläger von Beginn an dem Werksgelände der Firma X in B und nicht dem Standort H seiner Arbeitgeberin zugeordnet war.
ccc) Die weitere Entwicklung bestätigt die Zuordnung des Klägers zum Werksgelände des X-Konzerns in B. Als die Zusammenarbeit zwischen der Arbeitgeberin des Klägers und der X1 GmbH offenbar beendet worden war (Mitte 2014), wurde dem Kläger zunächst gekündigt. Erst durch die Neubeauftragung seitens der Firma X2 GmbH war eine weitere Beschäftigung in B möglich, so dass die Arbeitgeberin des Klägers ihre Kündigung zurückzog und den Kläger weiterbeschäftigte.
Dies geschah aber nur unter Abschluss einer neuen Zusatzvereinbarung vom 30. Juli 2014 für den Zeitraum ab dem 1. August 2014, aus der wiederum ersichtlich ist, dass der Kläger am Standort B zum Einsatz kommen sollte. Auch diese Vereinbarung war wiederum auf eine längerfristige Beschäftigung ausgelegt, da diverse Regelungen erst nach einem dreimonatigen ununterbrochenen und funktionsgleichen Einsatz eingriffen. Auch die weitere Zusatzvereinbarung vom 4. Juni 2015 ging ersichtlich von einem weitergeführten Einsatz am Standort B aus. Die Beschäftigungsbescheinigung der Arbeitgeberin vom 24. März 2016 lässt ebenfalls nicht erkennen, dass der Kläger dem Standort H zugeordnet war. Vielmehr wies die Bescheinigung der Arbeitgeberin ausschließlich den Standort B unter der Adresse ... in B als Einsatzort des Klägers aus.
ddd) Eine Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer betrieblichen Einrichtung allein aus tarifrechtlichen, mitbestimmungsrechtlichen oder organisatorischen Gründen (z.B. Personalaktenführung) ist bei fehlendem Tätigwerden des Arbeitnehmers in dieser Einrichtung keine Zuordnung im Sinne von § 9 Abs. 4 EStG (Tz. 7 des BMF-Schreibens vom 25. November 2020, BStBl I 2020, 1228). Der erkennende Senat ist - ebenso wie der Beklagte - der Auffassung, dass der in dem Arbeitsvertrag genannte "Einstellungsort H" lediglich dazu diente, den Kläger personalwirtschaftlich einem bestimmten Standort seiner Arbeitgeberin zuzuweisen, ohne dass damit eine Zuordnungsentscheidung im arbeits- und steuerrechtlichen Sinn gemeint war. Dies ergibt sich bereits zwanglos daraus, dass im Arbeitsvertrag - einen Absatz später - ein arbeitsrechtlicher Einsatz im Rahmen von wechselnden Projekten und Orten vereinbart wurde. Als Einsatzbereich wurde in diesem Absatz des Arbeitsvertrags das gesamte Gebiet Norddeutschland vereinbart. Vor diesem Hintergrund ist es naheliegend, dass die zunächst bloß grobe Zuordnung des Klägers auf ein größeres Einsatzgebiet durch die anschließend abgeschlossene Zusatzvereinbarung auf einen bestimmten Tätigkeitsort konkretisiert worden ist.
eee) Zwar trifft es zu, dass bei einer arbeitsrechtlichen Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer bestimmten Tätigkeitsstätte auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit, die der Arbeitnehmer dort ausübt oder ausüben soll, nicht mehr ankommt (BTDrucks 17/10774, S. 15; Tz. 7 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 25. November 2020 IV C 5-S 2353/1910011:006, BStBl I 2020, 1228 - BMF-Schreiben -). Erforderlich ist aber nach der Rechtsprechung des BFH, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören (BFH-Urteil vom 4. April 2019 VI R 27/17, BFHE 264, 271, BStBl II 2019, 536, Rz. 19 bei juris: Polizist im Streifendienst; BFH-Urteil vom 10. April 2019 VI R 17/17, BFH/NV 2019, 904 [BFH 03.04.2019 - VI R 46/17], Rz. 22 und 36 bei juris: fliegendes Personal; BFH-Urteil vom 11. April 2019 VI R 36/16, BFHE 264, 240, BStBl II 2019, 543, Rz. 23 bei juris: Gesamthafenarbeiter; BFH-Urteil vom 11. April 2019 VI R 40/16, BFHE 264, 248, BStBl II 2019, 546, Rz. 26 und 38 f. bei juris: Flugzeugführerin; BFH-Urteil vom 11. April 2019 VI R 12/17, BFHE 264, 265, BStBl II 2019, 551, Rz. 21 bei juris: Luftsicherheitskontrollkraft; BFH-Urteil vom 30. September 2020 VI R 10/19 VI R 10/19, BFHE 270, 465, BStBl II 2021, 306 [BFH 30.09.2020 - VI R 10/19], Rz. 19 und 28 bei juris: Postzusteller; BFH-Urteil vom 30. September 2020 VI R 11/19, BFHE 270, 470, BStBl II 2021, 308, Rz. 20 und 29 bei juris: Rettungsassistent; BFH-Urteil vom 16. Dezember 2020 VI R 35/18, BFH/NV 2021, 844, Rz. 20 bei juris: Gerichtsvollzieher; ausführlich: Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. Mai 2019 - 4 K 4259/17, EFG 2019, 1442, Rz. 34 ff. bei juris).
Denn nur unter Erfüllung dieser Voraussetzung kann die "erste Tätigkeitsstätte" als Anknüpfungspunkt für den Ansatz von Wegekosten nach Maßgabe der Entfernungspauschale und als Abgrenzungsmerkmal gegenüber einer auswärtigen beruflichen Tätigkeit dienen. Dies folgt nach Auffassung des BFH aus § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG, der zumindest für den Regelfall davon ausgeht, dass der Arbeitnehmer an der ersten Tätigkeitsstätte auch tatsächlich tätig werden soll. Darüber hinaus ist das Erfordernis einer zumindest geringfügigen Betätigung an diesem Ort nicht zuletzt dem Wortsinn des Tatbestandsmerkmals "erste Tätigkeitsstätte" geschuldet. Denn ein Ort, an dem der Steuerpflichtige nicht tätig wird (oder für den Regelfall nicht tätig werden soll), kann nicht als Tätigkeitsstätte angesehen werden. Schließlich erfordert auch das objektive Nettoprinzip, den Begriff der ersten Tätigkeitsstätte dahingehend auszulegen, dass zumindest im geringem Umfang dort Tätigkeiten zu erbringen sind. Denn anderenfalls würde sich die Steuerlast nicht - wie es gleichheitsrechtlich geboten ist - nach der individuellen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen bestimmen, sondern nach dem Belieben seines Arbeitgebers (BFH-Urteil vom 4. April 2019 VI R 27/17, BFHE 264, 271, BStBl II 2019, 536, Rz. 19 bei juris: Polizist im Streifendienst; BFH-Urteil vom 10. April 2019 VI R 17/17, BFH/NV 2019, 904 [BFH 03.04.2019 - VI R 46/17], Rz. 22 bei juris: fliegendes Personal; BFH-Urteil vom 10. April 2019 VI R 6/17, BFHE 264, 258, BStBl II 2019, 539, Rz. 23 bei juris: Leiharbeitnehmer; BFH-Urteil vom 11. April 2019 VI R 36/16, BFHE 264, 240, BStBl II 2019, 543, Rz. 23 bei juris: Gesamthafenarbeiter; BFH-Urteil vom 11. April 2019 VI R 40/16, BFHE 264, 248, BStBl II 2019, 546, Rz. 26 bei juris: Flugzeugführerin; BFH-Urteil vom 11. April 2019 VI R 12/17, BFHE 264, 265, BStBl II 2019, 551, Rz. 21 bei juris: Luftsicherheitskontrollkraft).
Der Kläger ist zwar ohne nähere Begründung anderer Ansicht als der BFH. Der erkennende Senat folgt aber der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass H schon allein deshalb nicht die erste Tätigkeitsstätte des Klägers sein kann, weil der Kläger dort weder jemals gearbeitet hat noch dort jemals hat arbeiten sollen.
c) Der erkennende Senat geht auch davon aus, dass die Zuordnung "dauerhaft" im Sinne des § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG erfolgt ist.
Von einer "dauerhaften" Zuordnung ist ausweislich der in § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG aufgeführten Regelbeispiele insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer "unbefristet", "für die Dauer des Dienstverhältnisses" oder "über einen Zeitraum von 48 Monaten" hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll. Fehlt eine solche dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung auf eine Tätigkeitsstätte oder ist sie nicht eindeutig, ist die erste Tätigkeitsstätte nach Maßgabe des § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG diejenige betriebliche Einrichtung, an der der Arbeitnehmer dauerhaft (1) typischerweise arbeitstäglich tätig werden soll oder (2) je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll.
aa) Eine Zuordnung ist "unbefristet" im Sinne des § 9 Abs. 4 Satz 3 Alternative 1 EStG, wenn die Dauer der Zuordnung zu einer Tätigkeitsstätte aus der maßgeblichen Sicht ex ante nicht kalendermäßig bestimmt ist und sich auch nicht aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung ergibt (BFH-Urteil vom 4. April 2019 VI R 27/17, BFHE 264, 271, BStBl II 2019, 536, Rz. 21 bei juris: Polizist im Streifendienst; BFH-Urteil vom 10. April 2019 VI R 17/17, BFH/NV 2019, 904 [BFH 03.04.2019 - VI R 46/17], Rz. 24 bei juris: fliegendes Personal; BFH-Urteil vom 11. April 2019 VI R 36/16, BFHE 264, 240, BStBl II 2019, 543, Rz. 25 bei juris: Gesamthafenarbeiter; BFH-Urteil vom 30. September 2020 VI R 10/19 VI R 10/19, BFHE 270, 465, BStBl II 2021, 306 [BFH 30.09.2020 - VI R 10/19], Rz. 21 bei juris: Postzusteller; BFH-Urteil vom 30. September 2020 VI R 11/19, BFHE 270, 470, BStBl II 2021, 308, Rz. 22 bei juris: Rettungsassistent).
bb) Die Zuordnung erfolgt "für die Dauer des Dienstverhältnisses" gemäß § 9 Abs. 4 Satz 3 Alternative 2 EStG, wenn sie aus der maßgeblichen Sicht ex ante für die gesamte Dauer des Arbeits- oder Dienstverhältnisses Bestand haben soll (BFH-Urteil vom 11. April 2019 VI R 40/16, BFHE 264, 248, BStBl II 2019, 546, Rz. 29 bei juris: Flugzeugführerin; BFH-Urteil vom 11. April 2019 VI R 12/17, BFHE 264, 265, BStBl II 2019, 551, Rz. 24 bei juris: Luftsicherheitskontrollkraft; BFH-Urteil vom 30. September 2020 VI R 10/19 VI R 10/19, BFHE 270, 465, BStBl II 2021, 306 [BFH 30.09.2020 - VI R 10/19], Rz. 22 bei juris: Postzusteller; BFH-Urteil vom 30. September 2020 VI R 11/19, BFHE 270, 470, BStBl II 2021, 308, Rz. 23 bei juris: Rettungsassistent).
cc) Auch die geplante Zuordnung "über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus" gemäß § 9 Abs. 4 Satz 3 Alternative 3 EStG ist aus der ex ante Sicht des Arbeitnehmers zu beurteilen.
dd) Nach Auffassung des Senats ist die Zuordnung im vorliegenden Fall "unbefristet" und damit dauerhaft erfolgt.
aaa) Zwar hat der BFH in seinem Urteil vom 10. April 2019 (VI R 6/17, BFHE 264, 258, BStBl II 2019, 539, Rz. 26 bei juris: Leiharbeitnehmer) entschieden, dass eine unbefristete Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte bei einem Arbeitsverhältnis, dass seinerseits befristet ist, nicht in Betracht kommt. Diese Rechtsprechung ist im vorliegenden Fall aber nicht einschlägig, weil sich sowohl aus dem Arbeitsvertrag (Nr. 3 Buchst. a des Vertrags) als auch aus der Beschäftigungsbescheinigung der Arbeitgeberin vom 24. März 2016 ergibt, dass der Kläger in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stand.
bbb) Entgegen der Auffassung der Kläger kommt es insoweit nicht auf eine eventuelle Befristung des Vertragsverhältnisses zwischen den Unternehmen der X-Gruppe und der Arbeitgeberin des Klägers an. Unabhängig davon, dass der Inhalt dieser Verträge naturgemäß weder dem Kläger noch dem Finanzamt und dem Gericht bekannt ist, kommt es für die Frage der dauerhaften Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung auf den Arbeitsvertrag und die diesen ausfüllenden Abreden zwischen dem Arbeitnehmer und der Arbeitgeberin an. Würde man auf die zugrundeliegenden Verträge zwischen dem Arbeitgeber und dessen Kunden abstellen, müsste das Finanzamt regelmäßig prüfen, ob es die Auftragslage des Arbeitgebers rechtfertigt, von einer dauerhaften Zuordnung des Arbeitnehmers zu der ortsfesten betrieblichen Einrichtung auszugehen oder ob die wirtschaftliche Entwicklung des Arbeitgebers eher dafür spricht, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer alsbald aufgelöst wird (ähnlich: Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 28. Mai 2020 - 1 K 382/16, EFG 2020, 1412, Rz. 38 bei juris, Revision eingelegt, Az. des BFH VI R 32/20). Solche Erwägungen können für die Beurteilung der dauerhaften Zuordnung keine Rolle spielen. Deshalb ist es nach Ansicht des Senats auch unerheblich, dass die Leiharbeitsverhältnisse von den X-Unternehmen offenbar jährlich gegenüber der Firma A verlängert worden sind.
ccc) Entscheidend sind vielmehr die Vereinbarungen zwischen dem Kläger und seiner Arbeitgeberin. In den Zusatzvereinbarungen vom 12. September 2012, vom 30. April 2017 und vom 4. Juni 2015 befanden sich keine Klauseln über ein absehbares Ende der Beschäftigung bei der Firma X. Die einzigen Regelungen im Zusammenhang mit einer Beendigung der Tätigkeit bezogen sich darauf, dass die zusätzlichen Ansprüche (Equal Pay) entfallen sollten, wenn der Kläger nicht mehr in dem Betrieb von X tätig sein würde. Damit knüpfen die Zusatzvereinbarungen an die grundlegende Regelung in Nr. 4 Buchst. a des Arbeitsvertrags an, nach der die Arbeitgeberin auch nach mehrmonatigem oder mehrjährigem Einsatz bei demselben Kunden berechtigt war, den Mitarbeiter von dem Einsatzort abzuberufen und an einen anderen Einsatzort einzusetzen.
ddd) Der BFH hat bereits entschieden, dass das Vorliegen eines befristeten Leiharbeitsverhältnisses die Annahme einer dauerhaften Zuordnung nicht ausschließt und dass der dem Direktionsrecht des Arbeitgebers geschuldete allgemeine Vorbehalt der jederzeitigen Umsetzung oder Versetzung im Arbeitsvertrag einer dauerhaften Zuordnung nicht entgegensteht (BFH-Urteil vom 10. April 2019 VI R 6/17, BFHE 264, 258, BStBl II 2019, 539, Rz. 31 bei juris: Leiharbeitnehmer). Die bloße Möglichkeit der Versetzung an einen anderen Arbeitsort führt für sich genommen noch nicht zu einer lediglich befristeten Zuordnung (BFH-Urteil vom 4. April 2019 VI R 27/17, BFHE 264, 271, BStBl II 2019, 536, Rz. 29 bei juris: Polizist im Streifendienst; BFH-Urteil vom 10. April 2019 VI R 17/17, BFH/NV 2019, 904 [BFH 03.04.2019 - VI R 46/17], Rz. 33 f. bei juris: fliegendes Personal; BFH-Urteil vom 11. April 2019 VI R 40/16, BFHE 264, 248, BStBl II 2019, 546, Rz. 34 bei juris: Flugzeugführerin; BFH-Urteil vom 30. September 2020 VI R 10/19, BFHE 270, 465, BStBl II 2021, 306, Rz. 27 bei juris: Postzusteller; BFH-Urteil vom 30. September 2020 VI R 11/19, BFHE 270, 470, BStBl II 2021, 308, Rz. 28 bei juris: Rettungsassistent). Der bloße arbeitsvertragliche Vorbehalt, dass der Verleiher den Arbeitnehmer von der ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Entleihers abziehen könnte, reicht also nicht aus, um eine dauerhafte Zuordnung zu der Einrichtung des Entleihers zu verneinen.
eee) Deshalb ist im vorliegenden Fall eine dauerhafte Zuordnung gegeben. Unabhängig von dem generellen Vorbehalt der grundsätzlich möglichen anderweitigen Verwendung des Klägers waren die Zusatzvereinbarungen nach ihrem erkennbaren Sinn so abgefasst, dass der Kläger "bis auf Weiteres" also nicht befristet bei den X-Unternehmen eingesetzt werden sollte (ebenso: BFH-Urteil vom 10. April 2019 VI R 17/17, BFH/NV 2019, 904 [BFH 03.04.2019 - VI R 46/17], Rz. 34 bei juris in ausdrücklicher Abgrenzung zum Urteil des Niedersächsischen Finanzgericht vom 30. November 2016 - 9 K 130/16, EFG 2017, 202). Es gab keine Regelungen, die einen Einsatz bei anderen Kunden oder an anderen Einsatzorten in absehbarer Zeit wahrscheinlich machten. Deshalb konnte der Kläger aus seiner maßgeblichen ex ante Sicht davon ausgehen, dass er ohne eine von vornherein absehbare zeitliche Beschränkung an dem Standort in B tätig werden könnte. Daher konnte sich der Kläger - wie andere Arbeitnehmer auch, die nicht bei Zeitarbeitsunternehmen beschäftigt sind - auf seine Arbeitswegsituation einstellen (ebenso: Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 28. Mai 2020 - 1 K 382/16, EFG 2020, 1412, Rz. 35 bei juris, Revision eingelegt, Az. des BFH VI R 32/20).
fff) Nach Auffassung des Senats spricht der Umstand, dass während des Streitzeitraums der Entleiher von der "X1 GmbH" zur "X2 GmbH" gewechselt hat, nicht gegen die Würdigung, dass eine unbefristete und damit dauerhafte Zuordnung zu der ortsfesten betrieblichen Einrichtung vorlag.
Insoweit ist allerdings zu berücksichtigen, dass der BFH in seinem Urteil vom 10. April 2019 (VI R 6/17, BFHE 264, 258, BStBl II 2019, 539, Rz. 28 bei juris: Leiharbeitnehmer) entschieden hat, dass ein Arbeitnehmer, der im Rahmen eines befristeten Arbeitsverhältnisses bereits einer ersten Tätigkeitsstätte zugeordnet war und im weiteren Verlauf des Arbeitsverhältnisses einer anderen Tätigkeitsstätte zugeordnet wird, der zweiten Tätigkeitsstätte nicht mehr dauerhaft zugeordnet ist. In Bezug auf die zweite Zuordnung steht - aus der auch insoweit maßgeblichen Sicht ex ante - fest, dass sie jedenfalls nicht gemäß § 9 Abs. 4 Satz 3 Alternative 2 EStG für die gesamte Dauer des Dienstverhältnisses gilt, sondern lediglich für die Dauer des verbleibenden Arbeitsverhältnisses.
Das zitierte BFH-Urteil ist aber nach Ansicht des erkennenden Senats aus mehreren Gründen auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Zunächst ist das BFH-Urteil vom 10. April 2019 a.a.O. für ein befristetes Leiharbeitsverhältnis ergangen, auf das die Vorschrift in § 9 Abs. 4 Satz 3 Alternative 1 EStG ("unbefristete Zuordnung") - die im vorliegenden Fall als einschlägig angesehen wird - von vornherein nicht anwendbar ist. Die Ausführungen des BFH beziehen sich auf § 9 Abs. 4 Satz 3 Alternative 2 EStG. Außerdem lag dem BFH in seinem Urteil vom 10. April 2019 a.a.O. ein Sachverhalt vor, bei dem es um die Zuordnung zu verschiedenen Tätigkeitsstätten und nicht um den Austausch der Entleiher ging. Im vorliegenden Fall hat der Kläger vor und nach dem Wechsel der Entleiher auf dem Werksgelände des X-Konzerns gearbeitet, ohne dass sich an dem Tätigkeitsort etwas geändert hat. Da sich die steuerrechtlich relevante Zuordnung nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG auf die "ortsfeste betriebliche Einrichtung" und nicht auf den "vom Arbeitgeber bestimmten Dritten" bezieht, ist es nach Auffassung des erkennenden Senats unerheblich, ob sich der Eigentümer oder Nutzungsberechtigte der ortsfesten betrieblichen Einrichtung ändert. Entscheidend ist, ob der Steuerpflichtige örtlich an derselben Tätigkeitsstätte tätig bleibt.
ggg) Das Gericht kann keinen tatsächlichen Unterschied in der Belastungssituation zwischen dem Kläger und der Stammbelegschaft der X-Unternehmen - die für die Fahrtkosten nur die Entfernungspauschale geltend machen können - erkennen. Die Änderung des Reisekostenrechts durch das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20. Februar 2013 (BGBl I 2013, 285) diente auch dazu, entstandene Wertungswidersprüche aufgrund von Einzelfallentscheidungen der Rechtsprechung zu beseitigen und Belastungsgleichheit bei gleichen Sachverhalten wiederherzustellen. Die Annahme einer dauerhaften Zuordnung des Klägers zur ortsfesten betrieblichen Einrichtung der X-Unternehmen gewährleistet, dass Gleiches gleich behandelt wird.
Die Entfernungspauschale ist für Fälle der vorliegenden Art, die durch immer wiederkehrende Fahrten zu derselben Tätigkeitsstätte geprägt sind, eine sachgerechte und folgerichtige Ausnahme vom objektiven Nettoprinzip, die durch die Begrenzung der Abzugsmöglichkeit berücksichtigt, dass sich der Arbeitnehmer auf die immer gleichen Wege einstellen und die Wegekosten minimieren kann (vgl. BFH-Urteil vom 4. April 2019 VI R 27/17, BFHE 264, 271, BStBl II 2019, 536, Rz. 31 bei juris: Polizist im Streifendienst).
II. Soweit die Kläger auf Nachfrage des Berichterstatters zu der Anzahl der Fahrten weiter vorgetragen haben, hat die Klage ebenfalls keinen Erfolg.
1. Zwar behaupten die Kläger nunmehr, dass im Jahr 2015 mehr Fahrten angefallen seien (224), als in der Steuererklärung erklärt und von dem Beklagten berücksichtigt (220) worden sind. Dennoch scheidet ein Abzug mangels Nachweises aus. Der Berichterstatter hatte die Kläger ausdrücklich aufgefordert, die Anzahl der Fahrten nachzuweisen. Die Kläger haben eingeräumt, dass sie einen Nachweis nicht mehr führen können. Allein aufgrund des Vortrags der Kläger dürfen die zu berücksichtigenden Fahrten nicht erhöht werden. Es handelt sich lediglich um eine Schätzung der Kläger, für die es an einer tatsächlichen Grundlage fehlt.
2. Ein erweiterter Abzug scheidet auch aus, soweit die Kläger zu dem Aufenthalt des Klägers in R (Ausland) nunmehr näher vorgetragen haben. Die Kläger haben weder in der Steuererklärung für das Jahr 2016 noch während des Einspruchs- und Klageverfahrens geltend gemacht, dass dem Kläger insoweit Aufwendungen entstanden sind. Auswirkungen auf die erste Tätigkeitsstätte hatte der Aufenthalt in R - entgegen der Behauptung der Kläger im Einspruchsverfahren - nicht, weil es sich nur um zwei kurze auswärtige Tätigkeiten handelte ("Lieferantenbesuch"), die den Charakter des Arbeitsortes in B als erste Tätigkeitsstätte nicht berühren.
3. Soweit die Kläger für die Streitjahre 2014 und 2016 eingeräumt haben, dass die Anzahl der Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte vermutlich niedriger war, als in den Steuererklärungen angegeben worden sind (2014: 211 statt 220; 2016: 207 statt 214) darf das Gericht die geringere Anzahl an Fahrten nicht zugrunde legen. Das sog. finanzgerichtliche Verböserungsverbot erlaubt es nicht, dass das Finanzgericht eine höhere Steuer auswirft, als von dem Beklagten festgesetzt worden ist.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
IV. Die Revisionszulassung ergibt sich aus § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Es fehlt an einer höchstrichterlichen Rechtsprechung zu der Frage, wann Leiharbeitnehmer, die in einem unbefristeten Leiharbeitsverhältnis stehen, einem Arbeitsort "dauerhaft" zugeordnet sind. Die Grundsätze des BFH-Urteils vom 10. April 2019 (VI R 6/17, BFHE 264, 258, BStBl II 2019, 539: Leiharbeitnehmer im befristeten Arbeitsverhältnis) sind nach Auffassung des Senats auf die vorliegende Fallkonstellation nicht anwendbar. Deshalb hat auch schon der 1. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts in seinem Urteil vom 28. Mai 2020 (1 K 382/16, EFG 2020, 1412, Az. des BFH: VI R 32/20) die Revision zugelassen.