Landgericht Oldenburg
Urt. v. 05.10.2005, Az.: 5 S 590/04
Beendigung eines Dauerschuldverhältnisses i.R.v. Energielieferungen an einen Privathaushalt durch den Auszug eines Ehegatten
Bibliographie
- Gericht
- LG Oldenburg
- Datum
- 05.10.2005
- Aktenzeichen
- 5 S 590/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 38450
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOLDBG:2005:1005.5S590.04.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Oldenburg (Oldenburg) - 17.06.2004 - E8 C 8215/03(XIII)
Rechtsgrundlagen
- § 513 ZPO
- § 529 ZPO
- § 531 Abs. 2 ZPO
- § 546 ZPO
- §§ 249ff. BGB
- § 286 BGB
- § 1357 BGB
Fundstelle
- FamRZ 2006, 703 (Volltext mit red. LS)
In dem Rechtsstreit
...
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 24.08.2005
durch ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Oldenburg vom 17.06.2004 - E 8 C 8215/03 - geändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.448,04 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach §1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes vom 09.06.1998 seit dem 10.05.2001 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen; die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 105 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Der Beurteilung der Kammer liegen nach §540 Abs. 1 ZPO die tatsächlichen Feststellungen zugrunde, wie sie in dem angefochtenen Urteil enthalten sind. Neue entscheidungserhebliche Tatsachen haben sich im Berufungsrechtszug nicht ergeben; neuer, nach Maßgabe des §531 Abs. 2 ZPO zu berücksichtigender Tatsachenvortrag liegt nicht vor.
Nach §529 ZPO ist das angefochtene Urteil des Amtsgerichts nur eingeschränkt überprüfbar. Gegenstand der Überprüfung sind Verfahrensfehler, soweit sie von Amts wegen zu beachten sind oder mit der Berufung ausdrücklich gerügt werden. Die sich daran anschließende materielle Prüfung findet nicht umfassend statt, sondern das erstinstanzliche Urteil wird lediglich darauf überprüft, ob eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist, §§529 Abs. 2 S. 2, 513, 546 ZPO.
Auf der Basis des festgestellten Sachverhalts hat die Klägerin (auch) gegen den Beklagten einen Anspruch auf Bezahlung der Energielieferungen für die (frühere) Ehewohnung.
Bei Energielieferungen handelt es sich um ein Dauerschuldverhältnis wie es der BGH für einen Bierlieferungsvertrag oder eine dauernde Belieferung mit Holzspänen angenommen hat (BGH WM 81, 331). Von einem Sukzessiv- oder Teillieferungsvertrag unterscheidet er sich dadurch, daß nicht einzelne Teilleistungen eines Gesamtvolumens geleistet werden und von einem Rahmenvertrag dadurch, daß nicht jedesmal ein neuer detaillierter Vertrag auf der gemeinsamen Basis des Rahmenvertrages geschlossen wird.
Der urprüngliche Vertrag kam zustande, indem die Eheleute über den von der Klägerin zur Verfügung gestellten Anschluß fortdauernd Strom bezogen und bezahlten. Eines schriftlichen Vertrages bedarf es dazu ebenso wenig wie einer schriftlichen Anmeldung. Rechtlich unerheblich ist es weiter, über wen der beiden Eheleute der Kontakt zur Klägerin zustande kam und auf wessen Namen der Anschluß geführt wurde. Bei der Abnahme von Strom für die Ehewohnung handelt es sich um ein Geschäft im Rahmen des §1357 BGB, das beide Eheleute gleichermaßen berechtigte und verpflichtete. Eheleute haften danach gesamtschuldnerisch.
Durch den bloßen Auszug eines Ehegatten wird ein Dauerschuldverhältnis nicht beendet (MüKo/Wacke, BGB, 4. Aufl., §1357 RN 44; Soergel/Lange, BGB, 12. Aufl., §1357 RN 18).
Das Schuldverhältnis besteht demgemäß weiter, bis die Trennung dem Vertragspartner angezeigt wird. Dazu genügt es nicht, daß einer der Eheleute in einer anderen Wohnung Strom abnimmt. Daraus kann der Energielieferant nicht ersehen, daß die eheliche Lebensgemeinschaft aufgehoben ist. Es kann sich bei der zweiten Abnahmestelle um eine Zweitwohnung oder beispielsweise um eine für Unterhaltsberechtigte zur Verfügung gestellte Wohnung handeln.
Der Beklagte hat keine Tatsachen vorgetragen, aus denen eine Kündigung gegenüber der Klägerin zu entnehmen ist.
Gegen die Höhe der Energielieferungen hat die Kammer keine Bedenken. Der Beklagte hat keine Indizien dafür genannt, die den Schluß auf irgendwelche Unregelmäßigkeiten zuließen. Unter diesen Umständen benötigt die Kammer keine weiteren Beweise.
Zinsen sind unter dem Gesichtspunkt des Verzuges begründet.
Der Vortrag der Klägerin rechtfertigt jedoch nicht eine Verurteilung des Beklagten hinsichtlich der Kosten des Inkassoinstituts.
Ausgangspunkt für das Verlangen nach Schadensersatz wegen Verzuges sind die von der Rechtsprechung und Lehre entwickelten Grundsätze des Schadensersatzrechts. Danach kann der Geschädigte nach §§286, 249 ff. BGB die kausal aufgrund des Schuldnerverzuges aufgewendeten notwendigen Kosten ersetzt verlangen. Gleichzeitig muß sich der Gläubiger wie ein vernünftiger Geschädigter verhalten; er darf also nicht gegen das Schadensminderungsgebot des 254 Abs. 1 BGB verstoßen.
Vor diesem Hintergrund handelt ein Gläubiger auf eigenes Risiko, wenn er ohne sachgerechte Prüfung erfolglos ein Inkassoinstitut bemüht und es in der Folgezeit dennoch zur Einschaltung eines Rechtsanwalts und Gerichts kommt. Grundsätzlich sind daher Inkassogebühren neben Anwaltskosten nicht erstattungsfähig (MüKo/Ernst, BGB, 4. Aufl., §286 RN. 157).
Zwar soll es nach einer verbreiteten Ansicht ausreichen, daß der Gläubiger im Zeitpunkt der Beauftragung des Inkassobüros von der Beitreibbarkeit seiner Forderung durch das Institut ausgehen konnte (Nachw. bei OLG Düsseldorf, OLGZ 87, 494 und Ernst, a.a.O.). Mit dem OLG Düsseldorf geht die Kammer jedoch davon aus, daß darüber hinaus der Gläubiger aufgrund konkreter in seiner Rechtsbeziehung zu dem Schuldner oder in dessen Person liegender Umstände positive Kenntnis davon haben muß, daß der Schuldner bei Einschaltung eines Inkassobüros zahlen werde (OLG Düsseldorf a.a.O.; ähnlich OLG Karlsruhe NJW-RR 87, 15).
Solche besonderen Umstände liegen nicht allein darin, daß der Schuldner nicht zahlt (LG Berlin, NJW-RR 87, 802).
Die Klägerin hatte den Beklagte erfolglos gemahnt. In derartigen Fällen muß ein Gläubiger mangels sonstiger Kenntnisse davon ausgehen, daß der Schuldner nicht zahlen will oder kann. Einem vernünftigen Geschädigten kann es dann nur noch darum gehen, einen Vollstreckungstitel zu erlangen. Die Einschaltung eines Inkassounternehmens ist dann überflüssig (OLG Karlsruhe, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf §92 Abs. 2 ZPO.